Versatile Video Coding
Versatile Video Coding (VVC) oder auch ITU H.266 ist ein Video-Kompressionsverfahren, das von JVET (dem vereinigten Video Experten-Team von MPEG und ITU) entwickelt wurde. Es wurde zeitweise auch als Future Video Codec/FVC bezeichnet. Es ist der Nachfolger für das Verfahren High Efficiency Video Codec/HEVC (auch bekannt als ITU H.265). Der Standardisierungsprozess begann im Oktober 2017.[1] Am 6. Juli 2020 gab das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut die Finalisierung des Videokodierstandard bekannt. Bei UHD-Auflösung soll eine Datenreduktion von 50 % im Vergleich zu HEVC bei gleicher Bildqualität möglich sein.[2][3]
Ziele und Zeitplan
- Ziele
- mindestens 30 Prozent bessere Kompression als H.265/HEVC (angestrebtes Ziel: wie immer 50 Prozent)
- Auflösungen: von 4K bis 16K
- Unterstützung von 360°-Videos
- Ursprünglicher Zeitplan
- Oktober 2017: Call for Proposals
- Februar 2018: Auswertung der eingetroffenen Vorschläge
- Oktober 2018: erste Testmodule zur Evaluierung
- Oktober 2019: erster Draft des Standards
- Ende 2020: erster offizieller Standard
- Juni 2021: erste Hardware-Implementierungen
Qualität und Effizienz
In einem Blogbeitrag zu einer Untersuchung im Mai 2019 von BBC Research wird der getesteten Version des Codec eine Bitrateneinsparung von 35 % bei UHD bescheinigt im Vergleich zu HEVC.[4] Die Fraunhofer-Gesellschaft geht für die finalisierte Version von einer 50%-Einsparung im Vergleich zu HEVC aus.[5] In einem ersten Test von VVENC berechnete Streaming-Experte Jan Ozer bei 1080p die Einsparung (BD-Rate) gegenüber HEVC/X265 auf 39 % und gegenüber AV1(mit dem AOM-Encoder) auf 11 %[6].
Einsatzgebiete
Der Videoausrüster ATEME hat zusammen mit SES bereits erste Tests zur Nutzung des Verfahrens für die Satelliten-Übertragung von UHD-Video mit VVC über DVB-S2 durchgeführt.[7]
Implementierungen
Software
- Die Referenzsoftware VVC Test Model (VTM) des Fraunhofer HHI.[8]
- Der Fraunhofer Versatile Video Encoder (VVenC) und Decoder (VVdeC) werden als schnelle und effiziente VVC-Implementierung entwickelt.[9][10] Als Programmiersprache wird C++ verwendet, ebenso für die Referenzsoftware. Der Encoder soll bereits 70 mal schneller als die Referenzsoftware sein.[11] Im März 2021 erreichte der Decoder die Version 1.0.0[12], im Mai 2021 auch der Encoder.[13]
- Die Firma Sharp entwickelt einen Echtzeit-Decoder für VVC-Videos in 8K-Auflösung.[14]
- MxPlayer [15]
Lizenzierung und alternative Verfahren
Derzeit ist die Lizenzierungssituation noch weitgehend unbekannt. Da es sich um eine Weiterentwicklung der HEVC-Technik handelt, ist klar, dass VVC ein patentbehafteter Videocodierungsstandard ist und nicht kostenlos sein wird.[16] Der bisherige Patentpool HEVC Advance hat sich im August 2020 umbenannt in Access Advance und will zukünftig auch Lizenzen für VVC anbieten.[17]
Um die bei der Lizenzierung des HEVC-Codecs gemachten Fehler bei VVC zu vermeiden, gründete man eine neue Arbeitsgruppe namens Media Coding Industry Forum (MC-IF).[18][19] Im Juli 2020 appellierte dieses an potentielle Inhaber von VVC-relevanten Patenten, sich an der Bildung eines einheitlichen Patentpools für VVC zu beteiligen.[20] Da dies offensichtlich nicht möglich war, entschied man sich im Januar 2021 zwei Patentpooladministratoren auszuwählen: Access Advance und MPEG LA.[21]
Mit dem AOMedia Video 1 Verfahren erschien im Laufe des Jahres 2018 ein weiteres Videokompressionsverfahren, das ebenfalls gute Kompressionsraten erzielen kann, durch die Alliance for Open Media lizenzkostenfrei angeboten wird und bereits in vielen Webbrowsern und Medienabspielern integriert ist.
Die MPEG will in Zukunft ebenfalls einen Standard-Codec lizenzkostenfrei anbieten, außerdem will man die Patentansprüche genauer dokumentieren und einzelne Funktionen an- und abschaltbar machen, für die Patentrechte vorliegen, bzw. Lizenzgebühren erforderlich sind.[22] Hierzu wurde 2020 ein neuer Standard als MPEG-5 Teil 1 Essential Video Coding (EVC) festgelegt, der im Basis-Profil lizenzkostenfrei sein soll.[23][24][25] Die Idee einzelne Technologien an und abschaltbar zu machen wurde auch beim konkurrierenden Codec XVC umgesetzt. Einen weiteren Standard legte die MPEG ebenfalls 2020 als MPEG-5 Teil 2 mit Low Complexity Enhancement Video Coding (LCEVC) fest.[26][27]
Siehe auch
- AV1 / Aomedia Video 1
- H.265 / High Efficiency Video Codec / HEVC
- H.264 / MPEG-4 Advanced Video Coding / AVC
- H.262 / MPEG-2 Part 2 Video
- MPEG-5 Part 1 = EVC
- MPEG-5 Part 2 = LC EVC
Weblinks
- VVC Website am Fraunhofer Heinrich Hertz Institut
- Offizielle H266 Spezifikation bei ITU (englisch)
- Stand by for ITU H.266 compression
- Improvement of HEVC Intercoding mode using multiple transforms
- Transform competition for temporal prediction in Video Coding
- Adaptive transforms for inter-predicted residuals in post-HEVC Video Coding
- future video coding
- Ausführliche technische Beschreibung
- Ausführlicher Bericht bei Golem
Einzelnachweise
- ↑ N17195, Joint Call for Proposals on Video Compression with Capability beyond HEVC | MPEG. Abgerufen am 25. Dezember 2019.
- ↑ Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut HHI. Abgerufen am 6. Juli 2020.
- ↑ heise online: HEVC-Nachfolger VVC/H.266: Videokodierung finalisiert und bereit für GPUs. Abgerufen am 6. Juli 2020.
- ↑ Testing AV1 and VVC - BBC R&D. Abgerufen am 25. Dezember 2019.
- ↑ Schnellere Videoübertragung: Fraunhofer HHI stellt neuen weltweiten Videokodierstandard H.266/VVC vor. Fraunhofer HHI, 6. Juli 2020, abgerufen am 6. Juli 2020.
- ↑ How Does VVC Measure Up Right Now? 7. Dezember 2020, abgerufen am 12. Dezember 2020 (amerikanisches Englisch).
- ↑ ATEME Joins Forces with SES to Trial First-Ever Live Over-The-Air UHD Broadcast Using VVC – ATEME. Abgerufen am 14. Juli 2020 (britisches Englisch).
- ↑ Projects · jvet / VVCSoftware_VTM. Abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch).
- ↑ fraunhoferhhi/vvenc. Fraunhofer HHI, 14. Oktober 2020, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- ↑ fraunhoferhhi/vvdec. Fraunhofer HHI, 19. Oktober 2020, abgerufen am 19. Oktober 2020.
- ↑ What‘s new with Versatile Video Coding – Video Compression with Optimized Implementations - YouTube. Abgerufen am 23. Dezember 2020.
- ↑ Release vvdec-1.0.0 · fraunhoferhhi/vvdec. Abgerufen am 13. März 2021 (englisch).
- ↑ Release vvenc-1.0.0 · fraunhoferhhi/vvenc. Abgerufen am 25. Mai 2021 (englisch).
- ↑ SHARP CORPORATION: Sharp Develops 8K Real-time VVC Decoder, a World First. Abgerufen am 13. März 2021 (englisch).
- ↑ Business Insider: MX Player cuts down video streaming data consumption by half; upgrades its video encoding and compression technology to H.266. Abgerufen am 17. Juni 2021 (englisch).
- ↑ Christian Feldmann: VVC video codec - the next-next generation codec. 6. Dezember 2018, abgerufen am 17. Juni 2019 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Access Advance LLC: HEVC Advance veröffentlicht Entwurf für eine Übersicht zum VVCLizenzierungsprogramm – umfasst gemeinsame Lizenz für VVC und HEVC. In: Pressemitteilung. Access Advance LLC, 19. September 2020, abgerufen am 8. Januar 2021.
- ↑ Jan Ozer: A Video Codec Licensing Update. 13. Januar 2019, abgerufen am 16. Januar 2019.
- ↑ MC-IF. Abgerufen am 16. Januar 2019 (englisch).
- ↑ Home. Abgerufen am 8. September 2020 (englisch).
- ↑ VVC Patent Pools: And Then There Were Two. 28. Januar 2021, abgerufen am 29. Januar 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Kaputtes Lizenzmodell: MPEG-Gründer sieht Videocodecs in Gefahr - Golem.de. (golem.de [abgerufen am 12. November 2018]).
- ↑ Essential Video Coding | MPEG. Abgerufen am 21. Mai 2019.
- ↑ MPEG 125 - Marrakesh | MPEG. Abgerufen am 21. Mai 2019.
- ↑ 14:00-17:00: ISO/IEC 23094-1:2020. Abgerufen am 30. Januar 2021 (englisch).
- ↑ Inside MPEG's Ambitious Plan to Launch 3 Video Codecs in 2020. 15. Oktober 2019, abgerufen am 12. März 2020 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Low Complexity Enhancement Video Codec. Abgerufen am 30. Januar 2021 (britisches Englisch).