Ecce homo

lateinische Worte von Pontius Pilatus in der Vulgata: Johannes 19,5
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Ecce homo ist die lateinische Übersetzung der Vulgata des griechischen Ausspruches ιδου ο ανθρωπος, mit dem nach der Schilderung des Johannesevangeliums (Kap. 19, Vers 5) der römische Statthalter Pontius Pilatus der Bevölkerung von Jerusalem den gefolterten, in purpurnem Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaret übergab, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sah. Die Volksmenge forderte danach die Kreuzigung Jesu.

Hieronymus Bosch: Ecce homo, 1476 oder später
Martin Schongauer: Ecce homo, 15. Jahrhundert
Antonello da Messina: Ecce homo, um 1473

Martin Luther übersetzte den Ausspruch mit Sehet, welch ein Mensch.

Ecce homo als Motiv der Kunst

In der christlichen Kunst gibt es zwei Bildmotive, die mit Ecce homo bezeichnet werden:

  • die eigentliche Illustration der Szene aus Johannes 19 (auch Schaustellung Christi genannt), die zumindest Pilatus und Jesus zeigt sowie zumeist das ihn verspottende Volk von Jerusalem und teilweise auch die Stadt selbst, sowie
  • Andachtsbilder, die Jesus als stehende, einzelne Halbfigur oder Ganzfigur mit Purpurmantel, Lendentuch, Dornenkrone und Folterverwundungen insbesondere am Kopf darstellen. Sind auf solchen Andachtsbildern zusätzlich die Wundmale der Kreuzigung (Nagelwunden an den Gliedmaßen, Lanzenwunde an der Seite) zu sehen, spricht man vom Bildmotiv Schmerzensmann (auch Erbärmdebild oder Miserikordienbild). Ist Christus sitzend (oft als Klagegeste einen Arm auf dem Oberschenkel aufstützend) dargestellt, handelt es sich um das Bildmotiv Christus in der Rast. Beide Darstellungen werden allerdings häufig ebenfalls als Ecce homo bezeichnet.

Die ersten Darstellungen der Ecce-homo-Szene in der bildenden Kunst sind im 9. und 10. Jahrhundert im syrisch-byzantinischen Kulturkreis zu finden. Mittelalterliche abendländische Darstellungen, die das Ecce-homo-Motivs darzustellen scheinen und auch oft so interpretiert wurden, illustrieren jedoch meist die Szene der Dornenkrönung und Verspottung Christi (etwa im Egbert-Codex oder im Evangeliar von Echternach), die der biblischen Ecce-homo-Szene vorausgeht.

Weite Verbreitung fand das Motiv, als im 15. und 16. Jahrhundert die Passion zum zentralen Thema der abendländischen Frömmigkeit wurde. Sowohl im Passionsspiel des mittelalterlichen Theaters als auch in geradezu szenisch wirkenden Illustrationen der Passionsgeschichte war die Ecce-homo-Szene enthalten, etwa in den Passionen von Albrecht Dürer oder Graphiken von Martin Schongauer. Die Szene wurde (insbesondere in Frankreich) auch häufig als Skulptur oder Skulpturengruppe dargestellt; auch Altarbilder und andere Gemälden mit dem Motiv enstanden (etwa von Hieronymus Bosch oder Hans Holbein d. Ä.). Wie die Passionsspiele wurden auch bildliche Darstellungen der Ecce-homo-Szene vielfach für antijüdische Darstellungen des Volkes von Jerusalem genutzt, das durch aufgeregtes Gestikulieren und verzerrte Fratzen charakterisiert wurde.

Das Motiv der Einzelfigur des leidenden Jesus, der den Betrachter oft unmittelbar anzuschauen scheint und somit eine persönliche Identifikation mit dem Passionsgeschehen ermöglicht, kam ebenfalls im späten Mittelalter auf. Parallel dazu wurde in der abendländischen Kunst auch die ähnlichen Motive des Schmerzensmannes und des Christus in der Rast immer bedeutender. Auch in der späteren Druckgraphik (etwa bei Jacques Callot und Rembrandt van Rijn), der Malerei der Renaissance und des Barock (etwa bei Tizian, Caravaggio, Correggio, Peter Paul Rubens) und der barocken Skulptur findet das Motiv noch vielfach Verwendung.

Schon Albrecht Dürer stellte den leidenden Christus in der Ecce-homo-Szene seiner Großen Passion in auffälliger Nähe zu seinem Selbstporträt von 1498 dar und ließ so eine Umdeutung des Motivs in eine Metapher für das Leiden des Künstlers zu. Als Bild für die Ungerechtigkeit der Kritik benutzt James Ensor das Ecce-homo-Motiv in seiner beißend ironischen Graphik Christus und die Kritiker von 1891, in der er sich ebenfalls selbst als Christus porträtiert.

Besonders im 19. und 20. Jahrhundert wird das Ecce-homo-Motiv als Bild für das Leiden und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt und Krieg in seiner Bedeutung erweitert. Bekannte Darstellungen der Moderne sind Lovis Corinths Ecce homo, bei dem sich der Betrachter in der Rolle der höhnenden Menge findet, und Otto Dix' Ecce homo mit Selbstbildnis hinter Stacheldraht von 1948.

Verwendungen von Ecce homo als Zitat

Bei seiner Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe soll Napoléon Bonaparte das Gespräch mit den Worten "Vous êtes un homme" (nach anderer Lesart: "Voilà un homme") begonnen haben. Die häufige Interpretation dieses Ausspruchs als Ecce-homo-Paraphrase im Sinne "Seht, welch ein Mensch" stellt wohl eine Überbewertung dar; Napoléon könnte damit auch lediglich etwa "Mit Ihnen treffe ich hier endlich einmal einen wirklich interessanten Mann" ausgedrückt haben.

In Anspielung an den biblischen Spruch gab der Philosoph Friedrich Nietzsche seiner Autobiographie den Titel Ecce Homo.

Als Wortspiel verknüpft die Ecce homo betitelte und europaweit kontrovers diskutierte Ausstellung der schwedischen Fotografin Elisabeth Ohlson Wallin von 1998 den Bibelspruch mit dem Thema Homosexualität. Die Ausstellung bestand aus zwölf Fotografien, die Jesus zusammen mit Homosexuellen darstellten und sich an bekannte Darstellungen der bildenden Kunst anlehnten. Das eigentliche Ecce-homo-Motiv war jedoch nicht unter den Bildern vertreten.

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