Mit dem "Pilgerbericht" bezeichnet der Jesuitenorden ein wichtiges Dokument des Ordensgründers Ignatius von Loyola. In diesem berichtet er von den Erfahrungen seines Lebensweges, und wie ihn Gott dabei geführt hat.
1.Allgemeine Einführung 1.1.Text des Pilgerberichtes (BP = Bericht des Pilgers) Gattung des Textes Der BP stellt ein Vermächtnis für die Gesellschaft Jesu (SJ) dar; geistliche Biografie, persönliches heilsgeschichtliches Credo – er ist keine Autobiografie im eigentlichen Sinne. Gemäß der Vorworte soll er ein Testament sein, eine Hilfe zur Vervollkommnung und darum von großem Nutzen für die SJ. Der BP ist ein Gebrauchstext mit dem Blickwinkel: Wie hat Gott diesen Menschen geführt? Darum spricht man auch von der Pädagogik Gottes (vgl. BP 7; 14; 27) Anlass der Abfassung Aus Angst, dass Ignatius bald stürbe, drängt Nadal ihn, etwas zu hinterlassen. Da Camara gibt Gewissensrechenschaft gegenüber Ignatius, der dabei selber spürt, dass im eigenen Leben Dinge geschahen, die im Rückblick für andere wichtig und hilfreich sein könnten. Autor Als eigentlicher Autor gilt Ignatius selber. Dennoch hat den Bericht Da Camara protokolliert und verfasst (wahrscheinlich aber sehr wortgetreu). Von diesem stammt auch eine Zusammenstellung von Anekdoten zum Leben des Ignatius im sogenannten „Memoriale“. Form des BPs Erinnerungen werden berichtet, die am Ende des Lebens des Ignatius mündlich überliefert wurden. Darum historisch nicht immer ganz exakt (chronologische Irrtümer). Dazu z.T. auch Gestaltung durch Da Camara. Manche Teile sind als Lehrstück / Beispiel angelegt. Insgesamt ist eine Auswahl von Erfahrungen getroffen worden, von denen Ignatius sich erhoffte, dass sie verallgemeinerbar seinen (darum auch chronologisch große Lücken). Manche Passagen sind systematisiert, vgl. systematische Darstellung geistlicher Prozesse z.B. in Manresa.
1.2.Schicksal des Textes 1572 Pedro Ribadeneira verfasst offizielle Biografie im Auftrag des Ordens. Darin fließt der BP ein. Dies wird die offizielle und einziggültige Biografie im Orden (eine Art Heiligenlegende), alle anderen Versionen wurden unterdrückt. Handschriften des BP landeten in diversen Archiven. 1731 Publikation des BP auf Latein durch die Bollandisten (belgische Jesuiten), findet kaum Verbreitung. Für die These, der BP habe einen ersten Teil über die Jugend des Ignatius gehabt, gibt es keine sicheren Informationen. Absicht des BP war es, eine geistliche Biografie zu sein, darum Beginn erst mit der Bekehrung; Jugend nicht wichtig dafür. 1902 Heinrich Boehmer (protestantischer Forscher) publiziert BP auf deutsch unter dem Titel “Bekenntnisse des Ignatius von Loyola“ (vgl. Confessiones des Augustinus) 1904 erstmalige wissenschaftliche, historisch-kritische Publikation des BP als Originalausgabe in den monumenta histroica societatis iesu (spanisch, italienisch, lateinisch)
- Intensive Rezeption innerhalb des Ordens
- Revolutionierung des bisherigen Ignatiusbildes
- zuvor: Ignatius als genialer Stratege, Organisator, Asket, Soldat - danach: Ignatius auch als Mensch mit Fehlern, Mystiker, ...
2.Herkunft, Familie, kultureller Hintergrund des Iñigo des Loyola
2.1.Familie von Loyola
Altes ritterliches Geschlecht. Königstreue gegenüber dem kastillischen König. Von ihm erhielten sie immer wieder Gunsterweise (Lehen, Patronate, Privilegien). Kriegerische und stolze Familie. Wichtig: Eher der Sippschaft.
Loyola in der Nähe von Azpeitia (Baskenland). Patronatsrechte der Pfarrei in den Händen der Loyolas; Pfarrstelle meist von Familienmitgliedern (Söhnen) besetzt, was ein Macht- und Ehrfaktor war und auch finanziell einträglich war. Zur Zeit des Iñigo war sein älterer Bruder dort Pfarrer.
Loyola gehört zur Provinz Gibuzcoa, die von 14 Hauptfamilien regiert wurde. Die Loyolas waren darunter mit die mächtigsten und reichsten (Länderein und Untertanen). Iñigo wuchs in einem befestigten Schloss auf – steinerner Wohnturm.
Geboren wurde Iñigo etwa 1491 (laut Aussagen der Amme) vermutlich als jüngstes von 13 Kindern (daneben hatte der Vater wohl noch mehrere uneheliche Kinder). Schon als Kind bekam er die Tonsur und war damit vorerst zum Kleriker bestimmt – damit war er der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen.
Die Familie Loyola war sehr katholisch und durchaus gläubig, weswegen es etwas unscharf ist, die Erfahrungen, die Iñigo auf dem Krankenbett machte mit Bekehrungserlebnissen zu beschreiben. Trotz der vollzogen Rituale und dem festen Stehen in kirchlichen Traditionen, hatte die Familie Loyola – wie damals die ganze Gesellschaft – einen eher laxen Moralbegriff. D.h. sexuelle Vergehen und Gewaltdelikte gingen mit der Frömmigkeit zusammen.
