Die Geschichte der Astronomie umfaßt zeitlich die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit. Die Astronomie wandelt sich von einer reinen Kunde des Sternenhimmels und seiner Zyklen über die klassische Astronomie, deren wesentliche Teilgebiete die Positionsastronomie und Ephemeridenrechnung sind, bis zur modernen Astrophysik, die sich um ein physikalisches Verständnis der Himmelskörper selbst bemüht.
Die Kenntnis des Himmels und damit des Kalenders ist bereits in frühester Zeit von überlebenswichtiger Bedeutung für die Kulturen der Menschheit, da mit ihrer Hilfe alljährlich bedeutsame Ereignisse, zum Beispiel für den Ackerbau, festgelegt werden. Diese Bedeutung schlägt sich in der religösen Verehrung in Form von Astralkulte nieder, die zum Urspung sowohl der Astrologie als auch der Astronomie werden.
Das astronomische Wissen der frühen und außereuropäischen Hochkulturen, etwa der Babylonier, der Chinesen oder der Mayas ist beträchtlich und stützt sich auf Jahrhunderte der Beobachtung. Dennoch betrachtet man die Astronomie dort im wesentlichen als Hilfswissenschaft, und ihre Anwendung erschöpft sich in der Astrologie und im Kalenderwesen. Als Wissenschaft, also um der Erkenntnis selbst willen, erscheint Astronomie erstmals bei den Griechen der Antike, kommt aber, wie viele Wissenschaften in Europa, im Mittelalter nahezu zum Erliegen. Das astronomische Erbe der Antike wird jedoch von arabischen und islamischen Astronomen bewahrt und erweitert, von wo aus es wieder nach Europa kommt und die Astronomie in der Renaissance neu auflebt.
In der frühen Neuzeit erfährt die europäische Astronomie durch die Erfindung des Teleskops gewaltigen Aufschwung. Die Erde rückt aus dem Zentrum des Universums (kopernikanische Wende), was eine starke Erschütterung des überlieferten Weltbildes mit sich bringt. Mit Isaac Newton beginnt die bis heute immer enger werdende Verbindung von Mathematik, Physik und Astronomie, insofern seine Gravitationstheorie den von Johannes Kepler entdeckten Gesetzen der Planetenbewegung (die rein beschreibend waren) ein physikalisches Fundament gibt. Diese Verbindung wird im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts immer enger, so dass Astronomie heute im Wesentlichen eigentlich Astrophysik ist.
Wie schon zuvor, beispielsweise mit Galilei, hat die Astronomie auch heute das Potential, das Selbstbild des Menschen und seine Auffassung von seiner Stellung im Universum zu verändern. Wesentliche Fragen in diesem Sinne sind:
- Die Entstehung des Universums
- Die Suche nach bewohnbaren Exoplaneten außerhalb des Sonnensystems
- Die Suche nach Leben auf anderen Planeten als der Erde
Archaische Astronomie
Das Wissen um die archaische Astronomie, in der Form von Astralkulten, beschränkt sich auf archäologische Erkenntnisse. Bereits in einem der ältesten erhaltenen Kulturdenkmal des Homo sapiens, der Höhle von Lascaux, findet sich eine Zeichnung in der die Plejaden erkannt werden könnten. Dieser Sternhaufen soll auch auf der Himmelsscheibe von Nebra abgebildet sein. Die beeindruckendste prähistorische Kultstätte in Europa ist wohl Stonehenge. Über die in Stonehenge praktizierten Kulte ist nichts überliefert, aber die geographische Ausrichtung des Bauwerks ist offensichtlich astronomischer Natur. Ähnliches lässt sich für Kultbauten aller Epochen auf der ganzen Welt zeigen.
Die altägyptische Religion zeigt, dass die Priester über ihr Wissen wachten, und noch um 150 v. Chr. eine Reform des Kalenders zur Julianischen Jahreslänge von 365.25 Tagen wieder rückgangig machten, um ihre Deutungsherrschaft über den Kalender zu wahren.
Antike Astronomie
Die Entwicklung der antiken griechischen Astronomie lässt sich bereits an frühen Schriften erahnen. Sowohl Homer als auch Hesiod beschreiben astronomische Vorgänge, lassen aber noch kein tieferes Verständnis erkennen. So beschreiben beide Morgen- und Abendstern als verschiedene Objekte (in Wirklichkeit beides die Venus, was zum Beispiel die Babylonier bereits wussten, welche die Venus Ischtar nannten). Auch den Tierkreis in seiner heutigen Form beschreibt Homer nur teilweise.
