Freier Wille

Freiheit, nach dem eigenen Willen zu entscheiden
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Der Freie Wille ist eine Bezeichnung für den Willen eines Wesens, den dieses Wesen selbst und frei bestimmt. Der freie Wille wird selbst bestimmt, weil ein Wesen seine Entscheidung allein aus sich selbst heraus, ohne Kontrolle von außen wählt, und er wird frei bestimmt, weil ein Wesen mehr als nur eine Möglichkeit hat, seinen Willen zu bestimmen. Da der Wille die eigenen Handlungen bestimmt, sind somit die Handlungen eines Wesens mit freiem Willen auf dieses selbst zurückzuführen. Diese Freiheit des Willens nennt man Willensfreiheit.

Das Gegenkonzept zum freien Willen, und den damit verbunden freien Handlungen, ist der "unfreie Wille", und aus diesem resultierende unfreie Handlungen sind per Definition in irgendeiner Weise jemandem oder etwas anderem zuzuschreiben. Der Begriff "zuzuschreiben" ist unbestimmt, und lässt, wie der Begriff des freien Willens selbst, eine Vielzahl von Interpretationen zu. Wegen dieser Unbestimmtheit wird die Brauchbarkeit des Konzeptes freier Wille teilweise in Frage gestellt.

Kontroversen über den freien Willen

Seit Beginn der Aufklärung sah sich die Vorstellung eines freien Willens zahlreichen Anzweiflungen ausgesetzt, welche das Konzept eines freien Willens negieren. Hierbei existieren verschiedene Ansätze.

Das Problem des Determinismus und Indeterminismus

 
Pierre-Simon Laplace
  • Determinismus bezeichnet die Auffassung, dass alle Zustände der Welt durch alle vorherigen Zustände notwendig bestimmt seien. Das, was als nächstes geschieht, sei vollständig bestimmt (determiniert) durch das, was schon geschehen ist.
  • Indeterminismus bezeichnet die gegensätzliche Auffassung, dass es (zumindest einige) Ereignisse gäbe, die nicht vollständig durch frühere Zustände bestimmt sind. Zumindest manches, was geschehe, sei nicht vollständig durch das bestimmt, was schon geschehen ist.

Mit dem Beginn der modernen Naturwissenschaft setzte sich in der Wissenschaft die Auffassung durch, die Welt sei deterministisch. Die Auffassung des (absoluten) Determinismus kann mit dem Bild des Laplace'schen Dämons veranschaulicht werden, der alles Wissen über Vergangenheit und Gegenwart zur Verfügung hat sowie alle gültigen Naturgesetze kennt und daraus die gesamte Zukunft vollständig bis ins letzte Detail vorhersagen kann.

Einige Philosophen sahen die Konzepte der Willensfreiheit und des Determinismus als unvereinbar an. Wenn der Wille, wie alles andere in der Welt auch, dem Determinismus unterläge, so könne der Wille, und damit alle von ihm ausgehenden Entscheidungen und Handlungen, nicht dem Bild der Willensfreiheit entsprechen. Diese philosophische Auffassung bezeichnet man als Inkompatibilismus, dass Determinismus und freier Wille unvereinbar seien. Inkompatibilisten gehen davon aus, dass eine Person genau dann frei handele (einen freien Willen besitze), wenn sie der einzige verursachende Grund für die Handlung sei und eine andere Entscheidung hätte treffen können. Wenn der Determinismus zuträfe, dann wäre jede Wahl, die wir treffen, bereits durch frühere Ereignisse außerhalb unseres Einflussbereiches vorherbestimmt. Unsere Entscheidungen wären nur ein weiteres, seit Urzeiten vorherbestimmtes Ergebnis der determinierten Weltordnung, der freie Wille lediglich eine Illusion. Aus dieser Zeit stammt die heutige Gegenüberstellung von Determinismus und Willensfreiheit.

"Harte Deterministen" wie Baron d'Holbach sind diejenigen Inkompatibilisten, die den Determinismus akzeptieren und den freien Willen leugnen. Als Libertarianer werden Inkompatibilisten wie van Inwagen bezeichnet, die den freien Willen bejahen und daher die Position des philosophischen Indeterminismus akzeptieren (nicht zu verwechseln mit der politischen Richtung desselben Namens).

 
Thomas Hobbes

Es wird allerdings auch die Position vertreten, dass der Determinismus mit dem freien Willen verträglich sei. Kompatibilisten wie Thomas Hobbes gehen davon aus, dass eine Person genau dann frei handele, wenn sie eine Handlung wolle und auch anders handeln könne, wenn sie anders handeln wolle. Ob die Entscheidung deterministisch längst festgelegt sei, spiele keine Rolle, da der freie Wille die determinierte Zukunft nicht kenne. Für Kompatibilisten bedeutet frei sein letztlich, nach Gründen zu handeln, die dem Handelnden nicht bewusst sind.

In der Diskussion um den freien Willen wird manchmal auch auf die Fälle hingewiesen, in denen eindeutig kein freier Wille vorliegt (z. B. Opfer von Vergewaltigung, Mord, Diebstahl). Der freie Wille ist hierbei aber nicht dadurch eingeschränkt, dass die Vergangenheit die Zukunft bestimmt, sondern dass ein Angreifer den freien Willen des Opfers missachtet. Determinismus spielt hierbei keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass unsere Entscheidungen das Resultat unserer Wünsche und Präferenzen sind und nicht durch externe (oder sogar interne) Einflüsse aufgehoben werden.

Der (strenge) Determinismus im Sinne des Laplace'schen Dämons führt zu einem Paradoxon. Er sagt letztlich aus, dass alles genau so geschieht, wie es geschieht. Damit kann man eine (streng) deterministische Welt nicht von einer indeterministischen Welt unterscheiden. Jede Annahme eines freien Willens wäre, ebenso wie jede Annahme des Gegenteils bereits vorbestimmt. Eine streng deterministische Welt könnte damit von sich annehmen, eine indeterministische Welt zu sein.

Andererseits lässt sich auch der (strenge) Indeterminismus auf dieses Paradoxon zurückführen. Auch eine indeterministische Welt könnte sowohl den Determinismus als auch den Indeterminismus annehmen, ohne ihn aber entscheiden zu können.

Außerdem geht der Indeterminismus von der Willensfreiheit nur für die Zukunft aus. Alles was in der Vergangenheit liegt, lässt sich nicht mehr beeinflussen. Damit stimmen Determinismus und Indeterminismus für die Vergangenheit überein. Die Zukunft aber kann man erst beurteilen, wenn sie Vergangenheit ist.

Somit läuft es auf ein Scheinproblem hinaus.

Eine vermeintliche Lösung wäre, dass mehrere Zustände gleichzeitig auftreten können, dass der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht gilt, dass es mehrere Vergangenheiten und Zukünfte gibt. Das aber wäre durch Beobachtung nach heutiger Auffassung nicht zu entscheiden.

Aus dem Paradoxon ergibt sich, dass der Determinismus keinerlei tatsächlichen Einfluss auf das konkrete Handeln hat.

Kompatibilistische Theorien des freien Willens

Damit eine Entscheidung als frei in irgendeinem maßgeblichen Sinn bezeichnet werden kann, ist es nach Ansicht vieler erforderlich, dass der Handelnde es auch anders hätte machen können. Sie nehmen dieses Prinzip – van Inwagen nennt es das "Prinzip der alternativen Möglichkeiten" – als notwendige Voraussetzung für Freiheit.

Wenn z.B. ein Wissenschaftler eine Maschine in Roberts Hirn einsetzt, die Robert veranlasst, den Bundespräsidenten zu ermorden, war Roberts Handlung nicht frei, denn Robert hätte nicht anders handeln können.

Inkompatibilisten nehmen öfters Bezug auf dieses Prinzip, um zu zeigen, dass Determinismus und freier Wille unvereinbar sind.

"Wenn eine Entscheidung vollständig durch die Vergangenheit bestimmt ist, wie könnte der Handelnde sich entscheiden, etwas anderes zu tun?" wird gefragt. Darauf wird entgegnet, dass nicht nur wichtig ist, ob der Handelnde etwas anderes hätte tun können, sondern, ob er etwas anderes hätte tun können, "wenn er es gewollt hätte".

Darüberhinaus argumentieren manche Kompatibilisten wie Frankfurt oder Dennett, dass es eindeutige Fälle gibt, wo ein Handelnder nicht anders hätte handeln können, die Entscheidung des Handelnden aber trotzdem frei war: Was wäre in dem Fall, wo Robert wirklich den Bundespräsidenten ermorden wollte, und die Maschine in Roberts Kopf nur einsetzt, wenn Robert die Nerven verliert? Wenn Robert so ausgerüstet durch die Stadt läuft, wäre diese Handlung sicherlich frei. Inkompatibilisten entgegnen darauf, dass das Problem dabei ist, dass das, was Robert "wollte", schon vorherbestimmt war, bevor er es wahrnahm.

Auch weitergehende Analysen des freien Willens wurden versucht. Eine freie Handlung könnte nicht nur Freiheit von äußeren Zwängen erfordern, sondern auch Freiheit von inneren Konflikten oder Zwängen.

Zwanghafte Verhaltensweisen und die Handlungen der Geistesgestörten sind daher nicht frei. Darüberhinaus sagt uns der gesunde Menschenverstand, dass ein Handelnder auch rational oder irrational vollständig gleichgültig sein kann. In jedem Fall ist was wir meinen mit freiem Willen, dass ein Handelnder "Eigentümer" seines Willens unabhängig von äußeren oder inneren Einflüssen ist.

Kausalität

Spätestens seit der Entwicklung der Quantenphysik ist jedoch festzuhalten, dass aus der Verneinung des Determinismus nicht zwangsläufig die Freiheit des Willens herleitbar ist. In dem heutigen indeterministischen Weltbild der Quantenphysik gilt der Zufall als Bestandteil der physikalischen Welt, der Determinismus ist dem Indeterminismus gewichen. Jedoch ist in einer indeterministischen Welt eine Zufallsbestimmung des Willens ebenso möglich wie dessen Selbstbestimmung.

Daher ist es in einer indeterministischen Welt angebrachter zu fragen, ob der freie Wille mit dem kausalem Weltbild des menschlichen Denkens vereinbar ist. Unter kausalen Gesichtspunkten ist der freie Wille eine Ursache von Wirkungen, unseren Handlungen, welche selbst keinen Einfluss von außen hat, und eigene Ursache aufweist.

(Jedoch ist philosophisch strikt zwischen einem epistemischen Indeterminismus und einem ontologischen Indeterminismus zu unterscheiden. Der epistemische Indeterminismus bezieht sich auf unsere Erkenntnisfähigkeit, d.h. wir können nicht eindeutig bestimmen, welcher Sachverhalt zutrifft, aber aufgrund erkenntnistheoretischer Probleme und Grenzen, nicht, weil "die Sache selbst" indeterministisch ist. Ein ontologischer Indeterminismus dagegen bezieht sich auf "die Sache selbst", i.e. die Welt. Dadurch wird die "Lösung" mit der Quantentheorie zu einer vermeintlichen Lösung, insofern sie - in der Regel - sich auf einen epistemischen Indeterminismus bezieht, nicht aber auf einen ontologischen. Nicht wenige Philosophen kritisieren daher solche vermeintlichen Lösungsansätze für das Problem der Willensfreiheit und weisen darauf hin, dass diese Option dann und nur dann möglich ist, wenn wir tatsächlich von einem ontologischen Indeterminismus ausgehen können).

Schopenhauer, der diesen Ansatz bekannt machte, sah in der Verletzung des Kausalitätsprinzips, einer Grundfeste des menschlichen Denkens, ein Gegenargument gegen die Willensfreiheit. Der freie Wille sei eine Illusion, in Wahrheit sei der Wille durch chaotische Einflüsse außerhalb des Subjekts gesteuert. Unter den äußeren Einflüssen fallen sowohl Sozialisation, genetische Faktoren, und sämtliche Umwelteindrücke zusammen.

Willensfreiheit und Naturwissenschaft

Im Verlauf der Geschichte der Naturwissenschaften wurden viele Versuche gemacht, die Frage des freien Willens unter Verwendung naturwissenschaftlicher Prinzipien zu beantworten. Frühe wissenschaftliche Vorstellungen sahen die Welt oft als deterministisch an, und es gab die Auffassung, dass bei genügend genauer Information die Zukunft beliebig genau vorhergesagt werden kann. Dagegen ist es in der Quantenmechanik nicht mehr möglich, den Ablauf eines Vorgangs hinsichtlich aller messbarer Größen vorherzusagen, selbst wenn alle prinzipiell zugänglichen Informationen über seinen Anfangszustand bekannt sind (in der Praxis ist es nicht möglich, was aber nicht heisst, dass die Vorgänge nicht theoretisch einem tieferen "Naturgesetz" unterliegen, womit wir wieder beim Determinismus sind). Nach gängiger Interpretation ist damit das Naturgeschehen nicht vollständig determiniert sondern unterliegt in einem fundamentalen Sinne partiell dem Zufall. (Wieder ist dies nur ein praktischer Zufall, theoretisch kann dieser "Zufall" eben einem Naturgesetz unterliegen, womit es kein Zufall mehr ist. Es kann also auf keinen Fall von ontologischem Indeterminismus die Rede sein.)

Ähnlich wie Physiker haben auch Biologen häufig versucht, die Frage des freien Willens zu erhellen. Eine der hitzigsten Debatten der Biologie ist die Frage Natur vs. Prägung. Wie wichtig sind Genetik und biologische Grundlagen für das menschliche Verhalten im Gegensatz zur Prägung durch Kultur und Umgebung? Genetische Studien haben viele spezifische genetische Faktoren identifiziert, die die Persönlichkeit eines Individuums beeinflussen, von offensichtlichen Fällen wie dem Down-Syndrom bis hin zu eher subtilen Effekten wie der statistischen Disposition für Schizophrenie. Dennoch ist nicht sicher, ob die Prägung durch die Umgebung weniger Einfluss auf den freien Willen hat als die genetische Determinierung.

Es wurde in den letzten Jahren auch möglich, das lebende Gehirn zu untersuchen, und es gibt verschiedene Methoden, den Prozess der Entscheidungsbildung zu beobachten, den man gemeinhin mit dem freien Willen identifiziert.

Ein richtungsweisendes Experiment auf diesem Gebiet wurde von Benjamin Libet in den 1980er Jahren durchgeführt. Die Probanden wurden gebeten, zu einem beliebigen Moment das Handgelenk zu bewegen, während gleichzeitig die Gehirnaktivitäten aufgezeichnet wurden.

Libet fand heraus, dass die Gehirnaktivität, die dazu führte, dass die Person ihr Handgelenk bewegt, etwa eine halbe Sekunde vor dem Moment einsetzte, in dem die Person sich bewusst dazu entschloss, was darauf hinweist, dass die Entscheidung in Wirklichkeit auf einer unbewussten Ebene stattfindet und erst später in eine "bewusste Entscheidung" übersetzt wird. Ein damit zusammenhängendes Experiment wurde später von Alvaro Pascual-Leone durchgeführt, bei dem die Probanden gebeten wurden, zufällig die rechte oder die linke Hand zu bewegen. Er fand heraus, dass durch die Stimulation der verschiedenen Hirnhälften mittels magnetischer Felder die Wahl der Person stark beeinflusst werden konnte.

Genaugenommen zeigen diese Experimente aber nicht, dass es keinen freien Willen gibt. Das wäre nur dann der Fall, wenn Entscheidungen singuläre, zeitlich genau bestimmbare Ereignisse wären. Aber auch aus der alltäglichen Erfahrung weiß man, dass Entscheidungsprozesse durchaus komplex und langwierig sein können. Die "bewusste Entscheidung" könnte einfach als die letzte Stufe eines Entscheidungsprozesses gesehen werden, der wesentlich früher begonnen hat. Genauso zeigen die Experimente von Alvaro Pascual-Leone lediglich, dass eine Beeinflussung möglich ist.