2.2.Der junge Iñigo Seine Mutter starb wohl bei oder kurz nach seiner Geburt. Das Kind wurde an eine Amme gegeben, die Frau des Schmieds. [Im Rahmen dessen versucht Meisner eine psychoanalytische Deutung: Das zu junge Kind kann nicht trauern, dadurch später zwanghafte Identifikation mit der Verlustperson der Mutter und einer damit verbundenen „Wiedervereinigung“ mit derselben, das alles erwecke ein starkes Verlangen nach Frauen.] Tatsächlich war Bildung innerhalb der Familie Loyola geringgeschätzt und im Gegensatz dazu waren „Männer der Tat“, Machismus und Fraueneroberer höchst angesehen – dies jedoch wiederum psychoanalytisch zu deuten scheint mehr gewagt, zumal man dann zu einem recht klischeehaften Ergbnis kommt, Ignatius habe eine narzistisch-phallische Persönlichkeitsstruktur ausgebildet. Der Name Iñigo stammt von einem Abt aus Burgos, 10. Jh.. In Paris latinisiert Iñigo später seinen Namen in Ignatius, was von einer internationalen Notwendigkeit her rührte. Darüber hinaus hatte er eine starke Verehrung für Ignatius von Antiochien. 1504/07 wird Iñigo nach Arevalo gegeben und bekommt dort eine Pagenausbildung bis 1517. Dies waren für ihn sicherlich prägende Jahre. Obwohl schon Tonsur, war er jedoch nicht gänzlich darauf festgelegt, Kleriker zu werden. [Hat Iñigo in dieser Zeit etwas mit Frauen gehabt? Dafür gibt es einige Indizien, jedoch keine genauen Angaben. These, er sei Vater einer Tochter (Maria von Loyola). Allerdings wird im BP erwähnt, dass er bei seinem Weggang von Loyola einige finanziellen Dinge noch regelte; möglich, sind Zahlungen an die Mutter eines Kindes.] Leben und Tun in Arevalo: Iñigo wurde eingeführt ins Hofleben (höfische Kultur, Musik, Lesen du Schreiben, Sekretärsausbildung, Schreibgehilfe, vielleicht auch Buchhaltung). Etikette war wichtig; z.T. auch ritterliche Spiele. All das war förderlich für seinen späteren Umgang als General der SJ mit den Mächtigen der Welt. Für Iñigo selbst waren der luxuriöse Lebensstil und die eitle Kultur dort sehr bestimmend: Eitelkeit, Arroganz, Wichtigkeit, Konkurrenz. Jedoch er erhält dort keine soldatische Erziehung oder gar Ausbildung; vielmehr stand das ritterliche Ideal im Vordergrund mit der Suche nach Ehre. Herr von Arevalo war Don Juan Velazquez de Cuellar, Großschatzmeister des Königs von Kastillien und Haushofmeister der Königin.. Dieser weltläufige und bedeutende Diplomat führte Iñigo in die weite Welt ein. 1516/17 jedoch begann sein rascher Abstieg. Die Hofhaltung bricht mit seinem baldigen Tod zusammen und Iñigo muss sich einen neuen „Job“ suchen. Vielleicht ist dies bereits seine erste „Bekehrung“, im Sinne dessen, dass er sich umorientieren muss. Iñigo wird Junker beim Vizekönig von Navarra. Auch dort war er eher so etwas wie ein Sekretär oder persönlicher Vertrauter seines Herrn und nicht Soldat im eigentlichen Sinne. Jedoch in dieser Eigenschaft muss er 1521 die Festung in Pamlona gegen die Franzosen verteidigen, obwohl das eher aussichtslos war. Für ihn geht es dabei mehr um die Ehre. Vor dem Kampf legt er eine „Bruderbeichte“ ab. Im Kampf wird er verletzt, Gefangennahme, jedoch ehrenvolle Behandlung durch die Sieger. Verlegung als Kranker ins elterliche Schloss nach Loyola.
3.Bekehrungszeit des Iñigo
Begrifflich müsste man eher von Umkehrphase sprechen. Frage: Wie wirkt Gott im Inneren eines Menschen? Wie wirken menschliche Freiheit und göttliche Gnade zusammen? Das sind delikate Fragen, die Sprachschwierigkeiten mit sich bringen, bei der Beantwortung ist Vorsicht angebracht.
Missinterpretationen sind möglich. Man kann sich in Sachen Umkehr leicht verrennen. Als Begleiter muss man gut zuhören, wahrnehmen und sehr vorsichtig deuten.
3.1.Monatelanges Liegen auf dem Krankenbett Langeweile. Suche Nach Ritterromanen – es gab keine im Schloss; lediglich zwei fromme Bücher konnte man finden. Die Erfahrungen damit waren folgendermaßen: BP 6 Gedanken an eine Weltliche Karriere; Phantasien, Gefühle, Gedanken, Pläne, ... Verlangen = deseo (Begierde, Sehnsucht, Streben, ...) BP 7 Der Herr greift ein und gibt ihm andere Gedanken. Iñigo liest Heldentaten der großen Heiligen (vor allem interessieren ihn die Aspekte der Askese bei Franziskus und Dominikus). Auch hier wieder Bilder, Phantasien, Gedanken und Gefühle und auch hier schmiedet er Pläne (Identifikation). Iñigo hat zwei Verlangen in sich = dos deseos BP 8 Erste Unterscheidung (Unterscheidung der Geister). Iñigo bemerkt Unterschied zwischen den beiden Verlangen (deseos): Diesen Unterschied von Differenz und Korrespondenz/Kongruenz bemerkt Iñigo. Dies wird zur Urerfahrung und Urbild von geistlicher Unterscheidung. BP 9 Entscheidung: Iñigo hat das Bedürfnis, sein bisheriges Leben zu bedenken und Buße zu tun. In ihm sind konkrete Pläne, die Heiligen nachzuahmen und Buße zu tun. Gott und Jesus kommen überhaupt nicht vor! Er will sich selber reinige, retten und erlösen. BP 10 Marienvision: Die übermächtige Tröstung, die er hier erfährt, empfindet er als Bestätigung seines Entschlusses, sein Leben zu ändern. Das Innere Verlangen (deseo) ändert sich: Er empfindet mit einem mal Ekel gegenüber den Dingen des Fleisches (Ab diesem Zeitpunkt hat er Kontrolle über seine sinnlichen Regungen). Nach 31 Jahren kommt er darum zu der vagen Annahme, dass die Vision von damals echt gewesen sei.
3.2.Anmerkungen zur Lektüre BP 5+11 Iñigo schreibt 300 Seiten handschriftlich zu seiner Lektüre. Diese Seiten sind nicht mehr erhalten.
4.Die Blindheit des Iñigo / Auf dem Weg zum Montserrat – BP 13ff.
