Orgasmus

Höhepunkt des sexuellen Lusterlebens, beim Geschlechtsverkehr oder der Masturbation
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. Oktober 2005 um 03:19 Uhr durch El Cazangero (Diskussion | Beiträge) (Orgasmus und Rollenklischees: - formulierung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Orgasmus (lat. Climax) ist der Höhepunkt der Lustempfindung beim Geschlechtsverkehr, beim Masturbieren oder bei anderen sexuellen Handlungen in Zusammenhang mit unwillkürlichen Muskelkontraktionen im Bereich der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane.

Oftmals wird der Orgasmus als Abschluss des Koitus verstanden, kann jedoch ebenso durch andere sexuell stimulierende Praktiken erreicht werden, wie durch Masturbation, Oralverkehr und andere (vergl. Sexualpraktik), zumal nicht alle Menschen - insbesondere die Mehrheit der Frauen - durch den (alleinigen) Genitalverkehr zum Orgasmus kommen. Dies trifft vereinzelt auch auf Männer zu.

Der erotische Höhepunkt in Geschichte, Literatur und Kunst

Eine französische Umschreibung für den Orgasmus ist "la petite mort", der kleine Tod.

Die folgende Beschreibung des Orgasmus stammt von Felix Roubaud (1855):

Beim Orgasmus beschleunigt sich der Blutkreislauf ... Die blutunterlaufenen Augen werden trüb ... Die Atmung geht bei den einen keuchend und stoßweise, bei den anderen setzt sie aus ... Die gestauten Nervenzentren übermitteln nur noch unklare Empfindungen und Willenimpulse ... Die Gliedmaßen, von konvulsivischen Zuckungen und mitunter Krämpfen erfasst, bewegen sich nach allen Richtungen oder erschlaffen und werden hart wie Eisen; die aufeinander gepressten Kiefer lassen die Zähne knirschen, und manche Menschen erleben das erotische Delirium so stark, dass sie den Genossen ihrer Wollust vergessen und eine unvorsichtigerweise dargebotene Schulter bis aufs Blut beißen.

(Zitiert nach Philippe Ariès und Georges Duby: Geschichte des privaten Lebens, Frankfurt 1989, Band 5, S. 310.)

Evolutionärer Hintergrund und anthropologische Theorien

Es ist ungeklärt, wann und warum das mit dem Geschlechtsakt gegebenenfalls verbundene Glücksgefühl, das wir Orgasmus nennen, entstanden ist. Sicher ist nur, dass dieses Glücksgefühl ein im wesentlichen zentral-nervöser Vorgang bzw. eine Folge von bestimmten Gehirnleistungen ist. Daher ist der Orgasmus aus biologischer Sicht deutlich von der Ejakulation, der Fortpflanzung, dem Eisprung oder anderen körperlichen Veränderungen zu unterscheiden.

Die Frage ob ein sexueller Höhepunkt auch bei anderen Tierarten stattfindet, lässt sich wegen der Schwierigkeit ihn zu beobachten und nachzuweisen nur schwer beantworten. Für viele Tierarten könnte sich eine derartige neurologische Abwesenheit in Bezug auf potenzielle Fressfeinde nachteilig auswirken. Bei den nicht zu dieser Kategorie gehörenden Weibchen der Katzenartigen löst ein Reflex während der Begattung den Eisprung aus. Sie reagieren auf diesen Vorgang oft lautstark. Es ist jedoch strittig, ob es sich dabei um ein dem menschlichen Orgasmus vergleichbares Phänomen handelt. Aber auch bei bestimmten Primaten wird vereinzelt über Beobachtungen berichtet, die auf die Existenz eines sexuellen Höhepunktes bei ihnen schließen lassen.

DNS-selektive Aufgabe des Orgasmus

Mit entsprechendem Training des PC-Muskels kann der Mann mehrere Orgasmen hintereinander erleben, allerdings mit kurzen Erholungspausen dazwischen, die von Höhepunkt zu Höhepunkt länger werden. Die Qualität des Ejakulats nimmt jedoch von Mal zu Mal ab, weil die Hoden eine gewisse Zeit und Temperatur brauchen um erneut Samenfäden und Samenflüssigkeit zu produzieren. Die Frau hingegen ist üblicherweise bei entsprechender Stimulation nach einer längeren Vorlaufzeit zu mehreren Orgasmen in rascher Folge, ohne Erholungspause, fähig. Als biologisch-anthropologischer Grund dafür wird gesehen, dass sich die vorzeitliche Frau von mehreren Männchen in rascher Folge begatten ließ und nur die Spermien des Männchens mit der stärksten DNS die Möglichkeit hatten, zum befruchtungsfähigen Ei vorzudringen. Neuere Forschungen bestätigen diese Theorie, indem sie wahre „Spermienkriege“ im Unterleib der Frau nachweisen konnten. In einer britischen Studie konnte beobachtet und dokumentiert werden, wie sich die Samenfäden verschiedener Männer regelrecht auffraßen.

