Driver Machine Interface
Das Driver Maschine Interface (Abk. DMI[1]) dient im Europäischen Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) als Schnittstelle zwischen Triebfahrzeugführer und Triebfahrzeug.[2] Über das DMI können Triebfahrzeugführer und ETCS-Fahrzeugausrüstung direkt miteinander kommunizieren.[3] Es visualisiert für ihn einige der die Zugfahrt wichtigsten Informationen – darunter solche zur Geschwindigkeit, zur Zugsicherung sowie zum Zustand des Triebfahrzeugs – und muss daher im unmittelbaren Sichtbereich des Triebfahrzeugführers angeordnet werden.[4]
Die DMI-Funktion ist Teil der ETCS-Fahrzeug-Referenzarchitektur.[5] Der Aufbau das DMI richtet sich nach der UIC-Norm 612-0x. Dieses kann entweder per Touchscreen oder per Tastatur bedient werden, die UIC-Norm 612-0x sieht für beide Varianten ein entsprechendes Layout vor. Vorgesehen ist jeweils ein 10,4-Zoll-TFT-Display mit einer Auflösung von 640x480 Pixeln.[6] Die dargestellten Information und die Interaktion zwischen Bediener und DMI sind Gegenstand des Dokuments ERA_ERTMS_015560, das verbindlicher Bestandteil der aktuellen ETCS-Spezifikation (Baseline 3) ist.[7]
Im deutschsprachigen Raum wird das DMI uneinheitlich u. a. als Führerstandsdisplay[8][9], Display[10][11], Bildschirmanzeige[12], Bildschirm[13], Anlage zur Bildschirmeingabe[14], ETCS-Display[15], ETCS-Führerstandsanzeige[15], Führerstandsanzeige[16] oder Schnittstelle Mensch-Maschine[17] bezeichnet.
Mensch-Maschine-Schnittstelle
Nach UIC-Norm 612-0x müssen die Führerräume von Triebfahrzeugen mit vier standardisierten und universell einsetzbaren DMIs ausgestattet sein.[18] Der Aufbau des ETCS-DMI ist pixelgenau definiert.[6] Die Ausschnittsfläche beträgt 310x214 mm für eine Bildschirmdiagonale von 10,4 Zoll, bei einer Auflösung von 640x480 Pixeln. Moderne DMIs können bis zu 12,4 Zoll und höhere Auflösungen bieten.[18]
Aus einer Vielzahl von Informationen sollen im DMI wesentliche Daten priorisiert und zusammengefasst dargestellt werden. Mit akustischen Signalen soll die Aufmerksamkeit von der Strecke auf das DMI gelenkt und sehr wichtige visuelle Informationen (z. B. bevorstehende Zwangsbremsungen) gelenkt werden. Die Fokussierung auf besonders wichtige Informationen wird auch durch Abdimmen oder Ausblenden weniger wichtiger Informationen unterstützt.[19] Das Design des DMI darf den Triebfahrzeugführer weder über- noch unterfordern, sondern sollte ihm mit dem richtigen Menge an Informationen versorgen.[19]

Der Aufbau des Displays gliedert sich in sechs Hauptfelder:[19] Von links oben nach rechts unten sind dies (Stand: 2004):
- Die Überwachten Entfernungsinformationen (engl. Supervised Distance Info) werden nur bei einer aktiven Bremskurve angezeigt. Dabei kann es sich um die Darstellung der Zielentfernung, die Zeit bis zu einer Intervention, die Vorhersage der Geschwindigkeit an einer bestimmten Stelle oder die Vorhersage des genauen Ortes, an dem der Zug zum Stillstand kommt, handeln.[19]
