Mudejaren

Muslime unter christlicher Herrschaft in Spanien des Mittelalters
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Mudéjares (von arabisch mudaǧǧan / مدجّن oder Mudajjan „Person, der es erlaubt wurde, zu bleiben“) waren Muslime, die im Verlauf der Reconquista unter die Herrschaft der christlichen Königreiche in Spanien geraten waren, doch ihre Religion weiter ausüben konnten und sich an ihre christliche Umgebung anpassten.

Turm der Kathedrale von Teruel im Mudéjar-Stil
Kathedrale von Teruel im Mudéjar-Stil

Geschichte

Mit der Eroberung von Toledo 1085 kamen erstmals viele Muslime unter die christliche Herrschaft von Kastilien. Mit jeder weiteren eingenommenen Stadt - etwa Córdoba (1236) oder Valencia (1238) - stieg die Anzahl der Mudéjares. Vor allem solche Muslime, die der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Oberschicht angehörten, verließen freiwillig ihre Heimat, nachdem sie von den Christen erobert worden war. Die regelmäßig wiederholten Zusicherungen, dass sie ihre Religion weiter ausüben könnten, blieben fruchtlos, da die Emigration als religiöse Pflicht angesehen wurde. Von dem einflussreichen Gelehrten Ibn Ruschd (1126-1198) ist die kategorische Formulierung überliefert:

Die Pflicht, aus den Ländern der Ungläubigen fortzuziehen, wird bis zum Jüngsten Tag bestehen bleiben.[1]

Daher glich Saragossa nach seiner Eroberung durch Truppen des Königreichs Aragon 1118 einer Geisterstadt. Aus Sevilla, das 1248 von Ferdinand III. von Kastilien erobert wurde, wurde die muslimische Bevölkerung mit Gewalt vertrieben - der Historiker Richard Fletcher spricht von einer regelrechten „ethnischen Säuberung“.[2]

Sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Emigration der muslimischen Bevölkerung brachte für christlichen Eroberer Probleme mit sich, da sie nicht genug Menschen hatten, das Land zu bewirtschaften und zu verwalten. Daher wurden die Muslime aus Sevilla bald zur Rückkehr eingeladen. In der Region um Valencia überwog die Zahl der Mudéjares die der Christen schließlich um das Fünffache, hier blühte über Jahrhunderte weiterhin muslimisches Leben und muslimische Kultur. Weiter nördlich in Katalonien gab es dagegen gar keine Mudéjares. In Kastilien und Portugal, wo sie nicht in der Mehrheit waren, hatten die Mudéjares zunehmend Schwierigkeiten, ihre kulturelle Identität zu bewahren.

Die Mudéjares waren verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt. Als Untertanen zweiter Klasse durften sie an der Verwaltung der von ihnen bewohnten Städte und Gemeinden nicht teilnehmen. Verbrechen gegen sie wurden deutlich geringer bestraft als solche gegen Christen. Es war auch wesentlich leichter, sie zu Sklaven zu erklären: Wenn ein muslimischer Mann der Unzucht mit einer christlichen Frau beschuldigt wurde, wurden beide hingerichtet oder versklavt, hatte eine muslimische Frau dagegen mit einem Christen geschlafen, geriet nur sie in die Sklaverei. Mudéjares-Frauen wurden daher auch mit dem Hintergedanken verführt oder vergewaltigt, sie zu versklaven. Das Verbot, geschlechtliche Beziehungen zu Andersgläubigen zu unterhalten, wurde allerdings auch von den Mudéjares begrüßt. Bei christlichen Festen mussten Mudéjares vor der Hostie, die durch die Straßen getragen wurde, niederknien, König Sancho IV. von Kastilien bezeichnete sie in einem Handbuch, das er für seinen Sohn Ferdinand verfasste, als „Hunde“.

Die Mudéjares arbeiteten zumeist als einfache Landarbeiter oder Handwerker, etwa als Töpfer, Tischler, Maurer oder Gärtner, weswegen das Spanische in den Wortfeldern der Holzbearbeitung und der Keramik viele Lehnwörter aus dem Arabischen aufweist. Nach dem Fall Granadas, der letzten muslimischen Besitzung auf der iberischen Halbinsel, im Jahre 1492 verschlechterte sich die Lage der spanischen Muslime vor allem infolge der nun verstärkt betriebenen Zwangskonversion zum christlichen Glauben zunehmend. Zum Christentum konvertierte Mudéjares wurden allgemein als Moriscos, „kleine Mauren“, bezeichnet.

Mudéjarstil

Mudéjares waren vor allem in der Landwirtschaft und im Kunsthandwerk tätig. Sie übten besonders auf die Baukunst einen erheblichen Einfluss aus. Der nach ihnen benannte Mudéjarstil erreichte im 14. Jahrhundert seine Blüte. Dabei wurden Bauformen und Dekor aus der islamischen Architektur wie Hufeisenbogen (maurischer Bogen - 3/4 Kreis), Stalaktitgewölbe, Mauresken (Flächenverzierungen) und Stuckornamente und Majolikadekor mit dem Baustil der Gotik bzw. später dem der Renaissance verbunden. Von den erhaltenen Bauwerken dieser Zeit sind die Apsis der Moschee Cristo de la Luz, der Turm der Kirche Santiago del Arrabal und das Portal der Kirche von San Andrés zu nennen.

Auch auf Sardinien, wohin der Baustil mit den Katalanen gelangte, gibt es Beispiele von Kirchenbauten im Mudéjar-Stil, z.B.

Der Mudéjar-Stil gelangte mit der Conquista schließlich auch nach Mexiko.

Neomudéjarstil

Eine besondere iberische Ausprägung des Historismus ist der im 19. Jahrhundert aufgekommene und auch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts benutzte Neomudéjarstil in dem viele Stierkampfarenen (z.B. in Granada oder Las Ventas in Madrid) und offizielle Gebäude errichtet wurden: Schulen (Escuelas Aguirre, Madrid), Postämter (Málaga, Saragossa), Bahnhöfe, Theater (wie das Gran Teatro Falla in Cádiz) und Museen (Pabellón Mudéjar, Sevilla). Der Triumphbogen von Josep Vilaseca im nachempfundenen Mudéjarstil empfing 1888 die Besucher der Weltausstellung in Barcelona.

Einzelnachweise

  1. Leonard Patrick Harvey, Islamic Spain 1250 to 1500. University of Chicago Press, Chicago 1990, S. 56
  2. Richard Fletcher, Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 121

Literatur

  • Stephan Ronart, Nandy Ronart: Lexikon der Arabischen Welt. Ein historisch-politisches Nachschlagewerk. Artemis Verlag, Zürich u. a. 1972, ISBN 3-7608-0138-2.
Commons: Mudéjares – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Galerie

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