Advanced Protection System
Das Advanced Protection System (APS) ist ein in Entwicklung befindliches Zugsicherungssystem.
APS ist der Kern der 2017 gegründeten Reference CCS Architecture (RCA), einer Initiative von ERTMS Users Group und Eulynx, in der verschiedene europäische Infrastrukturbetreiber eine Architektur für eine moderne und standardisierte Leit- und Sicherungstechnik konzipieren.[1][2] Es übernimmt dabei bisherige Funktionen des Sicherungskerns in der Innenanlage des Stellwerks.[3][4] Es soll dabei die bisherigen Funktionen des Stellwerks und das Radio Block Centres von ETCS in sich vereinigen.[3] Es setzt neben ETCS auch auf standardisierte Eulynx-Schnittstellen zu Außenelementen auf (ähnlich Digitaler Stellwerke).[5]
Prinzip
Anstatt der bislang verwendeten Blocklogik mit ausschließlich gleisgebundener Gleisfreimeldung (über Achszählpunkte bzw. Gleisstromkreise) verwendet APS eine zugzentrische Sicherungslogik, die rein zugseitig (z. B. mit Position Reports mit Zugvollständigkeitsinformation) erfolgen und durch Elemente gleisgebundenen Gleisfreimeldung ergänzt werden kann.[6] Die direkte Nutzung ohnehin aus ETCS vorhandener Positions-, Längen- und Integritätsinformation statt indirekter, blockorientierten Belegungsinformation (aus der Gleisfreimeldeanlage) bedeutet einen Paradigmenwechsel gegenüber der Sicherungslogik bisheriger Stellwerke.
Anstatt des Fahren im festen Raumabstand mit Blöcken wird damit Fahren im wandernden Raumabstand (Moving Block) möglich. Anstatt einer festen Projektierung von Fahrstraßen sollen alle topologisch möglichen Fahrwege praktisch genutzt werden können.[6]
Jedwede Bewegungen auf dem Gleisnetz sollen nur im Rahmen von „Movement Permissions“, die an die Stelle heutiger Fahrstraßen treten, möglich sein. Sie sollen wesentlich flexibler und basierend auf der aktuellen Gefährdung des zu schützenden Zuges vorgenommen werden können. So soll beispielsweise der Durchrutschweg bei abnehmender Geschwindigkeit des Zuges dynamisch reduziert werden können. Für Fahrten bei denen kein anderer Zug eine Gefährdung für die aktuelle Fahrt darstellt, soll beispielsweise auf Flankenschutz verzichtet und die Einstellung der Fahrstraße eventuell beschleunigt werden.[3][4]
APS soll möglichst kompakt gehalten werden. Alle nicht sicherheitsrelevanten Optimierungsaufgaben sollen in einem übergeordneten Verkehrsmanagementsystem (TMS) erfolgen. APS soll vom TMS empfangene Kommandos sicherheitlich prüfen, bevor es sie an die Außenanlagen der Infrastruktur sowie Fahrterlaubnisse an Fahrzeuge weiterleitet.[5]
Geschichte
APS geht auf das von den Schweizerischen Bundesbahnen im Rahmen des Programms Smartrail 4.0 konzipierte ETCS-Stellwerk mit geometrischer Sicherungslogik zurück.[7][8] Seit etwa 2019 wird dies als Advanced Protection System bezeichnet.[3][9]
Die SBB hielten APS 2019 grundsätzlich für realisierbar.[3] Der Einsatz von APS in der Schweiz wurde geprüft, jedoch zunächst verworfen.[10] Das Programm SmartRail 4.0 wurde um 2020 eingestellt.
