Die Bärtierchen oder Tardigraden (zoologisch Tardigrada) sind eine als eigener Tierstamm eingeordnete Gruppe von mehrzelligen Kleinstlebewesen.
Systematik | |
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Domäne |
Eukaryonten (Eukarya) |
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Viele landlebende Bärtierchen sind sehr anpassungsfähig und können auch Extrembedingungen (Vakuum, tiefste Temperaturen, Trockenheit, Radioaktivität etc.) in einem Kryptobiose genannten Zustand unbeschadet überdauern. Sie sind - wie molekulargenetische Untersuchungen (Nelson et. al.) gezeigt haben - den Gliederfüßern (Arthropoda) besonders nah verwandt. Siehe Systematik (Biologie)/Tierreich. Tardigraden werden mit Arthropoden und Onychophoren zur Gruppe der Pararthropoden zusammengefasst. Diese bilden nach herkömmlicher Systmatik zusammen mit den Anneliden die Articulaten. Aufgrund Untersuchungen insbesondere des genetischen Codes der rRNA werden sie dagegen u.a. mit Nematoden zur Gruppe der Ecdysozoa zusammengefasst.
Es sind etwa 750 Arten beschrieben. Die größten Arten werden 1,5 mm lang, die kleinsten erreichen weniger als 0,2 mm.
Systematik:
- Klasse Heterotardigrada
- Ordnung Arthrotardigrada (nur marin)
- Ordnung Echiniscoidea
- Klasse Mesotardigrada (nur eine verschollene Art)
- Klasse Eutardigrada (vorwiegend im Süßwasser und in austrocknenden Biotopen)
- Ordnung Apochaela
- Ordnung Parachaela
Fossile Belege gibt es nur wenige, so die Art Beorn leggi aus kreidezeitlichem kanadischem Bernstein. Auch für Aysheaia (Kambrium, Burgess Shale) nehmen manche an, dass dieses Fossil näher den Bärtierchen als den Onychophoren verwandt sei.
Kennzeichen des Körperbaus sind:
- gegliederter (segmentierter) Körperbau mit Kopf und Rumpf
- ventrales Strickleiternervensystem mit mehrlappigem Gehirn (Oberschlundganglion) und Unterschlundganglion
- 4 Beinpaare, das letzte bei Eutardigraden teilweise hinter dem After, bei einigen Arten reduziert
- Verdauungskanal mit Mundröhre, Pharynx, Magen, Mitteldarm, Enddarm
- Stilette als Mundwerkzeuge
- muskulärer saugender Pharynx
- teilweise panzerartig ausgebildete Cuticula
- Hoden bei Männchen und Ovar bei Weibchen.
Die Fortpflanzung erfolgt bei den getrenntgeschlechtlichen Tieren durch Kopulation und Eiablage. Manche Tardigraden legen ihre Eier in die Exuvien (Häutungshemden). Zumindest eine Art (Pseudobiotus megalonyx) betreibt Brutfürsorge (die mit Eiern gefüllte Exuvie wird über mehrere Wochen bis zum Schlüpfen der Jungtiere vom Weibchen mitgeführt). In der Regel diploider Chromosomensatz, bei einigen Arten der Eutardigraden kommen allerdings triploide Weibchen vor.
Tardigraden haben sehr viele Lebensräume erobert, von der Tiefsee (unterhalb 4.000 m) bis zum Himalaya (oberhalb 6.000 m) und von den Polargebieten bis in äquatoriale Gebiete.
Sogenannte terrestrische (landlebende) Bärtierchen (Eutardigrada) und (Echiniscoidea) leben bevorzugt im Wasserfilm, der Moose oder Flechten umgibt, sowie - in geringerer Anzahl - in Böden. In stark austrocknenden Moosen sowie in Dünen bilden sie zusammen mit bdelloiden Rotatorien (Rädertierchen) die häufigste Gruppe mehrzelliger Tiere. Auch in Meeres- und Süßgewässersedimenten können sie häufig sein (bis zu 25.000 Exemplare pro Liter Boden) und mehr als 20% der Biomasse stellen.
Kryptobiose
Viele landlebende Bärtierchen sind sehr anpassungsfähig und können auch Extrembedingungen überdauern. Sie sind in der Lage, beim Fehlen von Feuchtigkeit in einen Kryptobiose, genauer: Anhydrobiose genannten Zustand überzugehen, in dem alle Stoffwechselvorgänge aussetzen und in dem der Wassergehalt von über 80% auf 3% reduziert wird, wobei das Wasser durch Trehalose ersetzt wird. Äußerliches Kennzeichen der Eintrocknung ist das sogenannte Tönnchenstadium.
In diesem Zustand können Bärtierchen nach heutiger Forschung mehrere Jahre in völliger Trockenheit, im Vakuum, in starker Radioaktivität und anderer Strahlung, unter sehr starken Drücken bei 6000 Bar, bei minus 270 °C oder über 70 ° Celsius überleben. Bei Wasserangebot erwacht das Bärtierchen bereits nach 5 Minuten aus der Trockenstarre und ist dann sofort stoffwechsel- oder auch fortpflanzungsfähig.
Der Anpassungsmechanismus ist bisher nur teilweise geklärt und Objekt der Weltraum- und Militärforschung.
Da Bärtierchen unter Bedingungen überleben, die normalerweise auf der Erde nicht auftreten, wird von manchen Forschern ein ausserirdischer Ursprung oder zumindest Aufenthalt vorgeschlagen. Nur so, nach dieser Argumentation, sei eine evolutionäre Anpassung an derartige Extrembedingungen denkbar.
Traditionelle Forscher weisen darauf hin, dass der Zustand der Kryptobiose evolutionär als Überlebensstrategie und Anpassung an den Lebensraum Land durchaus verständlich sei und - wenngleich nicht immer so ausgeprägt - auch bei anderen Tierstämmen (z.B. Rädertierchen = Rotatorien) vorkommt. Durch diese Anpassung konnten Bärtierchen viele teilweise trockene Lebensräume mit sehr geringer Konkurrenz besiedeln (z.B. Hochgebirge, Arktis, Dünen). Zudem ist die Fähigkeit zur Kryptobiose innerhalb der Tardigraden wahrscheinlich mehrfach unabhängig voneinander entwickelt worden (so bei Echinisciden und vielen, aber nicht allen, Eutardigraden). Hingegen ist bei den evolutiv ursprünglichsten Arten (Arthrotardigrada) kein Fall von Kryptobiose nachgewiesen.
Externe Seiten
englisch: