Utz Claassen

deutscher Manager
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Utz Claassen (* 7. Mai 1963 in Hannover) ist ein deutscher Manager. Er ist Honorarprofessor am Institut für Controlling der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover sowie Professor für Innovative Unternehmensführung, Risikomanagement und Wissensmanagement an der GISMA Business School.

Utz Claassen bei Markus Lanz (2011)

Öffentlich bekannt wurde Claassen zunächst als Vorstandsvorsitzender der EnBW und anschließend im Zuge eines Rechtsstreits mit seinem neuen Arbeitgeber Solar Millennium, den er nach nur 74 Tagen im Amt des Vorstandschefs wieder verließ. Trotz der kurzen Beschäftigungsdauer erlangte er Ansprüche auf Zahlungen in Höhe von rund neun Millionen Euro. Seine Forderungen gegen das Unternehmen versuchte er gerichtlich durchzusetzen. Zunächst wurde ein Vergleich angestrebt, doch das Verfahren verzögerte sich aufgrund des Konkursverfahrens. Anfang April 2012 klagte Claassen erneut auf Schadensersatz in Höhe von 265 Millionen US-Dollar, diesmal vor einem Gericht in Kalifornien.[1] Solar Millennium meldete kurz nach seinem Ausscheiden Konkurs an.

Im Februar 2012 veröffentlichte Utz Claassen den Kriminalroman Atomblut, in dem er seine Erfahrungen im Energiegeschäft verarbeitet.[2][3]

Leben

Utz Claassen wuchs in Hannover auf. Im Alter von 17 Jahren legte Claassen dort an der Helene-Lange-Schule das Abitur ab. Mit einem Notenschnitt von 1,0 gehörte er zu den Jahrgangsbesten. Im Anschluss studierte er an der Universität Hannover und der University of Oxford Ökonomie. Nach dem Abschluss im Jahr 1987 promovierte er 1989 in Hannover. Mit seiner Frau Annette hat er eine Tochter (Calaya Colleen, geb. 2006).[4][5]

Berufliche Laufbahn

  • Im Zeitraum 1987 bis 1989 war Claassen als Associate, später als Senior Associate in Projektleiterfunktion bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company tätig.
  • Von 1989 bis 1992 arbeitete Claassen bei Ford of Europe u.a. als verantwortlicher Controller und Mitglied des ersten Simultaneous-Engineering-Teams mit bereichsübergreifenden Maßnahmen.
  • Am 16. Juni 1992 wechselte Claassen als Hauptabteilungsleiter Funktionales Controlling zur Volkswagen AG. Ab dem 1. Dezember 1992 war er Hauptabteilungsleiter im Bereich Controller Forschung und Entwicklung. Ab dem 1. Juni 1993 leitete er den neu geschaffenen Bereich „Controlling Produktlinien“. Am 10. Juni 1993 wurde er Vertreter des Markenvorstandes Controlling und Rechnungswesen. Mit Wirkung zum 1. Juli 1993 wurde Claassen zum Bereichsleiter im Geschäftsbereich Controlling und Rechnungswesen ernannt und am 1. September 1993 in den oberen Führungskreis berufen.
  • Im Jahr 1994 wurde Utz Claassen Finanzvorstand und Vertreter des Präsidenten der VW-Tochter Seat. Nach eigener Darstellung vollbrachte er dort „eine der schwierigsten Sanierungen der Automobilgeschichte“.[6]
  • Von 1997 bis 2003 war er Vorstandsvorsitzender des Biotech- und Mechatronik-Unternehmens Sartorius. In dieser Funktion hatte er diverse Board- und Aufsichtsratsmandate im In- und Ausland inne.[7]
  • Im Jahr 2003 folgte er auf Gerhard Goll als Vorstandsvorsitzender der EnBW. Er verließ das Unternehmen vorzeitig im Jahr 2007.[8]
  • Von 2008 bis 2009 arbeitete Claassen als Berater beim US-amerikanischen Finanzinvestor Cerberus.
  • Zum 1. Januar 2010 wurde Utz Claassen Vorstandsvorsitzender der Solar Millennium AG in Erlangen.[9] Dort schied er nach etwa zwei Monaten bereits wieder aus.
  • Seit 2010 arbeitet Claassen freiberuflich wieder für Cerberus.[10]

Juristische Auseinandersetzungen bei EnBW

Nach eigenen Angaben fand Utz Claassen mit seinem Einstieg bei EnBW ein defizitäres Unternehmen vor. Diese Einschätzung wurde von Insidern jedoch nicht geteilt. Vielmehr wurde Claassen vorgeworfen, nach seinem Amtsantritt die Lage des Konzerns schlechtgerechnet haben zu lassen, um sich anschließend als erfolgreicher Sanierer darstellen zu können. Er geriet ins Visier der Staatsanwaltschaft, nachdem er nach seiner Amtsübernahme im Mai 2003 im Zwischenbericht Abschreibungen von einer Milliarde Euro auf Beteiligungen gebildet hatte, um nach eigenen Angaben „Altlasten“ seines Vorgängers Gerhard Goll zu bereinigen. Als Claassen im August 2003 seine erste Halbjahresbilanz vorlegte, klaffte darin plötzlich ein Milliardenloch. Geschuldet sei es den neuen internationalen Bilanzregeln und diversen Altlasten, erläuterte er.

Bei den Vorwürfen ging es unter anderem um eine 29,9-Prozent-Beteiligung an den Stadtwerken Düsseldorf, die 2001 für knapp 450 Millionen Euro erworben worden war. Nach seinem Amtsantritt bewertete Claassen die Beteiligung bilanziell um 208 Millionen Euro geringer. Damit wollte er die noch von Goll entschiedenen Umstellung der Bilanzierung von HGB auf IFRS entsprechen. Die Staatsanwaltschaft Mannheim leitete daraufhin im Jahr 2005 wegen des Verdachts der Bilanzfälschung ein Ermittlungsverfahren gegen Claassen ein. Gegen Goll und drei weitere Vorstandsmitglieder des früheren Vorstandes war schon im Jahr 2004 wegen des Verdachts der Bilanzfälschung ein Verfahren eingeleitet worden. Die Ermittlungen gegen Goll wurden im Februar 2006 eingestellt, die gegen Claassen am 17. Mai 2006.

Weil Claassen sechs Mitglieder der baden-württembergischen Landesregierung sowie einen Staatssekretär des Bundes, die sämtlich im Amt mit der EnBW in Kontakt standen, persönlich zu Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 einlud, ermittelte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen ihn wegen Vorteilsgewährung. Das Verfahren ging durch mehrere Instanzen bis vor das Landgericht Karlsruhe. Claassen wurde am 28. November 2007 vom Vorwurf der Vorteilsgewährung freigesprochen. Am Ende des Verfahrens bezeichnete Claassen das Urteil als einen Sieg für den Sport, für das Sportsponsoring und dafür, dass auch künftig noch ein angemessener Kontakt und Diskurs zwischen Politik und Wirtschaft im gesellschaftlichen Rahmen möglich sei. Die Verfahren gegen die beiden Politiker, die das Angebot annahmen, wurden gegen Zahlung von jeweils 2500 Euro eingestellt.

Utz Claassen verließ das Unternehmen am 30. September 2007 auf eigenen Wunsch vor dem Ende der offiziellen Vertragslaufzeit. Sein außergewöhnlich hohes Übergangsgeld wurde in der Öffentlichkeit heftig kritisiert und führte schließlich zu einer Kürzung künftiger EnBW-Übergangsgelder und Pensionszahlungen auf ein Drittel des an Claassen zu zahlenden Betrages.[11] Kritik an Claassens Führungsstil drang von Seiten seiner Mitarbeiter und Geschäftspartner wiederholt an die Öffentlichkeit. So wird behauptet, er habe bis zu 20 PR-Berater beschäftigt, die ihm unter anderem öffentlichkeitswirksame Auftritte bei Sabine Christiansen (Fernsehsendung) und anderen Talkshows beschafften.[12] Erst nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung verzichtete er auf eine Frührente in Höhe von 400.000€ pro Jahr im Austausch gegen eine Einmalzahlung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Im Jahr 2004 erhielt Claassen eine Vergütung in Höhe von 4,17 Millionen Euro.

