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Lagrange-Resolvente

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Lagrange-Resolventen sind Hilfsmittel, algebraisch Lösungen von Polynomen auch höheren Grades als 3 zu finden, also ohne numerische Methoden und andere technische Hilfsmittel, sogar ohne Kenntnis komplexer Zahlen. Die Entwicklung der Theorie fand etwa von 1560 bis 1830 statt und gilt als wichtiger Vorläufer der Galoistheorie. Lagrange-Resolventen können als diskrete Fourier-Transformation des Polynoms gewonnen werden.

Geschichtliches

Nach den Arbeiten von Gerolamo Cardano, Nicolo Tartaglia, Paolo Ruffini und anderen im 16. Jahrhundert zur Lösung von Polynomen 3. und 4. Grades stellte man sich die Frage, ob Gleichungen höheren Grades auch noch durch Radikale aus den Koeffizienten von

also den errechnet werden können. Wir betrachten ab hier ganzzahlige .

Isaac Newton (1643-1727) entdeckte etwa 1666 die Newton-Identitäten, womit er der Problematik näher rückte, ohne das beabsichtigt zu haben.

Essenz: Die Lösbarkeit von Polynomen beliebigen Grades hat etwas mit Vertauschungen oder auch Permutationen ihrer Wurzeln zu tun.

Erst Évariste Galois zeigte ca. 1830 die bis heute gültige Lösung auf.

Wie man eine Resolvente eines Polynoms bildet

Man betrachtet die normierte kubische Gleichung mit Leitkoeffizient 1, also der Koeffizient von ist 1.

Der Kürze halber wird ab jetzt geschrieben. Die Ausdrücke , also die Koeffizienten von , sind symmetrisch in , das heißt, sie ändern sich bei einer Permutation der Variablen nicht. Eine Vertauschung von und „ändert“ beispielsweise nach , was genau dasselbe ist.

Allgemein sind die Koeffizienten beliebiger Polynome der Art symmetrische Polynome in den Lösungen oder Wurzeln von , ohne diese explizit zu kennen. Man nennt sie auch elementarsymmetrische Polynome.

die dritten Einheitswurzeln

Joseph-Louis Lagrange bildete den Term

also die nach ihm benannte Lagrange-Resolvente (aus dem lateinischen resolvere = auflösen). Hier sind die Lösungen von und ist eine 3. primitive Einheitswurzel, also und .

Die beiden Werte für sind algebraisch gleichwertig und machen im Folgenden keinen Unterschied.

die fünften Einheitswurzeln

Natürlich kann man auch Lagrange-Resolventen für Gleichungen höheren Grades als 3 finden.

Seien die Wurzeln einer quintischen Gleichung also ein monisches Polynom 5. Grades, so ist

wobei eine 5. primitive Einheitswurzel ist. Im Bild rechts sind das B,C,D und E.

Bekannte Größe

Nach Lagrange setzt sich eine sog. "bekannte Größe" zusammen aus

a) Rationalen Zahlen
b) Koeffizienten der gegebenen Gleichung und
c) Einheitswurzeln.

Resolvente

Nach Lagrange soll eine Resolvente drei Bedingungen erfüllen:

  1. Sie ist rational ausdrückbar durch die Lösungen, manchmal sagt man auch Wurzeln der ursprünglichen Gleichung und durch bekannte Grössen.
  2. Umgekehrt kann jede Lösung der ursprünglichen Gleichung rational ausgedrückt werden durch die Resolvente und bekannte Größen.
  3. Es ist die Lösung einer lösbaren Gleichung.


Lagrange erkannte sehr wohl, dass sechs verschiedene Werte annehmen kann, je nachdem wie man die Werte anordnet.

Diese sechs Werte für kann man nun als Lösung einer anderen Gleichung 6. Grades auffassen.

Die durchlaufen hier alle 6 möglichen Permutationen der x,y,z in .

