Etymologie
Das Wort Tschetnik (serbisch: четник (četnik), Mehrzahl: четници (četnici)) hat seinen Ursprung im serbischen Wort чета (četa), das Garde, Einheit oder Truppe bedeutet.
Tschetniks im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert organisierten sich serbische Freischärler, die Tschetniks genannt wurden, zu aufständischen Aktionen gegen das Osmanische Reich. Tschetniks entstanden aus der Tradition der Hajduken und kämpften überwiegend in kleinen beweglichen Einheiten, wobei sie den Frontalangriff meist vermieden. 1886 anerkannte der serbische König Milan Obrenović die Tschetniks als Miliz.
Tschetniks in den Balkankriegen
Während der Balkankriege kämpften serbische Tschetniks erfolgreich gegen die Türken und Bulgaren.
Tschetniks im Ersten Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg bildeten Tschetniks Aufklärungs- und Guerillatruppen im von den Mittelmächten besetzten Serbien. Nach dem Ersten Weltkrieg blieben sie als Miliz im neu gegründeten Königreichs Jugoslawien aktiv und pflegten ihre Traditionen in der königlichen jugoslawischen Armee.
Tschetniks im Zweiten Weltkrieg
Gründung der Ravna-Gora-Bewegung
Am 11. Mai 1941 gründeten königstreue jugoslawische Offiziere, die der Kapitulation Jugoslawiens an Deutschland 1941 ablehnend gegenüber standen, die pro-serbische und monarchistische "Jugoslawische Armee im Vaterland" (Jugoslovenska vojska u otadžbini - JVUO) unter der Führung von General Dragoljub-Draža Mihailović. Die erste Versammlung der JVUO fand auf dem Gebirgsplateau Ravna Gora in Zentralserbien statt, was der Ravna-Gora-Bewegung ihren Namen gab.
Nach einem serbisch-orthodoxen Brauch sollten sich männliche Familienmitglieder nach dem Tod eines Angehörigen 40 Tage lang nicht rasieren. In Anlehnung daran trugen Tschetniks lange Bärte und drückten damit ihre Trauer um das verlorene und besetzte serbische Königreich aus. Im Kampf führten Tschetnik-Verbände eine Totenkopf-Fahne, die den Feind abschrecken sollte.
Den Tschetniks gehörten auch Slowenen, bosnische Muslime und Kroaten an, die für ein monarchistisches Jugoslawien kämpften. Beispielsweise waren der aus einer berühmten slowenischen Familie stammende Uroš Šušterič und seine Verwandten in der Führungsriege der JVUO. Šušterič schrieb darüber das Buch "Von Ljubljana bis nach Ravna Gora".
Die Zusammenarbeit mit den Besatzern
Mihailović dachte, dass sich das serbische Volk ihm anschließen würde und kämpfte zunächst gegen die nationalsozialistischen Besatzer, konnte aber keine wesentlichen militärischen Erfolge erzielen.
Dagegen entschloss sich ein Teil der Miliz unter Kosta Milovanović Pećanac sofort für die Zusammenarbeit mit den Besatzern. Pećanac zeichnete sich durch eine große Feindseligkeit gegenüber den Kommunisten aus und schlug Kampfmaßnahmen vor, die sogar den deutschen Besatzern zu weit gingen. Wegen Unzuverlässigkeit wurde seine rund 8.000 Mann starke Einheit jedoch von den Deutschen aufgelöst, er selbst wurde schließlich 1944 von der JVUO gefangen genommen, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und in Soko Banja hingerichtet.
Die jugoslawischen Kommunisten konnten jedoch den Widerstand von Anfang an weit erfolgreicher aufbauen und erkämpften bereits am 24. September 1941 ein befreites Gebiet, die Republik von Užice. Zu Beginn des Krieges arbeiteten Tschetniks und Kommunisten noch teilweise zusammen, aber die Lage änderte sich als bekannt wurde, dass die Tschetniks ein geheimes Abkommen mit der Wehrmacht geschlossen hätten, das für alle Tschetniks, einschließlich der Truppen von Pećanac und der montenegrinischen Verbände unter Pavle Đurišić, gelte. Als Gegenleistung für die Unterstützung beim Kampf gegen die kommunistischen Jugoslawischen Partisanen sollten die Tschetniks von den Deutschen Waffen, Verpflegung, Logistik und Sold erhalten.
Der Kampf gegen die kommunistischen Partisanen
Mihailović fürchtete den zunehmenden Einfluss der Kommunisten und sah in der Zusammenarbeit mit den Besatzern das geringere Übel. Während die Tschetniks für die Vorkriegsordnung und die Kontinuität des Königreichs Jugoslawien in Anlehnung an den Westen standen, traten die jugoslawischen Kommunisten für grundlegende Umwälzungen in der Gesellschaft nach dem Vorbild der Sowjetunion ein. Die Kommunisten waren mit der Propaganda erfolgreich, dass Mihailović sich bloß für einen Widerstandskämpfer ausgebe, während die kommunistischen jugoslawischen Partisanen die Hauptlast des Kampfes gegen die Besatzungsmächte trugen.
