Baschkiren

turksprachige Ethnie im Südteil des russischen Uralgebirges
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Die Baschkiren (baschkirisch Башҡорт/Baschqort, Башҡорттар/Baschqorttar) sind eine turksprachige Ethnie im russischen Uralgebirge. Sie sind das namensgebende Volk Baschkortostans.

Etwa 68 Prozent der Baschkiren leben als Titularnation in der russischen autonomen Republik Baschkortostan, der Rest in Tatarstan und den Nachbarrepubliken. Anders als die anderen turksprachigen Bevölkerungsgruppen der Region werden die Baschkiren, wie auch die benachbarten Tschuwaschen, nicht den Wolga-Ural-Tataren zugerechnet.

Baschkiren, Darstellung 1812, Paris
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Baschk. Siedlungsgebiete im 18. Jh.: Hauptsiedlungsgebiet zwischen den Flüssen Kama, Belaja und Wyatka Nebensiedlungsgebiete zwischen den Flüssen Wolga, Samara, Oka und Tobol

Die Baschkiren waren bereits Anfang des 10. Jahrhunderts als nomadisierende Viehzüchter zwischen Wolga, Kama und Ural ansässig, bis sie im 13. Jahrhundert von den Mongolen unterworfen wurden. Ab dem 16. Jahrhundert wurden sie mit der Eroberung der mongolischen Khanate durch Iwan IV. russische Untertanen. Im heutigen Russland sind sie das zweitgrößte muslimische Volk. Zusammen mit den Tataren waren sie für ihre Bienenzucht bekannt. Sie züchten gelockte Ponys, die Baschkire genannt werden. Sie nutzen sie als Reit- und Zugtiere, zur Fleischproduktion, eine Modeepoche lang zur Produktion von Fohlenfellen sowie zur Milchgewinnung.

Die Hypothesen der Herkunft

Version über die finno-ugrische Ethnogenese

Im Allgemeinen werden die Baschkiren als Teil der Finno-Ugrier und der Wolga-Magyaren angesehen, der erst spät turkisiert wurde und eine Variante des Tatarischen annahm. Die Baschkiren selbst sehen sich als Nachkommen jener Nogaier, die am südlichen Ural siedelten.

Version über die turkstämmige Ethnogenese

Bei der turksprachigen Ethnizität geht es vor allem um die Ethnogenese der Hetü Moger, den sieben Stämmen der Baschkiren, übersetzt sieben Ungarn (hetu = sieben; Moger = Magyar/Ungarn). Es ist ein Volksname wie Toquz Oguz (neun Oghusen), Otuz Tatar (dreißig Tataren) oder Üç Qurïqan (drei Kurikan).[1] In der Tat sind vier der sieben ungarischen Stammesnamen (Yeney/Jenö, Djurmati/Gyarmat, Tamyan/Tarján, Girei/Ker) noch in Baschkirien vorhanden. Unter diesen sieben Stämmen spielten aber auch finno-urgrische und iranische Idiome eine wesentliche Rolle.

Eine weitere Version basiert darauf, dass die arabischen, persischen und mittelasiatischen Autoren über die Baschkiren wie über Türk schreiben. Unter ihnen Ahmad Ibn Fadlān, al-Mas'udi, al-Idrisi, Raschīd ad-Dīn, Mahmud al-Kāschgharī.

Version der iranischen Ethnogenese

Unter der iranischen Theorie der Herkunft der Baschkiren werden die antiken Völker des Urals und des Kaspischen Meeres herangezogen, die man heute unter den Namen Saken/Sarmaten, Dahae/Massageten summiert. Inwiefern jedoch die darauffolgende Türkisierung oder eine ethnische Umwälzung Zentralasiens stattgefunden haben soll, ist nicht hinreichend bekannt.

Mythologie

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Motive und Figuren aus der baschkirischen Mythologie

Gegenstand systematischer Untersuchungen von Ethnographen wurde die baschkirische Mythologie erst seit dem 18. Jahrhundert. Besonders wertvoll sind die Arbeiten des „Vaters der baschkirischen Ethnographie“ S. I. Rudenko.