Gegen solche Auslegungen spricht die Homogenität des äußeren Aufbaus der Spermien bei verschiedenen Individuen und Arten. Wenn nämlich Spermien für den Konkurrenzkampf untereinander gerüstet wären, hätten sich im Laufe der Evolution aller Erfahrung nach spezialisierte Organe oder molekularbiologische Einrichtungen eingestellt, die das Spermium dahingehend zu optimieren versuchen. Zudem dürfte das Phänomen bei monogamen Arten nicht auftreten, bei denen in der Regel keine Fremdspermienkonkurrenz zu erwarten ist.

Wenn man jedoch die eigentliche Funktion eines Spermiums berücksichtigt, ist eine andere Auslegung des Phänomens naheliegender: Die Spermien versuchen sich gegenseitig zu befruchten, was aber lediglich die gegenseitige Zerstörung zur Folge hat. Da man den Maiglöckchenduft, dem das Spermium zu folgen scheint, als eine der pheromonialen Fernerkundung dienliche Eigenschaft verstehen kann und im Nahbereich andere Selektionskriterien für die angestrebte Gametenfusion zum Tragen kommen, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass die Spermien lediglich auf Gameten mit einem fremden haploiden Genom programmiert sind.

Partnerschafts-selektive Aufgabe des Orgasmus

Die lange „Vorlaufzeit“ des Orgasmus der Frau hat noch eine weitere, anthropologisch gedeutete Funktion: Dadurch, dass der Mann sich mehr Mühe geben muss, der Frau einen Orgasmus zu ermöglichen, beweist er Empathie, Leidens- und Leistungsfähigkeit (Geduld, Hinauszögern der eigenen Befriedigung). Eine Information, die zur späteren Aufzucht des Nachwuchses von Bedeutung war und ist! Vermutlich wird auch durch die mit dem Orgasmus einhergehenden Muskelkontraktionen und basischen Sekretabsonderungen in der Vagina die Chance der Spermien des entsprechenden Partners vergrößert, die befruchtungsfähige Eizelle zu erreichen (vergl. Kapitel Medizinisch-Biologische Mechanismen).

Die unterschiedlichen Stimulationsmöglichkeiten, mit denen sich ein Orgasmus herbeiführen lässt und die damit verbundenen Möglichkeiten, den Höhepunkt zu erleben, ihn sogar zu gestalten, fordern zudem eine typisch menschliche Eigenschaft heraus: die Kreativität. Sie ermöglicht den Menschen vielfältige und intensivierte orgastische Erlebnismöglichkeiten, die eine partnerschaftliche Bindung fördern, weil sie Vertrauen und Empathie voraussetzen und verstärken. Zusätzlich unterstützt wird dies durch eine mit dem positiven Erleben verbundene psychologische Prägung auf den Partner. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist der Orgasmus daher Teil einer entwicklungsrelevanten Auslese, mit der die Kreativität als eine kognitive und empathische Leistung schon frühzeitig mit der Paarbindung belohnt wurde, was wiederholte Paarungen und somit eine größere Chance zur genetischen Reproduktion ermöglichte.

Andererseits ermöglicht die Kreativität bei der Erlangung sexueller Höhepunkte die Loslösung vom bloßen Akt der genetischen Reproduktion und eröffnet andere, nicht ursächlich der Fortpflanzung dienende Sexualpraktiken und alternative Formen der Partnerschaft, z.B. gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Die Sicht der Evolutionsbiologie

Evolutionsbiologen fragen nicht nach den aktuellen, für die handelnden Individuen bedeutsamen Motive und Ursachen, sondern nach den stammesgeschichtlichen Wurzeln des Handelns. Sie unterscheiden zwischen proximaten und ultimaten Ursachen von Verhalten.

Evolutionsbiologen führen stammesgeschichtlich aufzeigbare „Neuerwerbungen“ darauf zurück, dass sie den Überlebenswert und die Reproduktionsrate der betreffenden Art erhöhen. Im Falle des Orgasmus erscheint diese Standarderklärung als besonders einleuchtend, weil es der Steigerung der Reproduktionsrate förderlich ist, wenn Mann und Frau sexuelle Interaktionen wegen der damit verbundenenen, äußerst angenehmen, Gefühlszustände häufig und gern wiederholen.

