Raetia (eingedeutscht: „Rätien”) war eine römische Provinz. Sie reichte vom Bodensee bis zum Aenus (Inn) und unterteilte sich seit dem 4. Jahrhundert in Raetia prima (südlicher Teil) und in Raetia secunda (nördlicher Teil). Zwischen Kelheim und Boiotro bei Passau war der Danuvius (Donau) die Staatsgrenze und zugleich Verteidigungslinie nach Germanien. Westlich davon zog sich der von Vespasian errichtete Limes entlang der Grenze in nordwestlicher Richtung. Der raetische Teil des Limes war ca. 166 km lang und diente der Überwachung der Grenze zu den Germanen.

Die Eroberung Rätiens durch die Römer
Drusus zog 15 v. Chr. über den Brennerpass und flankierend über den Reschenpass in das feindliche Gebiet und schlug eine gegen ihn gesandte Streitmacht in den Tridentiner Bergen in die Flucht. Im gleichen Jahr eroberte sein Bruder Tiberius, der spätere Kaiser des Römischen Reiches das Gebiet weiter westlich und erreichte über das Rheintal den Bodensee, wo sich das Gebiet der Vindelicer befand. In Rom wurden Drusus und Tiberius als Bezwinger der rätischen Befestigungen mit Triumphen gefeiert.
Die Provinz Raetia unter römischer Herrschaft
In den Jahren 16–14 v. Chr. wurden die Gebiete des heutigen Graubündens und Südbayerns und Oberschwabens zwischen Donau und Inn sowie des nördlichen Tirols zur Provinz Raetia zusammengefasst. Sie wurde von einem Statthalter (procurator) aus dem Ritterstand verwaltet. In der Regierungszeit Marc Aurels, spätestens um 180, wurde in Raetia eine Legion (Legio III Italica) stationiert, was mit sich brachte, dass der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) nun ein Senator praetorischen Ranges war.
Ab dem 4. Jahrhundert wurde Rätien, zur Diözese Italia gehörig, in Raetia prima (Curiensis) und Raetia secunda (Vindelica) aufgeteilt. Die beiden unter einen dux gestellten Teilprovinzen wurden nun von Statthaltern niederen Ranges, so genannten praesides, verwaltet. Von den Residenzen der praesides Curia (Chur) und Augusta Vindelicorum (Augsburg) leiteten sich die späteren Bezeichnungen Churrätien für Raetia prima und Vindelicen für Raetia secunda ab. Mit dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft um 476 trennten sich die Schicksale der beiden Provinzteile. Die nördlich gelegene Raetia secunda wurde von den Markomannen und Bajuwaren erobert und besiedelt. Die Verbindungen zu Italien rissen vorübergehend ab und die romanische Kultur und Sprache verschwand größtenteils. In der südlich gelegenen Raetia prima blieb die Verbindung zu Italien jedoch noch einige Zeit bestehen und die romanische Sprache und der christliche Glauben überdauerten die Völkerwanderungszeit. Die Bezeichnung Rätien wurde deshalb später nur noch für die Raetia prima angewandt, für die sich auch die Bezeichnung Churrätien einbürgerte.
Verwendung des Begriffes „Rätien“ vom 18. Jahrhundert bis heute
Der geographische Begriff „Rätien“ wurde im ganzen Mittelalter und vermehrt wieder im 18. und 19. Jahrhundert für den Freistaat der drei Bünde verwendet, also nur noch für das Gebiet der ehemaligen Raetia prima. Als am 21. April 1799 der Freistaat der drei Bünde als neuer Kanton in die Helvetische Republik aufgenommen wurde, erhielt dieser vorerst die Bezeichnung Rätien, später Graubünden. Bis heute wird das Adjektiv „rhätisch“ bzw. „rätisch“ alternativ für „graubündnerisch“ bzw. „-bündner“ verwendet – etwa für die Rhätische Bahn oder die Rätoromanen.
Städte in der Provinz Raetia
Wichtige Städte in der römischen Provinz Raetia waren Augusta Vindelicorum (Augsburg), Castra Regina (Regensburg), Cambodunum (Kempten), Foetes (Füssen), Curia (Chur), Clunia (Feldkirch), Apodiacum (Epfach), Gamundia Romana (Schwäbisch Gmünd), Alae (Aalen), Parthanum, (Partenkirchen), Brigantium, (Bregenz), Castra Batava, (Passau).
Der Name Ries für die Landschaft um Nördlingen rührt von Raetia her.
Siehe auch: Römische Provinz, Römische Legion, Legionslager, Räter, rätoromanische Sprache, Rätoromanen, Obergermanisch-Raetischer Limes