„Sensualismus“ – Versionsunterschied
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Es werden Vertreter der [[Kyniker]], [[Sophisten]] und [[Stoiker]] zu den Sensualisten gezählt. [[Antisthenes]], [[Protagoras]], [[Gorgias]], [[Epikur]], [[Zenon von Kition|Zenon]],[[Pyrrhon]], [[Sextus Empiricus]] waren die bekanntesten. Sie vertraten im wesentlichen die Auffassung, dass [[ sinnliche Wahrnehmung|sinnliche Empfindungen]] Basis menschlichen Denkens und Handelns seien. Das, was sich zeigte, das [[Phänomen|''Phainomenon'']], war daher Bezugspunkt menschlichen Wissens. Wissen wurde individuell aufgefasst: Die Dinge sind jeweils so, wie sie jedem Einzelnen erscheinen. Diesen von Protagoras formulierten Gedanken fasste er in seinen bekannten [[Homo-Mensura-Satz]] zusammen. Allgemein gültige Vorstellungen wurden von den antiken Sensualisten ebenso verworfen wie die Möglichkeit, Kenntnisse über Götter zu erhalten. Menschen haben bloß die Erscheinungen bzw. ihr Empfinden, was dahinter steht, können sie nicht wissen. Zurückhaltung im Urteilen charakterisierte deshalb sensualistische Philosophen. Diese brachte ihnen die Bezeichnung [[Skeptiker|'skeptikoi']] ein. |
Es werden Vertreter der [[Kyniker]], [[Sophisten]] und [[Stoiker]] zu den Sensualisten gezählt. [[Antisthenes]], [[Protagoras]], [[Gorgias]], [[Epikur]], [[Zenon von Kition|Zenon]],[[Pyrrhon]], [[Sextus Empiricus]] waren die bekanntesten. Sie vertraten im wesentlichen die Auffassung, dass [[ sinnliche Wahrnehmung|sinnliche Empfindungen]] Basis menschlichen Denkens und Handelns seien. Das, was sich zeigte, das [[Phänomen|''Phainomenon'']], war daher Bezugspunkt menschlichen Wissens. Wissen wurde individuell aufgefasst: Die Dinge sind jeweils so, wie sie jedem Einzelnen erscheinen. Diesen von Protagoras formulierten Gedanken fasste er in seinen bekannten [[Homo-Mensura-Satz]] zusammen. Allgemein gültige Vorstellungen wurden von den antiken Sensualisten ebenso verworfen wie die Möglichkeit, Kenntnisse über Götter zu erhalten. Menschen haben bloß die Erscheinungen bzw. ihr Empfinden, was dahinter steht, können sie nicht wissen. Zurückhaltung im Urteilen charakterisierte deshalb sensualistische Philosophen. Diese brachte ihnen die Bezeichnung [[Skeptiker|'skeptikoi']] ein. |
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Entsprechend waren Empfindungen Basis des Handelns. Dazu rieten sie, sich in allem Menschlichen an natürlichen Abläufen und Gegenheiten, anstatt an traditionellen mythischen Auffassungen zu orientieren. Andern gegenüber solle man sich so verhalten, wie es einem nach gründlichen Nachdenken selber Freude und Vergnügen mache. An die Stelle eines an sich Guten setzten sie dasjenige, was allen nützt. Dieser Ansatz wurde von neuzeitlichen Philosophiehistorikern als [[Hedonismus]] bezeichnet. |
Entsprechend waren Empfindungen Basis des Handelns. Dazu rieten sie, sich in allem Menschlichen an natürlichen Abläufen und Gegenheiten, anstatt an traditionellen mythischen Auffassungen zu orientieren. Andern gegenüber solle man sich so verhalten, wie es einem nach gründlichen Nachdenken selber Freude und Vergnügen mache. An die Stelle eines an sich Guten setzten sie dasjenige, was allen nützt. Dieser Ansatz wurde von neuzeitlichen Philosophiehistorikern als [[Hedonismus]] bezeichnet. |
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Sensualisten befassten sich mit ethymologischen und grammatikalischen Themen. Protagoras verfasste eine umfangreiche Grammatik , die den Asebie-Gesetzen zum Opfer gefallen ist. |
Sensualisten befassten sich mit ethymologischen und grammatikalischen Themen. Protagoras verfasste eine umfangreiche Grammatik , die den Asebie-Gesetzen zum Opfer gefallen ist.<ref name="lange">[http://www.zeno.org/Philosophie/M/Lange,+Friedrich+Albert/Geschichte+des+Materialismus Geschichte des Materialismus.]Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. Frankfurt am Main 1974.</ref> |
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===Neuzeitlicher Sensualismus=== |
===Neuzeitlicher Sensualismus=== |
Version vom 29. August 2010, 16:56 Uhr
Sensualismus war von dem Franzosen Joseph Marie Degérando(1772-1842) im Hinblick auf die Einordnung von Erkenntnistheorien verwendet worden, die vom Empfinden als Basis allen Denkens und Handelns ausgingen. In der Folge wurde die Bezeichnung 'Sensualismus' als gängige philosophiehistorische Kategorie genutzt.