Jedes der ist somit bekannt.

Wenn man ausrechnet, erhält man die Resolventengleichung:


Die sind symmetrisch in den und die sind derart gewählt, dass sie durch Permutation der x,y,z untereinander hervorgehen.

Jedes symmetrische Polynom lässt sich als Polynom in den elementarsymmetrischen Polynomen schreiben, das besagt der Hauptsatz über elementarsymmetrische Polynome.

Aus den beiden letzten Sätzen folgt:

Die aus f(X) sind bekannte Größen, die man mittels der Koeffizienten der gegebenen kubischen Gleichung also x,y,z ausdrücken kann.

Lösen der Resolventengleichung

Die Resolventengleichung f(X) ist von höherem Grad als die ursprüngliche Gleichung.

Gilt , dann ist , hier also .

Sie ist dennoch lösbar. Durch Nachrechnen erkennt man, dass eine quadratische Gleichung in ist. Man ordnet einfach die Werte von in folgender Weise an

so dass

und

In obiger Schreibweise setzen wir

und erhalten

und nach Substitution

Die Koeffizienten von sind genau die Größen bzw. , deren Ausdruck mittels der Koeffizienten der ursprüglichen kubischen Gleichung die obige Lösung ergaben.

Der nächste Schritt

Wenn die sechs Werte von aus den Lösungen der Resolvente gewonnen wurden, sind die Lösungen der Kubik gegeben durch:

Jetzt steht nur noch die Entscheidung aus, welche der sechs Lösungen der Resolvente also welche der denn bzw. sind.

Man nimmt eines der von oben, also eine der sechs Lösungen der Resolvente und sortiert (permutiert) die Wurzeln x, y und z um, so dass

ist.

Man erkennt nun, dass

symmetrisch in x, y und z ist, was so viel bedeutet, dass jede der sechs möglichen Permutationen von x, y und z das gleiche liefert. Und damit ist eine bekannte Größe. Sie wird im folgenden genannt.

Letzter Schritt

Also sind die drei Lösungen der kubischen Gleichung :

(1)
(2)
(3)

wobei irgendeine der sechs Lösungen der Resolvente ist.

Spezialfall

In dem Falle, dass eine ursprüngliche kubische Gleichung mittels reduziert wird auf , gilt und es ergibt sich

,

was man durch die Cardano-Formel verifizieren kann.

Gleichungen 4. Grades

Ist

ein Polynom 4. Grades , dann ist

eine kubische Resolvente oder besser Resolventengleichung von . Somit können sogar Gleichungen 4. Grades mithilfe obigen Verfahrens gelöst werden.

Mit den Lösungen von seien die Resolventen .

Diese erfüllen die oben genannten Kriterien an eine Resolvente, obwohl sie keine Lagrangeresolventen sind.

Dann ist die entsprechende Resolventengleichung von das Polynom 3. Grades und lösbar.

Quellen

  • Alexandre-Théophile Vandermonde: Mémoire sur la résolution des équations. Paris 1771-1774 (Deutsche Übersetung in "Abhandlungen aus der reinen Mathematik" , Springer, Berlin 1888).
  • Jean-Pierre Tignol: Galois's theory of algebraic equations. World Scientific, Singapore 2001, ISBN 981-02-4541-6 (Eine historisch orientierte Einführung in die Galois-Theorie).
  • Harold M. Edwards: Galois Theory. Springer-Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, Tokyo 1984, ISBN 3-540-90980-X (Graduate Texts in Mathematics).
  • Adrien-Marie Legendre: Éléments de géométrie. . Firmin-Didot frères, Paris 1794.
  • Galois, Évariste (1830): "Sur la théorie des nombres". Bulletin des Sciences mathématiques XIII: 428, Paris 1830.
  • Isaac Newton: Arithmetica Universalis. London 1707 Latein.
  • Bartel Leendert van der Waerden: Algebra, Band 1. Springer Verlag.