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‚'''Methodischer Rationalismus'''’ (englisch ''‚Methodological Rationalism’'') bezeichnet ''[[Aufklärung|aufklärend]]''-rationale und zugleich dezidiert ''[[Methodik|methodische]]'' Denkformen der [[Philosophie]].<ref name="Loewenberg"/> Als eine Traditionslinie im [[Rationalismus]] ist er deutlich abgegrenzt nicht nur vom Empirismus und vom Irrationalismus, sondern auch vom [[Metaphysischer Rationalismus|metaphysischen Rationalismus]];<ref name="Metaphysik"/> wobei seine historischen und gegenwärtigen Ausprägungen unterschiedlich stark orientiert sind an der Logik von Aussagen, ihrer Herleitung, Konsistenz und Prüfung. |
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‚'''Methodischer Rationalismus'''’ (englisch ''‚Methodological Rationalism’'') ist eine von [[Hans Albert]] eingeführte Bezeichnung einer Komponente des [[Kritischer Rationalismus|Kritischen Rationalismus]], die „ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes [[Rationalität]]smodell involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“<ref>Albert: ''Kritische Vernunft und menschliche Praxis'', Stuttgart 1977, S. 26f; Ders.: ''Traktat über kritische Vernunft'', Tübingen 3. A. 1977, S. 183f.</ref> Albert knüpft dabei an den klassischen [[Rationalismus]] an, mit Hervorhebung zweier Unterschiede: „Aufgabe des allgemeinen Begründungsprinzips“ und „Annahme eines Prinzips der kritischen Prüfung“.<ref>''Traktat über kritische Vernunft'', Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften Bd. 9, Mohr Siebeck 5. A. 1991 (1. A. 1968), ISBN 3161457218, S. 219.</ref> [[Herbert Schnädelbach]] spricht von „methodischem Rationalismus“ (abgegrenzt insb. von „metaphysischem Rationalismus"<ref>Vgl. z.B. Schnädelbach: ''Vernunft und Geschichte'', Frankfurt/M. 1987, S. 64ff et passim.</ref>) u.a. „im Sinne der Konsistenz der Theorie mit dem eigenen Geltungsanspruch“<ref>[[Karl-Otto Apel]]: ''Rationalitätskriterien und Rationalitätstypen''. Versuch einer transzendentalpragmatischen Rekonstruktion des Unterschiedes zwischen Verstand und Vernunft, in: A. Wüstehube (Hg.): ''Pragmatische Rationalitätstheorien'', Würzburg: Königshausen & Neumann 1995, S. 29–63, hier S. 61, mit Bezug auf Schnädelbach: Zur Rehabilitierung des 'animal rationale', Suhrkamp, Frankfurt/M. 1992, S. 27f. et passim.</ref>. |
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== Entstehung == |
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⚫ | Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten mit der [[Antike Philosophie|antiken Philosophie]], dem [[Descartes|cartesianischen]], klassischen und [[Theologischer Rationalismus|theologischen]] [[Rationalismus]] wird der ‚Methodische Rationalismus’ im Sinne einer „alten“ Denkform und Denkrichtung den [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärungsphilosophen]] zugeschrieben ([[Denis Diderot]], [[Voltaire]], [[Jean-Jacques Rousseau]], [[Immanuel Kant]] u.a.), wenn sie ''trotz'' oder gerade ''wegen'' der zunehmend enttabuisierten, [[Irrationalismus|irrationalen]] Seite des Menschen ausdrücklich vertraten, dass die [[Vernunft]] des Menschen methodisch (bzw. systematisch) gestärkt werden müsse.<ref name="Traditionslinie"/> |
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⚫ | Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten mit der [[Antike Philosophie|antiken Philosophie]], dem [[Descartes|cartesianischen]], klassischen und [[Theologischer Rationalismus|theologischen]] [[Rationalismus]] wird der ‚Methodische Rationalismus’ im Sinne einer „alten“ Denkform und Denkrichtung den [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärungsphilosophen]] zugeschrieben ([[Denis Diderot]], [[Voltaire]], [[Jean-Jacques Rousseau]], [[Immanuel Kant]] u.a.), wenn sie ''trotz'' oder gerade ''wegen'' der zunehmend enttabuisierten, [[Irrationalismus|irrationalen]] Seite des Menschen ausdrücklich vertraten, dass die [[Vernunft]] des Menschen methodisch (bzw. systematisch) gestärkt werden müsse.<ref |