Normalerweise wählen Rechtshänder die rechte Hand in ca. 60% aller Fälle. Wurde jedoch die rechte Hirnhälfte stimuliert, wurde die linke Hand in 80% aller Fälle ausgewählt (die rechte Hemisphäre des Hirns ist im wesentlichen für die linke Körperhälfte zuständig und umgekehrt). Trotz dieses nachweislichen Einflusses von außen berichteten die Probanden weiterhin, dass sie der Überzeugung waren, die Wahl frei getroffen zu haben.

Die moderne Neurobiologie, so etwa Gerhard Roth, ist zunehmend der Auffassung, dass der freie Wille eine Illusion sei. (Beachte dazu die Kritik am Manifest der 11 Neurowissenschaftler in Gehirn&Geist (Roth e.a., Juni 2004 [[1]]) unter dem Titel "Nur ein Scheinproblem - Zu den erkenntnistheoretischen Prämissen der Neurowissenschaften". Darin Hinweise auf Max Plancks Abschiedsvorlesung 1947, Bertrand Russell, Kurt Gödel usw. mit dem Schluss, dass die Phänomenbereiche der Erlebnisphänomenologie (mind language) und der Hirnphysiologie (brain language) strikter auseinander zu halten sind.)

Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer betrachtet den freien Willen u.a. unter neuropsychologischen Aspekten.

Konsequenzen der Willensfreiheit

Moralische Verantwortlichkeit

Da der freie Wille, und damit auch jede frei gewollte Handlung, auf das Subjekt selbst zurückgeht, wird das Konzept des freien Willens häufig mit dem Konzept der moralischen Verantwortlichkeit verknüpft. Daher sei ein Mensch für jede seiner "freien Handlung" zur Rechenschaft ziehbar, bzw. zu ziehen und entsprechend mit positiven oder negativen Reaktionen zu konfrontieren. Entsprechend gehen mit Kontroversen über die Willensfreiheit auch Kontroversen über die Frage einher, ob, bzw. in welchem Sinne man für die eigenen Handlungen moralisch verantwortlich sei. Inwiefern aus derartigen Diskussionen tatsächliche Konsequenzen - z.B. im Strafrecht - zu ziehen sind, ist jedoch eine andere Debatte.

Inkompatibilisten tendieren dazu, Determinismus und moralische Verantwortlichkeit für unverträglich zu halten. Wie kann man jemanden verantwortlich machen für eine Tat, die vom Beginn aller Zeiten an vorbestimmt war?

Harte Deterministen verwerfen daher das Konzept der moralischen Verantwortlichkeit – Clarence Darrow gebrauchte dieses Argument in seiner berühmten Verteidigung der Mörder Leopold und Loeb – während Libertarianer den Determinismus verwerfen. Diese Thematik scheint der Kern der Auseinandersetzung zwischen harten Deterministen und Kompatibilisten zu sein.

Harte Deterministen müssen zugeben, dass wir oft im kompatibilistischen Sinn "freien Willen" haben, leugnen aber, dass dies die Bedeutung von freiem Willen ist, die wirklich zählt in dem Sinn, dass sie als Begründung moralischer Verantwortlichkeit dienen kann: Die Tatsache, dass die Entscheidungen eines Handelnden nicht unter Zwang entstehen, ändert nichts an der Tatsache, dass der Determinismus den Handelnden von der Verantwortlichkeit entbindet.

Kompatibilisten argumentieren dagegen oft so, dass der Determinismus gerade eine Vorbedingung für moralische Verantwortlichkeit ist: man kann niemanden für etwas verantwortlich machen, es sei denn, seine Handlungen wurden durch irgendetwas bestimmt (dieses Argument geht auf David Hume zurück).

Schließlich gilt, dass im Falle des Indeterminismus diejenigen Ereignisse, die nicht determiniert sind, rein zufällig sind. Wie kann man jemanden loben oder tadeln für etwas, das rein zufällig seinen nervösen Erregungen entsprang? Stattdessen wird argumentiert, dass man, um eine Person für etwas verantwortlich zu machen, zeigen müsse, wie die Handlung durch die Wünsche und Präferenzen der Person begründet wurden – durch den Charakter der Person.

Libertarianer entgegnen darauf, dass undeterminierte Handlungen nicht ganz zufällig sind, sondern aus einem substantiellen Willen entspringen, dessen Entscheidungen undeterminiert sind. Dieser Ansatz wird weithin als nicht zufriedenstellend angesehen, da er das Problem nur einen Schritt weiter zurück verlagert und außerdem eine sehr mysteriöse Metaphysik benötigt.

Willensfreiheit in der christlichen Theologie

Freiheitsverständnis in der Bibel

Die Bibel definiert Freiheit nicht nach den heutigen Maßstäben. Im heutigen westlichen Kulturkreis wird Freiheit oft mit den Wörtern, Selbstverwirklichung, Hedonissmus, Ungebundenheit u.ä. umschrieben. In der Bibel wird Freiheit stets als Abhängigkeit von Gott beschrieben. Ein Mensch der nicht von Gott abhängig ist, ist nach biblischem Verständis von etwas anderem abhängig und damit unfrei. Dieses Freiheitsverständnis ist entscheidend, will man den freien Willen eines Menschen im biblischen Sinne verstehen. Diese Freiheit zu Entscheiden hat man von daher nur in der Abhängigkeit von Gott.

Theologische Diskussion

In der Theologie stehen sich mehrere Faktoren gegenüber, die aus dem "(un)freien Willen" eines der Lieblingsthemen diverser Theologen aus allen Epochen gemacht hat. Es kristallisieren sich aber zwei wesentliche Punkte heraus, um die sich die Diskusion bis heute dreht.

  • Die Allmacht und Allwissenheit Gottes widerspricht der Logik der menschlichen Entscheidungsfreiheit.
  • Die Bibel enthält Verse, die sowohl die Freiheit des Menschen, selbst zu entscheiden, unterstreicht, aber auch solche, die diese Freiheit dem Menschen absprechen.

Diese beiden Faktoren haben dazu geführt, dass sich das christliche Lager in zwei entgegengesetzte Grundüberzeugungen polarisierte. Auch wenn schon Augustinus im 4. Jahrhundert mit dem Thema befasst hat, so lässt sich die heutige theolgische Diskussion auf zwei Namen beschränken. Auf der einen Seite findet man Johannes Calvin, auf der anderen Seite Jacobus Arminius. Calvin lehrt die doppelte Prädestination, nach der Gott vorherbestimmt hat, wer gerettet und wer verdammt ist. Armin lehnt die Lehre Calvins entschieden ab und vertritt den freien Willen des Menschen; seine Anhänger werden Remonstranten genannt. Zwischen diesen beiden extremen Positionen findet sich das ganze Spektrum theologischer Meinungen wieder. Die verschiedenen christlichen Kirchen lassen sich der einen oder anderen Sicht zuordnen. So steht die Römisch-Katholische Kirche auf der Seite des freien Willen des Menschen, es liegt an jedem Einzelnen, die Gnadengaben Gottes anzunehmen. Auch die meisten Freikirchen, die nicht aus dem Pietismus entstanden sind, sehen den freien Willen des Menschen als gegeben an. Lutherische und calvinistische Kirchen stehen dem entgegen und vertreten eine doppelte oder einfache Prädestination.

Beide Postionen haben jedoch eines gemeinsam, jede Seite muss biblische Aussagen umdeuten oder ausklammern, um ihre Posiontion zu rechtfertigen. Beide Lehren versagen an einen gewissen Punkt und lassen Fragen offen, insbesondere in Bezug auf die Frage der Allgütigkeit Gottes und damit der Theodizee. Eben dies ist mit ein Grund, warum auch im 21. Jahrhundert noch über dieses Thema diskutiert wird, denn beide Theorien haben ihre berechtigten Einwände gegenüber der jeweils Anderen. Die Diskussion ist aber aber noch lange nicht abgeschlossen und wird es wahrscheinlich auch nie sein.