BP 14 Blindheit der Seele des Iñigo, aber zugleich Verlangen, dem Herrn zu dienen. Dabei geht er einen inneren und einen äußeren Weg:
Innerer Weg - allmählicher Bekehrungsprozess - Entschluss, sich zu bekehren - Abschied von Zuhause - Gelübde der Keuschheit BP 13
(bei familieneigener Wallfahrtskapelle)
- Geschichte mit dem Maueren (Wut und Aggression, perplex und verunsichert) - Entschluss, zum Montserrat zu gehen (Ablegung der Generalbeichte + Halten einer Nachtwache)
Äußerer Weg - Kontakt zur Kartause - Streit mit seinem Bruder - Aufbruch von Zuhause - Vermögensregelungen - Abschied - Neue Kleider, Bettelkleider aus Sackleinen (da Kleider damals sehr wichtig waren, war dies ein Skandal) - Nachtwache auf dem Montserrat (nach alter Rittertradition) - 3tägige Generalbeichte
Worin besteht die Blindheit des Iñigo? 1.)Entschluss, große Bußübungen auszuführen; in diesem Gedanken hatte er alle Tröstungen. Darin wollte er Gott gefallen. Iñigo will gar die Heiligen darin überbieten. - Nicht so genaue Erinnerung an seine Sünden - Er ist sich nicht bewusst, dass ihm seine Sünden von Gott bereits erlassen sind. - Überspielung der eigenen Sündhaftigkeit durch äußerliche Bußübungen und gleichzeitige Aufrichtung am Ideal. Wille zur Selbsterlösung, leistungsorientierte Spiritualität. 2.)BP 14,4+5: Konzentration auf äußerliche Dinge. Nichtbeachtung des Inneren (Demut, Liebe, Geduld und die Klugheit, mit ihnen umzugehen, diese inneren Tugenden fehlen ihm. “Undifferenzierung“ wird zum Merkmal seiner Blindheit. - Iñigo stellt sich nicht seiner Realität, er akzeptiert seine Schwachheit ebenso wenig, wie die Liebe du die Gnade Gottes. Er lebt in einer idealen Welt und akzeptiert nicht, dass Wachsen im geistlichen Leben prozesshaft geschieht und Zeit braucht. 3.)BP 15: Geschichte mit dem Mauren: Sein Ideal: Er will für die Ehre der Jungfrau Maria eintreten. Sein Ideal wird hinterfragt, er wird dabei unzufrieden und aggressiv (Wurzel religiösen Fanatismus’). Hinterher bleibt er ratlos, obwohl die Sache noch mal gut ging. - Er weiß noch nicht, wozu seine Ideale gut sind und wie er mit ihnen umgehen soll. Kommen diese Erfahrungen später in der SJ vor? - bei Bußübungen rät Ignatius zur Vorsicht und Milde - für die Eignung eines Kandidaten werden Klugheit und Unterscheidungsfähigkeit gefordert - Achten auf die konkreten Umstände des Ortes. Differenzierte Wahrnehmung der Realität.
5.Iñigo in Manresa BP 19-37
Von Montserrat will Iñigo eigentlich nach Jerusalem pilgern. Auf dem Weg nach Barcelona kommt er nach Manresa. Dort bleibt er 11 Monate. Warum? Vielleicht weil in Barcelona die Pest wütete und er dort nicht rein konnte. Vielleicht aber brauchte er für sich noch eine Zeit innerer Reifung.
- Die Zeit in Manresa wird für ihn zur wichtigsten spirituellen Reifezeit. (Manresa im Leben eines Novizen ist in etwa dem Noviziat gleichzusetzen.) Im BP sehr ausführliche und offene Beschreibung seiner Erfahrungen in Manresa.
5.1. Drei Phasen, in die man Manresa einteilen kann
5.1.1.Zeit des intensiven Gebets und der Buße ca. 4 Monate – trostvoll und ausgeglichen (BP 19 [20+21]) Lebensstil: Kein Wein, kein Fleisch, äußerliche Vergammelung, Arbeit gegen die Eitelkeit, Vorbild: franziskanisches Bettelmönchsideal. Täglicher Besuch der heiligen Messe, dabei liest er die Passion. Teilnahme am Chorgebet. - Beurteilung: Kann man so einen Lebensstil jemandem heute empfehlen? Ist es ratsam, für ein geistliches Leben und den Fortschritt darin, so zu agieren? Iñigo selber neigt hier zu Extremen. Visionen: Schlangenvision bereitet Vergnügen und spendet Trost (falscher). Wenn die Vision weg war, missfiel ihm dies. Später erkennt er, dass es eine Vision des Teufels war.
5.1.2.Zeit schwerer innerer Kämpfe, schwerer Versuchungen und innerer Skrupel, die ihn an den Rand des Selbstmordes bringen (BP 20-27a) Drei Anfechtungen: BP 20/21: Geistliche Bewegungen und Schwankungen, Zweifel (BP 20,2) Aufforderung zu Mutlosigkeit und Resignation, die Iñigo zunächst mit seinem Willen niederzuzwingen versucht (vgl. EB 325; Strategie des bösen Feindes). Häufig wiederkehrende Traurigkeit und Trostlosigkeit. Seine Gefühle des Trostes und der Ermutigung auch und gerade bezüglich des Gebets sind weg. Lustlosigkeit, Demotivation, Leere. BP 22ff.: Skrupel. Iñigo hat Zweifel an der Vollständigkeit seiner Generalbeichte. Suche um Hilfe bei Menschen bringt ihn nicht weiter. (Skrupel: a) psychologisch: Schuldgefühle und Gewissensbisse, die innere Ängste auslösen und die in der Seele eine Autonomie erlangen, über die man keine Kontrolle mehr hat. b) moraltheologisch: Sünden, die keine Sünden sind.) - Iñigo betet wie ein Wahnsinniger. Verzweiflungsschrei erst in BP 23,7 - Autoaggressiver Charakter in BP 24. Lehre der Kirche hält ihn davon ab. - Durch hartes Fasten will er eine Lösung erzwingen BP 24+25; Beichtvater verbietet ihm dies BP 25,3 - Neuerliches Aufkommen der Skrupel BP 25,4+5 - Skrupel bei Iñigo sind zugleich Zeichen eines asketischen Perfektionismus. Suche nach Selbsterlösung. Durch Tun will er sich heilig machen. Das schafft Aggressionen, die sich irgendwann gegen ihn selber richten. BP 26,2+3: Versuchung unter dem Schein des Guten Beim Einschlafen hat er so große Tröstungen, dass er bei ihnen verweilt und den gesunden Schlaf vernachlässigt (vgl. BP 54+55 – Ignatius als Workaholic / oder EB im Rahmen der Unterscheidung der Geister) - Rauskommen aus dieser Krise BP 27a: Er ändert seinen Entschluss und gibt die rigorose Askese auf. Er isst wieder Fleisch.(Später wird er vor übertriebener Askese warnen) Langsam wir er aus dieser Krise von Gott herausgeführt: BP 25,8 Initiative Gottes und BP 27,4 göttliche Pädagogik.
5.1.3.Zeit innerer Klärung, Erleuchtung und Tröstung, die prägend werden für sein ganzes weiteres Leben (BP 27b-34) Drei ineinander verschränkte Themen: 1. Auflösung übertriebener Strenge 2. Neue innere Gotteserfahrungen 3. Apostolisches Leben - Verschiebung der seelischen Kräftefelder: Hatte die Buße zu Anfang bei ihm ein äußerst großes Übergewicht gegenüber der Gotteserfahrung und des Apostolates, so kommt er mit der Zeit dahin, diese drei seelischen Kräftefelder bei sich in eine Balance zu bringen.
