Glas

amorpher Feststoff
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Unter Glas (von germ. glasa „das Glänzende, Schimmernde“, auch für „Bernstein“) versteht man einen amorphen Feststoff. Der Begriff „Glas“, welches im eigentliche Sinn nur nur das Material - also den Werkstoff - meint, wird umgangssprachlich auch für einen Teil der daraus hergestellten Produkte verwendet.

Glas in Perfektion: Handgefertigtes Weinglas

Eigenschaften

Glas ist eine ohne wesentliche Kristallbildung erstarrte Schmelze und damit eine röntgenamorphe Substanz. Thermodynamisch wird Glas als eingefrorene unterkühlte Flüssigkeit bezeichnet. Diese Definition gilt für alle Substanzen, die geschmolzen und mit einer entsprechend hohen Geschwindigkeit abgekühlt werden.

Glas entsteht, wenn eine Schmelze so schnell abkühlt, dass sich im Wesentlichen keine kristalline Struktur ausbilden kann. Das bedeutet, dass sich bei der Entstehung von festem Glas aus einer Schmelze die Geschwindigkeiten der Kristallkeimbildung und die des Kristallwachstums so zueinander verhalten müssen, dass sich zwar Kristallkeime bilden können, aber aufgrund des Erstarrens der Schmelze für das eigentliche Kristallwachstum nicht genügend Zeit vorhanden ist.

Im engeren Sinne versteht man unter Glas aber vor allem erstarrte anorganische Schmelzen auf der Basis von Siliziumdioxid (SiO2) das heißt vor allem aus Quarzsand und Zusatzstoffen wie Soda (Natriumcarbonat, Na2CO3) und früher auch Pottasche (Kaliumcarbonat, K2CO3), Manganoxid und Metalloxiden. Durch die Beimengung dieser Zusätze lassen sich die Eigenschaften des Glases beeinflussen.

Daraus ergibt sich eine Abgrenzung zum Kunststoff, der zwar die oben genannten Definition erfüllen kann, aber im Grunde aus Kohlenwasserstoffverbindungen besteht und organischen (siehe auch organische Chemie) Ursprungs ist, er darf darum nicht als Glas im engeren Sinn bezeichnet werden.

Viele Glassorten sind klar beziehungsweise durchsichtig, das bedeutet, dass sie für sichtbares Licht durchlässig sind. Im Allgemeinen sind es solche Gläser, die mit dem Begriff als erstes in Verbindung gebracht werden. Extrem klares Glas kann so transparent sein, dass infrarotes Licht über viele Kilometer durch Glas in Form von Glasfaserkabeln geschickt werden kann. Viele Glassorten sind allerdings undurchlässig für UV-Strahlung.

Glas kann aber auch opak sein und alle anderen Färbungen aufweisen, es ist meist hart, chemisch weitgehend träge und biologisch inaktiv, es kann bestimmte Wellenlängen absorbieren (Filterglas), außerdem können sehr glatte und undurchlässige Glasoberflächen hergestellt werden. Im Allgemeinen ist nur die Reaktion zwischen Glas und Fluorwasserstoffsäure industriell von Bedeutung.

Schmelze

 
Gläsernes Tropffläschchen in Form eines Gladiatorhelms, römische Arbeit, 1. Jhr. n. Chr., Römisch-Germanisches Museum, Köln

Glas wird aus Quarzsand (SiO2) erschmolzen. Bei der Abkühlung der meisten Schmelzen tritt bei der Liquidustemperatur die Kristallisation ein, und erst nach vollständiger Kristallisation verringert sich die Temperatur weiter. Die Glasschmelze hingegen wird bei der Abkühlung unter die Liquidustemperatur zu einer unterkühlten Flüssigkeit, bei der es zu einer Strukturierung der Atome kommt, jedoch nicht zu einer Kristallisation. Dies macht sich dadurch bemerkbar, dass sich die Viskosität mit sinkender Temperatur immer weiter erhöht. Erst bei Unterschreitung der Transformationstemperatur erstarrt die Schmelze und wird zu einer eingefrorenen, unterkühlten Flüssigkeit, dem Glas.

