Adolf Eichmann

deutscher SS-Angehöriger und Kriegsverbrecher, 1962 in Israel hingerichtet
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Karl Adolf Eichmann (* 19. März 1906 in Solingen; † 1. Juni 1962 in Ramleh bei Tel Aviv, Israel), SS-Obersturmbannführer, war als Leiter des für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständigen Referats des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) zentral mitverantwortlich für die Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Juden.

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Adolf Eichmann

Biografie

Karl Adolf Eichmann zog im Jahre 1914 als Kind mit seiner Familie von Solingen nach Linz (Österreich). Nach dem er ohne Abschluss von der Realschule abgegangen war, begann er 1921 eine Ausbildung zum Mechaniker an der Höheren Bundeslehranstalt für Elektroniktechnik, Maschinenbau und Hochbau in Linz. Er verließ die Bundeslehranstalt im Jahre 1921 wiederum ohne Abschluss und war von 1923-1932 zunächst Arbeiter in der Untersberger Bergbaugesellschaft seines Vaters, dann Verkäufer für eine Elektrofirma und schliesslich Vertreter einer Mineralölfirma. Am 21. März 1935 heiratete er Vera Liebl, mit der er vier Söhne hatte.

Eichmann trat im Jahre 1927 dem deutsch-österreichischem Frontkämpferbund bei, im April 1932 wurde er Mitglied der österreichischen NSDAP und der SS (Parteinummer: 899.895). Als am 19. Juni 1933 die NSDAP und alle ihre Gliederungen in Österreich verboten wurden, ging er im Juli nach Bayern, wo er als Mitglied der Österreichischen Legion (einer speziell für Österreicher gebildeten Einheit der SS) zunächst in Kloster Lechfeld und später in Dachau eine vierzehnmonatige militärische Ausbildung bei der SS absolvierte. Hier meldete er sich im Oktober 1934 freiwillig zum Sicherheitsdienstes (SD)der SS nach Berlin. Zunächst arbeitete er dort als Hilfskraft im SD-Referat II 111, dass u.a. für den Aufbau einer sog. Freimauererkartei zuständig war. Im Juni 1935 wurde Eichmann in das neugeschaffene Referat II 112 (Referat Juden) versetzt und war nunmehr als sog. Sachbearbeiter für sog. Judenangelegenheiten zuständig. In enger Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) war er hier zunächst vor allem darum bemüht, die damals sog. Auswanderung - d.h. Vertreibung - der Juden aus Deutschland voranzutreiben. Nach dem Anschluss Österreichs im Jahre 1938 wurde er als SD-Führer zum SS-Oberabschnitt Donau versetzt. Er baute in Wien zusammen mit seinem Stellvertreter Alois Brunner die Zentralstelle für jüdische Auswanderung auf, welche die zwangsweise Ausreise der jüdischen Bevölkerung aus Österreich betrieb. Im Oktober 1939 übernahm Eichmann die Leitung der zuvor von Reinhard Heydrich eingerichteten Reichszentrale für jüdische Auswanderung in Berlin und wurde Leiter des Referats IV D 4 (Räumungsangelegenheiten und Reichszentrale für jüdische Auswanderung) beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin. Im März 1941 wurde dieses Referat im Zuge einer Umsturkturierung des RSHA und in Folge des Auswanderungsverbots für Juden in IV B 4 (Juden- und Räumungsangelegenheiten)umbenannt. Als Leiter des Referats IV D 4 bzw. IV B 4 war Adolf Eichmann für die gesamte Organisation der Deportation der Juden aus Deutschland und den besetzen europäischen Ländern zuständig. Ihm unterstand die Koordination sämtlicher Transporte, er sorgte für die Einhaltung der Fahrpläne und die Zusammenstellung und "Auslastung" der Eisenbahnzüge, die die Menschen in die Ghettos und Konzentrationslager transportierten. Er war somit direkt mitverantwortlich für die Enteignung, Deportation und Vernichtung von über 6 Millionen Juden.