- Das Feld zur Geschwindigkeitssteuerung (engl. Speed Info) enthält Informationen zur Bremskurve und Geschwindigkeitsüberwachung. Diese Informationen müssen nur bei Bewegung des Fahrzeugs angezeigt werden, im Stillstand kann es für andere Funktionen verwendet werden, beispielsweise zur Dateneingabe.[19]

- Im Feld für zusätzliche Fahrinformationen (engl. Supplementary Driving Info) können beispielsweise den ETCS-Level, eine empfohlene Geschwindigkeit, Abweichungen vom Fahrplan oder Informationen zu nationalen Zugbeeinflussungssystem (STM) angezeigt werden.[19]
- Die Feld zur Planung künftiger Ereignisse (auch Vorschaubereich[17][20], engl. Planning) enthält eine Vorausschau der für die einzelne Zugfahrt relevanten Streckeninformationen. Dargestellt werden können darin beispielsweise das Geschwindigkeitsprofil des Zuges, Ankündigungen von Bahnübergängen oder Bahnhöfen oder Befehle dargestellt werden. Bei Bedarf ermöglicht eine zweite Ebene eine Detaillierung. Damit soll dem Triebfahrzeugführer eine bessere Trennung von sicherheitsrelevanten/unmittelbaren und nicht sicherheitsrelevanten/vorausschauenden Informationen ermöglicht werden. Bei Eintritt in die Bremskurvenüberwachung wird das Feld gedimmt, um die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Informationen zu lenken und damit die Sicherheit des Gesamtsystems erhöht.[19] Die Skala der Vorausschau lässt sich in 6 Stufen von 1.000 bis 32.000 m einstellen.[17]
- Die beiden Felder zur Überwachung technischer Systeme (engl. Monitoring) sind unterhalb der beiden vorgenannten Felder angeordnet. Sie können beispielsweise Informationen zur Türsteuerung, Klimaanlage, nationalen Zugbeeinflussungssystemen, Funk oder die Uhrzeit enthalten. Durch diese über die ETCS-Kernfunktionalität hinausgehenden Informationen soll eine Darstellung aller für den triebfahrzeugführer relevanten Informationen erreicht werden. Lediglich Daten für technische Diagnosen und Details sollten noch separate Anzeigen notwendig sein.[19]
- Das Feld für Triebfahrzeugführer-Eingaben (engl. Driver Input) ermöglicht die Eingabe verschiedener Zug- und Triebfahrzeugführer-Daten.[19]
In das DMI können beispielsweise auch Funktionen für Automatisierten Fahrbetrieb (ATO) und Fahrerassistenzsysteme (DMI) integriert werden.[21][22] Im ATO-Betrieb wird beispielsweise während eines Verkehrshaltes ein Countdown zur vorgesehenen Abfahrtszeit dargestellt.[23]
Geschwindigkeitsüberwachung unter Vollüberwachung
Mittels Odometrie ermittelt ETCS laufend die tatsächliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs und vergleicht diese mit dem Minimum der zulässigen Geschwindigkeit des Fahrzeugs sowie der Strecke, die per Eurobalise bzw. per Funk (via RBC, in den ETCS-Leveln 2 und 3) übermittelt wird. Dies ist die Grundlage für die Weg- und Geschwindigkeitsüberwachung des Fahrzeugs.