Um Glas zu erschmelzen, wird ein Netzwerkbildner (Quarzsand), Netzwerkwandler wie Na2O, K2O etc., und Zwischenoxide, auch Stabilisatoren genannt, wie beispielsweise MgO, zusammen mit Schmelzbeschleunigern, so genannten Flussmitteln (Pottasche, Soda) geschmolzen. Wegen der Bildung des Netzwerkes spricht man bei Gläsern auch von einer Matrix. Sie setzt sich aus den diese Struktur bildenden Elementen Sauerstoff und aus Si4+, B3+ oder P5+ zusammen. Aufgespalten wird das Netzwerk durch Kationen wie Na+ oder Ca+; daneben existieren so genannte intermediäre Kationen wie Al3+, Zn2+ oder Pb2+, die sowohl bildende als auch Netzwerk wandelnde Eigenschaften haben.

Zwischenoxide, die auch Stabilisatoren genannt werden, bewirken eine Erniedrigung der Viskosität, das Glas wird also "länger", und kann auch bei niedrigen Temperaturen noch bearbeitet werden. MgO ist ein gängiger Stabilisator, da er schon in den Rohstoffen (beispielsweise als Begleiter des Kalks) vorkommen kann. Die Menge des Natrium und/oder Calcium ist entscheidend für die Länge der Netzwerkstruktur.

Die Zumischung eines Flussmittels ist erforderlich, da reiner Quarz (SiO2) erst bei einer Temperatur von etwa 1700 °C schmilzt. Von der Antike bis zum 8. Jahrhundert, also auch während des Frühmittelalters wurde als Flussmittel Soda aus so genannten Sodaseen beigemischt. Erst danach, als sich die Waldglashütten durchsetzten, wurde das vor allem im Norden schwer zu beschaffende Soda durch Pottasche (Pflanzenasche) ersetzt. Pottasche wurde wie Soda den Glasrohstoffen (Gemenge) als Flussmittel/Schmelzbeschleuniger beigegeben, wobei allerdings über 90 % des gewaltigen Holzverbrauches der Waldglas-Hütten für die Pottascheproduktion verwendet wurden. Darum mussten diese Glashütten alle Jahre ihren Standort wechseln. Wegen des daraufhin entstehenden Mangels an Holzressourcen (Buchenwaelder) wurden die Waldglashuetten in Mecklenburg nach 1750 fast alle aufgegeben.

Das Gemenge wird einer Glasschmelzwanne aufgegeben. Bei Temperaturen von ca. 1480 °C erschmilzt es allmählich und wird durch Bewegungen im Glasbad homogenisiert. Bei kontinuierlich arbeitenden Öfen, die im industriellen Maßstab ausschließlich Verwendung finden, fließt das Glas weiter von der Schmelzwanne (mit Schmelz und Läuterbereich) über den Durchfluß (Hohlglas) bzw. die Einschnürung (Flachglas) in die Arbeitswanne. Bei geringeren Temperaturen beruhigt sich die Schmelze und fließ weiter zum Punkt der Glasentnahme. Bei der Produktion von Hohlglas sind dies die Speiser oder Feeder. Hier werden Tropfen in darunter stehende Glasmaschienen geleitet. Bei Flachglas fließt das Glas über die Lippe in das Floatbad.

(Achtung. Folgende zwei Absätze mögen für handwerkliches Glasmachen gelten, jedoch nicht für industrielles!)