Glaubensvorstellung

Die Glaubensvorstellungen des baschkirischen Volkes sind ein kompliziertes System, in der die Welt der Geister einen besonderen Rang einnehmen. Diese sind im Bewusstsein der heute lebenden Menschen noch in abgeschwächter Form erhalten.[2] Geflügelte Pferde, Wasser und Wassergeister sind in der baschkirischen Mythologie häufig miteinander verbunden. Die Wassergeister, deren Kleidung und Charakterzüge in schwarzen oder weißen Farben dargestellt wird, werden in Zusammenhangs mit der jenseitigen Welt gebracht. Schwarz und Weiß sind Farben, die in bestimmten religiösen Vorstellungen oft als Farben von Wesen der jenseitigen Welt charakterisiert werden.[3] Nach baschkirischem Volksglauben hat jeder Berg seinen Wirtsgeist. Er tritt als grauhaariger Greis oder in Gestalt von Tieren auf und liebt die Ruhe.

Geschichtlicher Aspekt

Die Mythologie der Baschkiren ist von ihrem geschichtlichen Boden nicht zu trennen. Sie müsste auch als ein Ausdruck uralten sozialen Bewußtseins zu konkreten geschichtlichen Verhältnissen betrachtet werden.[4]

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Baschkirische Heldenfigur Ural-Batyr, Gemälde aus der internationalen Konferenz „Ural-Batyr“, Ufa

Baschkirische Sagen

In der Regel erfolgt die mündliche Vermittlung der Sagen in Form der traditionellen baschkirischen Liedern oder Erzählungen. Im Besonderen ist zu erwähnen, dass Gelehrte wie P. A. Gällämov verblüffende Ähnlichkeiten zwischen den baschkirischen Sagen und den sumerisch-akkadischen Epen in Erfahrung gebracht haben. Daraus wurden Schlüsse einer gemeinsamen ethnischen Herkunft gezogen.[5] Archäologische Anhaltspunkte für eine kulturelle Verbindung mit den Sumerern könnten aus der zentralasiatischen Oxus-Kultur (BMAC) herangezogen werden, die sich auf ca. 2200 und 1700 v. Chr. datieren lassen (siehe Herkunft der Sumerer).

Die Sage von Ural-Batyr

Die Sage von Ural-Batyr thematisiert im Wesentlichen das geschichtliche Auftreten des baschkirischen Volkes. Auch Berge, Seen und Flüsse haben darin einen mythologischen Entstehungsprozess.[6] Darüber hinaus weisen die Epen des baschkirischem Ural-Batyr und das babylonische Gilgamesch-Epos viele Parallelen auf.

 
Ural-Batyr kämpft gegen den Riesen Dev

Dies wird besonders deutlich, vergleicht man die epischen Legenden mit übereinstimmenden Themenkomponenten: Der Held des baschkirischen Epos besitzt wie auch Gilgamesch übermächtige Körperkraft, wie dieser vernichtet Ural-Batyr die schrecklichen Ungeheuer.[7] Schlangen und vielköpfige Drachen nehmen darin einen besonderen Platz ein. Nach baschkirischer Überlieferung aus dem 18. Jahrhundert verwandeln sich die Schlangen in schneeweiße Drachen und werden dadurch zu einer Art Führungscharakter innerhalb ihrer eigenen Artgenossen. Diese Drachen züchten sich ihre Köpfe durch das Verschlingen von Helden. Unter den Drachen selbst herrscht ebenfalls eine hierarchische Rangfolge. Sie ist anhand der Anzahl ihrer Köpfe festzulegen, je größer die Anzahl der Köpfe, desto höher der Rang.[8]

Der Name Ural ist in Baschkirien bis heute auch als Vorname anzutreffen und geht auf die Legende vom Helden Ural-Batyr zurück, der seine besiegten Gegner in Berge verwandelte.

Darüber hinaus popularisiert selbst die altiranische Avesta das ein und dasselbe ethische Ideal des Ural-Batyr.[9]

Anthropologische Besonderheit

 
Asien im Jahr 1200 n. Chr., zeigt den Standort der Baschkiren und ihre Nachbarn.

Die anthropologische Besonderheit spiegelt sich im Volkswesen der Baschkiren und ihren ursprünglich 7 Stämmen wider. Jeder dieser Stämme hatte eine spezifische anthropologische Eigenheit, aus der sich durch Vermischung später die baschkirische Nation formte.[10]

Größe

Insgesamt gibt es weltweit ca. 1,8 Millionen Baschkiren. Davon entfallen auf:

Religion

Siehe Islam in Russland.

Geschichte

Siehe Geschichte der Republik Baschkortostan.

Musik

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Darstellung eines Doldengewächses namens Pleurospermum uralense, aus der die Kurai-Flöte hergestellt wird

Die Kurai ist das bekannteste und beliebteste Musikinstrument der Baschkiren. Die Geschichte dieser Flöte reicht weit über 1000 Jahre hinaus. Das berühmte baschkirische Volkslied "Gesang der Kräne" wird beispielsweise lediglich mit der Kurai gespielt. Die am weitesten verbreitete Art der Kurai ist die aus dem Stamm der Doldengewächse, auch genannt Ural edgepistil oder Kamtschatka pleurospermum (Pleurospermum uralense).

Die Länge des hölzernen Stammes einer Kurai beträgt ca. 2-3 Meter. Sie wächst im Juli und trocknet im August bis September. Anschließend wird der Stamm zurechtgeschnitten und an einem trockenen und dunklen Ort aufbewahrt. Die Kurai-Pflanze ist vornehmlich in höheren geographischen Lagen des Ural-Gebirges zu finden.

Die Namen der herausragendsten Kurai-Spieler sind Kubagush-sasan, Baik-sasan, I. Murzakaev, G. Arginbaev, Y. Icyanbaev, I. Dilmukhametov, G. Suleymanov, K. Diyarov, R. Rakhimov, Y. Gaynetdinov und A. Aitkulov.

Die Kurai-Pflanze ist zugleich als Staatswappen auf der Nationalflagge der Republik Baschkortostan zu sehen.

Verwandte Instrumente

Galerie: Historische Bilder

Quellen

  1. Magyar Tudományos Akadémia, Acta linguistica , Band 16, 1966, S.17
  2. Anke von Kügelgen: Muslim culture in Russia and Central Asia from the 18th to the early 20th centuries, Schwarz, 1996, S.5
  3. Anke von Kügelgen, Muslim culture in Russia and Central Asia from the 18th to the early 20th centuries, Schwarz, 1996, S.9
  4. Nihon Gakujutsu Kaigi, Proceedings: VIIIth International Union of Anthropological and Ethnological Sciences, 1968, Tokyo and Kyoto, Science Council of Japan, 1969, S.300
  5. Metin Ergun, Gaynislâm İbrahimov: Başkurt halk destanları, Türksoy, 2000, S.6
  6. Erman Artun: Anonim Türk halk edebiyatı nesri, Band 1, Kitabevi, 2004, S.57
  7. Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar, Weimarer Beiträge, Ausgaben 1-3, Aufbau-Verlag, 1975, S.102
  8. Anke von Kügelgen: Muslim culture in Russia and Central Asia from the 18th to the early 20th centuries, Schwarz, 1996, S.30
  9. Michael Hess: Relativische Prädikationen im Baschkirischen, Otto Harrassowitz Verlag, 2008, S.54
  10. A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss: Zeitschrift für Ethnologie, Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Berlin 1892, S. 216
  11. Всероссийская перепись населения 2002 года. perepis2002.ru, abgerufen am 20. Juni 2011.
  12. http://www.ide.go.jp/English/Publish/Mes/pdf/51_cap1_2.pdf Vorlage:Toter Link/!...nourl (Seite nicht mehr abrufbar.)
  13. http://www.ukrcensus.gov.ua/eng/results Vorlage:Toter Link/!...nourl (Seite nicht mehr abrufbar.)