Josef Carl Neckermann (* 5. Juni 1912 in Würzburg; † 13. Januar 1992 in Dreieich) war ein deutscher Versandkaufmann (Neckermann Versand) und erfolgreicher Dressurreiter.
Leben
Vorfahren
Die Wurzeln der Familie lassen sich bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen: 1508 waren die „Männer vom Neckar“ in der Zunftordnung als Flößer eingetragen. Über das Gollachtal siedelte die Familie schließlich in der Nähe von Würzburg an.
Josef Neckermanns Großvater Peter Neckermann (* 1842; † 1902) stammte aus Hemmersheim bei Würzburg und war Metzgermeister. Später wurde er Reichstags-Abgeordneter für die Zentrumspartei.
Sein Sohn Josef Carl Neckermann (* 1868; † 20. Dezember 1928) wollte das Metzgergeschäft nicht fortführen und ließ sich sein Erbe vorzeitig auszahlen. Er gründete 1895 eine Kohlenhandlung und baute diese in der Folge zu einem Unternehmen mit 80 Mitarbeitern aus, das Großkunden wie die Reichsbahn belieferte und an zahlreichen anderen Firmen beteiligt war. Daneben erwarb er mehrere Häuser in Würzburg sowie Anteile am Bayerischen Staatsanzeiger sowie der Frankfurter Zeitung. Aufgrund seines Besitzes und seiner Beziehungen in Wirtschaft und Politik wurde er als der „Rockefeller von Würzburg“ betitelt.
Aus seiner Ehe mit Jula Lang (1878 - 1963) gingen drei Kinder hervor: Maria-Barbara (1909 - 1948), Josef Carl und Walter (1914 - 1972).
Der Jungunternehmer im Dritten Reich
Der Firmengründer hatte kurz vor seinem Tod 1928 – er hatte Probleme am Herzen und ahnte, dass er nicht mehr lange zu leben hatte – dem Prokuristen Guido Klug die Leitung der J.C. Neckermann übertragen. Der damals 16-jährige Sohn Josef sollte nach einer Ausbildung das Unternehmen übernehmen. Neckermann schloss 1929 die Schule mit Mittlerer Reife ab und absolvierte bis 1931 eine Banklehre bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in Würzburg. Anschließend wechselte in das väterliche Unternehmen und trat im Alter von 22 Jahren 1934 auch in dessen Geschäftsführung ein.
Am 15. September 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze erlassen, und jüdische Kaufleute wurden dadurch sowohl persönlich als auch unternehmerisch unter Druck gesetzt, und deren Unternehmen auf legale Weise zu Spottpreisen „arisiert“.
Josef Neckermann ließ sich von seiner Mutter seinen Erbanteil an der Kohlenhandlung in Höhe von 200.000 Reichsmark auszahlen. Am 25. Oktober 1935 übernahm er vom jüdischen Unternehmer Siegmund Ruschkewitz dessen Texttilkaufhaus in der Würzburger Schönbornstraße sowie das Niedrigpreisgeschäft Merkur mit insgesamt 130 Angestellten sowie 60 Außendienstmitarbeitern. Allerdings musste er auch dessen Schulden und Hypotheken übernehmen; die Warenhausbranche steckte in diesen Jahren in der Krise. Dennoch lag der Kaufpreis weit unter dem Wert des Unternehmens.
Neckermann war bereits 1933 der Reiterstaffel der SA beigetreten, und wurde 1937 als Mitglied Nummer 4 516 510 in die NSDAP aufgenommen. Im Jahr darauf entstand durch den „Kauf“ der jüdischen Wäschemanufaktur Carl Joel in Berlin-Wedding - Neckermann drückte zuerst den Preis, und zahlte am Ende gar nichts - die Wäsche- und Kleiderfabrik Josef Neckermann. Neckermann besaß damit eines der größten deutschen Versandhäuser.
1939 gründete er gemeinsam mit Hertie-Chef Georg Karg die Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung GmbH. Dieses Unternehmen stellte Bekleidung für Zwangsarbeiter und Uniformen für die Soldaten an der Ostfront her. Neckermann wurde Leiter der Reichsstelle Kleidung und wurde von Hitler mit dem Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Seine Tätigkeit während des Nazi-Regimes, in der er die Grundlage für seine Nachkriegskarriere schuf, kommentierte er in seiner Autobiographie Erinnerungen lapidar:
- „Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, in Schwierigkeiten zu geraten. [...] In politischen Dingen liegt mir keine tätige Opposition. Ich tauge nicht zum Märtyrer.“
Neckermann wehrte sich nach dem Krieg vehement gegen die Entschädigungsforderungen der enteigneten Unternehmer, vermutete sogar eine „jüdische Verschwörung“ gegen ihn. Die Erben von Siegmund Ruschkewitz klagten 1948 und 1950 vergeblich auf eine Entschädigung, und Karl Amson Joel erhielt erst 1957 nach einem jahrelangen, über mehrere Instanzen dauernden Wiedergutmachungsverfahren 2 Millionen DM Entschädigung; nur ein Bruchteil des tatsächlichen Werts des Unternehmens, das Neckermann ihm zwanzig Jahre zuvor abgenommen hatte.