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An diese, viele Philosophien beeinflussende [[Tradition]] aus dem 18. Jahrhunderts mit ihren „neuen“ Gegenbegriffen im 19. Jahrhundert (statt ‚Empirismus’ u.a. ‚Irrationalismus’) schließt im Anschluss an die analytische Sprachpragmatik, an deren Verbindung mit empirischen Theorien (bei [[Willard Van Orman Quine]] u.a.) und an die gleichzeitig verbreitete ''Vernunftskepsis'' ([[Poststrukturalismus]] u.a.) eine Denkrichtung an, die am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts zu jener Vernunftskepsis eine Alternative formt, dabei die Terminologie ‚methodischer Rationalismus’ prägt und entsprechend „jung“ ist. Sie wurde durch die Philosophen [[Donald H. Davidson]] (pragmatisch, in Auseinandersetzung mit Quine u.a.) und [[Herbert Schnädelbach]] (kommunikativ, in Auseinandersetzung mit [[Karl-Otto Apel|Apel]] u.a.) vertreten. Sie zeigen auf, inwiefern eine „methodische“ [[Rationalität]] und [[Aufklärung]] unter Bedingungen von [[Unsicherheit]], [[Intuition]] und [[Postmoderne]] eine philosophie-wissenschaftliche und auch lebenspraktische |
An diese, viele Philosophien beeinflussende [[Tradition]] aus dem 18. Jahrhunderts mit ihren „neuen“ Gegenbegriffen im 19. Jahrhundert (statt ‚Empirismus’ u.a. ‚Irrationalismus’) schließt im Anschluss an die analytische Sprachpragmatik, an deren Verbindung mit empirischen Theorien (bei [[Willard Van Orman Quine]] u.a.) und an die gleichzeitig verbreitete ''Vernunftskepsis'' ([[Poststrukturalismus]] u.a.) eine Denkrichtung an, die am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts zu jener Vernunftskepsis eine Alternative formt, dabei die Terminologie ‚methodischer Rationalismus’ prägt und entsprechend „jung“ ist. Sie wurde durch die Philosophen [[Donald H. Davidson]] (pragmatisch, in Auseinandersetzung mit Quine u.a.) und [[Herbert Schnädelbach]] (kommunikativ, in Auseinandersetzung mit [[Karl-Otto Apel|Apel]] u.a.) vertreten. Sie zeigen auf, inwiefern eine „methodische“ [[Rationalität]] und [[Aufklärung]] unter Bedingungen von [[Unsicherheit]], [[Intuition]] und [[Postmoderne]] eine philosophie-wissenschaftliche und auch lebenspraktische Zukunftspriorität behalte. |
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Bei [[Hans Albert]] ist ‚methodischer Rationalismus’ eine ähnlich gelagerte Komponente des von ihm vertretenen [[Kritischer Rationalismus|Kritischen Rationalismus]]. Albert knüpft dabei an den klassischen [[Rationalismus]] an, mit Hervorhebung zweier Unterschiede: |
Bei [[Hans Albert]] ist ‚methodischer Rationalismus’ eine ähnlich gelagerte Komponente des von ihm vertretenen [[Kritischer Rationalismus|Kritischen Rationalismus]], die „ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes [[Rationalität]]smodell involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“<ref>Albert: ''Kritische Vernunft und menschliche Praxis'', Stuttgart 1977, S. 26f; Ders.: ''Traktat über kritische Vernunft'', Tübingen 3. A. 1977, S. 183f.</ref> Auch Albert knüpft dabei an den klassischen [[Rationalismus]] an, allerdings mit Hervorhebung zweier Unterschiede: „Aufgabe des allgemeinen Begründungsprinzips“ und „Annahme eines Prinzips der kritischen Prüfung“.<ref>Hans Albert, ''Traktat über kritische Vernunft'', Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften Bd. 9, Mohr Siebeck 5. A. 1991 (1. A. 1968), ISBN 3161457218, S. 219.</ref> |
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== Methode == |
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Literarische Quelle des ‚methodischen Rationalismus’ ist eine Reihe [[Rationalität|rationalitätstheoretischer]] Aufsätze aus Studien in den operativen Bereichen [[Interpretieren]], [[Verstehen]], [[Erkennen]] und [[Handeln]]. Die philosophische Leistung, im Rahmen der älteren Denkrichtung aktualisierende und weiterführende Positionen zu vertreten, ergab unterschiedliche Schwerpunkte, so bei Albert in der Etablierung des [[Fallibilismus]], bei Davidson in der Entwicklung der [[Bedeutungstheorie]] und bei Schnädelbach in der Begründung basaler [[Rationalitätstypen]], die alle ein betont methodisches Moment haben (z.B. bei Albert durch Prüfungsprinzipien, bei Davidson durch das „[[principle of charity]]“ und bei Schnädelbach durch die Typologisierung von Warum-Fragen). |