Antiker Sensualismus
Es werden Vertreter der Kyniker, Sophisten und Stoiker zu den Sensualisten gezählt. Antisthenes, Protagoras, Gorgias, Epikur, Zenon,Pyrrhon, Sextus Empiricus waren die bekanntesten. Sie vertraten im wesentlichen die Auffassung, dass sinnliche Empfindungen Basis menschlichen Denkens und Handelns seien. Das, was sich zeigte, das Phainomenon, war daher Bezugspunkt menschlichen Wissens. Wissen wurde individuell aufgefasst: Die Dinge sind jeweils so, wie sie jedem Einzelnen erscheinen. Diesen von Protagoras formulierten Gedanken fasste er in seinen bekannten Homo-Mensura-Satz zusammen. Allgemein gültige Vorstellungen wurden von den antiken Sensualisten ebenso verworfen wie die Möglichkeit, Kenntnisse über Götter zu erhalten. Menschen haben bloß die Erscheinungen bzw. ihr Empfinden, was dahinter steht, können sie nicht wissen. Zurückhaltung im Urteilen charakterisierte deshalb sensualistische Philosophen. Diese brachte ihnen die Bezeichnung 'skeptikoi' ein. Entsprechend waren Empfindungen Basis des Handelns. Dazu rieten sie, sich in allem Menschlichen an natürlichen Abläufen und Gegenheiten, anstatt an traditionellen mythischen Auffassungen zu orientieren. Andern gegenüber solle man sich so verhalten, wie es einem nach gründlichen Nachdenken selber Freude und Vergnügen mache. An die Stelle eines an sich Guten setzten sie dasjenige, was allen nützt. Dieser Ansatz wurde von neuzeitlichen Philosophiehistorikern als Hedonismus bezeichnet. Sensualisten befassten sich mit ethymologischen und grammatikalischen Themen. Protagoras verfasste eine umfangreiche Grammatik , die den Asebie-Gesetzen zum Opfer gefallen ist.[1]
Neuzeitlicher Sensualismus
Der Sensualismus ist eine besonders in England, davon ausgehend aber auch in Frankreich, heimische philosophische Richtung, die alle Erkenntnis aus Sinneseindrücken (letztlich physiologische Reize) oder Wahrnehmungen ableitet. Der Sensualismus ist damit eine spezifische Form des Empirismus.
Der theoretische Sensualismus wurde – nach Vorarbeiten von Thomas Hobbes – begründet durch John Locke, der schrieb „Nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu“ (Nichts ist im Verstande, was nicht [zuvor] im Sinne war). Dem widersprach bereits Leibniz mit dem Zusatz „nisi intellectus ipse“ (ausgenommen der Geist selbst). Locke leitete noch sämtliche einfachen Begriffe von äußeren Eindrücken ab, die zusammengesetzten (Substanzen, Zustände, Beziehungen) dagegen von „innerer Erfahrung“, gleich Reflexion. Diese Theorie wurde von Pierre Gassendi unterstützt, allerdings mit der Modifikation, dass in der Mathematik die deduktive Methode sinnvoll sei. Fortgeführt wurden Lockes Überlegungen durch David Hume, der sämtliche Ideen von sinnlichen Eindrücken ableitete: für ihn war Reflexion überflüssig, das Bewusstsein nicht mehr als ein Bündel von Sinneswahrnehmungen. Das Übersinnliche könne nicht Wissensgegenstand sein; Kausalität sei kein Naturprinzip, sondern lediglich unser subjektiver Eindruck von der Abfolge verschiedener Phänomene. George Berkeley negierte nicht nur die objektive Basis der Ideen, sondern das materielle Universum insgesamt und postulierte, ein Ding existiere nur dadurch, dass es wahrgenommen werde (esse rei est percipi). Dieser strenge Empirismus ist die Antwort auf den Rationalismus von Descartes, Leibniz und Spinoza, die sämtliche Sinneseindrücke für zweifelhaft und somit unzuverlässig hielten; im Gegenzug hält der strenge Sensualismus alles für Täuschung, was über die sinnliche Wahrnehmung hinausgeht.
In ethischer Beziehung versteht man unter Sensualismus die im Altertum namentlich von der Epikureischen Schule (Aristippos), in der neuern Zeit von Thomas Hobbes und den französischen Naturalisten vertretene Ansicht, wonach es für die Begriffe Gut und Böse keinen andern Maßstab als die sinnliche Lust und Unlust geben soll. Diese Spielart schlägt die Brücke zum Utilitarismus. Die schottischen Philosophen Francis Hutcheson und Adam Smith dagegen machten anstatt der Sinnenlust den angeborenen Sinn für Moral (moral sense oder common sense) zum Maßstab in sittlichen Dingen. Dieser moralische Sensualismus wurde wiederum in Deutschland fortgeführt von Friedrich Heinrich Jacobi.
Dem Sensualismus wird vorgehalten, er sei geistfeindlich und öffne dem Materialismus Tür und Tor. Étienne Bonnot de Condillac etwa habe im Traité des sensations (1754) sämtliche Funktionen der Seele auf rein mechanische Weise auf die ihnen zugrundeliegenden Empfindungen zurückgeführt und so die Persönlichkeit des Menschen verneint. Auf der anderen Seite legte der Sensualist Berkeley großen Wert auf die Bedeutung des Geistes (durch den Gott die Empfindungen vermittelt), und der Kernpunkt von Jacobis Moralphilosophie ist „die schöne Seele“.
Weblinks
- Andrea Eckert: Die Imagination der Sensualisten, Aufklärung im Spannungsfeld von Literatur und Philosophie, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Philosophische Fakultät, 2005
Einzelnachweise
- ↑ Geschichte des Materialismus.Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. Frankfurt am Main 1974.
1. ^ Geschichte des Materialismus.Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. Frankfurt am Main 1974.>