5 Gnadenerfahrungen von Manresa ab BP 28. Diese sind systematisch geordnet und strukturiert und prägenden Orden bis heute 1.Trinität: BP 28 Inneres Erleben der Trinität, was ihm als Gnade in seinem ganzem Leben erhalten bleibt (vg. EB Betrachtung von der Menschwerdung). [Trintarische Mystik des Ignatius: M. Zechmeister, „Mystik und Sendung“] 2.Schöpfung: BP 29,1+2 3.Eucharistie: BP 29,3-5; Strahlen von oben 4.Schau der Menschheit Jesu Christi: BP 29,6 5.Erleuchtung am Cardoneer an der Kirche St. Paul BP 30. Diese Erfahrung wird zentral für sein gesamtes späteres Leben in allen Belangen!!! Der Inhalt der Erleuchtung bleibt unklar. Er berichtet lediglich von „einer großen Klarheit des Verstandes“ BP 30,3f.. Es fehlt alles Affektive, vielmehr ist von einer Erkenntnis in Glaubensdingen die Rede. Umwandlung in einen anderen Menschen mit einer anderen Erkenntnisfähigkeit als zuvor.
5.2.Allgemeine Ergänzungen BP 31,3 Auflösung der Schlangenvision. Iñigo erkennt, dass dies eine Versuchung des Teufels war und dass diese Vision nur ein oberflächlicher Kick war, der ihn vom wahren geistlichen Leben abbringen sollte. Es war kein bleibender Trost, sondern ein falscher Trost, den er gespürt hatte, einer, der keine Frucht bringt, sondern nur in die Leere führt. Interessant, dass dies vor dem Kreuz geschieht. Iñigo wird zum Seelsorger. Er entdeckt sine Berufung , den Seelen zu helfen. Leute werden auf ihn aufmerksam und suchen bei ihm Hilfe. Mystische Erfahrungen führen ihn nicht zu einer Entrückung ins Jenseits (Vereinigung mit Gott, ...), sondern hin zu einer Seelsorge für und bei den Menschen. BP 32,2 Geistlicher Hochmut sucht Iñigo nochmals heim. Es kommt ihm der Gedanke, dass er gerecht sei. Diese Gefahr besteht immer gerade für diejenigen, die im geistlichen Leben Fortschritte gemacht haben. Das aber ist eine Sünde gegen die Gnade Gottes.
6.Wende von Jerusalem
Zunächst liegt der Akzent der Bekehrung des Iñigo nur auf inneren Aspekten.
Ab der Pilgerfahrt nach Jerusalem beginnt er mehr äußerliche Dinge zu schildern.
- Wie greift Gott durch äußere Ereignisse in sein Leben ein und korrigiert? Dies zu erkennen wird für ihn wichtig.
6.1.Jerusalem-Wallfahrten allgemein Seit 4. Jh. verbreitet sich die östliche Kirche im Heiligen Land. Verehrung der heiligen Stätten, dort prächtige Liturgien. Dann aufkommende Jerusalem-Wallfahrt, die u.a. in der Ostkirche eine wichtige Rolle spielt. Franziskaner lassen sich sehr früh dort nieder und fördern die Jerusalem-Wallfahrt in Europa und vor Ort. (Bis heute ist die Heilig-Land-Tradition bei den Franziskanern sehr stark). Im hohen Mittelalter überrollt der Islam diese Tradition. Im Spätmittelalter wird das immer bedrängender. Nur noch wenige Christen sind im Heiligen Land (Orthodoxe Christen und Franziskaner). Damals war es im Abendland vielfach üblich, dass man eine Jerusalem-Wallfahrt in seinem Leben machte (Dauer in der Regel 1Jahr; Genehmigung in Rom durch den Papst; Schiffe von Venedig aus; Führung im Heiligen Land durch die Franziskaner).
6.2.Ziele, die Iñigo mit seiner Jerusalem-Wallfahrt verband Bei Jesus sein, persönliche Andacht an den „historischen“ Orten pflegen (Inkarnationsrealismus des Iñigo) Den Seelen helfen. Erstmalige Erwähnung des Begriffes. Da es dort kaum Christen gab, wollte er dort wohl auch missionieren (bei Höchststrafe verboten) - Eigentlich will er keine Wallfahrt tun, sondern übersiedeln für immer. (Hintergrund: Mittelalterliche Kreuzfahrerspiritualität: Rückeroberung der Heiligen Stätten / Heilig-Land-Romantik) Ideal der urchristlichen Wanderapostel [vgl. Zwei-Bannerbetrachtung EB 144ff.]
6.3.1523 erste Wallfahrt des Iñigo Dominanz des Islam im östlichen Mittelmeerraum. Angst vor Überfällen und Schaden am eigenen Leib. Darum versammeln sich nur 21 Wallfahrer in Venedig, die sich von Handelsschiffen mitnehmen lassen. Einer von Iñigos Pilgergefährten ist Peter Füersli (Zürich), der Tagebuch schreibt (vgl. Boehmer).