Einige Theologen wie etwa Adolf Schlatter haben deshalb versucht, das Paradox eines freien Willen und der Souveränität Gottes auf eigene Art und Weise zu verstehen. An seinem Ansatz lässt sich zeigen, welche Elemente im christlichen Verständnis der Willensfreiheit enthalten sind. Ein Auszug aus seinem 1897 erschienen Buch, Der Dienst des Christen:

Ist die Zugehörigkeit einer Begehrung zu uns selbst innig und wesenhaft [...], so erkennen wir sie, [...] als die Unsrige an. Sind aber entgegengesetzte Begehrungen in uns lebendig, dann erhält der neue sich bildende Oberwille, [...] besondere Wichtigkeit, weil dieser neue, wählende Wille den Fortgang unseres Willens- und Lebenslaufs bedingt. In diesem letzten Sinn gibt es erst nachdem ein gutes Wollen in uns entstanden ist eine Wahl; denn es braucht zwei Wollungen zur Wahl und der wählende Wille hebt sich als der dritte regierend über die beiden anderen empor. Im gottlosen Stand kann von freier Wahl nur in dem Sinne die Rede sein, dass wir uns mit unseren verdorbenen Begehren immer neu einigen und es als unser eigenes Wesen erkennen und wollen.

Dieser Text enthält Elemente sowohl aus dem Calvinismus als auch dem Arminiairismus (Remonstranten). Calvinisten sowie der Grossteil der Arminianer gehen davon aus, dass der gottlose Mensch unter der Herrschaft der Sünde stehen. Das heißt Menschen tun nur was ihrem Wesen entspricht, sie können sich für nichts entscheiden, das außerhalb ihres wesensmässigen Verständnisses liegt. Es ist Gottes Gnade die den Menschen dazu befreit sich zu entscheiden. Diese Sicht Schlatters ist eine Synthese aus den beiden entgegengesetzen Sichtweisen, sie ist allerdings nicht in die praktische Religiösitat eingeflossen.

Zitate

Das Verlangen nach “Freiheit des Willens,” in jenem metaphysischen Superlativ-Verstande, wie er leider noch immer in den Köpfen der Halb-Unterrichteten herrscht, das Verlangen, die ganze und letzte Verantwortlichkeit für seine Handlungen selbst zu tragen und Gott, Welt, Vorfahren, Zufall, Gesellschaft davon zu entlasten, ist nämlich nichts Geringeres, als eben jene causa sui zu sein und, mit einer mehr als Münchhausen’schen Verwegenheit, sich selbst aus dem Sumpf des Nichts an den Haaren in’s Dasein zu ziehn. (Friedrich Nietzsche)

Ich lache eures freien Willens und auch eures unfreien: Wahn ist mir das, was ihr Willen heißt, es giebt keinen Willen. (Friedrich Nietzsche: Nachlass, Sommer 1883, 13 [1-36], Zarathustras heilige Gelächter)

Die Daumenschraube eines jeden finden: Dies ist die Kunst, den Willen Anderer in Bewegung zu setzen. Es gehört mehr Geschick als Festigkeit dazu. Man muss wissen, wo einem Jeden beizukommen sei. Es gibt keinen Willen, der nicht einen eigentümlichen Hang hätte, welcher, nach der Mannigfaltigkeit des Geschmacks, verschieden ist. Alle sind Götzendiener, Einige der Ehre, Andere des Interesses, die meisten des Vergnügens. Der Kunstgriff besteht darin, dass man diesen Götzen eines Jeden kenne, um mittels desselben ihn zu bestimmen. Weiß man, welches für jeden der wirksame Anstoß sei, so ist es, als hätte man den Schlüssel zu seinem Willen. Man muß nun auf die allererste Springfeder oder das primum mobile in ihm zurückgehen, welches aber nicht etwa das Höchste seiner Natur, sondern meistens das Niedrigste ist: denn es gibt mehr schlecht- als wohlgeordnete Gemüter in dieser Welt. Jetzt muss man zuvörderst sein Gemüt bearbeiten, denn ihm durch ein Wort den Anstoß geben, endlich mit seiner Lieblingsneigung den Hauptangriff machen; so wird unfehlbar sein freier Wille schachmatt. (Baltasar Gracián: Handorakel und Kunst der Weltklugheit, 1647, Übersetzung: Arthur Schopenhauer)

Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: "Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will." (Albert Einstein)

Literatur

Siehe auch