Stuttgart 21

Bauprojekt zur Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens
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Das Projekt Stuttgart 21 soll den Stuttgarter Hauptbahnhof, einen Kopfbahnhof, durch einen unterirdischen, um 90 Grad gedrehten Durchgangsbahnhof ersetzen. Über einen Ringschluss unterhalb der Stadt wird die neue Streckenführung mit den bestehenden Trassen und dem Abstellbahnhof verbunden.

Planerisch ist Stuttgart 21 ein Teil der Neu- und Ausbaustrecke Stuttgart-Augsburg der Deutschen Bahn AG. Es besteht aus einem Eisenbahnprojekt der Deutsche Bahn AG und einem städtebaulichen Projekt der Landeshauptstadt Stuttgart.


Gliederung

Das Projekt besteht aus 7 Teilabschnitten:

Kosten

Das Eisenbahnprojekt Stuttgart 21 wird nach Angaben der DB ProjektBau GmbH auf ca. 2,6 Mrd. € (Preisstand 1998) veranschlagt; nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums sind Kosten in Höhe von 2,95 Mrd. zu erwarten.

Zeitplanung

Die Planungen zu Stuttgart 21 begannen bereits Mitte der 1990er Jahre. Über den Baubeginn soll nach Vorliegen einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entschieden werden. Von einem Beginn der Bauarbeiten ist daher frühestens 2007 auszugehen, von einer Inbetriebnahme frühestens 2015.

Ziele / Nutzen

Fernverkehr

Hauptziel des Projektes ist die Einbindung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung (momentan enden die Hochgeschwindigkeitstrassen von Mannheim her kommend in Stuttgart).

Der neue Bahnhof soll eine Kapazitätssteigerung von nahezu 50% zur Folge haben. Insgesamt wird er acht gleichzeitig nutzbare Gleise erhalten. Zum Vergleich: Der aktuelle Bahnhof besitzt als Kopfbahnhof zwar 17 Gleise, davon sind aber nur sechs gleichzeitig nutzbar. Deshalb wird jeder 2. Zug durch einen anderen Zug blockiert, dies ist zukünftig nicht mehr der Fall. Einschränkend ist dazu anzumerken, dass das Alternativprojekt "Kopfbahnhof 21" den Bau eines neuen Gleisvorfeldes vorsieht, worauf in der Folge das gegenseitige Blockieren wegfallen würde.

Ein geringfügiger weiterer Nutzen des Durchgangsbahnhofes wird darin bestehen, dass bei den (heutzutage selten gewordenen) Zügen, die keine Wendezüge sind, das Wenden entfällt.

Die verkürzten Reisezeiten werden nicht allein durch den Umbau des Bahnhofes erreicht - der geplante Durchgangsbahnhof weist Reisezeitverkürzungen von maximal 260 Sekunden auf - sondern auch wesentlich durch den Ausbau der Trassen.

ICE-Anbindung des Flughafens

Der Flughafen Stuttgart soll durch das Projekt an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen werden. Über einen 9,5 km langen Tunnel wird man zukünftig vom neuen Hauptbahnhof aus in 8 Minuten den Flughafenbahnhof und die "Neue Messe" erreichen. Einschränkend ist anzumerken, dass

a) nur jeder dritte ICE am Flughafen halten wird, d. h. eine Anbindung ist nur alle 90 Minuten vorhanden
b) Züge nicht (wie derzeit die S-Bahn) direkt am Flughafenterminal halten. Passagiere müssten vom Flughafenbahnhof zum Terminal gehen.
In der Summe ergebens sich vom Hbf Stgt. zum Terminal Flughafen Wegezeiten, welche exakt den Zeiten der Variante "Kopfbahnhof 21" entsprechen.

Nahverkehr

Ein Durchgangsbahnhof ermöglicht es, Nahverkehrszügen sternförmig über Stuttgart Hbf. durchzubinden, statt dort zu enden. Es ist angedacht, umsteigefreie Verbindungen zwischen folgenden Orten einzurichten: Schwäbisch Hall - Stuttgart - Tübingen, Aalen - Stuttgart - Tübingen, Heilbronn - Stuttgart - Horb und Vaihingen an der Enz - Stuttgart - Geislingen an der Steige. Die DB verspricht im Zusammenhang damit eine Steigerung der Zugfrequenz.

Betriebliche Aspekte

Der neue Bahnhof ermöglicht Einsparungen bei den Betriebskosten (Wartungs- und Energiekosten). Ein Beispiel: im Gleisvorfeld des heutigen Bahnhofs liegen 225 Weichen, die regelmäßig gewartet und im Winter beheizt werden müssen. Im zukünftigen unterirdischen Bahnhof wird es nur noch 48 Weichen geben, die nicht mehr beheizt und auch weniger gewartet werden müssen, da sie nicht mehr dem Wetter ausgesetzt sind.

Städtebauliche Aspekte

Städtebaulich bietet das Projekt die Chance, ca. 100 Hektar derzeitige Gleisfläche in der Stuttgarter Innenstadt nutzbar zu machen. Die Fläche soll nach dem siegreichen Entwurf des Architekturbüros Trojan, Trojan + Neu für Wohn- und Geschäftsgebäude genutzt werden. Detailliert wurde dieses Konzept durch den Realisierungswettbewerb RosensteinViertel. Dies wäre der größte Innenstadtumbau seit Bestehen der Stadt.

Kritik

Das Projekt ist betrieblich sowie wirtschaftlich umstritten.

Kritiker halten das Projekt für betriebsschädlich und für zu kostenintensiv. Sie streben stattdessen einen Ausbau des bestehenden 17-gleisigen Kopfbahnhofs an. Übereinstimmung besteht zwischen Projektbefürwortern und Projektgegnern jedoch darin, dass die Bahnanlagen in Stuttgart umgestaltet werden müssen. Wie die Stuttgarter Zeitung am 19. Februar 2005 berichtet, geht das Eisenbahnbundesamt davon aus, dass das Alternativkonzept, das auf eine Beibehaltung des Kopfbahnhofs setzt, nur ökologisch günstiger sei (wegen der "Trockenbiotope" auf oberirdischen Gleisanlagen), in Kosten aber nahezu dem Antrag der Bahn gleichkomme und zudem die Vorhabensziele nur qualitativ schlechter erfüllt. Eine aktuellere Untersuchung (Dr. V. Jung, 2005) kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass

a) die Planer von S21 mit falschen Annahmen arbeiteten (Haltezeiten von 2 Minuten seien in der Praxis nicht umsetzbar),
b) die maximal mögliche Abfertigungskapazität eines erweiterten Kopfbahnhofes deutlich über der Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofes liege
c) der Kopfbahnhof 21 zu einem Drittel der Kosten von Stuttgart 21 zu haben sei.

Gegner des Projekts befürchten außerdem, dass durch die Halbierung der Zahl der Gleise nicht mehr angemessen auf Betriebsstörungen reagiert werden könne. Außerdem sei der Regionalverkehr in seiner jetzigen Form nicht mehr möglich, da die Nahverkehrszüge die Ankunft des Fernverkehrs nicht mehr abwarten können.

Ferner behaupten einige Kritiker, eventuell später notwendige Erweiterungen des Tiefbahnhofs seien baulich nicht durchführbar. Dem widersprach die Deutsche Bahn AG beim Erörterungstermin im April 2003: Falls weitere Leistungszuwächse erforderlich wären, so könne der 8-gleisige Bahnhof um ein 9. und 10. Gleis erweitert werden. Allerdings wurde eine Erweiterung eines unterirdischen Bahnhofes in Europa - wohl aus Kostengründen - bislang noch nie vorgenommen.

Finanzierung

Ein Teil der Finanzierung wird durch die bereits 2001 an die Stadt Stuttgart für ca. 450 Mio EUR verkauften Bahnflächen sichergestellt. Einzelne Planungen und Bohrprogramme des Projekts Stuttgart 21 wurden von 2001-2004 zu 50% von der Europäischen Union bezahlt, da das Projekt zu den wichtigen so genannten "TEN-Projekten" der EU zählt. Die Befürworter von Stuttgart 21 hoffen auf weitere Unterstützung seitens der EU. Eine endgültige Festlegung über die Finanzierung des Baus von Stuttgart 21 wird nach der im Mai 2005 vorliegenden Wirtschaftlichkeitsrechnung unter den Partnern des Projekts, der Bundesrepublik Deutschland, der Deutsche Bahn AG, dem Land Baden-Württemberg, dem Verband Region Stuttgart und der Stadt Stuttgart erfolgen.

Das Land Baden-Württemberg wird im Rahmen der Vorschusszusagen ab 2007 eine jährliche Zinslast von 80 Mio. Euro zu tragen haben. Ob dieser Betrag durch Neuverschuldung oder Streichung in anderen Sektoren erbracht wird, ist derzeit nicht geklärt. Die Summe ist Anlass scharfer politischer Auseinandersetzungen.

Das Projekt Stuttgart 21 taucht nicht expressis verbis im Bundesverkehrswegeplan auf. Das Anschlussprojekt, die NBS Wendlingen-Ulm als Teil der ABS/NBS Stuttgart-Augsburg ist jedoch aufgeführt, inklusive der "Einbindung in den Knoten Stuttgart", d.h. eine Festlegung auf einer der Varianten "Stuttgart 21" bzw. "Kopfbahnhof 21" erfolgte nicht.

Das Projekt war auch ein Thema bei den Stuttgarter Oberbürgermeisterwahlen im Oktober 2004. Der wiedergewählte Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster hielt im Wahlkampf einen Bürgerentscheid bei Stuttgart 21 für möglich.