Neigetechnik
Unter Neigetechnik (kurz auch Neitech genannt) versteht man eine Technik im Bereich des Eisenbahnwesens, bei der die Wagenkästen gegenenüber der Senkrechten zum Gleis geneigt werden. Hierdurch können Kurven schneller durchfahren werden.
Die Technik
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen passiver und aktiver Neigetechnik:
- Bei der passiven Neigetechnik sind die Wagenkästen oberhalb ihres Schwerpunktes an erhöhten Fortsätzen des Fahrwerksträgers aufgehängt. Dadurch schwingen sie aufgrund der Fliehkraft im unteren Bereich nach außen, im oberen nach innen. Die Schwingungen werden durch Dämpfungselemente beruhigt. Der Neigewinkel ist auf 3,5° beschränkt.
- Bei der aktiven Neigetechnik sorgen sensorgesteuerte Stellmotoren (Hydraulikzylinder) dafür, dass die Wagenkästen programmiert in Abhängigkeit von der Fliehkraft auslenken. Dadurch ist es möglich, den Neigewinkel gegenüber dem Neigewinkel, der sich aus der Fliehkraft ergibt, zu verändern.
Beispiele
- Fernverkehr:
- Nahverkehr
- Dieseltriebwagen VT 610, VT 611 und VT 612 DB
Auswirkungen
Die Neigetechnik ermöglicht es Zügen, sich wie ein Motorradfahrer mit bis zu 8° Neigung in die Kurve zu legen. Dadurch wirkt der Zug den Fliehkräften entgegen und kann mit bis zu 30% höherer Geschwindigkeit durch Kurven fahren. Ziel ist es, den Komfort für die Fahrgäste zu erhöhen. Die Fahrwerksphysik bleibt jedoch gleich, an sicherheitsbedingten Geschwindigkeitsbeschränkungen ändert die Technik nichts. Durch die Neigetechnik werden auf kurvenreichen Strecken die Reisezeiten erheblich verkürzt. Beispielsweise führt der Einsatz von Neitech-Zügen der Baureihe VT 612 auf der Strecke Chemnitz Hbf - Leipzig Hbf zu einer Reduzierung der Reisezeit von 85 Minuten auf 50 Minuten.
Nebenwirkungen
Ein europäisches Forschungsteam im Fachmagazin 'Current Biology' (Ausg. 11) weist darauf hin, dass während einer Studie bis zu 30% der Passagiere Anzeichen von Seekrankheit aufwiesen. Dies erklärt man sich durch die Bewegung des Horizonts (aus der Sicht des Passagiers) während der Kurvenfahrt.
Geschichte
Ursprünglich eine deutsche Entwicklung, wurde die Neigetechnik zunächst in Italien kultiviert, während die Deutsche Bahn kein Interesse zeigte. In Italien waren die Pendolino-Züge dagegen rasch erfolgreich, so dass auch in Deutschland das Interesse an dieser Technik erwachte. Der erste deutsche Neitech-Zug VT 610 verkehrte 1992 zwischen Nürnberg und Hof.