Aufbau und Niedergang eines „Wirtschaftswunders“
Als Neckermann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trotz Verbots versuchte, seine Geschäfte in Würzburg wieder aufzunehmen, wurde er von einem Militärgericht 1945 wegen Verletzung Gesetzes des alliierten Kontrollrats zu einem Jahr „hard labor“ (Arbeitslager) verurteilt. Seine Nazi-Vergangenheit hingegen wurde ihm nicht zum Verhängnis: Im Entnazifizierungsprozess wurde er als „Mitläufer“ eigestuft und freigesprochen.
Er gründete 1948 die Textilgesellschaft Neckermann KG in Frankfurt am Main, dieses ging 1950 in die Neckermann Versand KG über. Das Unternehmen, das zunächst nur Textilien, bald aber auch zahlreiche weitere Konsumgüter zu äußerst günstigen Preisen anbot, erlebte in den 1950er Jahren einen rasanten Aufschwung. Neckermann baute seine Firma zu einem Konzern aus, Mitte der 50er Jahre kamen eine Warenhauskette und Anfang der 60er Jahre das Reisetunternehmen Neckermann und Reisen (NUR) sowie weitere Tochtergesellschaften hinzu. Der Firmenslogan „Neckermann macht´s möglich“ wurde zu einem Symbolspruch für das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und Neckermann zu einer ihrer Gallionsfiguren.
Das Unternehmen geriet in den 1970er Jahren in finanzielle Nöte und Neckermann musste es schließlich 1976/77 mehrheitlich an die Karstadt AG verkaufen. Er verließ das Unternehmen gemeinsam mit seinem Sohn Peter, der ebenfalls in der Geschäftsführung tätig gewesen war, ein Jahr später und widmete sich nun vornehmlich seiner Tätigkeit als Sportfunktionär.
Erfolge als Dressureiter und Sportfunktionär
Josef Neckermann war neben seiner unternehmerischen Laufbahn auch ein erfolgreicher Dressurreiter. Schon als Jugendlicher hatte der zu Pferden und zum Reitsport hingezogen gefühlt, und gewann bereits im Alter von 14 Jahren ein Paarspringen in Stuttgart.
Als Dressurreiter gewann er zwischen 1956 und 1981 333 Turniere, 6 olympische Medaillen, darunter zwei Goldmedaillen im Mannschaftswettbewerb bei den Olympischen Spielen 1964 und 1968, und wurde 1966 Weltmeister. Seine aktive Karriere beendete er am 28. Juni 1981 bei einem Turnier in Aachen.
Außerdem war er nach deren Gründung 1967 erster und langjähriger Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe .
Josef Neckermann starb im Alter von 79 Jahren in Dreieich bei Frankfurt an Lungenkrebs. Er wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.
Familie
Josef Neckermann heiratete 1943 seine Jugendliebe Annemarie Brückner. Das Ehepaar hatte drei Kinder:
- Peter Neckermann (* 26. Oktober 1935) arbeitete, nachdem er 1978 gemeinsam mit dem Vater die Neckermann Versand AG verlassen hatte, bis 1992 in der von seinem Großater gegründete Kohlenhandlung, die J.C. Neckermann GmbH Co.KG in Würzburg. Das Familienunternehmen, das bis zu dessen Tod von Josef Neckermanns Bruder Walter geleitet worden war, wird heute von dessen Tochter Marlene Neckermann geführt.
- Eva-Maria „Evi“ Pracht (* 29. Juni 1937), die seit 1986 in Kanada lebt, trat in die Fußstapfen ihres Vaters und gewann bei den Olympischen Spielen 1988 mit der kanadischen Mannschaft die Bronzemedaille im Dressurreiten.
- Johannes Neckermann (* 30. März 1942) war in der Marketing-Abteilung des väterlichen Unternehmens tätig. Er wanderte 1981 in die USA aus und ist heute Berater in der Kunst- und Weinbranche („Neckermann Consulting“).
Literatur
- Josef Neckermann, Harvey T. Rowe, Karin Weingart: Erinnerungen (Autobiographie). Ullstein, 1990. ISBN 355006439X
- Patricia Wiede: Josef Neckermann. Ullstein, 1999. ISBN 3548359477
- Auszüge hieraus siehe http://www.patricia-wiede.de/show_ref.php?ref=0035
- Thomas Veszelits: Die Neckermanns. Campus, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3593374064
- Rezension Financial Times Deutschland: „Kein Grund zum Anstoßen“
- Rezension Handelsblatt: [1]
Weblinks
- „Aufstieg und Fall der Neckermanns“ (zur Sendung des MDR vom 9. Oktober 2005)
Personendaten | |
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NAME | Neckermann, Josef Carl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Versandkaufmann und Dressurreiter |
GEBURTSDATUM | 5. Juni 1912 |
GEBURTSORT | Würzburg |
STERBEDATUM | 13. Januar 1992 |
STERBEORT | Dreieich |