In der ETCS-Betriebsart Vollüberwachung (Full Supervision, FS) wird dabei zwischen verschiedenen Überwachungszuständen unterschieden:
Überwachung der Sollgeschwindigkeit (Ceiling Speed Monitoring, CSM)[17], wenn eine die Einhaltung einer konstanten Höchstgeschwindigkeit überwacht wird und kein Geschwindigkeitswechsel auf eine niedrigere Geschwindigkeit ansteht:
- Normaler Zustand wenn die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges an oder unterhalb der Überwachungsgrenze liegt und keine Geschwindigkeitsabsenkung erwartet wird. Der Tachokreis[24] (engl. Hook[24]) gibt dann in dunkelgrau die Sollgeschwindigkeit an.[17]
- Eine Geschwindigkeitsüberschreitung wird angezeigt, wenn die tatsächliche Geschwindigkeit etwa 2 bis 3 km/h über der Überwachungsgrenze liegt.[17] Auf der kreisförmigen Geschwindigkeitsanzeige wird der Bereich zwischen zulässiger Geschwindigkeit und der Eingriffsgeschwindigkeit (bei der ETCS ein Bremskommando ausgibt) in oranger Farbe, zusätzlich wird die Tachnonadel orange dargestellt und einmalig ein akustisches Signal ausgegeben.[17] Sie erlischt, sobald die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges wieder an oder unterhalb der Überwachungsgrenze liegt.[17]
- Der Warnstatus wird aktiviert, sobald die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges aktiviert, sobald die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges die Überwachungsgrenze überschreitet.[17] Er wird deaktiviert, wenn die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges wieder an oder unterhalb der zulässigen Überwachungsgeschwindigkeit liegt.[17] Die optistische Darstellung entspricht jener der Geschwindigkeitsüberschreitung, es ertönt dabei dauerhaft ein akustisches Warnsignal.[17]
- Ein Bremseingriff erfolgt, sobald die tatsächliche Geschwindigkeit des Zuges den Wert der Eingriffsgeschwindigkeit (First Line of Intervention) überschreitet.[17] In der kreisförmigen Geschwindigkeitsanzeige wird der Bereich zwischen zulässiger und tatsächlicher Geschwindigkeit rot dargestellt, die Tachnonadel wird rot und unterhalb der Levelanzeige erscheint ein Symbol für den Bremseingriff.[17] Die Anzeige des Bremseingriffs erlischt, sobald ETCS kein Bremskommando mehr ausgibt.[17]
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Tacho bei Fahrt auf/unterhalb der Sollgeschwindigkeit, ohne aktive Bremskurve
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Tacho bei geringfügiger Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit (164 statt zulässigen 160 km/h)
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Tacho bei erheblicher Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit (167 statt zulässigen 160 km/h)
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Tacho bei deutlicher Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit (174 statt zulässigen 160 km/h) mit laufendem Bremseingriff (Symbol unten links)
Die Zielgeschwindigkeitsüberwachung (Target Speed Monitoring, TSM) beginnt mit Ankündigung einer neuen, niedrigeren zulässigen Geschwindigkeit.[17] Dazu werden ETCS-Bremskurven verwendet.
- Die Ankündigungsüberwachung (Pre-Indication Monitoring, PIM) beginnt zehn Sekunden vor Erreichen der Sollbremskurve und endet an dem Punkt, an dem die Sollbremskurve erreicht wird.[17] Der Bereich der bevorstehenden Geschwindigkeitsabsenkung sowie die Tachonadel werden in weißer Farbe dargestellt.[17] Neben einer einmaligen akustischen Information wird die Zielentfernung als Entfernung, bis zu der die angekündigte niedrigere Geschwindigkeit einzuhalten ist links des Tachos als Balkendiagramm mit Meterwert dargestellt.[17] Die Ankündigungsüberwachung ist mit SRS 3.6.0 entfallen.
- Geschwindigkeitsüberschreitungen, Warnungen und Bremseingriffe erfolgen entsprechend der Überwachung der Sollgeschwindigkeit.[17]
-
Ankündigungsüberwachung von momentan noch zulässigen 160 km/h auf 60 km/h binnen 1320 m
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Bremsung innerhalb der Bremskurve (bei zulässigen 143 km/h beträgt die tatsächliche Geschwindigkeit 128 km/h.)
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Geringfügige Überschreitung der zulässigen Geschwindigkiet während einer Bremsung auf eine niedrigere Geschwindigkeit (Bei zulässigen 143 km/h beträgt die tatsächliche Geschwindigkeit 146 km/h.)
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Erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkiet während einer Bremsung auf eine niedrigere Geschwindigkeit (Bei zulässigen 128 km/h beträgt die tatsächliche Geschwindigkeit 135 km/h.)