Ein weitergehendes Naturverständnis erreichen die Vorsokratiker (bis zum 5. Jahrhundert v. Chr.). Sie entwickeln unter anderem zunehmend genauere Zeitmessmethoden, etwa Sonnenuhren, deren Grundlagen sie wahrscheinlich von den Babyloniern übernehmen. Anaximander postuliert das geozentrische Weltbild, indem er als erster den Himmel als Sphäre, also kugelförmig beschreibt, mit der Erde im Zentrum. Frühere Kulturen sehen den Himmel als Halbkugel nur über der Erdscheibe, ohne das Problem zu berühren, wo Sterne zwischen Auf- und Untergang seien (außer in Mythen). Den Übergang zur Erde als Kugel macht er jedoch noch nicht.
Die griechische Kultur der klassischen Zeit ist die erste, die Astronomie ohne kultische oder astrologische Hintergründe, rein aus philosophischen Überlegungen betreibt. Noch heute berühmt ist die erstaunlich genaue Messung des Erddurchmessers durch Eratosthenes um 220 v. Chr., der die unterschiedlichen Schattenlänge der Sonne am gleichen Tag in Alexandria und Syene, wo sie genau im Zenit steht, auf unterschiedliche Breitengrade auf einer Kugel zurückführt. Weniger bekannt ist der Versuch des Aristarchos von Samos den Abstand zur Sonne im Verhältnis zum Mondabstand zu messen, der zwar aufgrund ungenügender Messgenauigkeit fehlschlägt (er wird um den Faktor 20 zu kurz bestimmt), aber methodisch korrekt ist.
Die griechischen Philosophen diskutieren zwar bereits ein heliozentrisches Weltbild, das nicht die Erde, sondern die Sonne als ruhendes Zentrum beinhaltet, können aber noch keine unterstützenden Beobachtungen vorlegen, so dass das geozentrische Weltbild das allgemein Anerkannte bleibt. Religiöse Eiferer wettern gegen das heliozentrische Weltbild und wünschen seinem Verfechter Aristarchos von Samos einen Prozess, die Sache bleibt aber, ander als später bei Giordano Bruno und Galileo Galilei, letztlich folgenlos.
Hipparchos von Nicäa und andere entwickeln die astronomischen Instrumente, die bis zur Erfindung des Fernrohres fast zweitausend Jahre später in Gebrauch bleiben, wie zum Beispiel die Armillarsphäre. Das Werk Ptolemäus' um 150 n. Chr. stellt den Höhepunkt und Abschluss der antiken Astronomie dar. Er entwickelt das ptolemäische Weltbild und gibt mit dem Almagest ein Standardwerk der Astronomie heraus, auf dessen Sternkatalog sich Astronomen noch bis über die Renaissance hinaus berufen. Die Römer schätzen Astronomie als Teil der Bildung, erweitern sie jedoch nicht weiter. Wenn überhaupt, so betreiben sie eher Astrologie, ziehen aber auch hier andere Formen der Zukunftsvorhersage vor. Die antiken Werke werden in den Resten des Oströmischen Reichs bewahrt, der kulturelle Austausch mit den lateinischen Staaten des Mittelalters kommt aber zum Erliegen.
Arabische Astronomie
Nachdem im Römischen Reich die Astronomie zum Stillstand gekommen war, ergibt sich Fortschritt erst wieder mit der islamischen Expansion. Alexandria wird von Arabern erobert, und seine Bibliothek leitet, zusammen mit indischen Einflüssen, die islamischen Gelehrten an. Die arabischen Leistungen beinhalten genaue Beobachtungen des Himmels, auch zu astrologischen Zwecken (obwohl der Islam die Kenntnis der Zukunft ungern sieht und Astrologie daher eigentlich nicht erlaubt), und Sternkataloge, die wesentlich zu den heute benutzten Sternnamen beitrugen. Auch Instrumente wie das Astrolabium werden weiterentwickelt. Ohne Teleskope sind die islamischen Astronomen jedoch nicht zu bedeutenden Erweiterungen der antiken Erkenntnisse in der Lage. Das geozentrische Weltbild wird allgemein anerkannt, und nur seine Details, wie Epizykeln oder Sphären, werden diskutiert. Der Entwicklungsstand der islamischen Astronomie ist auch exemplarisch für die chinesische oder indische Astronomie, die einen ähnlichen Stand erreichen, aber, ebenfalls ohne Teleskope, nicht darüber hinaus entwickelt werden.
Tragischerweise bleiben viele Leistungen großer islamischer Astronomen episodisch, so wie zum Beispiel das von Ulug Beg zu Beginn des 15. Jahrhunderts erbaute Observatorium von Samarkand, das beste seiner Zeit, das nach nur einer Generation dem Verfall überlassen wird. Die aus heutiger Sicht wichtigste Leistung islamischer Astronomen besteht im Bewahren, Übersetzen und teilweise Erweitern der antiken Arbeiten, wozu die europäische Kultur während des Mittelalters nicht in der Lage ist. Das wissenschaftliche Leben im Islam geht im 15. Jahrhundert jedoch stark zurück und vermag der europäischen Astronomie kaum noch Impulse zu geben, zumal nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen byzantinischen Emigranten die antiken Werke wieder im Original nach Mitteleuropa bringen.
Astronomie der Renaissance
Die Renaissance markiert die Blüte der klassischen Astronomie als Wissenschaft vom geometrischen Aufbau des Universums, jedoch noch ohne dessen physikalische Mechanismen zu erforschen.
Die europäische Astronomie beginnt mit Nikolaus Kopernikus nach 1500 wieder aufzuleben. Nach Beobachtungen des Mondes gegen die Sterne zweifelt er am geozentrischen Weltbild und arbeitet ein heliozentrisches Weltbild aus, das er 1543 in seinem Buch "De Revolutionibus Orbium Coelestium" vorstellt. Tycho Brahe beobachtet 1572 einen "Neuen Stern" (stella nova), den er als "ein Wunder, wie es seit Anbeginn der Welt nicht gesehen wurde", beschreibt. Zwar war eine solche Erscheinung, eine Supernova, bereits 1054 von Chinesen gesehen worden, aber den europäischen Gelehrten entgangen. Brahe ist ein Meister des Intrumentenbaus und der exakten Beobachtung. Der von ihm entwickelte Mauerquadrant löst die seit der Antike gebräuchliche Armillarsphäre als Universalinstrument ab. Die Genauigkeit von Brahes Positionsmessungen der Planeten ermöglichen Johannes Kepler die Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegung.
Die Erfindung des Fernrohrs zu Beginn des 17. Jahrhunderts besiegelt die Zeitenwende der Astronomie. Galileo Galilei entdeckt mit seiner Hilfe die vier inneren Monde des Jupiter und die Phasen der Venus. Dadurch wird das geozentrische Weltbild unhaltbar. Der darauf folgende Streit mit der Kirche endet zwar mit dem juristischen Sieg der Inquisition gegen Galilei, begründet aber ein problematisches Verhältnis zwischen Kirche und Naturwissenschaften, das bis heute nachwirkt.
Astronomie im Zeitalter der Vernunft bis zur Neuzeit
Die europäischen Fürsten fördern die Astronomie zunehmend an ihren Höfen als Zeichen ihrer Kultur und Bildung, wodurch sich ein personeller wie finanzieller Aufschwung der Forschung ergibt.
In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts verbessern Astronomen ihre Teleskope und beschreiben die Planeten mit immer höherer Genauigkeit. So erkennt Christiaan Huygens als erster die wahre Natur der Ringe des Saturn, und Edmond Halley sagt die Wiederkehr des Kometen Halley 1758 voraus, die er allerdings nicht mehr erlebt. Sir Isaac Newton legt mit dem 1687 erschienenen epochalen Werk Philosophiae naturalis Principia mathematica die ersten Grundlagen der Astrophysik, indem er die Keplerschen Gesetze auf seine Theorie der Gravitation zurückführt.
Im März 1781 entdeckt Wilhelm Herschel einen neuen Planeten, der später Uranus genannt wird. Damit ist nicht nur der Wissenstand um die Objekte des Himmels erweitert, sondern das Planetensystem selbst. Für die Astronomen jener Zeit ist die Entdeckung so bedeutend, dass die Position, an der Uranus entdeckt wurde noch Jahrzehnte darauf in die Sternkarten mit aufgenommen wird. Die Entdeckung physikalisch zusammengehöriger Doppelsternsysteme führt zu Spekulationen über Planetensysteme um andere Sterne.
Gleichzeitig beschleunigt sich der Wandel der Astronomie zur Astrophysik: Die Entdeckung der Infrarotstrahlung mit Hilfe der Spektroskopie durch Herschel 1801 zeigt, dass das Spektrum nicht auf das visuelle Licht beschränkt ist. Die Astronomie als Wissenschaft tritt in eine Ära der Taxonomie ein: Die Himmelsobjekte werden in Klassen eingeteilt, die später auf physikalische Gemeinsamkeiten zurückgeführt werden können und heute noch benutzt werden, wie zum Beispiel das Hertzsprung-Russell-Diagramm für Sterne zeigt.
Der nächste große Schritt ist die Ablösung des Auges als Beobachtungsinstrument durch die Fotografie zwischen ca. 1850 und 1900. Der Jesuit Angelo Secchi ist einer der ersten Astronomen, die Fotografie für ihre Zwecke einsetzen. Dadurch werden die Beobachtungen nicht nur objektiver, sondern stundenlange Belichtungen eröffnen die Möglichkeit, lichtschwächere Objekte in wesentlich höherem Detail zu erforschen. Die klassische Astronomie tritt ab 1900 immer mehr in den Hintergrund und macht der Erforschung der physikalischen Eigenschaften der Himmelskörper selbst Platz.
Die moderne Astrophysik
Der größte Teil des Wissens um das Universum stammt aus dem 20. Jahrhunderts. Die moderne Astrophysik ist geprägt von dem Versuch, die beobachteten Phänomene und Objekte durch die ihnen zugrunde liegenden physikalischen Gesetze zu verstehen. Wichtige Momente in diesem Prozess sind der Vorschlag Arthur Eddingtons der Kernfusion als Energiequelle der Sterne 1920 und, mit dem Erkennen der Spiralnebel als extragalaktische Objekte, Edwin Hubbles Idee eines sich ausdehnenden Universums (1929), die er nach dem Vergleich der Entfernung zu den Galaxien mit deren Geschwindigkeiten von der Erde weg hat. Heute gilt das Modell des aus einem Urknall heraus expandierenden Universums als allgemein anerkannt. Der genaue Ablauf der Anfangsphase des Universums, bis hin zur Bildung der ersten Sterne und Galaxien, ist aber nach wie vor ein wichtiges Forschungsgebiet.
Mit dem Beginn der Raumfahrt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekommt die Astronomie nicht nur Gelegenheit, die im Sonnensystem gelegenen Forschunsgegenstände direkt zu besuchen, und dort nach Spuren des Lebens zu suchen. Mindestens ebenso wichtig ist, dass die Beschränkungen der Erdatmosphäre wegfallen, und sich mit satellitengestützten Observatorien der Ultraviolettastronomie, der Röntgenastronomie, und der Infrarotastronomie neue Wellenlängenbereiche und damit neue Fenster ins Universum öffnen, von denen jedes zuvor ungeahnte Erkenntnisse gebracht hat.
Gleichzeitig bieten sich der visuellen Astronomie mit Teleskopen wie dem Hubble Weltraumteleskop oder dem Very Large Telescope neue Beobachtungsmöglichkeiten, und mit Methoden wie der Interferometrie hoffen Astronomen schon bald in der Lage zu sein, nach erdgroßen Planeten um benachbarte Sterne zu suchen, und spätestens in der nächsten Generation deren Atmosphären zu spektroskopieren.
Literatur
Auswahl wichtiger Bücher
- Ptolemäus: Almagest, (ca. 150 n.Chr.)
- Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium Coelestium, (1543)
- Johannes Kepler: Astronomia Nova (1609), Harmonicis Mundi (1619)
- Galileo Galilei: Dialogo sopra i due massimi sistemi, (1632)
- Isaac Newton: Philosophiae naturalis Principia mathematica, (1687) Originale als PDF
- Wilhelm Herschel: On the Construction of the Heavens, (1785)
- Pierre-Simon Laplace: Traité de Mécanique Céleste, (1799)
- Angelo Secchi: Mappe fotografiche delle principali fasi lunari, (1858)
- Arthur Stanley Eddington: The internal Constitution of Stars, (1926)
- Edwin Hubble: The realm of the nebulae, (1936)
Weiterführende Literatur
- Hamel, Jürgen: Geschichte der Astronomie. 2. Aufl. 2002. ISBN 3-440-09168-6
- Wolfgang R. Dick u. Jürgen Hamel (Hrsg.): Beiträge zur Astronomiegeschichte, Bd.5. Acta Historica Astronomiae. ISBN 3-8171-1686-1
- Bührke, Thomas: Sternstunden der Astronomie.Von Kopernikus bis Oppenheimer. Beck 2001. ISBN 3-406-47554-X
- John North: Viewegs Geschichte der Astronomie und Kosmologie. Berlin 1997. ISBN 3-540-41585-8
Weblinks
- http://www.astro.uni-bonn.de/~pbrosche/astoria-d.html Arbeitskreis Astronomiegeschichte der Astronomischen Gesellschaft
- http://www.unet.univie.ac.at/~a9503672/astro/history.htm Gesamtüberblick
- http://home.t-online.de/home/m.holl/astgesch.htm Ausgewählte Themen detailliert behandelt