Streit mit Solar Millennium

Bei Solar Millennium erhielt Utz Classen einen 5-Jahres-Vertrag mit einem monatlichen Fixgehalt von 100.000 Euro und weiteren großzügigen Vergünstigungen. Seine Berufung sorgte in der Branche für Erstaunen, zumal er als Befürworter der Kernenergie galt. Bereits nach zweieinhalb Monaten legte er am 15. März 2010 sein Amt überraschend nieder.[13] Sein Verhalten geriet wegen der Antrittsprämie von 9 Millionen Euro Ende Mai 2010 massiv in die öffentliche Kritik, weil er seinen Anspruch mit einer Feststellungsklage durchzusetzen versuchte und nur 2,5 Millionen Euro zurückzahlen wollte.[14] Für seine 74-tägige Amtszeit forderte er Schadenersatz und eine Abfindung von 7 Mio. Euro.[15] Das Unternehmen bestritt die Rechtmäßigkeit der Antrittsprämie nach so kurzer Amtszeit und forderte Schadensersatz in Höhe von 9 Millionen Euro. Nach einer kurzen Verhandlung vor dem Landgericht am 9. September 2011 wurde zunächst ein Vergleich angestrebt.[16]

Im August 2011 wurde ferner bekannt, dass die BaFin im Rahmen einer formellen Untersuchung den Vorwurf des Insiderhandels im Zusammenhang mit dem Amtsantritt von Claassen prüft.[17] Im September 2011 einigten sich Claassen und Solar Millennium auf einen Vergleich.[18] Im Dezember 2011 beantragte Solar Millennium die Insolvenz.[19]

Anfang April 2012 wurde bekannt, dass Claassen seinen ehemaligen, inzwischen insolventen Arbeitgeber vor amerikanischen Gerichten auf insgesamt 265 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt. Er begründet seine Klage mit einer vermeintlichen Rufschädigung durch Unternehmensvertreter. Wegen Äußerungen gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit habe er keine neue Anstellung gefunden.[1]

Im Fußballgeschäft

Hannover 96

Claassen war im Jahr 1997 für einige Monate Präsident des damaligen Regionalligisten Hannover 96. Bei Trainern, Spielern und Fans stieß Claassens Sanierungsplan für den Fußballverein auf Widerstand. Nachdem Claassen den Vereinsmanager Franz Gerber, gegen den er auch gerichtlich vorging, fristlos entlassen hatte, wurde er aus dem Vereinsumfeld heraus massiv bedroht. Claassen kam daraufhin nur noch mit Personenschützern ins Stadion. Angesichts seiner drohenden Abwahl trat er im Herbst 1997 von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger Martin Kind führte den bis dahin in der Regionalliga verharrenden zweimaligen deutschen Meister auf Anhieb in die 2. Bundesliga und später im Jahr 2002 in die Bundesliga.

Unter Claassen veranlasste die EnBW im Januar 2005 den Karlsruher SC, seinen neuen Cheftrainer Reinhold Fanz zu entlassen. Der Cheftrainer war erst eine Woche zuvor berufen worden. Die EnBW hatte damit gedroht, den laufenden Sponsorenvertrag nicht mehr zu erneuern, falls Fanz weiter für den KSC tätig bleibe. Den Hintergrund bildet eine sieben Jahre zurückliegende Auseinandersetzung zwischen Fanz und Claassen bei Hannover 96: Fanz war damals Trainer und Claassen der Präsident des Fußballklubs. In einem Interview der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hatte Fanz dem Klubpräsidenten sämtlichen Fußball-Sachverstand abgesprochen und ihn der Lüge bezichtigt.

RCD Mallorca

Im November 2010 stieg Claassen als privater Investor bei RCD Mallorca ein und übernahm für 500.000 Euro zehn Prozent der Clubanteile mit dem Ziel, den Club zu einer europaweiten Marke zu entwickeln.[20][21] Ende 2011 erhöhte Claassen seinen Anteil auf 20 Prozent, indem er Anteile von Rafael Nadal und dessen Onkel erwarb. Als Verwaltungsrat will er sich fortan um Sponsoring kümmern und Mallorca „zu einer europaweiten Marke entwickeln“.

Im März 2012 verklagte Claassen jedoch den Vereins-Vorstand auf Schadensersatz in Höhe von 600.000 Euro, nachdem herausgekommen war, dass der Vorstand für seine Anteile deutlich weniger gezahlt hatte.[22] Die Zusammenarbeit des Vereins mit Claassen gilt als stark belastet.[23] Am 24. März gab das zuständige Gericht in Palme de Mallorca bekannt, dass die Klage abgewiesen worden ist.[24]

