Die Dr.-Böhm-Orgel ist eine elektronische Orgel, die der Physiker Dr. Rainer Böhm in den 1960er zunächst für ein Lehrbuch entwickelte und bis in die Mitte der 1980er Jahre über sein Unternehmen Dr. Böhm in Minden produzierte.
Der Vertrieb der Instrumente erfolgte - ähnlich dem Vertrieb von Kraftfahrzeugen - über ein eigenes Netz von Firmenniederlassungen, primär in der Bundesrepublik Deutschland, jedoch auch im Ausland.
Die Instrumente wurden zum Selbstbau angeboten. Der Kunde musste gemäß einer Bauanleitung zunächst alle elektronischen Leiterplatten durch Auflöten der einzelnen Bauteile bestücken sowie die Tastaturen und Bedienelemente in das leere Orgelgehäuse einsetzen.
Das gleiche Vertriebskonzept - Selbstbau in Kombination mit eigenen Werksniederlassungen - wurde von der deutschen Firma Wersi verfolgt.
Die "klassische" Dr.-Böhm-Orgel hat eine analoge Tonerzeugung. Die Disposition der Orgelregister orientiert sich intensiv am Vorbild der Kirchenorgel. Zu diesem Zweck bedient sich die Dr.-Böhm-Orgel der subtraktiven Synthese. Der elektronische Tongenerator erzeugt - ähnlich wie beim Moog-Synthesizer - obertonreiche Ausgangstöne in Sägezahnform. Für die Klangcharakteristika der einzelnen Register werden diese Ausgangstöne elektronisch gefiltert. Damit ist ein grundsätzlicher Unterschied zur Hammond-Orgel oder ähnlichen Instrumenten gegeben, deren Tonerzeugung auf der Addition von Sinus-Schwingungen beruht.
Instrumente bis zum Baujahr 1975 kann man überdies mit verschiedenen musikalischen Temperaturen betreiben, da jeder der zwölf Töne einzeln gestimmt werden kann. Durch den Wechsel zu einem einfacher und kostengünstiger herzustellenden Tongenerator mit integrierten Schaltkreisen ging diese Möglichkeit jedoch für die späteren Jahre verloren, die Instrumente wurden gleichschwebend.
Im Laufe der Zeit wurden aufgrund der Marktnachfrage für die Dr.-Böhm-Orgel zahlreiche Zusatzmodule und Erweiterungen angeboten, die ebenso im Selbstbau in das Instrument nachgerüstet werden konnten. Ausgehend von der "reinen Lehre" - einer elektronischen Kirchenorgelsimulation - entstanden immer mehr Zusatzeffekte, die das Ein- und Ausschwingverhalten natürlicher Instrumente simulierten oder eine Annäherung an die Hammond-Orgel durch Sinus-Zugriegel und ein elektronisch nachempfundenes Leslie-Kabinett versuchten. Es gab "elektronische Schlagzeuge" (der Begriff Drumcomputer wurde noch nicht verwendet), zusätzliche Spielhilfen und sogar Synthesizer- und Sampling-Baugruppen.
Man kann daher davon ausgehen, dass jede Dr.-Böhm-Orgel ein individuelles Einzelstück mit eigener Entwicklungsgeschichte ist.
Die Dr.-Böhm-Orgel kam zu Ihrer Zeit primär als Heimorgel oder als Instrument für Alleinunterhalter zum Einsatz. Jedoch auch in kleineren Kirchen waren Exemplare zu finden, die dort als Ersatz für eine Pfeifenorgel fungierten. Ein Einsatz in der Popmusik oder im Jazz ist bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht nachgewiesen.
Mitte der 1980er Jahre ging die Produktion der analogen Dr.-Böhm-Orgeln durch die Entwicklung digitaler Tonerzeugungssysteme - auch im gleichen Hause - langsam zurück. Sie wurde dann nach einem Brand in der Lagerhalle des Herstellers aprupt eingestellt. In der Gegenwart leiden daher Besitzer und Liebhaber dieser Instrumente besonders unter Ersatzteilmangel.
Das herstellende Untenehmen existiert nach mehreren Besitzerwechseln und Umbenennungen heute noch. Es produziert nach wie vor elektronische Orgeln für den Markt der Hausmusiker und Alleinunterhalter.