Line Array
Der Begriff Line Array bezeichnet ein Konzept von Beschallungssystemen, die ihren Einsatz bei Konzerten oder anderen Liveveranstaltungen finden. Es handelt sich um ein Lautsprechersystem zur Übertragung von Musik oder Sprache über größere Distanzen, also Beispielsweise das Auditorium eines großen Konzertes. Man unterscheidet zwischen konventionellen Beschallungssystemen, bei denen mehrere Lautsprecher in horizontaler Ebene, also nebeneinander gestackt werden um eine bestimmte Fläche ausreichend zu beschallen und den Line Array Systemen, die mit übereinander angeordneten Lautsprechern das Auditorium mit Schall versorgen.
Grundgegebenheit einer Beschallungssituation ist es, eine räumlich begrenzte Fläche mit Schall zu versorgen. Dieser soll im Idealfall mit einem linearen Frequenzgang und linearem Phasenverhalten ohne Interferenzen alle Punkte im Raum mit demselben Signal in ausreichendem Pegel versorgen. Um genügend Pegel zu erhalten ist ein einzelner Lautsprecher pro Bühnenseite (Stereobeschallung) in den meisten Fällen nicht ausreichend. Bei der Kombination mehrerer Speaker ergeben sich bei konventionellen Systemen Überschneidungsbereiche (Interferenzen), die zu Auslöschungen im Frequenzbild und somit zu schlechtem Klang führen. Der Grund hierfür ist, dass identische Schallwellen von mindestens zwei unterschiedlichen Punkten (Speakern) aus gesendet werden und somit mit Laufzeitunterschieden beim Zuhörer eintreffen. Je nach Wellen- oder besser Phasenlage führt dies bei bestimmten Frequenzen zu Auslöschungen, bei anderen wiederum zu Verstärkungen. Das Ergebnis ist ein total verbogener Frequenzgang und somit unbefriedigender Klang.
Um diesem Problem zu begegnen, ist man bei der Technologie der Line Arrays einen anderen Weg gegangen: Diese arbeiten nach dem Prinzip einer Linien- oder auch Zylinderwelle mit endlicher Länge. Jedes Element hat in der horizontalen Ebene einen fest definierten Abstrahlwinkel von meist 70 bis 110 Grad, was ausreichend ist um das gesamte Auditorium von zwei Punkten aus, also ohne nebeneinander stehende Lautsprecher, zu versorgen. In der vertikalen Ebene ist das Abstrahlverhalten isophasisch, d.h. dass alle zu übertragenden Frequenzen gleichphasig in nur eine Richtung gelenkt werden. Gruppiert man nun mehrere solcher Elemente übereinander, so erhält man in der Vertikalen eine kohärente Wellenfront, die nahezu keine Interferenzen aufweist, da jeder Punkt im Raum von nur einem Lautsprecher pro (Stereo-) Seite beschallt wird. Mit dieser Technologie ist es nun auch ohne Probleme möglich, von der Bühne aus ein komplettes Auditorium mit zig tausend Personen zu beschallen, da jedes Lautsprecherelement des Line Array durch die starke Bündelung des Schalls in der Entfernung einen wesentlich höheren Schalldruckpegel aufweist.
Um Lautsprecherelemente mit der Abstrahlcharakteristik einer Linienwelle herzustellen bedarf es allerdings einige technische und physikalische Hürden zu überwinden. In der horizontalen Abstrahlrichtung einen definierten Winkel über das gesamte Frequenzspektrum zu erreichen ist nicht weiter kompliziert. Dies erfolgt wie bei konventionellen PA-Systemen auch durch Einsatz von Hörnern mit entsprechenden Öffnungswinkeln und Biegungen für die einzelnen Wege. Der Anspruch an das vertikale Abstrahlverhalten, eine isophasische Wellenfront zu erzeugen, ist weit schwieriger umzusetzen. Im Hochtonbereich gibt es dazu unterschiedliche Ansätze. Allen gemeinsam ist die Verwendung so genannter Waveguides. Dabei handelt es sich um Hörner, an die ein konventioneller Hochtontreiber angeschlossen wird und dessen Schall an der Hornöffnung phasengleich austritt. Bei der Vorgehensweise des Herstellers JBL geschieht dies durch eine lange Kanalisation des Schalls mit unterschiedlich langen Wegen für die verschiedenen Wellenlängen. Bis zur Hornöffnung sind schließlich die Laufzeitunterschiede ausgeglichen und der Schall gelangt als kohärente Wellenfront nach außen. Die Firma L-Acoustics arbeitet nach ähnlichem Prinzip, allerdings wird hier im Horninneren ein Phaseplug benutzt um den Schall verschiedener Wellenlängen