Feme, Veme: der Begriff wird vor allem für die Gerichtsbarkeit der Femegerichte und die von diesen verhängte Strafe verwendet. Bezeichnungen der Gerichte: Femgericht, Femegericht, vemedinc sowie "Freigericht" oder "Freistuhl" (seltener: Vehmgericht, Fehmgericht, Vehmic Gerichte, Vehm oder die heilige Vehme).
Herkunft des Begriffs
Das Wort „Feme“ ist seit dem 13. Jahrhundert sicher belegt. Es soll sich um ein niederdeutsches Wort mit der ursprünglichen Bedeutung „Vereinigung, Bund, namentlich Bund der zum gleichen Gericht gehörenden Freien“ handeln. Zugleich wird es auch als Bezeichnung für den Landfrieden verwendet. Nach einer anderen Auffassung soll „Feme“ ein Wort für „Strafe“ gewesen sein.
Im späten Mittelalter entwickeln sich folgende mit "veme" zusammengesetzte Begriffe mit Bezug zur Strafvollstreckung: vemer, vememeister als Umschreibung für den Nachrichter oder Henker, vemen für verurteilen, strafen, vemestat für Richtstätte.
Zeitliche und örtliche Zuordnung, sachliche Zuständigkeit
Belege zu Femegerichten finden sich vor allem im späten Mittelalter (14. und 15. Jahrhundert) im niederdeutschen Sprachgebiet. Einzelne weitere Belege gibt es aus den angrenzenden Jahrhunderten (13. und 16. Jahrhundert), vereinzelt bis 18. Jahrhundert, außerdem aus einigen mitteldeutschen Gebieten wie der Oberlausitz und Schlesien. Sachlich waren die Femegerichte meist für schwere Gewalttaten, wie Tötungen, Raub und Brandstiftung zuständig.
Feme im mittelalterlichen Westfalen
Häufig wird die Feme schlechthin mit westfälischen Femegerichten gleichgesetzt. Diese waren in der Tat die rechtshistorisch bedeutendsten Femegerichte und wiesen gegenüber den Femegerichten in Ost- und Mitteldeutschland (siehe unten) Besonderheiten auf:
Die westfälische Feme entwickelte sich im 13. und 14. Jahrhundert aus der Gerichtsbarkeit der westfälischen Freigerichte. Diese waren die Gerichte westfälischer Freigrafschaften in der Nachfolge alter gräflicher und vogteigerichtlicher Zuständigkeit.
Sonderelemente der Feme gegenüber dem allgemeinen Freigericht ergaben sich aufgrund von Einwirkungen der Landfrieden, aufgrund der speziellen Zuständigkeit für schwere Straftaten und durch Übernahme von Elementen eines Notgerichts. Gegen den Verurteilten wurde auf Hinrichtung durch Erhängen erkannt. Diese Strafe konnte sofort vollstreckt werden, gegebenenfalls sofort nach (späterer) Ergreifung des Betroffenen. Kommt ein geladener Beschuldigter nicht zum Prozess, konnte er in Abwesenheit verurteilt werden. Er musste dann ohne Mitteilung des Urteils jederzeit mit der Vollstreckung rechnen. Weiterhin hatte die Feme Elemente eines Geheimprozesses, häufig (in der Spätzeit sogar fast ausschließlich) waren die Femegerichte heimliche Gerichte. Ein Femegericht war mit einem Freigrafen und sieben Freischöffen besetzt.
Der besondere Erfolg der westfälischen Feme im ganzen Reich ergab sich aus dem überörtlichen Anspruch westfälischer Femegerichte. Ihre Vorladungen wurden - anders als die anderer deutscher Gerichte - zeitweise in fast den gesamten deutschen Sprachraum ausgesendet, und aus fast dem ganzen Reich fanden sich Kläger in Westfalen ein. Diese Kläger mussten Mitglieder des Freischöffenstandes sein. Im frühen 15. Jahrhundert wurde der Anspruch auf überörtliche sog. „interterritoriale Jurisdiktion“ in vielen Fällen durchgesetzt und fand schließlich im Frankfurter Reichstagsabschied von 1442 eine - freilich vorsichtige und begrenzte - reichsgesetzliche Anerkennung.
Als Rechtsgrund dieses überregionalen Anspruchs wird vermutet, dass die westfälischen Freigerichte als nahezu einzige Gerichte im Reich an der sog. unmittelbaren Bannleihe durch den König festgehalten hatten.
1422 war dem Erzbischof von Köln das Aufsichtsrecht über alle freigräflichen Handlungen verliehen worden. Man geht allerdings davon aus, dass er es kaum wirksam durchsetzen konnte. In der Spätzeit der Feme im 15. Jahrhundert wollten die Femegerichte ihre Kompetenz immer mehr ausdehnen, also nicht mehr nur über schwere Gewalttaten urteilen, sondern über alle denkbaren Streitgegenstände, soweit den örtlich eigentlich zuständigen Gerichten Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung angelastet wurde. 1431 wurde gar König Sigismund vor ein Femegericht geladen und einige Jahre später Kaiser Friedrich III.
Feme in Ost- und Mitteldeutschland
In Ost- und Mitteldeutschland waren die Femegerichte obrigkeitlich eingesetzte Sondergerichte zum Schutz des Landfriedens. Die meisten Gerichte entstanden im 14. Jahrhundert. Der Begriff Feme bezeichnet hier meist den Landfrieden, gelegentlich auch das Femegericht. Bereits im 15. Jahrhundert übernimmt hier nach und nach die ordentliche Gerichtsbarkeit die Funktion der Femegerichte. Im 16. Jahrhundert sind die Femegerichte fast völlig verschwunden.
Rückgang und Ende der Feme
Die Zahl der Freischöffen in Deutschland zum Höhepunkt der Feme wird auf 15000-30000 geschätzt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geht der Einfluss der Femegerichte deutlich zurück und wird schließlich fast völlig ausgeschaltet. Dieser Prozess ist Mitte des 16. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen.
Die Forschung führt den Rückgang der Feme auf ein Bündel einander ergänzender unterschiedlicher Ursachen zurück: Enttäuschung vieler Kläger über zu langsame Verfahren, Probleme bei Vollstreckung der Urteile, Abwehrversuche der von Femeklagen betroffenen Territorien (u. a. Unterbindung des Rechtszugs nach Westfalen, Anstrengung von Gegenprozessen gegen Femekläger und Femegericht), Missbräuche der Feme durch unehrenhafte Elemente (Käuflichkeit, Korruption, willkürliche Entscheidungen), Zuständigkeitswirrwarr im Femewesen, fehlende Kodifizierung des Femerechts, Rivalitäten der Femegerichte untereinander, nach 1450 auch mangelnde Unterstützung durch Kaiser und Reich, Ende des 15. Jahrhunderts schließlich die Ausrufung eines allgemeinen Landfriedens und Schaffung einer Reichsgerichtsbarkeit (Reichskammergericht).
Mancherorts bestanden westfälische Femegerichte allerdings bis ins 18. Jahrhundert hinein fort. Dort, wo sie existierten, waren sie aber nun auf eine örtlich begrenzte Gerichtsbarkeit in Bagatellangelegenheiten beschränkt.