Seit Herbst 2022 arbeiten Bahnen und Industrie im Rahmen des Programms Europe's Rail der Europäischen Kommission gemeinsam an RCA, einschließlich APS.[2] Die Entwicklung erfolgt u. a. im Rahmen der Digitalen Schiene Deutschland (DSD). Im Rahmen der DSD soll bis Anfang der 2030er Jahre ein zugelassenes System die Sicherung einer ausgewählten Strecke übernehmen und darauf aufbauend bis zur Erreichung der Serienreife entwickelt werden.[1] APS soll, zusammen mit weiteren Elementen, im Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) auf der Remsbahn zwischen Waiblingen und Plüderhausen pilotiert werden.[11][12]
Nutzen
Durch Moving Block sollen dichtere Zugfolgen bei gleichzeitiger Minimierung der Technik im Gleis ermöglicht werden.[1]
Laut einer 2023 im Auftrag der DB durchgeführten Studie lässt ein Moving-Block-Betrieb mit APS eine Steigerung der vermarktbaren Trassen um etwa acht Prozent erwarten, mit einem noch wesentlich darüber hinausgehenden Nutzen für die Betriebsqualität. Ausgangspunkt ist dabei bereits eine Ausrüstung mit ETCS Level 2 ohne Signale, eine auf ca. 500 m verdichteten Blockteilung in Verbindung mit hochautomatisiertem Fahren, einem Verkehrsmanagementsystem und der Auflösung bisheriger Restriktionen der Blockteilung.[13]
Auf der APS-Pilotstrecke im DKS sollen auf der freien Strecke zwei Drittel der sonst notwendigen Achszählpunkte entfallen können. Dem zu Grunde liegt die erwartete Ausrüstung eines Großteils, aber nicht aller Züge mit Zugvollständigkeitsüberwachung.[14][15]
Durch den Entfall der Stellwerks- und ETCS-Projektierung in der bisherigen Form soll auch die Projektierung wesentlich vereinfacht und beschleunigt werden.[1]
Durch standardisierte Schnittstellen, harmonisierte Technik und einheitliche betriebliche Regeln unterstützt ADI die angestrebte europäische Interoperabilität.[1]
Weblinks
- Advanced Digital Infrastructure. Beschreibung von APS als Teil zukünftiger Leit- und Sicherungstechnik (ADI) auf der Webseite der Digitalen Schiene Deutschland
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Advanced Digital Infrastructure. In: digitale-schiene-deutschland.de. Abgerufen am 15. März 2025.
- ↑ a b Frank Skowron, Roman Treydel: Blöcke waren gestern – Chancen einer zugzentrischen LST. In: Der Eisenbahningenieur. Band 73, Nr. 11, November 2022, ISSN 0013-2810, S. 34–37 (PDF).
- ↑ a b c d e Marco Sommerfeld: Grundkonzept APS (Innenanlage). (PDF) In: voev.ch. 27. November 2019, abgerufen am 17. März 2025.
- ↑ a b Michael Leining, Bernhard Rytz: Reference CCS Architecture (RCA) Plattform – Status und Herausforderungen. In: Tagungsband Scientific Railway Signalling Symposium 2021. 2021, S. 23–36 (PDF).
- ↑ a b Bernhard Rytz: Rethinking the heart of railway operations. In: Railway Gazette International. Nr. 3, März 2019, ISSN 0373-5346, S. 29–31.
- ↑ a b Jens Leuteritz, Frank Schiffmann, Philipp Schneider: Advanced Digital Infrastructure – betriebliche Szenarien für einen robusten Bahnbetrieb der Zukunft. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Nr. 7, Juli 2024, ISSN 0013-2845, S. 14–18 (PDF).
- ↑ Martin Messerli: SmartRail 4.0: Das ETCS-Stellwerk. (PDF) Schweizische Bundesbahnen, 19. April 2017, archiviert vom am 23. April 2017; abgerufen am 15. März 2025.
- ↑ Steffen Schmidt, David Grabowski: Das „ETCS-Stellwerk“. In: Signal + Draht. Nr. 10, Oktober 2018, ISSN 0037-4997.
- ↑ Steffen Schmidt: APS – Advanced Protection System, die günstige Einführung von ETCS Level 2/3. In: Signal + Draht. Nr. 10, Oktober 2019, ISSN 0037-4997.
- ↑ Migration von ETCS Level 2 in der Sackgasse? In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 6, Juni 2017, ISSN 1022-7113, S. 282.
- ↑ Digitaler Knoten Stuttgart, Baustein 3: Marktinformation. (PDF) In: bahnprojekt-stuttgart-ulm.de. DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, 10. Oktober 2024, S. 9, 12, abgerufen am 14. Oktober 2024.
- ↑ Marktdialog Digitaler Knoten Stuttgart, Baustein 3. (PDF) In: lieferanten.deutschebahn.com. 12. November 2024, S. 13, 17, 76, abgerufen am 15. März 2025.
- ↑ Thorsten Büker, Simon Heller, Eike Hennig, Peter Reinhart, Frédéric Weymann: Zum verkehrlichen Nutzen der Digitalen Schiene Deutschland. In: Der Eisenbahningenieur. Band 75, Nr. 2, Februar 2024, ISSN 0013-2810, S. 47–52 (PDF – Vergleich der Szenarien IV und V, insbesondere in Abbildung 5).
- ↑ Yannis Eysel: Methode zur Optimierung einer Blockteilung von ETCS Hybrid Level 3 am Beispiel des Digitalen Knotens Stuttgart. Dresden 3. Februar 2023, S. 25 f. (PDF).
- ↑ Peter Reinhart: Vorgehen zur nationalen Umrüstung von Fahrzeugflotten (Teil 2). (PDF) DB Netz, 9. November 2023, S. 8, abgerufen am 15. März 2025.