Die Argumentation der Evolutionsbiologen geht also konform mit der heute gesellschaftlich weithin akzeptierten Anschauung, dass Sex um seiner selbst willen praktiziert wird. Gleichwohl argumentieren sie, dass es langfristig (über Jahrtausende) durch Selektion zu einer Veränderung von genetisch beeinflussten Verhaltens- und Erlebnisformen kommen konnte und kann.

In ähnlicher Weise kann man aus Sicht der Evolutionsbiologie argumentieren, dass die Orgasmusfähigkeit von Mann und Frau stammesgeschichtlich betrachtet wesentlich zur Partnerbindung beiträgt, weil in einer gefestigten Partnerschaft sowohl der Nachwuchs besser versorgt als auch der Geschlechtsverkehr relativ umstandlos herbeigeführt werden kann.

In der Folge dieser evolutionsbiologischen Argumentationskette interpretieren Sexualwissenschaftler die vielfältigen Formen homosexueller Beziehungen als Folgen einer solchen Partnerbindungs-Komponente, die sich von einer starren Fixierung auf gegengeschlechtliche Partner gelöst habe.

Wissenschaftliche Forschungen und Erkenntnisse im Verlauf der Zeiten

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Da die Scheidenwand fast keine Nerven aufweist, können die meisten Frauen den Orgasmus nur dann erleben, wenn die Klitoris, der G-Punkt, A-Punkt oder andere erotische Zentren stimuliert werden. Aus diesem Grund nahm die Wissenschaft lange Jahre fälschlicherweise an, dass Frauen grundsätzlich nicht orgasmusfähig seien. (Vergl. Kapitel Orgasmus und Rollenklischees)

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Veränderte Moralansprüche, die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, der schwindende Einfluss der Kirchen und verbesserte wissenschaftliche Untersuchungs- und Forschungsmethoden haben es den Forschern ermöglicht, Licht in das Dunkel des Orgasmus zu bringen:

  • In den 50er Jahren entdeckte der Gynäkologe Ernst Gräfenstein eines der Lustzentren der Frau, den nach ihm benannten G-Punkt.
  • Wenig später machte der Zoologe und Sexualforscher Alfred Charles Kinsey bahnbrechende Entdeckungen im Bereich der weiblichen Lust.
  • Masters und Johnson untersuchten in den 1960er Jahren den menschlichen sexuellen Reaktionszyklus und den dabei ablaufenden Orgasmus aus wissenschaftlicher Perspektive. Dabei mussten die Versuchspersonen ihren Koitus und Orgasmus unter Laborbedingungen durchführen. Es entstand eine Idealkurve, die eher für sexuelle Hochleistungssportler als für die Durchschnittsbevölkerung repräsentativ war. Masters und Johnson gingen vom Vorhandensein eines sexuellen Triebes aus, der lediglich einer effektiven Stimulation bedarf, um einen Orgasmus zu produzieren. Sie untersuchten primär die sexuellen Reaktionen von Menschen, die ein sexuelles Interesse hatten. Spätere Wissenschaftler warfen ihnen vor, die Sexualität auf das Erreichen des Orgasmus zu reduzieren.

Neueste Erkenntnisse des 21. Jahrhunderts

In New Scientist vom 11. Juni 2005 wurde eine Studie an insgesamt knapp 1400 eineiigen und zweieiigen weiblichen Zwillingspaaren vorgestellt. Die Frauen im Alter von 19 bis 83 Jahren wurden u. a. befragt, ob sie beim Masturbieren und beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommen. Nur 14 Prozent gaben an, beim Geschlechtsverkehr immer zum Orgasmus zu kommen; 16 Prozent, dass sie so nie zum Orgasmus kommen; 32 Prozent sagten, dass sie so nicht häufiger als jedes vierte Mal zum Orgasmus kommen. Beim Masturbieren kommen der Studie zufolge 34 Prozent der befragten Frauen immer zum Orgasmus, 14 Prozent nie. Aufgrund des Studienansatzes mit ein- und zweieiigen Zwillingen schließen die Forscher um Tim Spector vom St. Thomas' Hospital in London, dass die Erbanlagen einen erheblichen Einfluss auf die Orgasmusfähigkeit der Frauen haben. Hierfür spreche besonders, dass beim Onanieren zwar der externe Faktor – sprich: ein Mann oder eine andere Frau – entfalle, gleichwohl aber eine noch deutlichere Korrelation zwischen sexuellem Erleben und verwandtschaftlicher Nähe nachweisbar war. Die Forscher wiesen darauf hin, dass die verbreitete Erwartungshaltung und die damit verbundene Definition von „normal“ (sprich: Frauen müssen einen Orgasmus haben) nicht haltbar sei; man könne nicht mehr als jede fünfte Frau als „abnorm“ einordnen.