Bei der Wannseekonferenz im Jahre 1942, auf der die bereits vorher beschlossene sog. Endlösung der Judenfrage koordiniert wurde, war Eichmann Protokollführer. Schon ein Jahr zuvor hatte er das Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau besucht. Eichmann leitete auch selbst Deportationen von Juden in dieses Lager. So war er nach der deutschen Besetzung Ungarns im Frühling und Frühsommer 1944 Hauptverantwortlicher für die in Ungarn erst jetzt einsetzenden Massendeportationen in die Vernichtungslager. Gleichzeitig verhandelte er im Auftrag Himmlers mit Kurt Becher, dem jüdischen Hilfskomitee in Budapest über den Freikauf einzelner jüdischer Gefanger. Eichmann hatte Überblick über die industrielle Vernichtung von Menschen nach 1941 und soll alle größeren Vernichtungslager besucht und Ermordungen in Augenschein genommen haben, um die Vernichtungsmethodik vom Schreibtisch aus rationalisieren zu können. Trotz seiner besonderen Stellung innerhalb der SS begegnete Eichmann Adolf Hitler nie persönlich.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs floh Eichmann 1945 aus einem amerikanischem Internierungslager und lebte mit gefälschten Papieren in Deutschland, wo er zeitweise als Holzarbeiter in der Lüneburger Heide arbeitete. Im Jahre 1950 wanderte er mit Hilfe deutsch-katholischer Kreise um den österreichischen Bischof Alois Hudal im Vatikan über Italien entlang der sogenannten Rattenlinie nach Argentinien aus. Einige Zeit später holte er seine Familie nach und lebte zunächst unbehelligt unter den Namen Richard Klement in relativ bescheidenen Verhältnissen bis er am 11. Mai 1960 nach monatelanger Beobachtung von Agenten des Mossad gefasst wurde. Rafael Eitan leitete die Aktion. Auf der Straße sprach der Agent Peter Zvi Malkin Eichmann an und kurz darauf zerrten ihn mehrere Agenten in ein Auto. Da zwischen Argentinien und Israel kein Auslieferungsabkommen bestand, wurde Eichmann zehn Tage in einem sicheren Haus verstecktgehalten, verhört und später nach Israel entführt, um dort wegen Verbrechen gegen das jüdische Volk angeklagt und vor Gericht gestellt zu werden.

Der Eichmann-Prozess

Der Prozess gegen Adolf Eichmann vor dem Jerusalemer Bezirksgericht (Aktenzeichen 40/61) begann am 11. April und endete am 15. Dezember 1961 mit dem Todesurteil. Das Urteil - Tod durch den Strang - wurde in zweiter Instanz am 29. Mai 1962 durch das Berufungsgericht bestätigt. Die von dem israelischen Generalstaatsanwalt Gideon Hausner ausgearbeitete Anklageschrift umfasste fünfzehn Punkte. Darin wurden Eichmann u.a. "Verbrechen gegen das jüdische Volk", "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", "Kriegsverbrechen" und die "Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation" vorgeworfen. Im Verlauf des Verfahrens wurden mehr als einhundert Zeugen aufgerufen und tausende von Dokumente als Beweismaterial vorgelegt. Insbesondere die Zeugeaussagen der Überlebenden der Konzentrationslager trugen mit dazu bei, dass die Schrecken der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden einer breiten Öffentlichkeit ins Gedächtnis gerufen wurden. Die internationalen Medien berichteten ausführlich über diesen spektakulären Prozess und Adolf Eichmann wurde rasch zum "Musterbeispiel" eines NS-Schreibtischtäters. Vor allem auch in der deutschen Öffentlichkeit stieß der "Fall Eichmann" auf großes Interesse. Alle großen deutschen Tageszeitungen sowie das Fernsehen berichteten ausführlich und nahezu täglich über den Jerusalemer Prozess.

Eichmann beharrte von Beginn des Prozesse bis zum Schluss darauf, dass er im Sinne der Anklage unschuldig sei und berief sich darauf, nur auf Befehl von Vorgesetzten gehandelt zu haben. Das Todesurteil wurde am 1. Juni 1962 im Gefängnis von Ramleh vollstreckt. Sein Leichnam wurde verbrannt und die Asche ins Meer gestreut. Er war der einzige Mensch, der jemals in Israel hingerichtet wurde.