Die Release-Speed-Überwachung (Release Speed Monitoring, RSM) dient dem Ausgleich von Ungenauigkeiten der Odometrie und ermöglicht, mit niedrigen Geschwindigkeiten bis zu einer ETCS-Halt-Tafel vorzuziehen bzw. ein "Fahrt" zeigendes Signal zu überfahren. Die Release Speed wird mit hellgrauer Farbe auf dem äußeren Rand der kreisförmigen Geschwindigkeitsanzeige dargestellt. Kurz vor einem ETCS-Halt kann die Release Speed dabei größer als die zulässige Geschwindigkeit sein.[17]
Weitere Betriebsarten
Beim Fahren auf Sicht (ETCS-Betriebsart ETCS-Vorsichtsauftrag[2], engl. On Sight/OS) sind die Anzeigen auf Minimum reduziert, um den Triebfahrzeugführer nicht unnötig von der Streckenbeobachtung abzulenken und eine klare Unterscheidung zum Fahren in Vollüberwachung zu schaffen.[17] Die zulässige Geschwindigkeit wird nur durch einen Haken am Rand der Tachoscheibe angezeigt, auf die kreisförmige Geschwindigkeitsanzeige wird verzichtet.[17] Mit einer Umschalttaste kann eine zusätzliche Anzeige der Zielentfernung und Release Speed (jeweils nur digital) aktiviert werden.[17]
In der Betriebsart ETCS-Befehlsfahrt (Staff Responsible, SR) wird nur die tatsächliche Geschwindigkeit angezeigt. Die zulässige Geschwindigkeit, die Zielentfernung und die Zielgeschwindigkeit werden nur auf Anfrage des Triebfahrzeugführers angezeigt.[2]
In der Betriebsart ETCS-Signalgeführt (Limited Supervision, LS) werden nur die tatsächliche Geschwindigkeit, die (als Nationaler Wert definierte) zulässige Geschwindigkeit sowie einige wenige Überwachungsgrößen angezeigt.[2] Auf die Bremsankündigung wird verzichtet, um – wie auch bei der Punktförmigen Zugbeeinflussung – die Unabhängigkeit der Übertragungskanäle der Signalinformation sicherzustellen. Erst unmittelbar vor dem Bremseingriff wegen Geschwindigkeitsüberschreitung (Warning) erfolgt eine visuelle und akustische Information.[25] Eine Besonderheit der Betriebsart ist die Anzeige der niedrigsten überwachten Geschwindigkeit der Fahrterlaubnis (Lowest Speed supervised within Movement Authority, LSSMA), die per Balisentelegramm ein-, aus- ode verzögert eingeschaltet werden kann. Sie wird ggf. links oben im DMI als Klartext angezeigt und ersetzt den in anderen Betriebsarten angezeigten Tachokreis (Hook).[24]
Hardware
Die Anzeige- und Bedienelemente von ETCS sind weitgehend softwarebasiert.[19] Im Gegensatz zu früheren Zugbeeinflussungssystemen erfordert ETCS dabei ein Display.[4]


DMIs können als Touchkey oder Softkey ausgeführt werden.[20]
Zur Kommunikation zwischen dem ETCS-Fahrzeugrechner (EVC) und dem DMI kommen RS485, Profibus, Ethernet oder MVB zum Einsatz (Stand: 2011). Oftmals liefert der EVC-Hersteller auch das DMI, vereinzelt kommen das DMI auch von einem anderen Lieferanten oder dem Fahrzeughersteller geliefert.[26]
Ein- und Ausgaben am DMI können aus den ETCS-Fahrtdatenschreibern (JRU) ausgelesen werden.[27]
Redundanz
Der Ausfall des ETCS-DMI führt zum Stillstand des Zuges.[6] Eine Abhilfe kann im Einbau zweier Displays mit gleicher Funktion liegen, beispielsweise durch Aufteilung des 10,4-Zoll-Displays in zwei hochkant nebeneinander angeorndete 8-Zoll-Displays. Fällt eines der beiden Displays in einer solchen Lösung aus, kann das verbliebene Display die notwendigen sicherheitsrelevanten Informationen (z. B. Geschwindigkeit) anzeigen während auf die Darstellung nicht sicherheitsrelevanter Inhalte verzichtet wird.[6] Die Umschaltung vom Zwei-Display-Betrieb auf eines der beiden Displays kann dabei beipsielsweise über einen Drehschalter erfolgen.[20]
Werden Führerräume nach UIC-Spezifikation 612-0x mit vier DMIs ausgerüstet, kann der Ausfall eines DMIs grundsätzlich durch andere Displays kompensiert werden.[18]
Höhere Redundanzanforderungen an das DMI können zu höheren Hardwarekosten führen.[28]
Anforderungen
An Hardware und Darstellung des DMI bestehen verschiedene Anforderungen.
