Extension und Intension
Extension und Intension (auch Begriffsumfang und Begriffsinhalt) bezeichnen in der Logik und Sprachphilosophie verschiedene, nach Meinung mancher Autoren entgegengesetzte Eigenschaften von Begriffen.
Extension
Unter der Extension oder dem Umfang eines Begriffs versteht man in der traditionellen Logik (Begriffslogik) die Gesamtheit der Dinge, auf die er sich erstreckt (die unter ihn fallen, die er umfasst). So ist die Extension des Begriffes „Menschen“ die Gesamtheit aller Menschen, die je gelebt haben: Adam, Eva etc. Die Extension des Begriffes „Menschenrecht“ ist die Gesamtheit aller Menschenrechte: Recht auf Leben, Recht auf Freiheit etc. Dagegen besitzt der Begriff „Marsmensch“, nach allem, was wir vom Mars wissen, keine Extension: es gibt keine Marsmenschen, es sei denn in der Phantasie. Erweitern wir daher den Bereich der Rede (das Diskursuniversum) über die physischen Dinge hinaus und beziehen auch Phantasiewesen (Fabelwesen, Fiktionen) ein, so erscheinen darin neben Seejungfrauen und Yetis auch Marsmenschen. Die Extension von „Marsmensch“ ist dann nicht mehr leer.
In der modernen Logik fasst man Begriffe als einstellige Prädikate auf, d.h. als Aussageformen mit einer Leerstelle. Aus der Aussageform „ … ist ein Mensch“ entsteht eine wahre Aussage, wenn man in die Leerstelle den Eigennamen oder die Kennzeichnung eines Menschen einsetzt. Die Menge der Bezeichnungen, für die das Prädikat wahre Aussagen ergibt, ist dann seine Extension. Entsprechendes gilt für mehrstellige Prädikate (Relationen): die Extension des zweistelligen Prädikats „ … hat den selben Vater wie …“ besteht aus der Menge aller Geschwister- und Halbgeschwisterpaare.
Intension
Darüber, was Intension und Begriffsinhalt sind, gehen die Meinungen in der Logik auseinander. Nach einer häufig vertretenen Auffassung besteht die Intension eines Begriffes aus der Gesamtheit der Merkmale oder Eigenschaften, – die Terminiologie ist hier uneinheitlich, – die den Dingen, die er umfasst, gemeinsam sind. Demnach enthält die Intension des Begriffes „Mensch“ die Merkmale belebt, sterblich, auf zwei Beinen gehend, ungefiedert, vernunftbegabt, Werkzeuge produzierend etc.
Begriffsmerkmale treten hauptsächlich bei der Definition eines Begriffs in Erscheinung:
- Menschen sind auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen.
Oder:
- Menschen sind vernunftbegabte Lebewesen.
Keine dieser Definitionen macht von allen Merkmalen Gebrauch, die den Menschen gemeinsam sind; beide kommen z.B. ohne das Merkmal sterblich aus. Trotzdem erfüllen sie ihren Zweck, nämlich aus einem Diskursuniversum, das nur physische Dinge umfasst, trennscharf diejenigen herauszufiltern, die unter den Begriff „Menschen“ fallen. Wäre dagegen von einer Welt die Rede, in der auch für vernunftbegabte Unsterbliche Platz ist, z.B. für die Göttinnen und Götter des Olymp, so müsste die zweite Definition durch die Hinzunahme des Merkmals sterblich verengt werden.
Die Beispiele zeigen außerdem, dass Begriffe mit verschiedener Intension im selben Diskursuniversum die selbe Extension haben können: „auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen“ und „vernünftige Lebewesen“ sind extensional gleiche Begriffe. Das Umgekehrte gilt nicht: Begriffe mit verschiedener Extension besitzen im selben Diskursuniversum stets verschiedene Intension.
Extension als Maß für Begriffe
Extension und Intension werden daher in der Logik nicht als gleichberechtigte Eigenschaften angesehen. Um nachzuprüfen, ob es sich bei „A“ und „B“ um den selben, nur verschieden benannten Begriff handelt, zieht man stets die Extension herbei. Begriffe mit gleicher Extension gelten als gleich, Begriffe mit verschiedener Extension als verschieden. Wenn z.B. jemand bestreitet, dass die biblischen Figuren Adam und Eva zu den Menschen gehören, die wirklich einmal gelebt haben, und jemand anderes darauf beharrt, so wird kein Logiker daraus den Schluss ziehen, dass einundderselbe Begriff des Menschen zwei verschiedene Extensionen besitzt; vielmehr den, dass zwei auch intensional verschiedene Begriffe vorliegen und dass die Kontrahenten sich begrifflich in verschiedenen Universen bewegen. Anders ausgedrückt: das Wort „Menschen“ ist mehrdeutig, d.h. es bezeichnet verschiedene Begriffe. Da der Wortschatz natürlicher Sprachen kein einheitliches Diskursuniversum darstellt und fast jedes Wort in unterschiedlichem Redezusammenhang seine Bedeutung ändert, ist die Mehrdeutigkeit von Wörtern der Normalfall. Hierin liegt der Grund dafür, dass in der Logik durchweg die Extension als Maß für Begriffe gilt. In der modernen, mathematisch orientierten Logik wird diese Bevorzugung der Extension als Grundsatz formuliert und diskutiert (Extensionalitätsthese).
Das inverse Verhältnis von Intension und Extension
Die Intension eines Begriffes lässt sich mit einem Sieb oder Filter, seine Extension mit dem Filtrat vergleichen: je mehr Fäden das Gewebe eines Filters bilden (je enger seine Maschen sind), desto geringer die Menge des Filtrats; je weitmaschiger ein Sieb, desto durchlässiger ist es. Dieses inverse (reziproke, umgekehrt proportionale) Verhältnis von Intension und Extension tritt am deutlichsten dort in Erscheinung, wo ein einheitliches Diskursuniversum und ein einheitliches System von Merkmalen vorausgesetzt ist. So bei der Klassifikation von Dingen:
Beispiel
In der folgenden unvollständigen Klassifikation von Vierecken (Diskursuniversum: geometrische Figuren) ist die Intension als Menge von Begriffsmerkmalen, die Extension als Menge von Unterklassen (Rechtecke, Rauten, Quadrate) dargestellt:
Benennung des Begriffs | Intension des Begriffs | Extension des Begriffs |
---|---|---|
„geometrische Figur“ | { } | {Rechtecke, Rauten, Quadrate, Sonstige} |
„Viereck“ | {viereckig} | {Rechtecke, Rauten, Quadrate} |
„rechtwinkliges Viereck“ | {viereckig, rechtwinklig} | {Rechtecke, Quadrate} |
„gleichseitiges Viereck“ | {viereckig, gleichseitig} | {Rauten, Quadrate} |
„rechtwinklig gleichseitiges Viereck“ | {viereckig, rechtwinklig, gleichseitig} | {Quadrate} |
Die Tabelle zeigt, dass Extension eines Begriffs im selben Maße abnimmt, wie seine Intension wächst. Die Intension des Diskursuniversums ist in der ersten Zeile durch die leere Menge ( { } = ) symbolisiert: keine geometrische Figur wird vorweg ausgefiltert, von allen ist die Rede, auch von Kreisen, Dreiecken etc. Sie fallen hier zusammen mit Trapezen, Drachen unter Sonstige.
Grundregel
Beispiele wie das vorstehende existieren in großer Zahl und lassen die folgende grundlegende Gesetzmäßigkeit vermuten:
Sind A und B zwei Klassen innerhalb einer Klassifikation mit einheitlich durchgeführtem Merkmalssystem, so gilt:
Wenn die Intension von A in der Intension von B (als Teilmenge) enthalten ist, dann ist die Extension von B in der Extension von A enthalten; B ist dann eine Unterklasse (eine Spezies) von A, A eine Oberklasse (ein Genus) von B. |
Mit dem Aufkommen der modernen Logik wurde die Allgemeingültigkeit dieser Regel mehrfach angezweifelt. Der Grund dafür lag in der erwähnten Unbestimmtheit des Begriffs der Intension und in der Vielzahl der Möglichkeiten, ihn in die formale Sprache eines Logikkalküls zu übersetzen. Den ersten erfolgreichen Versuch zu einer solchen Übersetzung unternahm Paul Weingartner [1]. Weingartner konnte zeigen, dass „bei entsprechender Definition des intensionalen Enthaltenseins“ [2] die oben formulierte Grundregel ein Theorem der Klassenlogik darstellt.
Siehe auch
- Begriff
- Extensionalitätsprinzip
- Intensionaler oder opaker Kontext
- Extensionale Identität
Einzelnachweise
- ↑ A Predicate Calculus for Intensional Logic, in: Journal of Philosophical Logic, Bd. 2 (1973), S. 220–303.
- ↑ Wissenschaftstheorie, Bd. 2/1, S. 159 f. (Anm. 191).
Literatur
Paul Weingartner: „A Predicate Calculus for Intensional Logic“. In: Journal of Philosophical Logic, Bd. 2 (1973), S. 220–303.
Paul Weingartner: Wissenschaftstheorie. Teil II, 1 Grundlagenprobleme der Logik und Mathematik. Verlag Fromman-Holzboog. Stuttgart-Bad Cannstatt 1976. ISBN 3-7728-0324-5