Das Produkt des Erschmelzens der reinen Glasmasse aus den Komponenten wird Fritte genannt, ein Begriff, der in vielen Bereichen, so auch in der Töpferei und der Küche, vorkommt. Auch gibt es oftmals keine scharfe Trennung zwischen Glasproduktion und Glasverarbeitung. Die Produktion des Glases (= Bildung der Netzwerkstruktur durch Erschmelzen der Komponenten) führt zum Zwischenprodukt, der Fritte, einer unansehnlichen Masse, die nicht sofort von sich aus Aufschluss über ihre spätere Verwendung gibt. Das Produkt ist von dunkler, lichtundurchlässiger (= opaker) Färbung. Erst durch Beigabe von Braunstein, einem auch als Glasmacherseife bezeichneten Entfärbungsmittel, wird die Fritte entfärbt - wobei allerdings ein Grünstich zurück bleibt - und kann als Rohglas angesprochen werden.

Nach dem Aufschmelzen des Gemenges/der Rohstoffe muss die Fritte geläutert werden; darunter versteht man ihre Homogenisierung und das Austreiben von Blasen aus derselben. Dabei werden Rohstoffe zugesetzt, die Gase freisetzen. Diese Gasblasen reißen die übrigen Blasen im Glas mit und treiben sie aus.


Glasbildner

Glasfärbung und Entfärbung

Datei:Bristol Blue Glas.jpg
Bristol-Blue-Glas aus Bristol, England

Die meisten Glassorten werden mit weiteren Zusatzstoffen produziert, um bestimmte Eigenschaften, wie ihre Färbung zu beeinflussen. Für die Glasfärbung, beziehungsweise für die Entfärbung von Gläsern, die durch Verunreinigungen ihrer Rohstoffe verfärbt sind, werden vor allem Metalloxide verwendet. Grundsätzlich verwendet man für die Entfärbung Färbemittel, die die komplementäre Farbe der Verfärbung produzieren.

  • Eisenoxide: Färben je nach Wertigkeit des Eisenions grün-blaugrün oder gelb und in Verbindung mit Braunstein gelb sowie braun-schwarz.
  • Kupferoxide: zweiwertiges Kupfer färbt blau, einwertiges färbt rot, daraus ergibt sich das so genannte Kupferrubinglas.
  • Chromoxid: Wird in Verbindung mit Eisenoxid oder allein für die Grünfärbung verwendet.
  • Uranoxid: Ergibt eine sehr feine Gelb- oder Grünfärbung (sog. "Annagelb" oder "Annagrün"-Glas) mit grüner Fluoreszenz unter dem UV-Licht. Solche Gläser wurden vor allem in der Zeit des Jugendstils hergestellt. In England und Amerika ist diese Glassorte auch als "uranium glass" oder "vaseline glass" bekannt.
  • Kobaltoxid: färbt intensiv blau und wird auch für die Entfärbung verwendet.
  • Nickeloxid: violett, rötlich auch für die Graufärbung und zur Entfärbung
  • Selen: färbt rosa und rot, die rosa Färbung wird als "Rosalin" bezeichnet, während die rote als Selenrubin bezeichnet wird.
  • Silber: ergibt feines Silbergelb
  • Gold: Wird erst in Königswasser aufgelöst und färbt rot, ergibt das so genannte Goldrubin, eine der feinsten und teuersten Glasfärbungen.

Einstellung der Glaseigenschaften

Wie bei der Glasfärbung werden weitere Glaseigenschaften, wie Lichtbrechung, Temperaturbeständigkeit, Temperaturwechselbeständigkeit, Absorbtionsfähigkeit, Wärmeausdehnung durch Zusatzstoffe Glasbildner manipuliert.

  • Boroxid verändert als Zusatz die thermischen und elektrischen Eigenschaften.
  • Bariumoxid erhöht den Brechungsindex(1,5-1,9).
  • Fluorid verringert die Dispersion
  • Cer wird für Glas verwendet, das Infrarotstrahlung absorbiert.
  • Natriumcarbonat (Soda), Kaliumcarbonat (Pottasche) und Zinkoxid sind Flussmittel; sie werden manchmal zugegeben, um den Schmelzpunkt zu erniedrigen.
  • Manganoxid kann unerwünschte Farben entfernen.
  • Thallium ermöglicht die Herstellung von niedrigschmelzendem Glas (zwischen 125 und 150 °C).
  • Zinndioxid oder Calciumphosphat trübt das Glas.
  • Aluminiumoxid gibt dem Glas eine enorme Bruchfestigkeit: sie ist annähernd so groß wie die von purem Aluminiumoxid und übertrifft somit alle bekannten Gläser auf Siliziumoxid-Basis bei weitem (Nature, Vol. 430, S. 761, 2004).
  • Diphosphorpentoxid
  • Aluminiumtrioxid

Verschiedene Glasarten

Formgebung

Je nach Produkt wird Glas unterschiedlich geformt. dabei unterscheidet man vor allem Gläser die gepresst, geblasen, gesaugt, gesponnen oder gewalzt werden.

  • Hohlglas wird in mehreren Verfahren durch Pressen, Blasen, Saugen und Kombinationen dieser Techniken hergestellt.
  • Glasfasern werden durch Spinnen im so genannten TEL-Verfahren produziert.
  • Flachglas wird im Floatverfahren hergestellt oder gewalzt.

Veredelung von Glas

  • durch chemische und physikalische Gasphasenabscheidung können Metallschichten aufgebracht werden. Heutzutage werden dadurch die meisten Fenster- und Autogläser mit wärmereflektierenden Schichten versehen um die Energieverluste zu reduzieren ohne dabei die Durchsichtigkeit stark zu beeinflussen.
  • Auch sind Verspiegelungen möglich
  • Bei optischen Geräten werden reflektionsmindernde Schichten eingesetzt. Glas lässt sich auch schleifen, so dass optische Linsen für Brillen und verschiedene optische Geräte damit hergestellt werden können.
  • Durch nachträgliches Sandstrahlen ein Milchglaseffekt zu erzielen, so dass das Glas nur noch durchscheinend aber nicht mehr durchsichtig ist
  • im keramischen Siebdruck werden Farben und realistische Bildmotive auf Glas gedruckt
  • Veredelungen lassen Wasser leichter abperlen. Der Effekt wird für Glasduschen und Fassadengläser genutzt. Spezielle Beschichtungsverfahren erzielen eine extrem glatte Oberfläche. Das Wasser fließt leichter ab. Es verbleiben kaum Rückstände auf dem Glas. Die Schutzfunktion basiert auf einem Polymerfilm, der durch seine wasserabweisende Wirkung die Verschmutzung verringert.

Einteilung der Gläser

  • Nach Art der Genese
    • Natürliches Glas: Obsidian (vulkanischen Ursprungs); Tektite (entstehen durch Meteoriteneinschlag); Fulgurite (entstehen bei Blitzeinschlag); Diaplektisches Glas (entstehen durch Schockwellen, beispielsweise als Impaktgläser bei einem Meteoriteneinschlag), oder Maskelynit, das in Meteroriten gefunden wird.
    • Künstliches Glas

Geschichte der Glasherstellung

Frühzeit

 
Gläsernes Tropffläschchen in Form eines Gladiatorhelms, römische Arbeit, 1. Jhr. n. Chr., Römisch-Germanisches Museum, Köln

Natürlich vorkommendes Glas wie Obsidian wurde seit der Steinzeit zur Werkzeugherstellung (Faustkeil) benutzt. Wahrscheinlich begann die systematische Herstellung von Gefäßen und Schmuckstücken aus Glas im späten 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien.

Dokumentiert wurde die Glasherstellung durch den Menschen zum ersten Mal in Ägypten um 2000 v. Chr., wo Glasscheiben hergestellt wurden, indem Quarzsand auf geschmolzenem Blei geschmolzen wurde. Schon ab 1250 v. Chr. unterhielten die Ägypter u. a. in Qantir östlich des Nildeltas regelrechte Glasmanufakturen. Dort wurden Glasrohlinge in einem zweistufigen Prozess hergestellt. Ein Zwischenglas entstand welches anschließend zertrümmert wurde. Aus den von Verunreinigungen des ersten Produktionsschrittes befreiten Scherben schmolzen die Ägypter Glasrohlinge von zehn Zentimeter Dicke, die durch Beimischung von Metalloxiden unterschiedlich eingefärbt werden konnten. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die einzelnen Produktionsstätten sich auf die Herstellung jeweils unterschiedlich eingefärbte Gläser spezialisiert hatten. So produzierten beispielsweise die Handwerker in Qintar hauptsächlich rotes Glas, welches sie durch Beimengung von Kupfer erhielten. Der Vertrieb der Rohlinge an weiterverarbeitende Glaswarenersteller oder Kunsthandwerker erfolgte über Händler. Laut der britischen Archäologin Caroline Jackson waren Glasgegenstände aufgrund des komplizierten Herstellungsverfahrens ein hohes Statussymbol, welches sich nur die ägyptische Elite leisten konnte.

Den Römern verdanken wir die Erfindung der Glasmacherpfeife und des (annähernd) farblosen Glases, bei dem die natürliche Färbung des Gemisches durch die Zugabe von Braunstein abgeschwächt wurde. Die Römer stellten Diatretgläser her, meist glockenförmige, prunkvolle Trinkgefäße die bis heute wegen ihrer künstlerischen Qualität bewundert werden. Eines der berühmtesten römischen Gläser ist der im Besitz des Britischen Museums befindliche Lykurgosbecher aus dem 4. Jahrhundert an dem eine dreidimensionale figurative Darstellung angebracht ist, die im Gegenlicht rot und im Auflicht opak-gelbgrün erscheint.

Mittelalter und Neuzeit

Datei:Glasherstellung mittelalter 2.jpg
Fertigung einer Glasscheibe
Datei:Glasherstellung mittelalter.jpg
Fertigung einer Glasscheibe

Entgegen der landläufigen Meinung gab es im Deutschland des Mittelalters nicht nur das "typische" grüne Waldglas, sondern auch farblose Gläser, zum Teil allerdings mit leichtem Farbstich. Im 14. Jahrhundert erfanden italienische Glasmacher das "Cristallo", ein farbloses Glas mit besonderem Glanz. In den Anfängen der Herstellung von durchsichtigem Glas wurde das Glas zu so genannten Butzenscheiben geschleudert. Zu Beginn hatten diese Scheiben etwa 10 bis 20 cm Durchmesser. Später wurden dazu gar einige Kilo geschmolzenes Glas am Ende einer Stange schnell gedreht, so dass sich eine Scheibe mit bis zu 1,50 Meter Durchmesser bildete. Daraus wurden dann Glasscheiben geschnitten. Weil die Dicke dieser Scheiben sehr unterschiedlich war und am äußeren Rand zunahm, wurden sie aus statischen Gründen mit dem schwereren Ende nach unten eingesetzt.

Um 1688 wurde die Methode des Glasgießens erfunden, wodurch Glas stärkere Verbreitung fand.

Industieralisierung

Ab 1827 konnte Glas durch neue Maschinen als Massenware für billige Artikel produziert werden. Die industrielle Flaschenabfüllung (zum Beispiel in Bierbrauereien) begann um die 1870er Jahre.

Zu Beginn des 20. Jahrhundert entwickelte der belgische Bergbauingenieur Emile Fourcault ein neuartiges Ziehverfahren für Tafelglas. Dieses ersetzte nicht nur sukzessive den Beruf des "Walzenmachers" (Glasbläser), sondern ermögliche auch die maschinelle Fertigung größerer Stückzahlen. Da die Ziehanlagen direkt mit einer Ziehwanne kombiniert waren, konnte kontinuierlich durchgearbeitet werden. Dieses Verfahren gelangte in Sulzbach/Saar erstmals in Deutschland zum Einsatz.

Ist Glas flüssig?