Nach UIC 601 müssen DMIs u. a. einen erweiterten Temperaturbereich unterstützen sowie frontseitigen IP-65-Schutz und eine Schutzlackierung der Elektronikkomponenten bieten. Bei vollständig geschlossenen Gehäusen ist eine lüfterlose Ausführung erforderlich, wodurch die Abwärme gering gehalten werden muss.[18]
Beispielsweise können bestimmte Bereiche des Displays gezielt überwacht und dabei Ist- und Soll-Zustand miteinander verglichen werden.[6]
Im laufenden Betrieb muss nach Eingaben des Triebfahrzeugführers binnen zwei Sekunden ein neues Fenster dargestellt werden.[29]
Nach Aktivierung des Führerraums muss binnen drei Sekunden der Dialog zur Eingabe der Triebfahrzeugführer-Nummer ("Driver ID") angezeigt werden.[30] Zwischen Aktiviernug des Führeraums und Aktivierung des Rangiermodus (Mode SH) dürfen, ohne Berücksichtigung der Eingabe von Zugnummer und Anforderung des Rangiermodus, höchstens 15 Sekunden vergehen.[31]
Die Geschwindigkeitsinformation muss für Geschwindigkeiten unter 30 km/h auf +/- 2 km/h genau sein. Die Anforderung steigt bis 500 km/h linear auf +/- 12 km/h an.[32]
Teilweise fordern Auftraggeber verschlüsselte Verbindungen zwischen EVC und DMI zum Schutz vor Cyberangriffen. Für derartige Verschlüsselungskomponenten gibt es keine einheitlichen anforderungen.[28]
Geschichte
Im Zuge der Interoperabilität im Schienenverkehr (TSI) war nach einer Vorgabe der Europäischen Kommission an die Entwicklung eines europäisch einheitlichen DMI, eine Lösung zu finden, die problemlos von Betreibern genutzt und von der Industrie gefertigt werden kann. Neben ETCS sollte im DMI auch EIRENE (GSM-R) abgebildet werden.[19]
Die Entwicklung eines solchen, europaweit einheitlichen DMIs sollte nutzerzentriert erfolgen und begann 1991 mit einer Orientierung bei verschiedenen Bahnen. 1992 folgten Befragungen und Workshops mit europäischen Experten im Führen von Triebfahrzeugen. Das Design wurde in den Jahren 1992 und 1993 ausgearbeitet und parallel Test und Simulation entwickelt. 1993 folgten Simulatortests mit etwa 130 Triebfahrzeugführern aus verschiedenen europäischen Ländern. 1994 bis 1996 folgten Design und Spezifikation sowie weitere Untersuchungen zur Dateneingabe (Softkey, Touchscreen, Dialogstruktur). Insgesamt hatten 240 Triebfahrzeugführer Gelegenheit, ihre Ansichten und Kommentare zum DMI einzubringen.[19] Die erste[26] Beschreibung eines einheitlichen Bedien- und Anzeigegeräts, die in die erste Systemanforderungsspezifikation (SRS A200) einging, gilt als ein wesentlicher durch ETCS erreichter Fortschritt.[33]
1998 wurde eine mit europäischen Spezialisten europäischer Bahnen und Industrie besetzte CELENEC-Arbeitsgruppe beauftragt, diesen Entwurf in eine Interfacespezifikation umzusetzen.[19] Auf Grundlage von Softwareanforderungsspezifikation (SRS) und funktionaler Anforderungsspezifikation (FRS) entwickelte ab 1998 die so genannte Arbeitsgruppe 9D eine DMI-Beschreibung für ERTMS, ETCS und EIRENE. Durch eine einheitliche Philosophie und Darstellung im ETCS-DMI sollte auch das Risiko für menschliche Fehler vermindert werden. Während die Eingabe und Darstellung von ETCS-Informationen definiert wurde, blieben Hardware oder technische Lösungen (z. B. Touchscreen oder Softkey) offen, um Betreibern Flexibilität zu geben.[19] Verschiedene Entwürfe wurden vorgestellt und revidiert.[19]