umzuleiten. Einen anderen Weg geht man bei dem Hersteller NEXO. Hier strahlt ein gewöhnlicher Hochtontreiber seinen Schall auf einen parabolischen Reflektor, der die unterschiedlichen Wellenlängen durch seine Krümmung gleichphasig ausrichtet. Ergebnis bei allen Ansätzen ist eine kohärente Wellenfront für den Hochtonbereich. Im Mitteltonbereich besitzen übereinander angeordnete Lautsprecher aufgrund der längeren Wellen die Eigenschaft, ihren Schall zu bündeln. Dies macht man sich bei Line Arrays zu nutze indem in jedem einzelnen Element die Mitteltontreiber übereinander angebracht werden. Beim Stacking des gesamten Array befinden sich also letztlich die Treiber aller Elemente in einer vertikalen Linie und fungieren somit als Linienquelle. Dies gilt in vertikaler Ebene tendenziell auch für den Tieftonbereich, allerdings werden aufgrund der schmalen Bauform der Lautsprecher zumindest in horizontaler Richtung die unteren Frequenzen um das Array herumgebeugt und eher kugelförmig abgestrahlt. Bezüglich der Übertragung des Subbassbereiches gibt es zwischen Line Array und konventionellem Beschallungssystem keinen Unterschied. Hierfür werden nach wie vor nach dem Bassreflexprinzip arbeitende oder horngeladene Bässe mit großen Tieftontreibern eingesetzt. Diese sind nicht Bestandteil des geflogenen Line Arrays, sondern stehen wie gewohnt vor oder seitlich der Bühne.
Um einen ganzen Saal zu beschallen genügt es allerdings nicht, einfach die Elemente eines Line Array gerade übereinander zu stapeln. Da das linienartige Richtverhalten der Lautsprecher ab einer gewissen Entfernung trotzdem breiter wird, würden sich dadurch erneut Überschneidungsbereiche bilden. Nachteilig wäre außerdem die Konzentration der gesamten Leistung auf einen relativ geringen beschallbaren Raum. Um diesen Faktoren entgegenzuwirken und sie sich zu Nutze zu machen, wird das Line Array geflogen und gecurved. Die einzelnen quer liegenden Elemente werden an ihren vorderen Ecken fest aber anwinkelbar verbunden. An den hinteren Ecken der trapezförmigen Gehäuse sorgen in mehreren Rasterpunkten einsetzbare Verbindungsstücke für den richtigen Winkel der Lautsprecher zueinander. Wendet man diese Technik auf beispielsweise acht zusammenhängende Elemente an, so erhält man ein gebogenes Array von Lautsprechern („Banane“).
Die Vorteile im Abstrahlverhalten des gesamten Arrays liegen also vor allem in der Interferenzfreiheit und gleichmäßigen Schalldruckverteilung über den gesamten Zuschauerraum. Dies wird erreicht durch gezielte und kontrollierte Abstrahlung des Schalls sowie exaktes Zusammenwirken der einzelnen Elemente. Hieraus ergibt sich allerdings auch ein Nachteil: Um das System korrekt und effektiv einzusetzen bedarf es genauer Planung. Der System Engineer muss dazu Informationen über die Geometrie und Beschaffenheit des zu beschallenden Raumes besitzen. Hier stehen dem Benutzer Computersimulationen zur Seite, ohne die eine genaue Berechnung des Aufstellungsortes, der richtigen Höhe und Winkel, sowie Anzahl und Typ der Lautsprecher sehr kompliziert und zeitaufwendig wäre. Diese Programme werden in der Regel von den Herstellern der Line Array Systeme programmiert und auf diese zugeschnitten.
Die hohe Reichweite dieser Art der Beschallung lässt leicht erkennen, dass Line Arrays nicht für kleine Räume geeignet sind. Hier wäre mit starken Reflexionen von der Rückwand zu rechnen, was der Vermeidung von Interferenzen entgegenwirken würde.
Einen großen Vorteil haben Line Arrays in Punkto Handling gegenüber konventionellen Systemen. Im Gegensatz zu diesen zerlegt sich ein Line Array konstruktionsbedingt in viele kleine Elemente, die Auf- und Abbau sowie Transport und auch Austausch erheblich leichter gestalten.
Quellen und Weblinks:
Volker Holtmeyer: Mysterium Line-Array – Mode oder Trend? http://www.ifbcon.de/cavis_2005/CAVIS-2003_VH_Line-Array.pdf
Anselm Goerz: Theoretische Grundlagen und die praktische Anwendung von Line-Arrays in der Beschallungstechnik und ihre Berücksichtigung in Simulationsprogrammen http://www.anselmgoertz.de/Page10383/Anselm_Goertz_dt/Veroffentlichungen_dt/Cavis2002-Goertz.PDF