6.4.Jerusalem-Wallfahrt im Pilgerbericht BP 35,4: Suche nach drei Tugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe. Iñigo will ganz auf Gott vertrauen, gerade auch in äußerlichen Dingen. Darum nimmt er keinerlei Geld mit. Der ganze Jerusalem-Bericht ist ein Beweisstück dafür, dass er 1. auf Gott vertraut hat und dabei blieb und dass er 2. von Gott nicht enttäuscht, sondern geführt wurde (vgl. Armutsexperiment). Genese des Jerusalem-Beschlusses: BP 08 träumerische Phantasien auf dem Krankenlager BP 09 ernste Absichten zu Büßerleben und Jerusalem-Wallfahrt BP 11 Vorsatz, sich auf den Weg zu machen – Berichte, was er dafür alles abgibt. BP 12 Absicht, von dort wieder zurückzukehren BP 42 Große Gewissheit in der Seele, dass Gott es ihm ermöglichen würde BP 45 Fester Entschluss, in Jerusalem zu bleiben. Eindruck, als würde sein Plan in Erfüllung gehen. Menschliche Widerstände gegen Jerusalem-Wallfahrt BP 12 Widerstand seiner Verwandten BP 40 Abraten in Rom von Personen, die ihn kennen. BP 45 Guardian auf dem Zion rät ihm von einem Aufenthalt ab. Entschluss des Iñigo bleibt fest, er bleibt stur. BP 46 Provinzial der Franziskaner in Jerusalem droht ihm die Exkommunikation an, wenn er ihm nicht Folge leistet. Er kommt zu der Meinung, dass ein Aufenthalt von Iñigo nur Ärger machen würde. Iñigos Entschluss kippt um. Obwohl er sich zwei Jahre lang darauf vorbereitet hatte. „Zweite Kanonenkugel“: Seine Pläne werden zerschlagen, alles wird ihm umgeworfen, er muss sich zum zweiten Mal gänzlich neu orientieren. BP 50,3 erstmalige Erwähnung von der Einsicht in Gottes Willen. Widerstreit von zwei Prinzipien: 1. subjektive Gewissheit durch Gebet auf dem Montserrat und 2. objektive kirchliche Autorität, die sich durchsetzt. - Erkenntnis: Nachgeben der objektiven kirchlichen Autorität. Für die Zukunft weiß er, dass seine Entscheidungen durch die objektive kirchliche Autorität entweder bestätigt oder widerlegt werden. Darin erkennt Iñigo den Willen Gottes, über die eigene subjektive Gewissheit hinaus (Verkirchlichung seines Weges). [vgl. Brief an Teresa Rejadella (Briefwechsel S. 27): Verallgemeinerung der Herangehensweise, den Willen Gottes für sich zu entdecken: 1. inneres Verspüren; 2. Abgleichen mit kirchlichen Gesetzen und Geboten, „denn derselbe Geist ist in allen Dingen“ (das Positive und die Aufrichtigkeit von beiden Seiten vorausgesetzt!)] BP 50,3 Entschluss, nach Barcelona zurückzukehren, zu studieren und den Seelen zu helfen. Hier ist erstmals die Gründung der Gesellschaft Jesu gedanklich angelegt.
7.Studienjahre des Ignatius - Überblick über 10 Jahre Studium
7.1.Entschluss zum Studium „Zweite Kanonenkugel“ in Jerusalem; s.o. BP 50,3: Begrünung zum Studium, um den Seelen zu helfen. Das Studium warum darum notwendig, weil es zu einer inhaltlichen Ausprägung des apostolischen Dienstes befähigen sollte. Bildung war also nützlich auch für Katechese und Verkündigung. Ignatius entwickelt sich vom charismatischen Pilger zum ausgebildeten Theologen, vom bettelnden Wanderer und Narr Gottes zum Mann der Kirche. Ungewöhnlich war, dass er trotz seines hohen Alters noch mit dem Studieren begann, schließlich standen etwa 10 Jahre vor ihm. - Folgen für SJ: Ignatius wollte, dass alle Jesuiten gut studierten. Dadurch entsteht am Beginn der Neuzeit ein neuer Priestertyp: intellektuell und gebildet (vgl. Parallelen bei Luther). Nach Trient setzt sich dieser Priestertyp in der ganzen Kirche durch – u.a. wegen Einrichtung von Priesterseminaren nach dem Vorbild der Jesuiten-Kollegien. [vgl. GK 34,26 Kennzeichen unserer Weise des Vorangehens: 553: Ignatius erkennt Notwendigkeit des Studiums für den apostolischen Dienst. Verheutigung ...]
7.2.Faktischer Studienverlauf 1524 Februar: Ankunft in Barcelona, dort 2-jähriger Aufenthalt. Unterkunft bei Ines Pasqual, Versorgung durch Isabel Roser. Lehrer war Jeronimo Ardevol. Dort lernt er Latein und studiert Grammatik. Nebenbei allerlei Apostolat; geistliche Gespräche mit reichen Frauen, Reform einiger Frauenklöster. Kontakt mit sogenannten Erasmianern – humanistischem Gedankengut. 1526 März: weiter nach Acalá (Zentralspanien), Wohnhaft im Spital, einem Armenhaus mit Obdachlosenasyl. Studium der Artes (Grundausbildung mit vielen Fächern. Unsicher, wie viel er dort studierte, denn er machte viel nebenher, hatte vielleicht Kontakte zu den Allumbrados und deren Gedankengut. 1527 Juni/Juli: Umzug nach Salamaca; 2-3-monatiger Aufenthalt. Berühmte Universität. Wenige Tage nach seiner Ankunft wird er von den Dominikanern zum Essen eingeladen – dort wird ihm auf den Zahn gefühlt. Sofortige Einkerkerung und Prozess. Urteilsspruch: Lehre und Sitten von ihm werden nicht beanstandet, er soll sich jedoch mit dem Apostolat zurückhalten, da er noch nicht fertig studiert habe. (Urteil gilt nur für die Diözese Salamanca). Ignatius erkennt das Urteil nicht an, will weiter im Apostolat dienen und zieht fort. 1527 September: Kurze Rückkehr nach Barcelona. 1527/1528 Winter: Reise nach Paris zur berühmtesten Universität der Welt. Dort 7-jähriger Aufenthalt. Eintritt im Kolleg von Montegut (Art Wohnheim und Unterrichtsort; darüber hinaus besucht er Vorlesungen in der Stadt). Dieses Kolleg war eher konservativ ausgerichtet un dem Mittelalter verpflichtet. (Ehemalige Studenten: Ersamus und Calvin) Ignatius lernt nochmals Latein und Humaniora. Umzug ins Armenstift St. Jaques, weiterhin Studium am Kolleg Montegut. 1529 Wechsel an das Kolleg St. Barbe – berühmt für literarische und humanistische Ausbildung. Für jeden Studenten war ein fester persönlicher Professor vorgesehen; für Ignatius ist das Dr. phil. et med. Juan la Peña, der erst 24 Jahre alt war (Ignatius ca. 40 Jahre); ebenfalls dessen persönliche Schüler waren Peter Faber und Franz Xaver, mit den Ignatius zusammenwohnte. An diesem Kolleg studierte Ignatius Philosophie, kam während dieser Zeit wohl mit lutherischem Gedankengut in Kontakt, das damals in Paris aktuell war. Er studiert aufs Baccalauriat und beendet mit dem Lizenziat. Mit 44 Jahren war er Magister artium (in der Philosophie) Ende 1533- Sommer 1535: Studium der Theologie am Dominikanerkolleg St. Jaques. Lehrbuch war die summa teologica von Thomas v.- Aquin. Studium der vom Nominalismus und dem Scotismus gereinigten Theologie. Gelesen wurden auch die Sentenzen des Petrus Lombardus. Vermutliche hört er auch einige Vorlesungen bei den Franzikanern. Trotz der Kürze des Studiums war dieses sehr intensiv und effizient. 1536 wird ihm ein anderthalb-jähriges Studium der Theologie bescheinigt.
