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„Reformation in Bad Grönenbach“ – Versionsunterschied

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== Katechismusstreit bis zur Säkularisation (1775–1803) ==
== Katechismusstreit bis zur Säkularisation (1775–1803) ==
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Ursprünglich wurde von den Reformierten in Grönenbach ein in [[Zürich]] gedruckter Schweizer [[Katechismus]] verwendet. Im Laufe der Zeit wurde jedoch der [[Heidelberger Katechismus]] in der [[Schaffhausen]]er Auflage von 1763 eingeführt. Der Streit entzündete sich an ''Frage 80: Was ist das [[Messopfer]]?'' Hierin wird davon berichtet, dass es sich dabei u.a. um eine ''vermaledeite Abgötterei'' handele.<ref>R. Frieling: ''Katholisch und evangelisch – Informationen über den Glauben'', 2007, S.&nbsp;30.</ref> Um die Verwendung dieses Katechismuses zu klären, setzte der Fürstabt von Kempten [[Honorius Roth von Schreckenstein]] eine Kommission, bestehend aus dem Propst Ulrich von Hornstein zu Grönenbach, der Hofräte Treuchtlinger und Feigele, sowie Hofkammerrat Scholl, ein. Diese Kommission kam 1775 zu dem Schluss, dass es nicht geduldet werden kann, wenn ein solcher Katechismus im Gebiet des Fürststifts Kempten verwendet wird. Der Katechismus in dieser Auflage wurde 1775 verboten. Alle Katechismen mussten nach Kempten abgeliefert werden. Insgesamt wurden auf dem Gebiet Grönenbachs 342 Bücher eingezogen.<ref group="s">Genaue Aufstellung der eingezogenen Katechismen pro Ort , S.&nbsp;105.</ref>
Ursprünglich wurde von den Reformierten in Grönenbach ein in [[Zürich]] gedruckter Schweizer [[Katechismus]] verwendet. Im Laufe der Zeit wurde jedoch der [[Heidelberger Katechismus]] in der [[Schaffhausen]]er Auflage von 1763 eingeführt. Der Streit entzündete sich an ''Frage 80: Was ist das [[Messopfer]]?'' Als Antwort auf diese Frage wird davon berichtet, dass es sich dabei u.a. um eine ''vermaledeite Abgötterei'' handele.<ref>R. Frieling: ''Katholisch und evangelisch – Informationen über den Glauben'', 2007, S.&nbsp;30.</ref> Um die Verwendung dieses Katechismuses zu klären, setzte der Fürstabt von Kempten [[Honorius Roth von Schreckenstein]] eine Kommission, bestehend aus dem Propst Ulrich von Hornstein zu Grönenbach, der Hofräte Treuchtlinger und Feigele, sowie Hofkammerrat Scholl ein. Diese Kommission kam 1775 zu dem Schluss, dass es nicht geduldet werden kann, wenn ein solcher Katechismus im Gebiet des Fürststifts Kempten verwendet wird. Der Katechismus in dieser Auflage wurde 1775 verboten. Alle Katechismen mussten nach Kempten abgeliefert werden. Insgesamt wurden auf dem Gebiet Grönenbachs 342 Bücher eingezogen.<ref group="s">Genaue Aufstellung der eingezogenen Katechismen pro Ort , S.&nbsp;105.</ref>


Im Zuge der [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] 1803 wurden alle Besitzungen durch das [[Kurfürstentum Bayern]] eingezogen und das Hochstift Augsburg, sowie das Fürststift Kempten aufgehoben. Mit der einhergehenden Proklamation der Religions- und Gewissensfreiheit wurden die letzten Streitigkeiten zwischen den Katholiken und Reformierten in Grönenbach beigelegt. Im Jahr 1808 erwarben die Reformierten in Grönenbach die ihnen bis dahin nur überlassene Spitalkirche käuflich.
Im Zuge der [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] 1803 wurden alle Besitzungen durch das [[Kurfürstentum Bayern]] eingezogen und das Hochstift Augsburg, sowie das Fürststift Kempten aufgehoben. Mit der einhergehenden Proklamation der Religions- und Gewissensfreiheit wurden die letzten Streitigkeiten zwischen den Katholiken und Reformierten in Grönenbach beigelegt. Im Jahr 1808 erwarben die Reformierten in Grönenbach die ihnen bis dahin nur überlassene Spitalkirche käuflich.

