Functional Discourse Grammar
Die “Functional Discourse Grammar” als eigenständige Theorie
Die “Functional Discourse Grammar” (FDG) ist eine neuere, um nicht zu sagen: eine der neuesten Grammatiktheorien. Von führenden Vertretern der Functional Grammar (FG) wurde sie im ersten Jahrzehnt des 2. Jahrtausends vor allem in Amsterdam in Weiterentwicklung der FG entwickelt. Über den Status dieser Grammatiktheorie gibt es unterschiedliche Meinungen: manche (so auch der bisherige Wikipedia-Artikel zur Functional Grammar) betrachten sie nur als eine Weiterentwicklung der ''Functional Grammar'' S.C. Diks (1978; 1997) ohne eigenständigen Status, während andere und auch die Hauptvertreter der FDG sie wegen vieler Unterschiede als selbstständige Grammatiktheorie ansehen: “FDG diverges from FG in so many ways that by now it should be considered a theory in its own right, and it has been recognized as such.” (Hengeveld & Mackenzie 2008: xi) Wer sich näher mit dieser Theorie befasst und dabei die z.T. beträchtlichen Unterschiede zur Vorgängerin sieht (vgl. unten 4.), wird wohl eher zur zweiten Ansicht neigen.
Zur Entstehung dieser Theorie
Die Geburtsstunde dieser linguistischen Theorie liegt im September 2000, als Kees Hengeveld, Professor für theoretische Linguistik an der Universität Amsterdam und Nachfolger S.C. Diks in dieser Position, auf der 9. Internationalen Konferenz zur Funktionalen Grammatik in Madrid ein Referat hielt über “The architecture of a Functional Discourse Grammar” (Hengeveld 2000; vgl. Hengeveld & Mackenzie 2008: xi). Dabei war der Zusatz “Discourse” der Ausdruck eines geschärften Bewusstseins, Phänomene des Diskursaktes stärker in die Theorie zu integrieren. Wichtige Aspekte dieses Pionierreferates waren die Unterscheidung dreier Ebenen, der interpersonalen, der repräsentativen und der morphosyntaktischen Ebene, und ihre hierarchische Strukturierung, eine deszendente Beschreibungsform von oben nach unten und die Interdependenz der grammatischen, konzeptuellen und kontextuellen Komponenten im Sprachbeschreibungsmodell. Die Theorie lag damit in nuce vor. In den folgenden Jahren wurde eifrig an den Grundgedanken dieses Kongressbeitrages weitergeforscht (García Velasco & Rijkhoff (Hgg.) 2008, Groot & Hengeveld (Hgg.) 2005, Mackenzie & Gómez González (Hgg.) 2004). So arbeiteten auch der Niederländer Kees Hengeveld, der Autor der Madrider Pionierfassung, und der schottische Linguist und Anglist J. Lachlan Mackenzie zusammen. Sie stellten die neue Theorie in einer 2008 erschienenen umfangreichen Einführung vor. Mit dieser Einführung von Hengeveld und Mackenzie (= HM) liegt erstmals eine umfassende Darstellung der Funktionalen Diskursaktgrammatik* vor.
Vom Sinn der Bezeichnung ‚Funktionale Diskursaktgrammatik’*
Hier sind die beiden Begriffe “functional” und “discourse” der englischen Bezeichnung kurz zu erläutern. Mit dem ersten von der FG ererbten Begriff reiht sich die FDG wie jene in die Reihe derjenigen Theorien ein, die für die Beschreibung der Sprachtatsachen den funktionalen Ansatz für wesentlich halten. Das Wichtigste an diesem Ansatz besteht darin, dass Grammatik und insbesondere Syntax kein autonomer Bereich sind, sondern als abhängig von den Bereichen der Funktion von Sprache Semantik und Pragmatik gelten. Typische funktionale Theorien sind neben der FG die Role and Reference Grammar und die Systemic Functional Grammar. Die klassische formale Theorie der Gegenrichtung ist die Generative Theorie.