Im Rahmen des DMI-Designs war beispielsweise über das richtige Maß der zu vermittelnden Informationen und deren Abstrationsgrad (z. B. „0 km/h“ oder „rot“) zu entscheiden. Es war sicherzustellen, dass das Interface für Anfänger und Experten gleichermaßen geeignet und für veränderte Rahmenbedingungen (z. B. verstärkte Verlängerung von streckenseitigen Informationen in den Führerraum) geeignet ist. Ferner war das System im Hinblick auf die menschliche Wahrnehmung zu gestalten, beispielsweise eine angemessene akustische Begleitung bei Veränderungen in der visuellen Darstellung.[19]
Die EVC-DMI-Schnittstelle war nicht auf FFFIS-Ebene definiert. Der EVC-Hersteller definierte die DMI-Anforderungen, einschließlich der SIL-Anforderungen selbst.[26] Da die Kommunikation zwischen DMI und ETCS-Bordcomputer (EVC) nicht standardisiert war, bildeten sich im Laufe Zeit zwei Varianten heraus:
- Das DMI diente als Terminal für das EVC, d. h. die Anzeige wird vom EVC gesteuert.
- Das DMI diente als Standalone-Einheit und trifft auf der Grundlage vom EVC empfangener Informationen eigene Entscheidungen.[26]
Die CELENEC gab bis 2005 DMI-Spezifikationen heraus. Obgleich diese Versionen nicht bindend waren, hielten sich die meisten ETCS-Lieferanten daran. Das Design der Oberfläche berücksichtigte dabei die verschiedenen Anforderungen von Eisenbahninfrastruktur- und -verkehrsunternehmen.[26]
In Baseline 2 war die Anzeige nicht Gegenstand der ETCS-Spezifikation (SRS, FFFS), eine CELENEC-konforme Anzeige jedoch einer der Grundgedanken.[16] Es gab gleichwohl erhebliche Unterschiede zwischen den Bedienoberflächen verschiedener Hersteller.[34] Die DMIs erfüllten dabei Sicherheitsanforderungen zwischen den Sicherheitsanforderungsstufen SIL 0 und SIL 2.[26]
2007 übernahm die ERA die weitere Bearbeitung der DMI-Spezifikation. Eine erste, mit ETCS-Subset 026 konsistente Version erschien im Dezember 2008. Die Spezifikation beschreibt zwei Varianten – Touchscreen und Softkeys –, die auf funktionaler Ebene identisch sind.[26] Mit Einführung der Baseline 3 trat erstmals eine verbindliche Spezifikation des ETCS-DMI in Kraft. Damit sollte die Darstellung aller ETCS-bezogenen Informationen europaweit einheitlich gestaltet werden.[17]
DMIs nach Baseline 3 müssen nunmehr SIL-2-sicher sein. Laut eines Presseberichts habe die ERA auf Druck aus Deutschland diese höheren Anforderungen festgesetzt. Damit müssen bei einem Upgrade von Baseline 2 auf Baseline 3 Displays vorzeitig ausgetauscht werden, was zu erheblichen Kosten führt. Des Schweizer Bundesamt für Verkehr sieht keinen erkennbaren Nutzen. Für den Fahrzeuge, die nur in der Schweiz verkehren, die neuen Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen müssten.[35]

