Inflektiv

Verbform in der deutschen Sprache
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Ein Inflektiv ist eine infinite und unflektierte Verbform, die als Kurzform außerhalb der Syntax ganzer Sätze benutzt wird.

Herleitung

Inflektive gibt es im Deutschen spätestens seit den Donald Duck-Comics, als die deutsche Übersetzerin Erika Fuchs Kurzworte wie seufz, ächz oder saus prägte. Daher wird der Inflektiv gelegentlich auch scherzhaft als Erikativ bezeichnet.

Als Begriff Inflektiv sind diese Worte jedoch erst seit den letzten Jahren gebräuchlich, seit sie sich mit dem Aufkommen der Chatrooms und der weiteren Verbreitung der IRC-Channel zu einem Massenphänomen entwickelt haben. Seitdem werden auch vermehrt Inflektive, die ganze Teilsätze mit transitiven Verben und Substantiven zusammenfassen, 'erfunden', z.B. sichwegduck, lieb-anlächel oder in die Tischkante beiß.

Geprägt wurde der Ausdruck Inflektiv 1998 von Oliver Teuber.

Abgrenzung

Inflektive unterscheiden sich von Imperativen („geh!“ finit/unflektiert), Partizipien („gehend“ infinit/flektiert) und konjugierten Formen („ich gehe“ finit/flektiert).

Wortbildung und Wortform

Der Inflektiv kann als deverbale Reduktion beschrieben werden. Dabei findet ein Wortartwechsel durch Tilgung der Infinitivendung statt, d. h. die Infinitivendung <en> verschwindet und übrig bleibt die Verbwurzel (knallen > knall).

Der Form nach sind einfache und komplexe Inflektive zu unterscheiden. Die einfachen Inflektive bestehen lediglich aus der Verbwurzel, also einem Grundmorphem. Die komplexen Inflektive sind entweder präfigiert oder inkorporieren eine weitere unmittelbare Konstituente. Im letzten Fall liegt meist eine Verb-End-Stellung vor. Subjektargumente werden in der Regel nicht inkorporiert, da die Deixis der Inflektive durch außersprachliche Zuordnungen deutlich wird (s. #Gebrauch)

Gebrauch

Die Inflektive kommen in verschiedenen Kommunikationssituationen zur Anwendung, vornehmlich in deutschen Comicübersetzungen und Chats.

In Comics referiert der Inflektiv entweder auf eine Person oder einen Gegenstand, der im selben oder einem anderen Panel bildlich dargestellt ist. In Chats verweist der Inflektiv zumeist auf den Sprecher und wird oft in Asterisks eingeschlossen (z.B. *treuherzigblick*). Die Verbreitung in Chats scheint im Deutschen weitaus stärker zu sein, im Englischen werden eher nur wenige Kurzformen wie <sigh> verwendet, die dann auch eher - wie hier - in spitze Klammern gesetzt sind.

In Comics sind häufiger einfache, in Chats auch komplexe Inflektive anzutreffen.

Semantik

Die Inflektive beschreiben Gefühle, Zustände, Handlungen oder Geräusche.

Schreibung

Die komplexen Inflektive werden getrennt (1), zusammen (2), gemischt (3), mit Binnenmajuskeln (4) oder mit Unterstrich (5) geschrieben

  1. in den See spring
  2. indenSeespring
  3. indenSee spring
  4. InDenSeeSpring
  5. in_den_See_spring

Entwicklung der Inflektive

Die erste belegte Verwendung eines Inflektivs im Deutschen ist in Grimms Märchen „Hänsel und Gretel“: knusper knusper Knäuschen. Danach gab es sie erst wieder in den Übersetzungen der englischen Onomatopoetika in den Disney-Comics in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit der Zeit wurde diese Form dann auch für Handlungen und Gefühle verwendet.

Mit der Verwendung in Chats schließlich wurde die Komplexität der Inflektive erhöht, was eine höhere Differenzierbarkeit ermöglichte. So emanzipierten sich die Inflektive von der ursprünglichen Text-Bild-Konstellation. Der ikonografische Gebrauch wandelte sich zur Illokution. Mittlerweile finden sich auch Belege in anderen Medien: SMS, E-Mail, Alltagsgespräche, Tageszeitungen.

Ausnahmen

Das Verb "sein" in seinem prädikativen und auxiliären Gebrauch. Bsp: *traurigBIN* Die prädikativ gebrauchten Inflektive können sich mitunter auf verschiedene Personen beziehen: meist zwar 1. Person Singular (liebguck), aber auch 2. Person Plural (latsch) oder 3. Person Singular (nerv).

Weblinks