Der Schulterschluss von Tschetniks, Ustašas, italienischen und deutschen Verbänden trug wesentlich zum Fall der Republik von Užice am 29. November 1941 bei und beeinträchtigte die militärischen Bestrebungen der jugoslawischen Partisanen bis 1944 schwer.
Tschetniks in Kroatien und Bosnien-Herzegowina
In Bosnien-Herzegowina und im dalmatinischen Hinterland kooperierten die Tschetniks zunächst mit den Partisanen und kämpften gegen die kroatischen Ustaša, die zahlreiche Massaker an der in Kroatien lebenden serbischen Zivilbevölkerung verübten. In diesen Gegenden wurden mehrere Tschetnik-Verbände gegründet, von denen einige mit Massakern an der nichtserbischen Bevölkerung Rache übten. Der bekannteste Verband aus diesen Gegenden ist die Dinarische Tschetnik-Division unter dem Befehl des Woiwoden Momčilo Đujić.
Beginnend mit Mai 1942 schloss die Regierung des Ustaša-Marionettenstaates NDH mit den Tschetniks mehrere Abkommen, in denen sie den Kampf gegen den gemeinsamen kommunistischen Feind besiegelte und den Tschetniks Rechte, logistische Unterstützung und eine Autonomie bei den Kampfhandlungen gegen die kommunistischen Partisanen gewährte. Die italienischen Truppen in Kroatien vermieden den Kampf mit den Tschetniks und duldeten sie.
Der Niedergang der Tschetniks
Die Alliierten entsandten militärische und nachrichtendienstliche Beobachter, um die Lage in Jugoslawien zu erkunden. Wegen des politischen Drucks der Sowjetunion und der Erfolge der Kommunisten in Jugoslawien entzogen die Alliierten den Tschetniks auf der Konferenz von Teheran 1943 die Unterstützung und akzeptierten die Partisanen unter der Führung von Tito als Verbündete. Die Gesamtstärke der JVUO in Serbien betrug zu diesem Zeitpunkt offiziell 12.000 bis 15.000 Mann. Angesichts der politischen und militärischen Entwicklung wurden die Tschetniks bis 1944 dezimiert, viele konnten die Seite wechseln und liefen zu den Partisanen über.
1945 sagten sich einige Anführer der JVUO von Mihailović los und gründeten in Istrien, gemeinsam mit den slowenischen Domobranci, unter deutscher Protektion die "Jugoslawische Nationalarmee" (nicht zu verwechseln mit der Jugoslawischen Volksarmee der Tito-Partisanen), die aber nie zum Einsatz kam. Die Soldaten der Nationalarmee wurden nach dem Kriegsende von den Briten entgegen anderer Zusage an die Tito-Partisanen ausgeliefert, die meisten wurden anschließend in den Wäldern um Bleiburg getötet bzw. laut offiziellem Sprachgebrauch liquidiert.
Der Prozess um Mihailović
Mihailović konnte sich zunächst noch einige Zeit in Bosnien verstecken, schließlich wurde er 1946 vom kommunistischen Geheimdienst OZNA festgenommen. Er wurde in einem 5tägigen Schauprozess wegen Kollaboration mit den Besatzern zum Tode verurteilt und am 17. Juli 1946 in Belgrad durch Erschießung hingerichtet. Seine Leiche wurde an einem unbekannten Ort vergraben.
Harry S. Truman, Präsident der USA, verlieh Mihailović 1948 postum den US-amerikanischen Ehrenorden als Zeichen der Ehrung seines Kampfes für Demokratie und gegen das von den USA als menschenverachtend und ungerecht empfundene kommunistische System. In den USA erschien 1943 eine Briefmarkenserie mit dem Bild des Tschetnik-Generals, außerdem veröffentlichte der US-amerikanische Comic-Verlag Marvel Comics 1943 ein Comic-Heft mit dem Namen "Liberty for the Chetniks" (Captain Marvel Jr.).
Tschetniks im Jugoslawienkrieg 1991-1995
Unter dem Namen "Tschetniks" kämpften 1991 nationalistische serbische Freischärler in Kroatien und von 1992 bis 1995 in Bosnien, wofür sich einige vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten müssen.
Vojislav Šešelj, der vom ICTY in Den Haag inhaftierte Führer der Serbischen Radikalen Partei, führte den Titel "Tschetnik-Woiwode", der ihm 1989 von Momčilo Đujić, einem Tschetnik-Führer aus dem Zweiten Weltkrieg, verliehen und nach kurzer Zeit wieder entzogen wurde.
Weblinks
- Aktueller Tschetnik Vojvode Seselj
- Text aus Hagalil zu Seselj
- Rehabilitierung der Tschetniks in Serbien
- Le Pen in Serbien
- Die Tschetniks aus Sicht des kosovo-albanischen Aktivisten Max Brym
Siehe auch: Geschichte Serbiens, Jugoslawischer Bürgerkrieg, Balkankonflikt, Kosaken
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