Version vom 15. August 2011, 11:47 Uhr

Die Spitalkirche in Bad Grönenbach

Die Reformation in Bad Grönenbach fand ab 1559 durch Philipp von Pappenheim statt, der den Calvinismus während eines Aufenthaltes in der Schweiz kennenlernte und bereits dort zu dieser Konfession übertrat. Die von ihm durchgeführte Reformation im bayerischen Bad Grönenbach führte fast zwei Jahrhunderte lang zu Streitigkeiten und teils handfesten Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der beiden Konfessionen. Es kam sogar dazu, dass sich Reformierte im 18. Jahrhundert zur Auswanderung gezwungen sahen. Die noch bestehende evangelisch-reformierte Kirchengemeinde in Bad Grönenbach ist die älteste in Deutschland.[1][2]

Ausgangssituation

Wolfgang von Pappenheim († 1558)

In der Umgebung von Grönenbach bahnte sich bereits Anfang des 16. Jahrhunderts in der Reichsstadt Memmingen die Reformation nach der Lehre Ulrich Zwinglis an. Im weiteren Verlauf der Memminger Reformation wurde die Confessio Augustana angenommen, womit man sich zum Lutherischen Glauben bekannte. Die im Süden gelegene Reichsstadt Kempten trat ebenfalls im 16. Jahrhundert zum reformierten Bekenntnis nach Martin Luther über. In Grönenbach herrschten zu diesem Zeitpunkt die Herren von Pappenheim. Mit dem Tode Wolfgang von Pappenheims im Jahr 1558 beschlossen seine Söhne Philipp, Wolfgang und Christoph, eine Wallfahrt nach Jerusalem zu unternehmen.[s 1] Philipp änderte jedoch bereits in Venedig seine Meinung und beschloss, den Weg zurück über die Schweiz nach Zürich anzutreten. In Zürich lernte Philipp von Pappenheim den reformierten Prädikanten Bächli kennen und nahm das calvinistische Bekenntnis an.[s 2]

Einführung der Reformation (1559–1619)

Philipp von Pappenheim kam in Begleitung des Prädikanten Bächli von Zürich zurück nach Grönenbach. Dort führte er die reformierte Konfession nach dem Grundsatz „cuius regio, eius religio[3] für seine Untertanen in den Ortschaften Grönenbach, Rothenstein, Theinselberg, Herbishofen, Ittelsburg und Herbisried ein. Allerdings war Philipp von Pappenheim nur Herr von bestimmten Gütern in diesen Orten. Durch diese Spaltung wurde dem Kollegiatstift in Grönenbach nun die Bezahlung des Zehnten durch die konvertierten Untertanen verweigert. Philipp setzte gegenüber seinem katholischen Vetter Alexander II. von Pappenheim durch, dass der calvinistische Prädikant aus den Stiftseinnahmen jährlich mit zweihundert Gulden zu bezahlen sei. Am 30. Mai 1577 schlossen Philipp und Alexander einen Vertrag zur Regelung der Ausgaben des Stifts. Von ursprünglich sechs waren nur noch drei katholische Priester mit jährlich 120 Gulden, der reformierte Prädikant mit 200 Gulden und der calvinistische Schulmeister mit 16 Gulden und zwei Malter Roggen zu bezahlen.[4] Seit dem Jahre 1559 wurde die Stiftskirche St. Philipp und Jakob als Simultankirche sowohl von den Katholiken als auch den Calvinisten benutzt.

Das Vorgehen Philipps bei der Einführung der calvinistischen Konfession führte dazu, dass selbst Kaiser Rudolf II. hierzu in einem Schreiben vom 2. März 1577 Stellung bezog. Philipp von Pappenheim wurde aufgefordert, von einer weiteren Teilung des Kollegiatstifts abzusehen und sich mit seinem Vetter Alexander zu einigen.[5] Dies geschah im Vertrag von 1577. Im Jahr 1601 erwirkte Alexander wiederum ein Schreiben von Kaiser Rudolf II. an Philipp, die Aufrechterhaltung des Katholizismus und des Kollegiatstiftes in Grönenbach sicherzustellen. Kaiser Rudolf II. verordnete hierin den „Ehrwürdigen Hainrich, bischoffen zu Augsburg, und Johann Adamen Abten des Sftiffts Kempten, und deren Amtsnachfolger des Stiffts und Collegii Grönenbach als respective in spiritualibus Ordinarium als auch der weltlichen Obrigkeit halber zu Conservatoren, Handhaber und Beschützer, daß sie die Kollegiatskirche und Stifft und Dechenei zu Grönenbach […] erhalten“.[s 3]