Das Nomen Discourse bedeutet dagegen, dass für diese Theorie der Diskursakt (discourse act) die kleinste Einheit der linguistischen Analyse ist (HM: 4). HM begründen dies einerseits mit dem Hinweis auf transphrastische Sprachmittel wie das Satzverknüpfungsmittel der tail-head-linkage in Sprachen des Indischen Ozeans (HM 3), aber auch mit dem Blick auf diskursbedingte syntaktische Mittel wie sog. Holophrasen (HM 4), die anstelle eines Satzes stehen wie “Feuer!” oder “Herzlichen Glückwunsch!” im Deutschen. Wichtig ist, dass für diese Theorie – im Gegensatz zu vielen anderen Theorien, etwa auch der FG – nicht der Satz, sondern der Diskursakt als zentrale Analyseebene gilt.
Dabei versteht sich die FDG nicht einfach als eine funktionale Grammatiktheorie. Während funktionale Theorien nämlich sprachliche Zeichen auf ihre kommunikative Funktion hin untersuchen würden und insofern form-to-function-orientiert seien, sei dieser Prozess in der FDG komplizierter. Man müsse sie “a form-oriented function-to-form approach” (HM: 38f.) nennen: Form-orientiert, weil sie nur solches Material auf der interpersonalen und repräsentativen Ebene betrachte, das eine morphosyntaktische und phonologische Form bekomme. Function-to-form, weil dabei zuerst die kommunikative Funktion betrachtet und dann erst ihre einzelsprachlichen Formen untersucht würde. Daran wird deutlich, dass die FDG zwischen extrem formalen und extrem funktionalen Theorien steht.
Diesen Kompromisscharakter der FDG zwischen beiden Ansätzen erläutern die Autoren anhand eines Fahrrad-Vergleichs (HM: 27f.). Zunächst könnten am Thema ‚Fahrrad’ die verschiedenen Aspekte untersucht werden, z.B. was alles zu einem funktionstüchtigen Fahrrad gehören müsse (Lenkstange, Pedalen, Kette, zwei Räder, Rahmen, Sattel) und wie ein Fahrrad genau aussehe und strukturiert sei. Dabei könne auch untersucht werden, innerhalb welcher Grenzen noch tolerable Variation möglich sei (Größe des Fahrrads und relative Größe der Räder) und wo sie dagegen intolerabel werde (keine Kette, keine Pedalen). In dieser Weise würde im Linguistischen der formale Ansatz vorgehen. Solange aber nicht gefragt werde, welche Funktion Fahrräder im menschlichen Leben haben, fehle ein wichtiger Aspekt. Ferner sei zu fragen, welche Funktion(en) bestimmte Teile des Fahrrades oder bestimmte Arten von Fahrrädern hätten, um zu verstehen, warum beispielsweise ein Tourenrad, das zum Einkaufen diene, anders aussehe als ein Rennrad. Schließlich könne untersucht werden, warum die unmarkierte Form eines Rades ein Fahrrad sei, das als ideale Form zwischen Einrad und Dreirad liege, die beide schwieriger zu fahren sind. Solche Fragen wären im sprachwissenschaftlichen Bereich funktionaler Natur, wo die Funktion einer Äußerung innerhalb einer kommunikativen Situation wichtig wird und Semantik und Pragmatik vor der Syntax kommen.
- Anm.: Für den deutschen Titel scheint der Bestandteil ‚Diskursakt’ treffender zu sein als ‚Diskurs’ (also ‚Funktionale Diskursakttheorie’), weil es hier nicht allgemein um Text geht, sondern zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Analyseeinheit des Diskursaktes zentraler Bezugsrahmen ist. Bei dem Begriff ‚Diskurs’ ohne den Zusatz ‚Akt’ wäre diese Bedeutung nicht präzise zu erkennen und das Missverständnis ‚funktional ausgerichtete Textgrammatik’ möglich (s.u. Abschnitt 7)
Verhältnis zur Funktionalen Grammatik
Es liegt nahe, die FDG mit ihrer Vorgängerin, der FG, zu vergleichen und zu prüfen, ob der einzige Unterschied die Aufnahme der Diskurspragmatik ist oder ob sich mehr Unterschiede finden lassen (HM: xi-xii.20.37f.). Nicht zuletzt entscheidet sich daran auch die Frage, ob und inwieweit die FDG gegenüber der FG eine selbstständige Theorie ist.
Mit der FG teilt die FDG zunächst eine linguistische Grundeinsicht, wonach Sprache ein strukturiertes Gebilde sei, das als ein Mittel der Kommunikation zwischen menschlichen Individuen fungiere. Ferner zeichnet beide Theorien ein Bestreben um “maximale typologische Neutralität” aus (HM: xi i. Übers.).