7.3.Hinweise auf Ausbildungsordnung der SJ Gesamte Ausbildungs- und Studienordnung der SJ ist im wesentlichen geprägt von den Studienerfahrungen des Ignatius. Ab 1545 beginnt der Orden eigene Kollegien zu gründen, dort eigene Ausbildungsordnung. 1599 wird vom Gesamtorden die ratio studiorum für alle Jesuitenkollegien der Welt erstellt (prägte damals auch das Studiensystem der westlichen Welt insgesamt). modus parisiensis: Ab Spätmittelalter in Paris ein eigener Stil / eigene Pädagogik an der Universität: Einteilung der Schüler nach Leistungsniveau in einzelne Klassen. Schüler sollen selber lernen, denkne lernen, disputieren, wiederholen, ... (Übernahme dieses Stils in die Studien- und Ausbildungsordnung der SJ)
7.4.Störungen der Studienzeit
7.4.1.Geistliche Bewegungen und Gebetszeiten BP 54/55 Ignatius hatte heftige spirituelle Erleuchtungen und Bewegungen. Er bemerkt zwar, dass ihn das erfüllt, aber dass er auch gleichzeitig vom Studium abgelenkt wird (Versuchung unter dem Schein des Guten). Umstellung des geistlichen Lebensstils: Strukturierung des Tages.
7.4.2.Apostolische Tätigkeiten v.a. in Acalá hatte er intensive apostolische Tätigkeiten angefangen, jedoch er merkte, dass ihn das ablenkt. In Paris nimmt das fast gänzlich ab (Sprachschwierigkeiten waren hier wohl eher positiv förderlich fürs Studium). Später gilt auch für den Orden: „Relative Trennung“ von Studium und Arbeit.
7.4.3.Konflikte mit der Inquisition Vgl. Referat
7.4.4.Ideal der Bettelarmut Zunächst Versuch, durch Betteln den Studienunterhalt zu bestreiten. Dafür ging jedoch zu viel Zeit drauf, die er eher zum Studium brauchte. Dazu lange Wegzeiten und Hunger. Ignatius bemerkt, dass sich sein radikales Bettelapostolat nicht mit dem Studium vereinbaren lässt. Darum organisiert er Gelder, die er sich durch Bettelreisen nach Flandern und England erwirbt (reiche spanische Kaufleute). Zu radikales Armutsideal ist für ein Studium hinderlich und damit auch für ein späteres Apostolat, das doch auf ein ordentliches Studium angewiesen ist. Darum folgende Bestimmung für die Kollegien: Diese dürfen / sollen Pfründe und feste Einkünfte besitzen, damit für die Schüler und Scholastiker das Studium gesichert ist (benediktinisches Armutsideal).
8.Erste Exerzitienpraxis des Ignatius -
Gelübde von Montmartre
8.1.Exerzitien-Praxis des Ignatius In Alcalá, 5 Jahre nach seiner Bekehrung beginnt Iñigo selber Exerzitien zu geben. Er will das weitergeben, was er selbst erfahren hat. Es kommen Leute zu ihm, die ihn fragen. BP 57,2 Personen, denen er die GÜ gibt, kommen in ihm zu großer Kenntnis und Geschmack, andere zu Versuchungen und anderen Phänomenen. Inhalt der gegebenen Exerzitien Iñigo beschreibt selber sehr knapp, was er dort gemacht hat. Jedoch in den Untersuchungsprotokollen der Inquisition gibt es z.T. detaillierte Berichte darüber. Maria de la Flor sagt 1527 aus, was sich ungefähr als Exerzitienbild ergibt [vgl. Andreas Falkner: Die leichten Exerzitien in der frühen Praxis des Ignatius und der Peter Faber, Heft 54 (1989) Exerzitien-Spiritualität]: 1.Am Morgen ½ std Auswahl an Texten (z.B. aus den 10 Geboten, 7 Hauptsünden, 3 Seelenkräften, 7 Werken der Barmherzigkeit, 5 Sinne, kirchliche Gebote und Regeln, ...) 2.Allgemeine Erforschung (examen generale) am Mittag und Abend 3.Besondere Erforschung (examen particulare) bezüglich besonderen Fehlern 4.Mündliches Gebet und wiederkehrende Gebete (Rosenkranz, Vaterunser, ...) 5.Wöchentliche Beichte und Kommunionempfang 6.Sich richtig verhalten in den innerlichen Bewegungen der Geister (Unterscheidung der Geister) 7.Ca. einen Monat lang dieses fromme Leben führen (Exerzitien im Alltag, vgl. GÜ 18,4ff.), gegebenenfalls weiterführen 8.Regelmäßig in dieser Zeit zu Gesprächen kommen. - In diesen Exerzitien im Alltag gibt er mehr oder weniger die 1. Woche der GÜ: Umkehr, Bekehrung, Sünden, ... . Diese Exerzitien im Alltag wurden dann über Jahrhunderte vergessen. Exerzitien allein in geschlossenen Häusern und Gruppen. Seit ca. 15 Jahren wieder Exerzitien im Alltag. Probleme beim Exerzitiengeben für Ignatius BP 57/58 Körperliche Phänomene, mit denen Ignatius nicht recht umzugehen weiß. Visionen bei den Exerzitanten und z.B. übermäßiges Fasten, was nach außen hin für Aufsehen sorgt. Fehler des Ignatius: zu steiler Einstieg bei manchen und es gibt immer wieder Menschen, die dem nicht gewachsen sind. - In Paris gibt Ignatius nur noch solchen Exerzitien, die er sich als Gefährten vorstellen kann.
8.2.Gelübde vom Montmartre In Paris findet sich eine Gruppe von Gefährten (7 Männer, meist ursprünglich junge Adelige). Peter Faber war schon Priester, die anderen Studenten der Theologie, die sich gewissermaßen auf eine kirchliche Karriere vorbereiteten. Alle hatte Exerzitien bei Ignatius gemacht. Wunsch bei ihnen: Sie wollte ein armes Leben führen, radikale Umkehr, Änderung des Lebensstiles. Als Gruppe hatten sie regelmäßige Treffen mit geistlichem Austausch. Am 15.08.1534 (Mariä-Himmelfahrt) gemeinsames Ablegen eines Gelübdes in der Kappelle des Hl. Dionysios auf dem Montmartre in einer gemeinsamen Messfeier. Art und Weise des Gelübdes: von dem Gelübde selber ist kein Text erhalten geblieben, aber fast jeder der Gefährten schreibt später einen Bericht darüber. Simon Rodrigues am ausführlichsten (vgl. geistliche texte Nr. 9; Vom Werden und Wachsen der SJ) Rekonstruierter Inhalt: 1.Leben zum Nutzen der Seelen einsetzen 2.evangelische Armut 3.Keuschheit 4.Jerusalem-Wallfahrt 5.Falls 4. nicht klappt: Gang nach Rom und sich dem Papst zur Verfügung stellen - Gelübde bilden so etwas wie einen Kristallisationspunkt der Erfahrungen des Ignatius, die er in den 13 Jahren seit der „Ersten Kanonenkugel“ gemacht hatte. (Umkehr, den Seelen helfen, Exerzitien, Armut, Jerusalem, Gemeinschaft, ...) neu: - Alternative zu Jerusalem wird der Papst Feste Gruppe mit eigenem Stil und eigenem Beratungsvorgehen Leute, mit langem Bekehrungsweg und Exerzitien-Erfahrung Starker menschlicher und geistlicher Zusammenhalt der Gruppe (Ignatius zwar als charismatischer Führer, jedoch ohne organisatorischer Führungsrolle) Festlegung auf Gelübde Nicht Planung eines diffusen Eifer-Projektes, sondern durchdachtes gemeinsames Vorgehen Gewisse Pragmatik in der Sache (Studium geht vor „den Seelen helfen“ / Armut ja, jedoch für Studium und Jerusalem-Wallfahrt darf Geld angenommen werden / Ob Heidenmission in Jerusalem gilt es vor Ort nochmals zu entscheiden) Interessant, dass Gelübde unmittelbar vor Empfang der Heiligen Kommunion abgelegt wurden (Aug in Aug mit dem Sakrament) Erst am 27.09.1540 ist die eigentliche Ordensgründung; auf dem Montmartre noch keine Hierarchie (ohne Gehorsamsgelübde, sondern nur Sendungsgehorsam gegenüber dem Papst), sondern einzelne Priester, die mehr oder weniger „nur“ Geistliches und Spirituelles verbindet.
9.Heimatbesuch des Ignatius in Spanien -
Urkirche der SJ in Oberitalien 1537
1534 Gelübde auf Montmartre. Ignatius studiert noch ein weiteres Semester Theologie. Er wird krank. Ärzte empfehlen ihm Heimatluft. Er akzeptiert von den Gefährten kleines Reitpferd (Relativierung der Askese).
9.1.Spanienaufenthalt (Loyola – Azpeitia 1535-36) Im BP begegnet uns ab 87ff. ein „neuer“ Ignatius. Nach 13 Jahren kehrt er erstmals nach Hause zurück. Wandlung der Beziehung zu seiner Familie und seinen Verwandten. Bereits 3 Jahre vorher hatte er mit seinem Bruder (Martin Garcia de Oñas; Briefe 3) korrespondiert. In seinem Brief begründete er seine radikale Trennung von seiner Familie: 1.Die Trennung sei erstes Heilmittel, um radikal Jesus Christus nachfolgen zu können. 2.Vermutung, dass seine Briefe wohl keinen Nutzen für seine Familie gehabt hätten, um in ihnen den Lobpreis Gottes zu mehren. 3.Weil er sieht, dass seine Familie zu sehr weltverhaftet sei. Er selber braucht dazu eine Distanz, um in sich ein neues Wertesystem und eine neue Form von Spiritualität wachsen zu lassen. Er will ohne Unterstützung durch seine Familie leben und sich mit Bettel in Azpeitia seinen Lebensunterhalt verdienen. Das war in den Augen seiner Familie natürlich ein Skandal. Zwei Ausnahmen macht er auch hierin: Er verbringt eine Nacht auf dem Schloss in Loyola und er nimmt bei seiner Abreise ein Reittier an, jedoch nur bis an die Grenze der Provinz. [Auch später bewahrt er sich seine distanzierte Haltung gegenüber seiner Familie. Beleg dafür kann sein, dass es kaum Briefe zwischen ihm und seiner Familie gibt.] Ignatius’ Wirken in Azpeitia: BP 88f. Er war dort Apostolisch wirksam (vgl. Norbert Briskorn; AHSI 49; 1980): 1.Geistliche Gespräche: BP 88,1 Reden über die Dinge Gottes (Spiritueller Hunger der damaligen Menschen. Gleichzeitig Angebot der Kirche mehr als dürftig) 2.Tägliche Katechese für Kinder: BP 88,2 auf dem Marktplatz oder in kleinen Kirchen 3.Öffentliche Predigt am Sonntag: BP 88,4 (außerhalb der Messe; in der Eucharistiefeier damals war die Predigt unüblich). 4.Häufige Beichte und Kommunion (vgl. seine Tätigkeit in Alcalá). 5.Verbot von Kartenspielen: BP 88,5 (nationales Laster, da um Geld gespielt wurde) hielt vielleicht 2 Jahre lang. 6.Einrichtung einer öffentlichen Armenversorgung BP 89,2 Anknüpfung an eine Bewegung, wie sie zu der Zeit überall in Europa üblich war. Armenordnung ist zum Teil erhalten. Wichtig: Nicht er allein engagiert sich für die Armen, sondern er erreicht, dass öffentliche, gerechte Strukturen geschaffen werden. 7.Kampf gegen das Konkubinat von Priestern: BP 88,6 8.Einführung des Angelusläutens: BP 89,3 dreimaliges Läuten mit Gebet gegen die Todsünden. Fazit seiner Zeit Zuhause: Ignatius zielt sowohl auf den Einzelnen (Förderung des sittlichen Lebens) wie auch auf die strukturellen Änderungen mit Hilfe der Obrigkeit (vgl. heute: Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit).
9.2.Zeit in Oberitalien und Venedig 1537-38; BP 92ff. Marsch nach Venedig. Dort lebt er wiederum als Pilger und Bettler und ist auch apostolisch tätig (geistliche Übungen). Seine Gefährten brechen im Winter 1536 aus Paris auf; brechen ihr Studium überstürzt ab, wegen kriegerischen Verwicklungen und Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Deutschland. Weg führt sie u.a. durch lutherische Gebiete (Rheintal und Alpen; vgl. S. Rodriguez 32). Im Januar 1537 treffen sie Ignatius nach über einem Jahr der Trennung. Um ihr Gelübde der Jerusalem-Wallfahrt erfüllen zu können, machen sie sich auf nach Rom und holen dort den Segen des Papstes ein. Dabei bekommen sie Kontakt zu reichen Leuten, die ihnen auch Geld für die Überfahrt zukommen lassen. Die Priester unter ihnen erhalten Privilegien; die Nichtpriester lassen sich eine Weiheerlaubnis geben. Im Juni 1537 sind sie mit allen erforderlichen Dingen zurück in Venedig, jedoch es fährt erstmals seit Jahren kein Schiff nach Jerusalem (BP 94,1). 1 Jahr Wartezeit i Venedig: BP 94ff.: Alle Gefährten legen nochmals die Gelübde der Armut und der Keuschheit ab. Alle lassen sich „durchweihen“. Geweiht werden sie auf den Titel der Armut (BP 93,10); damit sind keine Pfründe verbunden, andererseits gibt es aber auch niemanden, der sie vergleichsweise einem Bischof oder einem Orden versorgen müsste. Sie verteilen sich und verbringen in kleinen Gruppen die Zeit in Oberitalien. Dabei leben sie außerhalb der Städte in verfallen Häusern. Ignatius ist zusammen mit Peter Faber und Laínez in Vicenza (BP 94,3). Sie verbringen die Zeit dort, wie damals Ignatius in Manresa: Häufiges Gebet; jeder mit 40-tägiger zurückgezogener Gebetszeit, während die anderen betteln und in der Stadt u.a. mit großem Erfolg predigen. Von den Leuten werden sie immer wieder gefragt, was für eine Gruppe sie seien und wie sie sich nennen: Antwort: compania de jesus. - Das Jahr in Oberitalien wird später im Orden das, was man das Terziat nennt (vgl. Wiederholung der großen Exerzitien = 40 Tage Gebet) Im Verlauf des Jahres zeigte sich, dass es kein Schiff geben wird. Darauf trat der „Ersatzparagraf“ des Gelübdes vom Montmartre in Kraft. Im Frühjahr 1538 machen sie sich auf den Weg nach Rom, um sich dem Papst zur Verfügung zu stellen.
10.Die Vision von La Storta
Im vorgegebenen Zeitraum war den Gefährten die Überfahrt nach Jerusalem nicht möglich; also betrachteten sie es als Willen Gottes. Sie gehen also nach Rom und stellen sich (wie im Gelübde von Montmartre vorgesehen), dem Papst zur Verfügung.
1537 Frühjahr: Zu mehreren Grüppchen machen sie sich auf den Weg Richtung Rom auf. Ignatius ist zusammen mit Peter Faber und Diego Laínez. Auf diesem Weg wurden sie vielfach von Gott heimgesucht – La Storta ist nur eine Art Höhepunkt davon.
Überblick: BP = Führung Gottes
A: Innerer Weg des Ignatius (Umkehr und Radikalisierung)
B: Äußerer Weg (Jerusalem, Studium, Gelübde, Spanien, Italien, ...)
- In la Storta finden diese beiden Weg zusammen. Ein 16-jähriger Weg der Führung Gottes findet zu einem Ende, einem Ziel. Bestätigung du Abschluss!
10.1.Was geschah in la Storta (historisch betrachtet) Einige Kilometer vor Rom liegt la Storta mit einer Kapelle, die immer noch existiert. Es gibt mehrere Berichte über die Vision des Ignatius, die z.T. widersprüchlich sind (vgl. BP, geistliches Tagebuch, Nadal, Laínez) Die wohl objektivste Darstellung ist die von Laínez. Er bekam die Vision in den Tagen danach von Ignatius direkt beschrieben, im BP wird Laínez als Zeuge dessen von Ignatius benannt und seine Beschreibung ist am detailliertesten. Laínez: 1. Gottes Wort: „Ich werde euch in Rom gnädig sein“ / „Ich werde mit euch sein“. Ignatius weiß dieses Gotteswort nicht zu deuten. Er vermutet, dass sie in Rom ‚gekreuzigt’ werden. 2. Vision: Ignatius sieht Christus mit dem Kreuz auf der Schulter und den ewigen Vater neben ihm. Gott Vater zu Jesus: „Ich will, dass du diesen als meinen Diener annimmst!“ Jesus zu Ignatius: „Ich will, dass du uns dienst!“ Direktes Berufungswort, trinitarisch verankert. (Im BP stellt Gott Vater den Ignatius neben Jesus.) Historisch bleibt als wahrscheinlich festzuhalten: - Gott Vater ist in der Vision der Handelnde - Ignatius wird von Gott dem kreuztragenden Christus zugestellt - Ignatius soll „UNS“ dienen (Verweis auf die Trinität und die Apostolozität) - Gott kündigt an: „EUCH“, den Gefährten (der Gruppe) gnädig zu sein - Ignatius vermutet, dass das Kreuz auf Mühsale hinweist, die in Rom zu tragen sein werden
10.2.Bedeutung der Vision für Ignatius persönlich Ignatius war auf der Suche nach dem, was er machen solle (innerlich) und lebt als Pilger auf der Suche nach seinem Ort für die Nachfolge Jesu Christi (äußerlich). Jerusalem scheitert zweimal; es bleibt für jedoch das Land als Inbegriff der Lebensrealität Jesu, dem er ganz nahe sein will und in dessen Fußspuren er ihm dienen will. Sich dem Papst zu übergeben hatte für ihn die Bedeutung, sich dem Stellvertreter Christi zur Verfügung zu stellen. („Aus Jerusalem wird Rom; aus dem historischen Jesus wird der Stellvertreter Christi und aus der Urkirche wird die verfasste Kirche.“) Seine Suche kommt damit an ein Ende, an ein gewisses Ziel
10.3.Bedeutung der Vision für die Gründergruppe und später den Orden 1558 Laínez reist als Ordensgeneral zu verschiedenen Kommunitäten und hält mehrere Vorträge über die Vision von La Storta. Für ihn sind dabei drei Dinge wichtig: 1. spirituelle Leadership des Ignatius 2. das EUCH im Gotteswort in Bezug auf die Gesellschaft 3. die Namengebung (compania de jesus) Die ganze Gruppe versteht die Vision als Bestätigung ihrer Sendung: Mitarbeite, Mitmühen am Kreuztragen Jesu Christi) Dienst und Kreuzesannahme bedeuten Apostolat mit allen Konsequenzen „La Storta“ dient als Gründungsmythos für den Orden, ist eine spirituelle Erfahrung eines Einzelnen, die für eine Gruppe wichtig wird. Interessant, dass sich Ignatius mit der Deutung und Verbreitung sehr diskret zurückhält (Demut und Authentizität). Trinitätstheologischer Charakter hier nicht spekulativer Art, sondern sehr praktisch und konkret: Sendungsauftrag Gottes und Jesu Christi in die Mission.