20. Jahrhundert und Gegenwart
In der gegenwärtigen Rechtssprache spielt der Begriff der Feme keine Rolle mehr, es gibt nicht einmal einen entsprechenden speziellen Straftatbestand. Allerdings ist die Ausführung einer staatlich nicht legitimierten Privatjustiz ohnehin nach allgemeinen Strafrechtsnormen zu verfolgen. Ausnahmegerichte, auch staatliche Ausnahmegerichte, sind grundsätzlich unzulässig. Es gilt die Garantie des gesetzlichen Richters (in Deutschland Art. 101 I GG). Die gerichtliche Verfolgung von Straftaten obliegt allein dem Staat und seinen dafür bestellten örtlich zuständigen Organen, in der Regel aufgrund staatlicher Ermittlungen, in Ausnahmefällen aufgrund von Privatklage. Dieses Verfolgungsmonopol ist aus dem staatlichen Gewaltmonopol und auch aus rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien wie dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz, in Deutschland Art. 103 II GG; §§ 1, 2 I StGB) ableitbar.
Dennoch gab es im Laufe des 20. Jahrhunderts verschiedene nicht gesetzlich legitimierte Geheimverfahren oder illegale Tötungen nach unklarem Verfahren, die journalistisch als „Fememorde“ oder „Femetaten“ bezeichnet wurden. Sie hatten nicht viel mit der rechtshistorisch vorliegenden Feme gemeinsam, und die Bezeichnung dieser neuen Taten als „Feme“ folgte keiner deutlich erkennbaren Systematik. So werden Anschläge und Morde bewaffneter radikaler Gruppen der Weimarer Republik wie der Organisation Consul oft als Feme bezeichnet (auch in der Selbstdefinition der Täter: „Verräter verfallen der Feme“). Das frühere Mitglied der Schwarzen Reichswehr, Carl Mertens, deckte 1925 in der Zeitschrift Die Weltbühne mehrere Fememorde innerhalb der nationalistischen Verbände selbst auf, was anschließend zu Festnahmen, Strafprozessen und einer Debatte im Reichstag führte. Das Reichsgericht räumte in einer Entscheidung vom 8. Mai 1929 aber zu Gunsten der Fememörder ein, „dass es auch ein Notwehrrecht des einzelnen Staatsbürgers gegenüber rechtswidrigen Angriffen auf die Lebensinteressen des Staates gibt“ (RGSt 63, 215 (220)).
Es wird auch von „Femeurteilen“ der damaligen Reichswehr aufgrund angemaßter Privatgerichtsbarkeit gesprochen, für Tötungen Festgenommener im Jahre 1933 durch die SA ohne staatliche Gerichtsverhandlung wird der Begriff dagegen in der Regel nicht gebraucht. Die Tötung des abtrünnigen Gesinnungsgenossen Ulrich Schmücker durch Linksterroristen wurde in den 1970er Jahren häufig als Fememord bezeichnet, die Tötung des entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer dagegen nicht, obwohl die Entführer zuvor ansatzweise ein „Gerichtsverfahren“ vor einem sog. „Volksgericht“ inszeniert hatten.
Die Handlungen staatlich gebildeter oder zumindest geduldeter Sondergerichte im 20. Jahrhundert (z.B. im Nationalsozialismus aufgrund der Verordnung vom 21.3.1933) werden nicht mit dem Begriff der "Feme" in Verbindung gebracht. Dieser hat im alltäglichen Sprachgebrauch eine Bedeutungsverschiebung hinter sich und wird oft mit Selbstjustiz oder Lynchjustiz gleichgesetzt, was mit dem rechtshistorischen Begriffsinhalt nicht unbedingt im Einklang steht.
Literatur
- Usener, F. Ph.: Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens. 1832.
- Lindner, T.: Die Veme. 2. Aufl. 1896. Neudruck 1989.
- Schnettler, O.: Die Veme. 2. Aufl. 1933.
- Veit, L.: Nürnberg und die Feme. 1955.
- Gimbel, R.: Feme (Veme), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG) I, Sp. 1099; ders.: Femgerichte, HRG I, Sp. 1100-1103.
- Harnisch, W.: Anmerkungen zu neueren Ansichten über die Feme. Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte (GA) 102 (1985), S. 247.
- Fricke, E.: Die westfälische Veme. 2002.
- Köbler, G.: Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 2003, S. 168.
Siehe auch: Haberfeldtreiben