Medizinisch-Biologische Mechanismen

Es gibt keine Begrenzung für die Anzahl der Orgasmen, die ein Mensch während seines Lebens haben kann. Der speziell auf Männer bezogene Spruch „Nach 1.000 Schuss ist Schluss“ ist Unsinn; Sperma wird ab der Pubertät ein Leben lang gebildet. Eine regelmäßige sexuelle Befriedigung ist beim Mann sogar aus medizinischer Sicht zur Vorbeugung von Prostatabeschwerden sinnvoll. Die Ejakulation von befruchtungsfähigem Sperma ist keine Voraussetzung für den Orgasmus, was u. a. bei einer Sterilisation von Belang ist. Der Orgasmus einer Frau besteht physiologisch gesehen aus rhythmischen Muskelkontraktionen der Vagina, der Gebärmutter und der Analmuskulatur. Ein durchschnittlicher Orgasmus besteht aus etwa 5, ein intensiver Orgasmus aus 10 bis 15 Kontraktionen. Während des Orgasmus erhöht sich der sex flush, d. h. die Durchblutung der obersten Hautschichten auf ein Maximum. Die Gehirnströme verändern sich.

Vor-/ Erregungsphase

Während der Erregungsphase, die einige Minuten bis zu einer Stunde oder länger anhalten kann, gibt es vaskuläre (die Blutgefäße betreffende) Veränderungen in der Beckenregion, der Penis und die Klitoris erigieren. Während der Plateauphase wird ein individuell verschiedenes Ausmaß an Erregung erreicht.

Haupt-/ Plateauphase

Während der Orgasmusphase haben (im glücklichsten Fall) beide Partner bzw. der oder die Masturbierende eine sehr schöne Empfindung einer extremen Steigerung mit anschließender Lösung der sexuellen Spannung. Es kommt zu rhythmischen Kontraktionen (ungefähr alle 0,8 Sekunden) in der Genitalregion sowie anderen Muskelregionen und zum Anstieg des Blutdrucks sowie zu einer Beschleunigung der Atmung. Die Frequenz des Herzschlags kann sich verdoppeln. Während des Orgasmus wird beim Mann meist das Sperma ausgestoßen. Diese Ejakulation geht jedoch nicht zwingend mit dem Orgasmus einher, Männer können auch einen Orgasmus ohne Spermaausstoß bekommen und umgekehrt. Auch Frauen können eine klare Flüssigkeit aus dem G-Punkt-Drüsenzentrum absondern, deren Bedeutung in der Unterstützung der Prostataflüssigkeit gesehen wird: wenn das Prostata-Ejakulat des Mannes minderwertiger Konsistenz (zu dickflüssig, zu wenig) und die Beweglichkeit der Spermien dadurch behindert ist, kann die Frau dieses Defizit durch ihr Ejakulat in gewissem Maße ausgleichen. Dazu kommt, dass dem weiblichen Ejakulat auch die Funktion des Base-Säure-Ausgleichs in der Vagina zugeschrieben wird. Wegen Milchsäurebakterien der Vaginalflora hat die Vagina einen sauren pH-Wert, Spermien aber brauchen einen basischen pH-Wert. Das weibliche basische Ejakulat setzt den sauren pH-Wert für eine kurze Zeit außer Kraft, so dass der Samen unbehelligt in die Gebärmutter wandern kann. Der Gebärmuttermund wird beim Orgasmus der Frau rhythmisch mit peristaltischen Bewegungen in die Samenflüssigkeit getaucht.

Nach-/ Entspannungsphase

Während der Entspannungsphase werden der Blutdruck und die Atmung wieder auf Normalwerte reguliert. Nach einem Orgasmus brauchen die meisten Männer eine Refraktärphase, die einige Minuten oder länger, mit zunehmendem Alter auch mehrere Tage, dauern kann.

Neurologische Betrachtungen

Der Orgasmus dauert bei Männern und Frauen durchschnittlich einige Sekunden, durch Injakulation soll jedoch der männliche Orgasmus verlängert und intensiver empfunden werden können. Neueren neurophysiologischen Erkenntnissen zur Folge werden beim weiblichen Orgasmus bestimmte Hirnregionen für bis über zwei Minuten deaktiviert, was eindeutig mit dem psychischen Erlebnis korreliert sein dürfte. Bei Männern konnte dieses relativ lang andauernde Geschehen nicht nachgewiesen werden, die Messauflösung lag im Bereich von zwei Minuten.