Andererseits gibt es aber gewaltige Unterschiede zwischen beiden Theorien im Konzeptionellen. Dazu gehört auf Seiten der FDG die Unterscheidung einer interpersonalen und einer repräsentativen Ebene als eigenständigen linguistischen Bereichen und außerdem die Betonung der Selbstständigkeit von Morphosyntax und Phonologie in Form autonomer Beschreibungsbereiche. Schließlich sei auch die Richtung von oben nach unten spezifisch für die FDG.
Der Hauptunterschied liegt nach HM (S.37f.) in der Art und Weise, wie in beiden Theorien modellhaft der Ablauf sprachlicher Verständigung vorgestellt werde. Dazu sind auch die Graphiken erhellend, mit denen beide Theorien den Ablauf veranschaulichen (Dik 1978:23; HM:13). Demnach stehe am Anfang des Modells der FG die Wahl der sprachlichen Einheiten. Im weiteren Kommunikationsprozess würden diese semantisch zu Prädikaten (im logischen Sinne) weiter ausdifferenziert, denen Terme zugewiesen würden. Bei leichter Vereinfachung würden den semantisch ausdifferenzierten sprachlichen Zeichen syntaktische Funktionen und anschließend auch pragmatische Funktionen zugewiesen. Wegen dieser Reihenfolge mit der Pragmatik an letzter Stelle werde leicht der Vorwurf gegen die FG erhoben, dass die Pragmatik wie ein Appendix an bereits fertige Formen fungiere. Nach diesem Modell schienen also die Semantik und Syntax Priorität vor der Pragmatik zu haben, was den Prinzipien des Funktionalismus zuwiderlaufe. Dagegen stehe in der FDG die Pragmatik, in Form der interpersonalen Ebene, am Anfang sprachlicher Kommunikation und sei insofern viel besser integriert.
Unterschiede werden auch in der Einzeldarstellung deutlich, wenn man beispielsweise das Thema Wort- bzw. Konstituentenstellung in beiden Theorien (Dik 1978: 171-212; 1997: 391-442; Siewierska 1991: 200-27; HM: 311-16, 333-47, 377-83, 387-91, 405f., 409-12) betrachtet, was im Rahmen dieses Lexikonartikels detailliert nicht möglich ist.
Grundzüge der Theorie
=== Vier Komponenten ===
Im Mittelpunkt der Theorie der FDG steht ein Modell der Entstehung und Entwicklung sprachlicher Äußerungen (HM:3-25). Darin sind sprachliche und außersprachliche Aspekte berücksichtigt, auch wenn das vorrangige Interesse den ersten gilt. Das Modell, das auch in graphischer Form vorliegt (vgl. HM:13), unterscheidet zwischen Ebenen (etwa der repräsentativen Ebene), Komponenten (z.B. der grammatischen Komponente), Prozessen (z.B. der morphosyntaktischen Kodierung) und Bausätzen von Grundeinheiten (“primitives”).
Von den vier Komponenten (HM:6-12) sind drei außersprachlich. Die erste außersprachliche ist die konzeptuelle Komponente (“Conceptual Component”). Sie umfasst nicht nur die kommunikative Intention, sondern auch psychische Reaktionen auf bestimmte Ereignisse in der Außenwelt, jedoch nur diejenigen, die zu einer Intention führen. In der “Contextual Component”, der zweiten außersprachlichen Komponente, wird die sprachliche Äußerung im Kontext des Diskursaktes betrachtet, der als “multifaceted” gilt (HM: 9). Die dritte außersprachliche Größe ist die Output-Komponente. In ihr werden die Endprodukte der sprachlichen Äußerungen in einen Output konvertiert, womit gemeint ist, dass sie im Falle mündlicher Rede in phonetische Sequenzen umgesetzt werden, im Falle von schriftlicher Rede in orthographische Sequenzen. Zu den phonetischen Sequenzen können auch Körpergesten kommen, die allein für Zeichensprachen konstitutiv sind. In jedem Falle geschehe hier eine Umwandlung der digitalen in analoge Zeichen. Dies bedeutet, dass die sprachlichen Zeichen nicht immer kategorial eindeutig sind, sondern eher statistisch approximativ werden.
Vier Beschreibungsebenen
Die vier Ebenen (HM:14-18) sind allesamt linguistisch, sind hierarchisch strukturiert und außerdem einzelsprachlich, was bedeutet, dass auch die pragmatischen und semantischen Kategorien keine universale Gültigkeit haben. Alle vier Ebenen sind in den ausführlichen Kapiteln 2-5 der Einführung auf mehr als 150 Seiten pro Ebene dargestellt und bilden das Kernstück des Buches von Hengeveld und Mackenzie. Die erste, interpersonale Ebene (“interpersonal level”: HM: 15.46-127) hat ihren Namen daher, dass hier die kommunikative Situation des Diskursaktes einschließlich der am Diskurs beteiligten Personen, der kommunikativen Partizipanten, im Zentrum steht. Außerdem sind wichtig die Grundeinheit der Moves, die ein oder mehrere Diskursakte umfasst, die illokutive Absicht und der kommunikative Inhalt, der nach askriptiven und referenziellen Subakten weiter unterschieden wird. Auf der repräsentativen Ebene (“representative level”: HM: 15f.128-281) werden die linguistischen Einheiten mit Begriffen semantischer Kategorien bezeichnet wie z.B. propositionaler Inhalt, Art der (semantisch definierten) Sachverhalte (“states of affairs”), eine oder mehrere Eigenschaften. Diese ersten beiden Ebenen sind die Ebenen der Formulierung (“formulation”), auf denen die linguistische Einheit sprachliche Form gewinnt. Auf der morphosyntaktischen Ebene (“morphosyntactic level”: HM: 16f.282-420) wird die linguistische Einheit in syntaktischen Konstituenten analysiert, wobei die größte Einheit der linguistische Ausdruck (“linguistic expression”) ist und von ihm aus die Analyse über Teilsätze und Phrasen zu Wörtern hinunter verläuft. Der einzelsprachliche Charakter dieser Ebene wird u.a. daran deutlich, dass dieselbe Sache in unterschiedlichen Sprachen mit unterschiedlich viel Wörtern bezeichnet werden kann. Die phonologische Ebene (“phonological level”: HM: 17f.421-62) umfasst die segmentale und die suprasegmentale Repräsentation der linguistischen Einheit. Dass hier keine 1:1-Entsprechung zu den früheren Ebenen besteht, beweist die Existenz der sog. phonologischen Wörter, Sinneinheiten also, die nur nach phonologischen Kriterien definiert sind. Diese letzten beiden Ebenen sind die der Kodierung (“encoding”), auf denen die linguistische Einheit im sprachlichen Zeichensystem verschlüsselt wird.
Zwei Beispiele der Beschreibung
Im Ganzen betrachtet ist dieses linguistische Modell ein Versuch, den gesamten komplexen Vorgang sprachlicher Kommunikation analytisch zu erfassen. Typisch funktional ist dabei die Reihenfolge von der Pragmatik (interpersonale E.) über die Semantik (repräsentative E.) zur Syntax (morphosyntaktische E.), die in dieser Zuspitzung deutlich über das Modell der Vorläuferin der FG hinausgeht.
Abschließend soll dieses Modell mit zwei Beispielen veranschaulicht werden. Das erste Beispiel zeigt, wie eine kommunikative Intention sich zum linguistischen Zeichen über die einzelnen Ebenen hin realisiert (HM: 24); das zweite Beispiel (HM: 22f.) macht deutlich, wie ein und dieselbe sprachliche Äußerung auf den verschiedenen Analyseebenen formal dargestellt wird.
Das erste Beispiel geht von einem alltäglichen Erlebnis aus: Angenommen, ich fahre bei einem flüchtigen Bekannten im Auto mit und bemerke während der Fahrt, dass er viel zu schnell fährt. Aus dieser gefährlichen Situation erwächst Handlungsdruck. Auf der interpersonalen Ebene fällt die Entscheidung, dass nur ein Imperativ angemessen ist, was sich auch mit der Person, die mit mir sozial gleichrangig ist, vereinbart. Auf der repräsentativen Ebene müssen erstens eine oder mehrere kontrollierbare Handlungen ausgewählt werden (Rechts heranfahren und herauslassen!) und dabei muss die handelnde Person als erstes Argument stehen. Auf der morphosyntaktischen Ebene ist die Stellung zu beachten, wonach im Deutschen eine Imperativform am Anfang steht und die Ersparung eines Subjekts außer im Falle der Höflichkeitsform (fahre heran! : fahren Sie heran!) eintritt. Auf der phonologischen Ebene gelten in manchen Sprachen andere prosodische Muster für Imperativsätze.
Beim zweiten Beispiel sollen die beiden Wörtern these bananas auf den verschiedenen Ebenen dargestellt** werden:
a. IE (+id RI)
b. RE (prox m xi: [(fi:/bå'na:nå/N (fi)) (xi) Φ])
c. ME (Npi: [(Gwi: this-pl(Gwi)) (Nwi:/bå'na:nå/-pl (Nwi))] (Npi))
d PE (PPi: [(PWi:/ði:z/ (PWi)) (PWj: /bå'na:nåz/ (PWj))] PPi))
Diese formalisierte Schreibung lässt sich folgendermaßen erklären: Auf der interpersonalen Ebene (IE, a) ist der Konstituent als etwas charakterisiert, das eine referenzielle Funktion (R) hat. Außerdem nimmt der Sprecher von ihm an, dass er für den Hörer/Leser identifizierbar ist (id). Auf der repräsentativen Ebene (RE, b) wird der Konstituent als einer charakterisiert, der mehr als (m) ein Individuum mit der Eigenschaft (f) bezeichnet und in Ausdrücken der Lage des Referenten (prox). Die Eigenschaft (f) wird spezifiziert durch das nominale (N) Lexem bå'na:nå.** Auf der morphosyntaktischen Ebene (ME, c) wird der Konstituent als eine Nominalphrase (Np) charakterisiert, die aus einem grammatischem Wort (Gw) und einem nominalen Wort (Nw) besteht. Auf dieser Ebene wird ein Operator eingeführt, hier gekennzeichnet durch ‚this’, der als Platzhalter für die syntaktische Funktion fungiert. Der repräsentative Operator m ist hier in den morphosyntaktischen Operator Pl(ural) umgewandelt, der zweimal vorkommt, weil er an beiden Bestandteilen der Nominalphrase ausgedrückt werden muss. Auf der phonologischen Ebene (PE, d) werden die entsprechenden Pluralformen eingeführt, beim Nomen durch Hinzufügung des entsprechenden Pluralsuffixes, beim Determinator durch die Selektion einer Suppletivform. Diese Ebene besteht hier aus einer phonlogischen Phrase (PP), die aus zwei phonologischen Wörtern (PW) besteht. Das Beispiel zeigt die unterschiedlichen Ebenen und nicht zuletzt auch den notwendigen Formalismus in der Darstellung.
- Anm.: Wir wählen eine behelfsweise Transkription, was vor allem für den a-Laut des ersten und drittens Vokals von banana problematisch ist, weil unser Phonetik-Alphabet z.T. nicht vom Schriftbild von Wikipedia eingelesen werden kann.
Typologische Adäquatheit
Wie die Funktionale Grammatik so erhebt die FDG den Anspruch, die Beschreibung vieler typologisch unterschiedlich(st)er Sprachen zu ermöglichen. Nach S.C. Dik ist dies der Anspruch typologischer Adäquatheit (1997: 14f.). Zum Ausdruck kommt der typologische Anspruch zum einen in dem Epitheton im englischen Untertitel: “A typologically-based theory of language structure”, zum andern in den über 160 Sprachen, die im Belegmaterial des HM verarbeitet sind.
Als Typologie gilt dabei die Untersuchung der Prinzipien, die der Variation der weltweiten Sprachenvielfalt zugrunde liegen. Derselben Typologiebegriff der Untersuchung der Bedingungen der Beschränkung von theoretischer Vielfalt auf die praktisch vorkommenden sprachlichen Formen zeigt sich auch an anderen Stellen dieser Einführung (z.B. HM: 20). Mit einer solchen Untersuchungsrichtung wird es gleichzeitig möglich zu bestimmen, welche Kombinationen von Merkmalen in den natürlichen Sprachen empirisch nicht möglich und welche theoretisch denkbaren Sprachtypen daher praktisch nicht möglich sind. Universalien sind hier weniger als absolute Aussagen möglich (‚Alle Sprachen X haben Eigenschaft Y’), sondern in Form implikativer Korrelationen, bei denen zwei Aussagen über Merkmale in Beziehung gesetzt werden: A Ì B, wobei A rangmäßig höher ist, was bedeutet: ‚Alle Sprachen, die B haben, haben auch A, jedoch nicht umgekehrt’. Hengeveld und Mackenzie zeigen mit Beispielen, dass solche implikativen Universalien auf allen Ebenen der FDG zu finden sind.
Die theoretische Ausprägung der FDG, so bekennen die Autoren, verdanke der typologischen Forschung viel. Gleichzeitig verstehen sie ihre Theorie als einen Bezugsrahmen für weitere typologische Einzelforschung. Die FDG könne dabei als eine basic linguistic theory fungieren, wie sie R.M.W. Dixon (1997: 128-38) für die typologische Arbeit gefordert hat, auch wenn dieser bekannte Typologe darunter mehr eine modifizierte traditionelle Grammatik verstanden habe. Da die Theorie der FDG nicht nur deskriptiv-beschreibend ist, sondern auch über ein reiches analytisches Potenzial verfügt, ist sie eine ideale Kandidatin für diese Rolle einer basic linguistic theory. Gleichzeitig wird sicher gerade in Aufnahme typologischer Erkenntnisse auch die Theorie der FDG weiterentwickelt werden.
Anwendbarkeit
Hengeveld und Mackenzie äußern sich explizit zu diesem Punkt am Ende ihrer Zusammenfassung der Theorie in der Einleitung (S.41f.). Die FDG wird dabei als ein strukturierter linguistischer Rahmen verstanden, in dem linguistische Hypothesen formuliert und getestet werden können. Wer dieses Modell studiert, um dessen Theorie weiter zu verfeinern, der wird von den Autoren auf das noch nicht restlos geklärte Verhältnis der vier Ebenen zueinander verwiesen, das weiter geklärt werden müsse. Bei praktischeren Ambitionen eignet sich diese Theorie besonders für die sprachvergleichende Arbeit, sei es für typologische und kontaktlinguistische Untersuchungen, sei es für kontrastive Vergleiche. Dabei dürfe jedoch das Wort ‚Diskurs’ im Namen nicht dahingehend missverstanden werden, als handle es sich um eine funktional ausgerichtete Textgrammatik. Weniger eine solche Bereichsgrammatik ist die FDG als vielmehr eine Theorie über die innere Struktur des Diskurses als einer Ausdrucksseite und Bedingung des sprachlichen Zeichens (HM: 42).
Literatur
Primärquelle
Hengeveld, Kees & J. Lachlan Mackenzie (2008). Functional Discourse Grammar. Oxford (= HM)
Weitere Literatur
Dik, Simon C. (1978). Functional Grammar. Dordrecht.
Dik, Simon C. (1997). The Theory of Functional Grammar. Ed. by Kees Hengeveld. Part 1: The Structure of the Clause; Part 2: Complex and Derived Constructions (Functional Grammar Series 20+21).
Dixon, R.M.W (1997). The rise and fall of languages. Cambridge 1997.
García Velasco, Daniel & Jan N.M. Rijkhoff (Hgg.) (2008). The Noun Phrase in Functional Discovers Grammar (Trends in Linguistics 195). Berlin.
Groot, Caspar de & K. Hengeveld (Hgg.) (2005). Morphosyntactic Expression in Functional Discourse Grammar (Functional Grammar Series 27). Berlin & New York.
Hengeveld, Kees (1989). ‘Layers and operators in Functional Grammar’. Journal of Linguistics 25.1: 127-57.
- (2000a). ‘The architecture of a Functional Discourse Grammar’. MS eines Vortrags auf der Ninth International Conference on Functional Grammar.
- (2000b). ‘Functional Discourse Grammar’, in: Keith Brown (Hg.). Encyclopedia of language and linguistics. 2nd edition, vol. 4, Oxford, 669-76.
- (2004). ‘The architecture of a Functional Discourse Grammar’, in: J. Lachlan Mackenzie & María A. Gómez González (Hgg.). A New Architecture for Functional Discourse Grammar (Functional Grammar Series 24), Berlin: 1-21.
- Siewierska, Anna (1991). Functional Grammar (Linguistic theory guides). London.
Weblinks
Prof. Kees Hengeveld: http://home.hum.uva.nl/oz/hengeveldp/
Prof. Lachlan Mackenzie: http://www.lachlanmackenzie.com/de/professor.html
Functional Grammar: http://www.functionalgrammar.com/
Functional Grammar in Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Functional_Grammar