Im Rahmen der 2012 begonnenen ETCS-Ausrüstung von über 240 Fahrzeugen im Rahmen der „zweiten Welle“ in der Schweiz wurden, ergänzend zu den Anforderungen von ETCS, zusätzliche noch Elemente der nationalen Zugbeeinflussung, der zentralen und einmaligen Eingabe von Betriebs- und Zugdaten sowie die Ermittlung diesbezüglicher Vorschlagswerte sowie die Anzeige maschinentechnischer Leuchtmelder umgesetzt. Damit sollte insbesondere die Betriebs- und Zugdateneingabe vor Beginn der Zugfahrt vereinfacht und beschleunigt werden.[36]
Sonstiges
Für den zur Expo 2000 entwickelten Funkfahrbetrieb wurde ein ETCS-DMI verwendet.[37]
In den Niederlanden werden Fahrempfehlungen auf Tablets der Triebfahrzeugführer in ETCS-DMI-ähnlicher Form dargestellt.[38]
Bei der Integration von ETCS in Bestandsfahrzeuge (Retrofit) muss mitunter das Führerpult umgestaltet werden, um Platz für das ETCS-DMI zu schaffen.[28]
Wird ein nationales Zugbeeinflussungssystem in ETCS als STM integriert, wird dieses in der Regel auch in das DMI mit integriert. Alternativ können nationale Zugbeeinflussungssysteme separat integriert werden.[39] Dabei verbleiben deren Bedieneinrichtungen im Fahrzeug und werden nicht in das ETCS-DMI integriert.[40] Ein Vorteil eines einheitlichen DMIs für ETCS und alle weiteren Class-B-Systeme liegt in der Vermeidung von Triebfahrzeugführer-Ausbildungskosten für die sonst notwendigen unterschiedlichen DMIs.[41] Beim Start des Fahrzeugs ist ETCS als Zugbeeinflussungssystem aktiv, die Auswahl eines nationalen Systems erfordert eine separate Bedienhandlung durch den Triebfahrzeugführer.[16]
Für Tests der ETCS-Fahrzeugausrüstung schreibt die Testspezifikation (Subset 094) ein Touch- bzw. Soft-Key-Display als Schnittstelle vor. Eine direkte Stimulation der Schnittstelle zwischen DMI und EVC ist nicht zulässig. Die am DMI vorzunehmenden Eingaben können beispielsweise über einen Roboter automatisiert vorgenommen werden.[34]
Literatur
- CELENEC (Hrsg.): TS 50459-1:2005. Teil 1: Ergonomische Prinzipien für die Darstellung von ERTMS/ETCS/GSM-R Informationen (= Bahnwendungen - Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme - Europäisches Leitsystem für den Schienenverkehr - Mensch-Maschine Schnittstelle -. Band 1). 2005 (Europäische Norm).
Weblinks
- ETCS-Spezifikation, insbesondere DMI-Spezifikation in aktueller Version 3.6.0 sowie Vorversion 3.4.0 und Version 2.3.0 auf dem Internetauftritt der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA)
- Driving under ETCS L1 control. Splitscreen-Video einer Fahrt unter ETCS Level 1 mit eingeblendetem DMI.
Einzelnachweise
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 023, Version 3.3.0, Abschnitt 5
- ↑ a b c d Rainer Eschlbeck: Das European-Train-Control-System. In: Deine Bahn. Nr. 6, Juni 2010, ISSN 0948-7263, S. 20–24.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 023, Version 3.3.0, Abschnitt 4
- ↑ a b Werner Geier: Der Führerraum von modernen elektrischen Lokomotiven. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 12, Dezember 2002, ISSN 1022-7113, S. 550–554.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 091, Version 3.3.0, Abschnitt 4.3.
- ↑ a b c d e Dana Schiffer: Redundant und sicher – Anforderungen an ein modernes DMI im ETCS. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Band 2016, Nr. 9, September 2016, ISSN 0013-2845, S. 70–72.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Dokument ERA_ERTMS_015560, Version 3.6.0
- ↑ Michael Fußy: VDE 8: ETCS Level 2 ohne Signale – Erstemalige Anwendung in Deutschland. In: ZEVrail. Band 138, Nr. 9, September 2014, ISSN 1618-8330, S. 374–380.
- ↑ Marc Joseph, Michael Tobler: Freie Fahrt in der Schweiz für ETCS Level 2 mit Siemens Trainguard 200 und „Schweiz Paket“. In: Eisenbahn-Revue International. 2015, ISSN 1421-2811, S. 492–494.
- ↑ Christoph Gralla: Kosteneinspareffekte bei der ETCS-Implementierung auf der Fahrzeug- wie auch auf der Infrastrukturseite. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Nr. 7, Juli 2013, ISSN 0013-2845, S. 30–36.
- ↑ Erstmals kommerzielle Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h in der Schweiz. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 10, Oktober 2007, ISSN 1022-7113, S. 508.
- ↑ Gotthard-Verspätungen: Erkenntnisse und Massnahmen der SBB. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 6, Juni 2016, ISSN 1421-2811, S. 274–277.
- ↑ Peter Gerber: Mit ETCS wird auch der Signalwald erweitert. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 2, Februar 2015, ISSN 1022-7113, S. 94–96.
- ↑ Stefan Rameder: ETCS bei den ÖBB: Aufbruch in eine neue Ära der Zugsicherung. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 5, Mai 2010, ISSN 1421-2811, S. 222–225.
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- ↑ Markus Pelz, Thomas Griem: Energieeffiziente Automatisierungslösungen für den Bahnverkehr. In: ZEVrail. Band 139, Nr. 8, August 2015, ISSN 1618-8330, S. 284–290.
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- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 041, Version 3.2.0, Abschnitt 5.2.1.0.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 041, Version 3.2.0, Abschnitt 5.2.1.11.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 041, Version 3.2.0, Abschnitt 5.2.1.12.
- ↑ ETCS-Spezifikation, Subset 041, Version 3.2.0, Abschnitt 5.3.1.2.
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- ↑ a b Lennart Asbach, Hardi Hungar, Karsten Lemmer, Michael Meyer zu Hörste: Formalisierung von Tests für hochautomatisierte Testausführung. In: Signal + Draht. Band 106, Nr. 9, 2014, ISSN 0037-4997, S. 26–34.
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- ↑ Andreas Indermühle, Peter Knechtsberger: ETCS-Ausrüstung von über 240 Fahrzeugen im Zug der Schweizer ETCS-Strategieumsetzung. In: Signal + Draht. Band 106, Nr. 5, 2014, ISSN 0037-4997, S. 13–17.
- ↑ Florian Kollmannsberger: Telematik als wichtiger Baustein im Gesamtsystem Bahn. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Band 49, Nr. 11, November 2000, ISSN 0013-2845, S. 734–739.
- ↑ Murray Hughes: Every second counts s. In: Railway Gazette International. Band 175, Nr. 1, 2019, ISSN 0373-5346, S. 36–40.
- ↑ Klaus Mindel, Oliver Scheck: Wirtschaftliche Ausrüstung von Triebfahrzeugen mit ETCS. In: ZEVrail (= Tagungsband SFT Graz). Band 135, 2011, ISBN 978-3-85125-175-3, S. 32–39.
- ↑ Gerwin Smulders, Lieuwe Zigterman: Certification of ERTMS for European locomotives: theory and practice. In: Signal + Draht. Band 104, Nr. 3, März 2012, ISSN 0037-4997, S. 32–36.
- ↑ Aki Härkönen, Jörgen Öhrström: STM: The nordic experiences in a joint development project. In: Signal + Draht. Band 99, Nr. 12, 2007, ISSN 0037-4997, S. 34–37.