Hannah Arendt über Adolf Eichmann

Die Politologin Hannah Arendt, die den Verfolgern knapp über Frankreich nach New York entkommen war, beschrieb Eichmann als jemanden, dem es banal an Fantasie mangele, sich in seine Opfer hineinzuversetzen und sagte, er sei ein Hanswurst[1]. Hannah Arendt schrieb über den Prozess ursprünglich im Auftrag der Zeitschrift "The New Yorker" Reportagen, dann das Buch "Eichmann in Jerusalem". Von ihr stammt in diesem Zusammenhang der Begriff der furchtbaren "Banalität des Bösen", der eine große Kontroverse unter Intellektuellen auslöste. Insbesondere ihre Kritik an der Durchführung des Prozesses seitens der israelischen Regierung und Justiz sowie ihre Kritik am Verhalten einzelner Vertreter jüdischer Organisationen während des "Dritten Reiches" führten dazu, dass ihr Bericht über den Eichmann-Prozess nicht nur in Israel und innerhalb eines großen Teils der jüdischen Gemeinschaft auf starke Ablehnung traf.

Literatur

  • Zvi Aharoni, Wilhelm Dietl: Der Jäger - Operation Eichmann. Was wirklich geschah, Stuttgart 1996
  • Günter Anders: Wir Eichmannsöhne. Offener Brief an Klaus Eichmann, 2., durch einen weiteren Brief ergänzte Aufl., München 1988 (zuerst ohne den zweiten Brief 1964)
  • Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Piper Verlag, München 1986, ISBN 349220308.
  • David Cesarani: Adolf Eichmann - Bürokrat und Massenmörder, Berlin 2004, ISBN 3549071868
  • Chistina Große, Der Eichmann-Prozeß zwischen Recht und Politik, Frankfurt am Main 1995
  • Gideon Hausner: Gerechtigkeit in Jerusalem, München 1967
  • Karl Jaspers zum Eichmann-Prozeß. Ein Gespräch mit Luc Bondy, in: Der Monat, Jg. 13. (1961), Heft 152, S. 15-19
  • Rudolf Kastner: Der Kastner-Bericht über Eichmanns Menschenhandel in Ungarn, München 1961
  • Robert M. W. Kempner, Eichmann und Komplicen, Zürich u.a. 1961
  • Heinar Kipphardt: Bruder Eichmann. Schauspiel und Materialien, Gesammelte Werke in Einzelausgaben, hg. von Uwe Naumann unter Mitarbeit von Pia Kipphardt, Rowohlt rororo, Reinbek bei Hamburg 1991,ISBN 3499157160
  • Peter Krause: Der Eichmann-Prozeß in der deutschen Presse, Frankfurt am Main/New York 2002, ISBN 3593370018
  • F.A. Krummacher (Red.): Die Kontroverse. Hannah Arendt, Eichmann und die Juden, München 1964
  • Hans Lamm: Der Eichmann-Prozeß in der deutschen öffentlichen Meinung. Eine Dokumentensammlung, Frankfurt am Main 1961
  • Jochen v. Lang (Hg.): Das Eichmann-Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre, Wien 1991
  • Avner W. Less (Hg.): Schuldig. Das Urteil gegen Adolf Eichmann, Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3610.
  • Harry Mulisch: Strafsache 40/61. Eine Reportage über den Eichmann-Prozess, Edition Tiamat, Berlin 1987, ISBN 39231118317.
  • Bernd Nellessen. Der Prozeß von Jerusalem. Ein Dokument, Düsseldorf/Wien 1964
  • Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3596120764.
  • Dov B. Schmorak (Hg.): Sieben sagen aus. Zeugen im Eichmann-Prozeß. Mit einer Einleitung von Peter Schier-Gribowoski, Berlin 1962
  • Dov B. Schmorak (Hg.): Der Eichmann-Prozeß. Dargestellt an Hand der in Nürnberg und in Jerusalem vorgelegten Dokumente und Gerichtsprotokolle, Wien u.a. 1964
  • Irmtrud Wojak: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2001, ISBN 359336381X.
  • Albert Wucher: Eichmanns gab es viele. ein Dokumentarbericht über die Endlösung der Judenfrage, München/Zürich 1961
  • Simon Wiesenthal: Ich jagte Eichmann S. Mohn Verlag, 1961, ohne ISBN
  • Leslie Kaplan : Fever Roman, Paris 2005, ISBN 2846820538, Berlin (Berlinverlag) 2006

Siehe auch

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Film

- The Specialist (Dokumentarmaterial)

- Eine Auswahl von Filmen und Serien, in denen Adolf Eichmann von folgenden Schauspielern dargestellt wurde: