Goding
I
Als Goding wurde im Hochmittelalter eine Gerichtsverhandlung bezeichnet.
Beteiligte und Ablauf
Der Vorsitzende des Gerichts, der Gogreve, wurde von den Dingpflichtigen aus ihrer Mitte gewählt. Wie der Name (Greve, Grave = der Graue) sagt, erkor man zu dem Amte einen alten, erfahrenen Mann. Er konnte ein Ritter, aber auch ein unfreier Bauer sein, ein freier tritt als Greve seltener auf. Das Urteil zu finden, war nicht Aufgabe des Gogreven, sondern der am Gericht teilnehmenden Dingpflichtigen.
Die Fürsprecher wurden den Parteien vor Gericht zugeordnet und hatten für sie zu sprechen. Sie mussten die althergebrachten Rechtsform und -formeln genau kennen. In einer Wechselrede zwischen dem Gogreven und einem Fürsprecher wurde die Tagung eröffnet. Feststellung der rechten Dingzeit, der Dingpflichtigen, ihrer Obliegenheiten und Rechte, Zuständigkeit des Gerichts, seine hergebrachten Formen, die zu verhängenden Strafen, alles das wurde durch Frage und Antwort zu Beginn jeder Tagung aufs neue festgelegt und dadurch so sicher bewahrt wie durch Schriftsätze.
Auszug aus einen Goding-Bericht
Wie eine Verhandlung vor dem Goding auf dem Hassel, einem kleinen Wäldchen in der nähe von Bledeln vor sich ging, wird in einer Urkunde aus dem Jahre 1360 berichtet. Dort heißt es in freier Übertragung aus dem Mittelniederdeutschen:
"Als ich, Eckhard von Hövern, Gogreve zu dem Hassel, Gericht abhielt, erschien vor mir Herr Jan von Salder und klagte wegen des Gutes, das sein Bruder Bodo von Salder dem Stifte zu Hildesheim verkauft hatte, das 12 Hufen mit allem, was dazu gehört, bei Sarstedt umfaßt. Das ließ man Bodo von Salder Wissen tun. Der kam später zur Dingzeit, als ich wieder zum Gericht auf dem Hassel sass. Von den Herren Jan und Cord von Salder war ein Bote gegenwärtig, der um einen Fürsprecher bat. Tileke, der Windmüller von Evern, wurde als solcher bestimmt und beklagt das Gut zum zweitenmal. Die Amtleute meines Herren, des Bischofs von Hildesheim, waren zugegen und verlangten Antwort auf die Klage. Deshalb wurde der Bote Herr Jans und Herrn Cords gefragt, ob er Vollmacht habe, Recht zu nehmen und Recht zu geben an Stelle seiner Herren. Darauf trat sein Fürsprecher, der vorgenannte Tileke, vor und erklärte im Namen des Boten, er habe nur Vollmacht, das Gut zu beklagen. Dann trat Bodo von Salder vor Gericht und bat mich, dass er sein Wort selber sprechen dürfe. Er erklärte, dass er die Rechte seines Herrn, des Bischofs, und seines Stiftes gewahrt wissen wolle. Seinen Brüdern aber könne er ihr Unrecht nachweisen. Herr Jan, sein Bruder, habe seinerzeit gegen das Gut 8 Hufen und den Zehnten zu Herbergen erhalten und dazu gebe er, Bodo, ihm noch 40 lötige Mark. Herrn Cord, seinem Bruder, seien seinesteils dafür der Zehnte zu Solschen und 11 Hufen zugefallen. Alles das könne er beweisen mit ihren Briefen, die sie darüber ausgestellt hätten."
Damit bricht der Verhandlungsbericht ab. Der richterliche Entscheid ist nicht bekannt, aber die Rechtslage wird nach Vorlage der genannten "Briefe" eindeutig gewesen sein.
Als Fürsprecher wird neben dem erwähnten Tileke Hermann von Müllingen aufgeführt. Dingleute sind u. a. Henneke Busseken (Busche), Henning von Müllingen, Hans von Schwichelt, Ludolf von Seilenstedt, Aschwin von Roden, Albert von dem Damme und Henrich Pepersack. Der Gogreve und der Fürsprecher Hermann von Müllingen bekräftigten die Urkunde durch Anhängen ihrer Siegel.
Literatur/Quellenverzeichnung
- Bertram, Adolf: Geschichte des Bistums Hildesheim. 3 Bände, Hildesheim 1899/1916
- Engelke, Bernhard: Die Große und die Kleine Grafschaft der Grafen von Lauenrode. In: Hann. Geschichtsbl. Heft 4/5 im 24. Jahrgang;
- Gebauer, J.: Geschichte der Stadt Hildesheim. 2 Bd., Hildesheim 1922/1924
- Görges-Spehr-Fuhse: Vaterländische Geschichten und Denkwürdigkeiten der Lande Braunschweig und Hannover. 3 Bd., Braunschweig 1925/1929
- Havemann, Wilhelm:Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg. 3 Bd., Göttingen 1853/1857
- Hueg, Adolf: Dorf und Bauerntum. Oldenburg 1939
- Kayser, K.:Die reformatorischen Kirchenvisitationen in welfischen Landen 1542/1544. Göttingen 1896
- Kayser, K.: Die General-Kirchenvisitation von 1588 im Lande Göttingen-Kalenberg- In: Zeitschr. d. Ges. f. nieders. Kirchengeschichte. 1904
- Lüntzel, H. A.: Die bäuerlichen Lasten im Fürstentum Hildesheim. Hildesheim 1830
- Lüntzel, H. A.: Die ältere Diözese Hildesheim, Hild. 1837;
- Machens, J.: Die Archidiakonate des Bistums Hildesheim im Mittelalter. Hildesheim 1920
- Mithoff, H.W.H.: Kunstdenkmale und Altertümer im Hannoverschen. Hann. 1871/1880, Bd. 3 Hildesheim/Goslar
- Peine, Friedrich: Die Frühgeschichte der Go Hassel Ders. Das Goding, die Freidinge und das Meierding in Lühnde. In: Blätter für Volkstum und Heimat im Reg.-Bez. Hildesheim. Jahrg. 1941, Heft 7/8, 1943 H. 10/12;
- Peine, Friedrich: Aus der Geschichte des Dorfes Bledeln. Bearbeitet von Friedrich Peine, Peine 1963
- Spieß, Werner: Die Großvogtei Kalenberg. Göttingen 1933
- Janicke-Hoogeweg: Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe. 6 Bände, Leipzig 1896, Hann. 01/11;
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- Sudendorf, H.: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. 11 Bände, Hann./Gött. 1859-1883;