Gegen Ende seines Lebens und nach dem Tode Philipps von Pappenheim († 1619) wurde die Einführung der Reformation von seinen Erben nicht mehr mit dem gleichen Eifer fortgeführt. Dies zeigt sich auch daran, dass bereits ab 1615 unter Pfarrer Andreas Epplin einige Untertanen vom reformierten calvinistischen Bekenntnis zur katholischen Kirche zurückgekehrt waren.[s 4][s 5]

Fortgang der Reformation (1619–1626)

Testament Philipps von Pappenheim, 1613. Original in Donaueschingen

Bereits sechs Jahre vor seinem Tod verfasste Philipp von Pappenheim 1613 sein Testament, in dem er den Fortbestand des reformierten Glaubens in Grönenbach sicherstellte.[s 6] Unter Androhung des Erbverlustes seiner Nachfolger forderte er die Erhaltung und Weiterführung der reformierten Lehre ein. Auch spätere, wieder zum katholischen Glauben übergetretene, Nachfahren u.a. Graf Wolf Philipp von Pappenheim wagten nicht, die Untertanen wieder zum Übertritt zum katholischen Glauben zu zwingen. Als Testamentsvollstrecker ernannte Philipp von Pappenheim die freien Reichsstädte Lindau und Memmingen. Die Bürgermeister beider Städte bestätigten die Vollstreckung durch ihre angehängten Siegel auf dem Testament.

Bezugnehmend auf die Weisung Kaiser Rudolf II. von 1601 unternahmen 1621 der Bischof von Augsburg Heinrich, sowie der Fürstabt von Kempten Johannes Eucharius einen Vorstoß gegen die Ausübung des calvinistischen Glaubens in Grönenbach. Durch ein entsprechendes Dekret des Fürstabtes von Kempten aus dem Jahre 1621 wurde der calvinistische Prädikant Philippus Gessertus unter Mithilfe des Grafen Otto Heinrich Fugger aus Grönenbach vertrieben und die Simultannutzung der Stiftskirche St. Philipp und Jakob untersagt.[s 7] Seit dem 2. September 1621 stand diese somit wieder der alleinigen Nutzung durch die katholischen Gläubigen zur Verfügung. Bis zum Jahr 1624 fand in Grönenbach kein calvinistischer Gottesdienst mehr statt.

Schlößle in Grönenbach 1563

Der Calvinismus konnte jedoch nicht völlig aus Grönenbach vertrieben werden. Die Witwe Philipp von Pappenheims, Anna von Pappenheim geb. von Winneberg und Beilstein, beherbergte 1625 im Unteren Schloss zu Grönenbach den calvinistischen Prädikanten Adolf Langhans. Dieser hielt dort heimlich calvinistische Gottesdienste ab. Ein Dekret des Fürstabts Johannes Eucharius von Kempten vom 23. Oktober 1625 untersagte daraufhin die weitere Ausübung des calvinistischen Glaubens im Unteren Schloss, sowie eine weitere Beherbergung des Prädikanten Langhans in Grönenbach.[s 8] Dieses Dekret wurde jedoch nicht befolgt, was dazu führte, dass im März 1626 der Prädikant Adolf Langhans auf seinem Weg nach Theinselberg im Schulerloch, bei Grönenbach, verhaftet und auf die Burg Liebenthann gebracht wurde.[s 9] Adolf Langhans wurde am 13. April 1626 mit der Auflage nicht mehr nach Grönenbach zurückzukehren und eine Strafe von 100 fl. zu zahlen freigelassen. Prädikant Langhans zog sich im Anschluss an die Freilassung nach Theinselberg zurück, blieb jedoch auch weiterhin mit den refomierten Gläubigen in Grönenbach in Kontakt.


Augsburger Konfession bis Ende des Dreißigjährigen Krieges (1626–1648)

Titelblatt der ersten mit Vorstücken und Anhang versehenen lateinischen Ausgabe der Augsburger Konfession, Wittenberg 1531

Da die Bemühungen des Fürstabtes von Kempten und des Bischofs von Augsburg, den Katholizismus in Grönenbach und das Kollegiatstift im Sinne seiner Stifter wiederherzustellen gescheitert waren, übertrug der Kaiser die Regelung der Verhältnisse den Herzögen von Bayern Maximilian I. und Württemberg Johann Friedrich. Diese setzten ab 1626 an Stelle des reformierten calvinistischen Bekenntnisses die Ausgburger Konfession durch. Diese Entscheidung wurde vom Erben Philipp von Pappenheims, Marschall Maximilian von Pappenheim anerkannt, woraufhin er den lutherischen Prädikanten Johann Herrmann in Grönenbach einsetzte. Er bestimmte, dass das Kollegiatstift und die Stiftskirche St. Philipp und Jakob den Katholiken, die Spitalkirche den Evangelischen gehören sollte.[s 10]

Die Calvinisten in Grönenbach waren jedoch mit dem Wechsel zum evangelisch-lutherischen Bekenntnis nicht einverstanden und gingen mehrheitlich nach Herbishofen und Theinselberg. Prädikant Johann Herrmann verstarb im Januar 1630 an der Pest. Ihm folgte der Prediger Johann Jakob Trautmann aus Tübingen und heiratete die Witwe Herrmanns. Johann Jakob Trautmann blieb bis 1632 in Grönenbach und wurde in diesem Jahr von den eingedrungenen Schweden abgesetzt. Die Schweden setzten wiederum einen calvinistischen Prädikanten ein. Als die Schweden 1634 in der Schlacht bei Nördlingen unterlagen, gewannen auch die Katholiken in Grönenbach wieder die Oberhand und setzten ihrerseits den calvinistischen Prädikanten ab.[s 11]

In der Folgezeit bis zum Ende des 30-jährigen Krieges waren in Grönenbach keine reformierten Prediger mehr ansässig. In einem Bericht des Stiftsdechanten Fischer vom 16. Juni 1638 an das Ordinariat in Augsburg wird erwähnt, dass es den Calvinisten in den Jahren 1635 und 1636 verboten wurde, eigene Messen zu feiern. Besonderen Widerstand gegen das Verbot des Calvinismus in Grönenbach leisteten der rotensteinische Vogt Georg Weidlin und seine beiden Söhne Heinrich und Eberhardt. Georg Weidlin unternahm mehrere Versuche, die Stiftskirche St. Philipp und Jakob auch wieder für das Abhalten von reformierten Messen zu bekommen. Ebenso übte er massiven Druck auf das Kollegiatstift in Grönenbach aus und erteilte Anweisungen an die Untertanen in Lachen und Ziegelberg, keinen Zins an das Kollegiatstift zu zahlen, bis wieder ein weltlicher Administrator eingesetzt werde.[s 12] Nach Bekanntwerden dieser Vorgehensweise ordneten Otto Heinrich Fugger und der Bischof von Augsburg an, ein Exempel gegen Georg Weidlin und seine Söhne zu statuieren. Aufgrund der Kriegswirren unterblieb die Ausführung jedoch vorerst und konnte erst vom 14. bis 16. Dezember 1637 vollzogen werden. Damit sollte das Verhalten Georg Weidlins bestraft und sämtliche Zinsen und Renten für das Kollegiatstift beschlagnahmt werden.[s 13] Gegen diese Strafaktion legte Max von Pappenheim im Januar 1638 Beschwerde beim Fürststift in Kempten ein und verwies auf das langjährige Bestehen der reformierten Gemeinde und die vertragliche Regelung von 1577. Dieser Beschwerde widersprach der Stiftsdechant Georg Fischer am 16. Juni 1638 und führte als Gegenargument das Verbot der calvinischen Messe in Grönenbach von 1621 an.

Eine weitere Eskalation trug sich im Jahr 1645 zu, nachdem der dem calvinistischen Glauben angehörige Georg Biechteler am 14. September 1645 verstorben war. In Folge dessen fand unter der Leitung Georg Wiedlins ein öffentlicher Leichenzug unter calvinistischem Ritus statt, der jedoch immer noch offiziell verboten war. Der Versuch des Stiftsdekan Nikolaus Brunner diesen Leichenzug zu verhindern blieb erfolglos. Als Folge legte der Stiftsdekan Nikolaus Brunner am 9. Oktober 1645 Beschwerde beim Fürstabt Romanus in Kempten ein, welcher sich am 19. Oktober 1645 an Georg Weidlin wendete. In diesem Schreiben wurde Georg Weidlin die heimliche Wiedereinführung des Calvinismus in Grönenbach vorgeworfen. Noch am gleichen Tag legte der Fürstabt auch Beschwerde bei Kaiser Ferdinand III. ein. Kaiser Ferdinand III. ersuchte hierauf den Reichserbmarschall Caspar Gottfried von Pappenheim, die Vorkommnisse zu untersuchen und Bericht zu erstatten. Dieser fertigte am 6. März 1646 den Bericht wie angeordnet aus. In diesem Bericht bescheinigte er, dass Georg Weidlin keinesfalls den calvinistischen Glauben in Grönenbach wieder einführen wollte. Es wurden lediglich bei der Begräbnisfeier einige reformierte Lieder gesungen, sowie eine kurze Ansprache gehalten.[s 14]

Mit dem westfälischen Frieden am 24. Oktober 1648 endete zwar der 30-jährige Krieg, jedoch noch nicht die Streitigkeiten zwischen Katholiken und Calvinisten in Grönenbach. Erst durch weitere Verhandlungen unter Einbeziehung der kaiserlichen Kommissare Franz Johann Bischof von Konstanz und Eberhard III. Herzog von Württemberg konnten einigermaßen geordnete Verhältnisse in Grönenbach geschaffen werden.[s 15]

Ab dem Westfälischen Frieden bis zur Ravensburger Signatur (1648–1650)

Eine der Aufgaben nach dem westfälischen Frieden war, die religiösen Wirren und Streitigkeiten zur Ruhe zu bringen. Aus diesem Grunde wurden vom Kaiser Kommissare eingesetzt, um dies entsprechend umzusetzen. Zuständig für Grönenbach waren dies, die bereits erwähnten Franz Johann, Bischof von Konstanz und Eberhard III., Herzog von Württemberg. Im westfälischen Frieden von 1648 wurde als annus normalis das Jahr 1624 bestimmt. Dies bedeutete, dass nach dem Prinzip Restitutio in integrum alle religiösen Verhältnisse wieder so herzustellen waren, wie diese am 1. Januar 1624 bestanden.[s 16]

Bereits 1648 wandten sich die reformierten Gläubigen zu Grönenbach an die beiden Kommissare mit der Bitte um Erlaubnis, das Weihnachtsfest im Jahr 1648 in der Stiftskirche St. Philip und Jakob abhalten zu dürfen. Dieser Bitte wurde jedoch nicht entsprochen. Im nachfolgenden Jahr, am 15. April 1649, schrieb der pappenheimisch-rotensteinische Verwalter Josef Jenisch an die beiden Kommissare und forderte diese auf, den calvinistischen Ritus wieder einzusetzen. Er begründete dies mit dem jus patronatus, dass die Herren von Pappenheim bereits seit langem ausübten und somit der calvinistische Ritus am 1. Januar 1624 in der Spitalkirche zu Grönenbach faktisch bestand.

Die Verhandlung über die Wiederherstellung der religiösen Verhältnisse in Grönenbach fand ab dem 22. April 1649 in Memmingen statt.[s 17] Es konnte zunächst keine Klarheit über die Situation am 1. Januar 1624 erzielt werden. Aus diesem Grunde fand am 27. April 1649 eine ausführliche Zeugenvernehmung in Grönenbach statt. Die Zeugenvernehmung führten der katholische Notar M. Johannes Hainle, der kaiserliche Notar Jakob Schütz (lutherischen Glaubens), von Seiten des Fürstabts von Kempten Johann Rudolph Schad von Bellmont, sowie Georg Haimb durch. Für die Fugger waren Valentin Zeis und für die Pappenheimer Joseph Jenisch und Georg Weidlin für die Zeugenvernehmung zuständig. In der Zeugenvernehmung wurden insgesamt 43 Zeugen (26 katholische und 17 reformierte) befragt.[s 18] Von dieser Vernehmung hing nun der Fortbestand des Calvinismus in Grönenbach ab. Die 26 Zeugen der katholischen Seite konnten weder eindeutig bejahen noch verneinen, ob vor 25 Jahren am 1. Januar 1624 eine calvinistische Messe in der Spitalkirche abgehalten wurde. Die Aussagen der 17 Zeugen der reformierten Seite, dass der Prädikant Adolf Langhans am 1. Januar 1624 eine Predigt in der Spitalkirche gehalten habe, wurden später als offensichtlich falsch überführt. Diese Behauptung war nachweislich falsch, da u.a. der Prädikant Adolf Langhans noch am 28. und 30. Dezember 1623 Taufen in einer Gemeinde in der Oberpfalz durchgeführt hat und somit unmöglich bereits am 1. Januar 1624 in Grönenbach sein konnte.[s 19]

Innenansicht der Spitalkirche in Bad Grönenbach

Am 19. Mai 1649 erging der Beschluss der beiden kaiserlichen Kommissare. In der Lindauer Signatur (unterzeichnet von Wolf Christoph von Bernhausen, Hans Albrecht von Wöllwarth, Dr. G. Köberlin, Bernhard Plöner)[s 20] wurde festgestellt, dass am 1. Januar 1624 faktisch durch das „jus patronatus“ der Herren von Pappenheim, in der Nachfolge des Philipp von Pappenheim, der calvinistische Glaube in Grönenbach bestand. Aufgrund des westfälischen Friedens ist somit die Wiederherstellung des calvinistischen Glaubens und Ritus in Grönenbach durchzuführen. Den reformierten Gläubigen in Grönenbach wurde die Spitalkirche überlassen. Bereits 1649 begannen daraufhin die Reformierten mit dem Wiederaufbau, der durch die Schweden 1633, zerstörten Kirche.

Die unterlegenen Katholiken versuchten nochmals gegen die Lindauer Signatur Einspruch einzulegen. Dies geschah durch einen Bescheid im Namen der Fugger und des Fürstabtes Romanus zu Kempten am 31. Mai 1649.[s 21] Der Einspruch wurde mit vorschneller und nicht gründlicher Ausarbeitung der Lindauer Signatur begründet. Ebenso wurde angeführt, dass am 1. Januar 1624 keine öffentliche calvinistische Messe abgehalten und diese allenfalls privat durch einen Prediger zu Herbishofen abgehalten wurde. Des Weiteren wurde die Zeugenvernehmung, vor allem die gleichlautenden Aussagen der 17 reformierten Zeugen, angezweifelt. Die Reformierten ihrerseits begannen im Anschluss an die Entscheidung über die Aufteilung aller kirchlichen Einkünfte neu zu verhandeln und forderten u.a. die Einkommen des katholischen Mesmers, sowie des Stiftsdechanten zu kürzen und diese dem calvinistischen Prädikanten zukommen zu lassen.

In der Ravensburger Signatur (unterzeichnet von Georgius Köberlin und Dr. B. Nicola Miller)[s 22] vom 21. Juni / 2. Juli 1650 wurde jedoch die Entscheidung der Lindauer Signatur nochmals bestätigt. In der Ravensburger Signatur wird auf den Vertrag vom 30. Mai 1577 bezüglich der Aufteilung der kirchlichen Einnahmen verwiesen und festgelegt, dass diese Aufteilung auch weiterhin Gültigkeit hat.

Fortgang der Reformation (1650–1670)

Erzherzog Sigismund Franz von Österreich-Tirol und Bischof von Augsburg

Selbst mit dem Beschluss der Ravensburger Signatur im Jahr 1650 konnte kein endgültiger Frieden zwischen den Gläubigen geschlossen werden. Gegen diesen Beschluss legten der Bischof von Augsburg Sigismund Franz, der Fürstabt Romanus von Kempten, sowie Graf Bonaventura Fugger Einspruch beim kaiserlichen Reichshofrat ein. Bonaventura Fugger unternahm den Versuch, die beiden Beschlüsse von Lindau und Ravensburg darin zu umgehen, in dem er die Angelegenheit zur Privatsache der Familien Fugger und Pappenheim erklärte. Dies belegt ein Schreiben von Bonaventura Fugger vom 3. März 1655 an den Fürstpropst Johann Rudolf von Rechberg zu Ellwangen.[s 23] Sigismund Franz, Bischof von Augsburg, unternahm 1658 erneut einen Versuch, nachzuweisen, dass im Jahr 1624 keinesfalls der Calvinismus in Grönenbach praktiziert wurde. Als im Jahre 1658 die calvinistische Prädikantenstelle frei wurde, erging vom Fürstpropst zu Ellwangen die Aufforderung an Graf Wolf Philipp von Pappenheim, die Gelegenheit zu nutzen und den Calvinismus in Grönenbach nun zur Gänze abzuschaffen. Dieser Versuch des Fürstpropstes blieb jedoch erfolglos, da bereits ab 1660 ein neuer calvinistischer Prädikant in Grönenbach zugegen war und Graf Wolf Philipp von Pappenheim nichts unternahm um dies zu verhindern.[s 24]

Das Hochstift Augsburg erreichte 1665 bei Kaiser Leopold I. die Zusage, eine neue Kommission zur Klärung einzusetzen. Im Jahr 1666 ersuchten die reformierten Gläubigen in Grönenbach um Hilfe bei den norddeutschen protestantischen Reichsständen. Bereits am 20. bzw. 30. Juli 1666 reichten u.a. die Abgesandten der Fürsten aus Kurbrandenburg, der Kurpfalz und aus Hessen-Kassel auf dem Reichstag in Regensburg Beschwerde bei Graf Wolf Philipp von Pappenheim ein und forderten die ständigen Angriffe und Beschränkungen auf die Calvinisten in Grönenbach zu unterbinden. Kaiser Leopold I. erneuerte am 7. August 1668 seine Zusage, aufgrund der schriftlichen Eingaben des Hochstifts Augsburg, eine neue Kommission zur Klärung der religiösen Verhältnisse in Grönenbach einzusetzen. Am 22. Januar 1669 schrieb Kurfürst Friedrich Wilhelm zu Brandenburg an den Grafen von Pappenheim, dass der Bischof von Augsburg weiterhin an einem Verbot der Ausübung des calvinistischen Glaubens in Grönenbach arbeitet. Kurfürst Friedrich Wilhelm hält dies für sehr bedenklich da er befürchtet das es zu bösen Konsequenzen führen könnte.[s 25] Eine neue kaiserliche Kommission war jedoch weder im Interesse der Reformierten Gemeinde von Grönenbach, welche um Ihren Besitz fürchtete, noch der beiden Kommissare Franz Johann Bischof von Konstanz und Eberhard III. Herzog von Württemberg. Ebenso fürchtete Graf Wolf Philipp von Pappenheim eine neue Kommission, da er im Falle eines Glaubenswechsels seiner Untertanen davon ausging, seine Besitztümer in Grönenbach, Herbishofen und Theinselberg zu verlieren, wie dies im Testament Philipp von Pappenheims von 1613 festgelegt war. Graf Wolf Philipp von Pappenheim wandte sich am 25. Februar 1669 diesbezüglich an die beiden Kommissare, damit diese auf Kaiser Leopold I. einwirken, keine neue Kommission einzusetzen und alles beim Alten zu belassen, wie es die Lindauer und Ravensburger Signatur bereits festgelegt hat. Die Kommissare Eberhard III. und Bischof Franz Johann drängten in einem Schreiben vom 29. März 1669 an Kaiser Leopold I. darauf, keine neue Kommission einzusetzen, da die religiösen Verhältnisse bereits 1649 und 1650 geregelt wurden und ein neues Verfahren lediglich die Reichsruhe gefährden könnte. Des Weiteren würden sich die norddeutschen Reichsstände, sowie Graf Wolf Philipp von Pappenheim ebenfalls für die Beibehaltung des Status quo aussprechen. Die Bemühungen des Bischofs von Augsburg für eine neue Kommission waren somit gescheitert und es verblieb alles bei den bestehenden Regelungen von Lindau (1649) und Ravensburg (1650).

Ausklang der religiösen Differenzen (1670–1775)

Nachdem alle Bemühungen, den reformierten calvinistischen Glauben in Grönenbach zu verbieten, endgültig gescheitert waren, beruhigten sich in den Folgejahren die grundsätzlichen Streitigkeiten zwischen Katholiken und Calvinisten. Die Benutzung der Kirchengebäude St. Philipp und Jakob durch die Katholiken, sowie der Spitalkirche durch die Reformierten war nun entschieden. Ebenso wurde die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Ausübung des calvinistischen Ritus in Grönenbach nicht mehr gestellt.

In der Folge kam es aber dennoch immer wieder zu Zusammenstößen beider Gruppen bei der Ausübung ihrer Religion. So entbrannte z. B. im Januar 1670 ein handfester Streit über das Begräbnis eines calvinistischen Gläubigen im Ortsteil Zell. Der Dekan von Zell wollte kein Begräbnis nach reformiertem Ritus zwischen den Gräbern der Katholiken dulden. Als der Tote dennoch am 14. Januar 1670 nach diesem Ritus beerdigt wurde, legte der Dekan beim Fürstabt in Kempten Beschwerde ein. Dies führte dazu, dass noch am gleichen Tag der Leichnam exhumiert und nach Herbishofen umgebettet wurde.[6]

Ende des 17. Jahrhunderts sahen sich einige reformierte Gläubige in Grönenbach zur Auswanderung gezwungen. Dies war wohl auf Repressalien durch den Fürstabt von Kempten Rupert von Bodman zurückzuführen. Im Jahre 1692 erwarb dieser von Philipp Gustav von Pappenheim die Burg Rothenstein, samt zugehöriger Ortschaft. Rupert von Bodman erließ in der Folge mehrere Erlässe die Reformierten betreffend, u.a. dass alle reformierten Untertanen verpflichtet sind die Feldarbeiten auch an Festen zu Ehren der Muttergottes einzustellen. Dies war sicher ein, aber nicht der einzige Grund, welcher 1697 und 1704 u.a. zur Auswanderung von rund einem Dutzend Reformierten Gläubigen nach Burg bei Magdeburg führte.[s 26]

Katechismusstreit bis zur Säkularisation (1775–1803)

Heidelberger Katechismus von 1563

Ursprünglich wurde von den Reformierten in Grönenbach ein in Zürich gedruckter Schweizer Katechismus verwendet. Im Laufe der Zeit wurde jedoch der Heidelberger Katechismus in der Schaffhausener Auflage von 1763 eingeführt. Der Streit entzündete sich an Frage 80: Was ist das Messopfer? Als Antwort auf diese Frage wird davon berichtet, dass es sich dabei u.a. um eine vermaledeite Abgötterei handele.[7] Um die Verwendung dieses Katechismuses zu klären, setzte der Fürstabt von Kempten Honorius Roth von Schreckenstein eine Kommission, bestehend aus dem Propst Ulrich von Hornstein zu Grönenbach, der Hofräte Treuchtlinger und Feigele, sowie Hofkammerrat Scholl ein. Diese Kommission kam 1775 zu dem Schluss, dass es nicht geduldet werden kann, wenn ein solcher Katechismus im Gebiet des Fürststifts Kempten verwendet wird. Der Katechismus in dieser Auflage wurde 1775 verboten. Alle Katechismen mussten nach Kempten abgeliefert werden. Insgesamt wurden auf dem Gebiet Grönenbachs 342 Bücher eingezogen.[s 27]

Im Zuge der Säkularisation 1803 wurden alle Besitzungen durch das Kurfürstentum Bayern eingezogen und das Hochstift Augsburg, sowie das Fürststift Kempten aufgehoben. Mit der einhergehenden Proklamation der Religions- und Gewissensfreiheit wurden die letzten Streitigkeiten zwischen den Katholiken und Reformierten in Grönenbach beigelegt. Im Jahr 1808 erwarben die Reformierten in Grönenbach die ihnen bis dahin nur überlassene Spitalkirche käuflich.

Situation im 20. und 21. Jahrhundert

Nach dieser langen Zeit und vielen Querelen, existieren beide Konfessionen in Bad Grönenbach nun einträchtig nebeneinander. Gegen Ende des Jahres 2010 waren in Bad Grönenbach 56% der Einwohner römisch-katholisch, 13% evangelisch (ev., lt.) und weitere knapp 11% evangelisch-reformiert. Die Reformierten stellen derzeit somit die dritt größte Gruppe der Gläubigen.[8]

Literatur

  • Joseph Sedelmayer: Geschichte des Marktfleckens Grönenbach. Hrsg.: Historischer Verein zur gesamten Förderung der Heimatkunde des Allgäus. Kempten 1910.

Einzelnachweise

  1. Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bad Grönenbach abgerufen am 23. Dezember 2010.
  2. Evangelisch-reformierte Kirche abgerufen am 24. Dezember 2010.
  3. Hans Schwackenhofer: Die Reichserbmarschälle, Grafen und Herren von und zu Pappenheim, 2002, Seite 161
  4. Urkunde im Neuburger Kreisarchiv vom 26. April 1662.
  5. Urkunde im bischöflichen Archiv in Ausgsburg vom 2. März 1577.
  6. Alfred Weitnauer: Allgäuer Chronik, Daten und Ereignisse, 1971, S. 290–291.
  7. R. Frieling: Katholisch und evangelisch – Informationen über den Glauben, 2007, S. 30.
  8. Bad Grönenbacher Marktnachrichten 2010, Seite 16
  • Joseph Sedelmayer: Geschichte des Marktfleckens Grönenbach. Hrsg.: Historischer Verein zur gesamten Förderung der Heimatkunde des Allgäus. Kempten 1910 (Geschichte des Marktfleckens Grönenbach).
  1. S. 28
  2. S. 29
  3. Zitat des Schreibens Kaiser Rudolf II von 1601, S. 31.
  4. S. 34, 35.
  5. Aufstellung der wieder ab 1615 zum katholischen Glauben konvertierten, S. 35, 36
  6. Abbildung des Testaments Philipp von Pappenheim von 1613, S. 37
  7. S. 38
  8. Dekret vom 23. Oktober 1625 im Kreisarchiv Band 391, S. 41–42.
  9. S. 42, mit Verweis auf Neub. Kreisarchiv Band 391
  10. S. 44
  11. S. 46, 47
  12. S. 48
  13. S. 50
  14. S. 55, 56
  15. S. 58
  16. S. 62
  17. S. 63
  18. S. 65
  19. S. 66-68
  20. S. 73.
  21. S. 75
  22. S. 87.
  23. Verweis auf Schreiben vom 3. März 1655 von Bonaventura Fugger, S. 88.
  24. Verweis auf Schreiben vom 30. November 1660 von Graf Wolf Philipp von Pappenheim
  25. Auszug aus dem Schreiben von Friedrich Wilhelm vom 22. Januar 1669, S. 91.
  26. Auflistung der ausgewanderten Bürger, S. 100, 101.
  27. Genaue Aufstellung der eingezogenen Katechismen pro Ort , S. 105.