Ehrenamtliche Tätigkeiten

Claassen engagiert sich ehrenamtlich, unter anderem als mehrjähriger Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der Stiftung Urgeschichtliches Museum Galerie 40tausend Jahre Kunst Blaubeuren in Blaubeuren und als Mitglied des Vorstandes der Stiftung Niedersächsische Wirtschaftsforschung sowie Mitglied des Stiftungsrates der Georg-August-Universität Göttingen.[25] Daneben ist er ehrenamtliches Jurymitglied bei „Top 100“, einer Auszeichnung für die innovativsten Unternehmen des deutschen Mittelstandes. Gekürt wird u. a. ein „Innovator des Jahres".[26]

Zitate

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Veröffentlichungen

  • Großhirnforschung, Unternehmer und Wirtschaftspolitik. Ein interdisziplinärer Ansatz am Beispiel interhemisphärischer Relationen. Lang, Frankfurt am Main [u.a.] 1987, ISBN 3-8204-9766-8.
  • Science park and technology centre performance in Great Britain and West Germany. An empirical study based on user experience. Universität Hannover 1989. (Dissertation)
  • mit Jürgen Hogrefe: Das Helle und das Dunkle. Ethik, Energie, Ästhetik. Steidl, Göttingen 2003, ISBN 3-88243-994-7.
  • mit Jürgen Hogrefe: Das neue Denken - das Neue denken. Ethik, Energie, Ästhetik. Steidl, Göttingen 2005, ISBN 3-86521-120-8.
  • Mut zur Wahrheit. Wie wir Deutschland sanieren können. Murmann Verlag, Hamburg 2007. ISBN 3-938017-83-X
  • Wir Geisterfahrer. Wir denken falsch. Wir lenken falsch. Wir riskieren die Zukunft unserer Kinder. Murmann Verlag, Hamburg 2009. ISBN 978-3-86774-066-1
  • Atomblut: Ein Wirtschaftskrimi. Econ Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3430201308.

Einzelnachweise

  1. a b Utz Claassen fordert 265 Millionen Dollar Süddeutsche Zeitung, 2. April 2012
  2. Grüne Energie im Überfluss sueddeutsche.de, 22. Februar 2012
  3. Utz Claassen über Erpressung, Puff und Kanzleramt welt.de, 18 Februar 2012
  4. Jörg Eigendorf, Gespräch mit Utz Claasen: Mit einem Kind wird Zeit teurer, Welt am Sonntag, 23. November 2008
  5. Auf Mallorca ganz groß rauskommen Der Tagesspiegel, 10. April 2011
  6. „Mir geht es um Wahrheit und Rechtmäßigkeit" Interview auf handelsblatt.com, 9. September 2011
  7. Familienfehde wirbelt Wägetechnik-Spezialist Sartorius durcheinander Die Welt, 10. August 1999
  8. "Rambo unter Deutschlands Managern" sueddeutsche.de, 20. Juni 2007
  9. Unternehmenbericht der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2006, S. 91
  10. Claassen verzichtet teilweise auf millionenschwere Frührente Spiegel Online, 22. Oktober 2009
  11. EnBW kappt üppige Managerrente handelsblatt.com, 22. Februar 2008
  12. Verbrannte Erde im Ländle handelsblatt.com (nicht mehr erreichbar)
  13. Vorstandsvorsitzender legt Amt nieder (...) Pressemitteilung der EnBW, 15. März 2010
  14. Claassen erhielt zehn Millionen Euro Antrittsprämie Spiegel Online, 29. Mai 2010
  15. Solar Millennium verschleißt fünften Chef in zwei Jahren ftd.de, 6. Oktober 2011
  16. Claassen und Solar Millennium streben Vergleich an Spiegel Online, 9. September 2011
  17. Verdacht auf Insiderhandel bei Solar Millennium sueddeutsche.de, 16. August 2008
  18. Wende im Fall Claassen gegen Solar Millennium ftd.de, 9. September 2011
  19. Solar Millennium ist pleite ftd.de, 21. Dezember 2011
  20. Claassen und der große Kick sueddeutsche.de, 3. November 2010
  21. Mallorca zu einer europaweiten Marke entwickeln Wirtschaftswoche, 3. November 2010
  22. Klage gegen Fußballklub Handelsblatt, 6. März 2012
  23. Empörung über Utz Claassen nach gescheiterter RCD Mallorca Aktionärsversammlung Mallorcainfos.com
  24. Klage von Utz Claassen abgewiesen quepasa-mallorca.com, 24. März 2011
  25. Stiftungsrat für die gesamte Stiftungsuniversität, Universität Göttingen
  26. Die TOP 100-Jury Internetseite der compamedia GmbH