Orgasmus in Gesellschaft und Kultur

Orgasmus als "Wettbewerb"

Wegen der hohen Priorität, die auch heute noch dem Vaginalverkehr und dem Orgasmus als ultimes Ziel des sexuellen Aktes beigemessen wird, empfinden sich viele Frauen, die noch nie einen koitalen Orgasmus erlebt haben, als sexuelle Versagerinnen und spielen deshalb ihrem Partner einen Orgasmus vor (siehe auch Orgasmuslüge) – auch um das Selbstbewusstsein des Mannes zu stärken und ihn nicht als Versager dastehen zu lassen. Die Orgasmusfähigkeit von Frauen nimmt mit zunehmender sexueller Erfahrung zu, weil Frauen mit der Zeit lernen, mit welchen Stimulationen sie zum Orgasmus kommen, auch weil die weibliche Vorsteherdrüse (G-Punkt) im Alter und mit zunehmender Reizung mehr und mehr aus dem umliegenden Vaginal-Gewebe hervortritt. Gerade nach der ersten (Vaginal-)Geburt bestätigen viele Frauen eine Zunahme des sexuellen Genusses.

Orgasmus-"Lüge"

Wegen des hohen Wertes, der dem Erreichen eines Orgasmus beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr beigemessen wird, kommt es häufig dazu dass zahlreiche Frauen, aber nach neueren Untersuchungen auch etliche Männer, ihren Sexualpartnern einen Orgasmus vortäuschen. Nur 20 Prozent der deutschen Frauen und 41 Prozent der deutschen Männer haben nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Frauenzeitschrift Marie Claire ihrem Partner noch nie einen Orgasmus vorgetäuscht. 54 Prozent der Interviewten fanden dass Sex auch ohne Orgasmus befriedigend sein könne. Jeder zweite Befragte meinte dass der Orgasmus generell viel zu wichtig genommen werde. Für nur 28 Prozent der Frauen, aber immerhin für 42 Prozent der Männer, sei er das Schönste am Sex.

Orgasmus und Rollenklischees

Die Enttäuschung, bei einem Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus zu erreichen, scheint bei Frauen geringer zu sein als bei heterosexuell aktiven Männern. Stärker als Männer trennen Frauen Orgasmus und sexuelle Befriedigung. Viele Umfragen und Untersuchungen bestätigen, dass viele Frauen zwar die intensivsten Orgasmen bei der Masturbation erleben, trotzdem aber mit ihrem Sexualleben in der Partnerschaft zufrieden sind. Vermutlich sind die Gründe dafür in der veralteten Rollenverteilung der Geschlechter und in tradierten sexuellen Vorstellungen zu finden. Demnach sollten Frauen keinen Spaß an der Liebe haben, was unterbewusst noch bis heute nachwirkt.

Erst in der neueren Zeit wurde durch die feministische Bewegung die Frage des Rechtes der Frau auf ihre eigene Sexualität neu definiert. Bis vor den 50er Jahren, in welchen der weltberühmte Zoologe und Sexualforscher Kinsey in seinem Buch Das geheime Leben der Frauen dieses Thema erfasste, erforschte und durch seine Bewusstmachung in der Bevölkerung die Auseinandersetzung mit diesem Thema mehr oder weniger legitimierte, war der weibliche Orgasmus ein Mythos, wenn nicht sogar ein Tabu.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein war der weibliche Orgasmus offiziell nicht bekannt. Dennoch war etwa ab dem 15. Jahrhundert die manuelle Auslösung einer "Hysterischen Krise" (das damalige verkennende Synonym für den weiblichen Orgasmus, abgeleitet von griechisch hystera: Gebärmutter) gängige ärztliche Behandlungsmethode bei "hysterischen Beschwerden", worunter damals etwa nervöse Kopfschmerzen und "allgemeine Unleidlichkeit" fielen. Im 19. Jahrhundert starb diese populäre Behandlungsmethode nach und nach aus, weil spezielle Geräte für die häusliche Selbstbehandlung aufkamen: die bis heute beliebten Vibratoren, wenngleich sie heute ganz offiziell als Sexspielzeug dienen.

Literatur

zum Kapitel "Orgasmus und Rollenklischees":

  • Rachel P. Maines "The Technology of Orgasm: Hysteria, the Vibrator, and Women's Sexual Satisfaction (Johns Hopkins Studies in the History of Technology)", ISBN: 0801859417

Vorlage:Wiktionary1

Siehe auch

Beschneidung, G-Punkt, Eichel, Klitoris, Orgasmustheorie, Orgasmuslüge, Penis, Prostata, Sexualpraktiken, Vagina, Vulva