Die Antwort ist Ja und Nein. Manchmal wird behauptet, Glas weise einige Eigenschaften einer viskosen Flüssigkeit auf, die bei Raumtemperatur fließt, wenn auch sehr langsam. Als Beleg wird angeführt, an alten Glasscheiben ließe sich unten eine Verdickung nachweisen, die durch das Fließen verursacht werde. Es ist unklar, woher dieser Glaube kommt, ein Beweis dafür gibt es bis heute nicht.

Als ein möglicher Ursprung kann die Technik angesehen werden, bei der Glasbläser geschmolzenes Glas durch Rotation zu einer runden, fast flachen und ebenen Scheibe geformt haben. Aufgrund der Zentrifugalkraft waren die Scheiben an den Kanten etwas dicker, und aus Stabilitätsgründen wurden sie nach dem Zurechtschneiden vorzugsweise mit der dickeren Seite nach unten in die Fenster eingesetzt. In der Tat sind vereinzelt Scheiben zu finden, die mit der dickeren Seite nach oben eingesetzt wurden.

Ob Glas tatsächlich flüssig ist, wurde sehr ausführlich in der Newsgroup alt.folklore.urban diskutiert, und der durch Zitate von Fachleuten unterstützte Konsens war, dass Glas bei Raumtemperatur nicht flüssig ist. Es ist aber elastisch und gibt auf Krafteinwirkung durchaus nach. Außerdem kann es je nach Anwendungsfall (wie bei Laborthermometern) durchaus auf Temperaturen erhitzt werden, bei denen es tatsächlich zu einer unterkühlten Flüssigkeit (s. o.) wird, so dass sich die Genauigkeit des Thermometers nach langer Nutzungsdauer verringert.

Selbst wenn sich Glas unter einer langzeitigen Krafteinwirkung langsam verformen würde, dürfte man es deswegen nicht als flüssig bezeichnen. Die langsame Verformung unter einer konstanten Kraft tritt auch in kristallinen Festkörpern auf und wird dort als Kriechen bezeichnet.

Wie eingangs erwähnt, nimmt Glas allerdings eine Sonderform ein und stellt ein typisches, amorphes Material im festen Zustand dar. In seiner Reinform besitzt Siliziumdioxid, (SiO2) (Quarz, Quarzglas), ein festes Kristallgitter und ist bei Raumtemperatur natürlich fest. Künstlich "verunreinigtes" Siliziumoxid, also Glas, wie es heutzutage überall eingesetzt wird, besitzt allerdings kein strukturiertes Kristallgitter (dies wird durch die Beimengung verschiedener Glasbildner, z. B. Soda oder Kalk, erreicht). Dies verhindert einerseits, dass das Glas spröde und brüchig wird, andererseits verleiht es ihm seine außergewöhnlichen "Fließeigenschaften" - dieser Effekt ist allerdings so gering, dass er sich nicht praktisch in nur wenigen 100 Jahren bei Raumtemperatur bemerkbar macht. Er sorgt allerdings dafür, dass es bei Glas keinen wohldefinierten Schmelzpunkt gibt, sondern einen Transformationsbereich- bei Temperaturen zwischen 900 und 1200 °C kann Glas in der Regel gewalzt, geblasen, gezogen oder gepresst werden - ab etwa 1500 °C erhält es die Eigenschaften einer Flüssigkeit (vergleichsweise mit Honig) und kann gegossen werden.

Siehe auch: Glasübergang, Superzähigkeit, Pech (Stoff), Amorphes Material

Siehe auch

Glaskeramik, Glasmalerei, Antikglas, Bleiglas, Kronglas, Flintglas, Floatglas, Plexiglas, Glas auf Mallorca, Jenaer Glas, Borosilikatglas, Glasschleiferei, Altglas, Glasmacher, Glasbläser, Hyalithglas, Tiffany-Glaskunst, Glashütte (Ofen), Keramik, Porzellan, Optik, Glaswolle, Glasfaser, Diatretglas, Zerodur

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