Literarische Quelle des ‚methodischen Rationalismus’ ist eine Reihe [[Rationalität|rationalitätstheoretischer]] Aufsätze aus Studien in den operativen Bereichen [[Interpretieren]], [[Verstehen]], [[Erkennen]] und [[Handeln]]. Die philosophische Leistung, im Rahmen der älteren Denkrichtung aktualisierende und weiterführende Positionen zu vertreten, ergab unterschiedliche Schwerpunkte, so bei Albert in der Etablierung des [[Fallibilismus]], bei Davidson in der Entwicklung der [[Bedeutungstheorie]] und bei Schnädelbach in der Begründung basaler [[Rationalitätstypen]], die alle ein betont methodisches Moment haben (z.B. bei Albert durch Prüfungsprinzipien, bei Davidson durch das „[[principle of charity]]“ und bei Schnädelbach durch die Typologisierung von Warum-Fragen). |
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Methodisch vorgehen heißt „in kontrollierbaren Schritten vorgehen, so dass ein Schritt aus dem anderen sinnvollerweise folgt und auch nachvollzogen werden kann“ (Schnädelbach). Damit wird der Begriff der [[Reflexion (Philosophie)|Reflexion]] betont und ein intuitives Vorgehen in der Praxis nicht ausgeschlossen (auch nicht die Verarbeitung von Gefühlen, Leidenschaften etc.), aber dennoch besteht hier einerseits eine generelle Abgrenzung zu einem philosophischen [[Intuitionismus]], wie er bei [[Friedrich Nietzsche]] oder [[Theodor W. Adorno]] feststellbar ist und wie er immer dort entsteht, wo Orientierungen an intuitiven, unbewussten oder nicht näher begründeten Neigungen oder Gewohnheiten auch im philosophischen Diskurs für maßgeblich gehalten werden. |
Methodisch vorgehen heißt „in kontrollierbaren Schritten vorgehen, so dass ein Schritt aus dem anderen sinnvollerweise folgt und auch nachvollzogen werden kann“ (Schnädelbach).<ref name="Traditionslinie"/> Damit wird der Begriff der [[Reflexion (Philosophie)|Reflexion]] betont und ein intuitives Vorgehen in der Praxis nicht ausgeschlossen (auch nicht die Verarbeitung von Gefühlen, Leidenschaften etc.), aber dennoch besteht hier einerseits eine generelle Abgrenzung zu einem philosophischen [[Intuitionismus]], wie er bei [[Friedrich Nietzsche]] oder [[Theodor W. Adorno]] feststellbar ist und wie er immer dort entsteht, wo Orientierungen an intuitiven, unbewussten oder nicht näher begründeten Neigungen oder Gewohnheiten auch im philosophischen Diskurs für maßgeblich gehalten werden. |
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Anderseits steht der methodische Rationalismus einem metaphysischen Rationalismus entgegen ([[Platon]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]], |
Anderseits steht der methodische Rationalismus einem metaphysischen Rationalismus entgegen ([[Platon]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]], |
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[[Martin Heidegger]]), weil sich Orientierungen nur im jeweiligen Prozess des Denkens ergeben würden. Somit wird kein „natürliches“ Programm vorausgesetzt, festgestellt oder als Fixpunkt der Philosophie akzeptiert, so dass auch typische Prinzipien der Rationalität unter dem Vorbehalt ihrer Begründung stehen. |
[[Martin Heidegger]]), weil sich Orientierungen nur im jeweiligen Prozess des Denkens ergeben würden.<ref name="Metaphysik"/> Somit wird kein „natürliches“ Programm vorausgesetzt, festgestellt oder als Fixpunkt der Philosophie akzeptiert, so dass auch typische Prinzipien der Rationalität unter dem Vorbehalt ihrer Begründung stehen. |
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== „Endliche“ Begründungen == |
== „Endliche“ Begründungen == |
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Praktische Begründungen und auch eine [[Rationalitätstheorie|Theorie der Rationalität]] ergeben sich in der methodisch-rationalen Denkweise nur aufgrund „endlicher“ (englisch „finite“) Behandlungen von Sachthemen und auf ''pragmatisch wie kommunikativ'' begehbaren Wegen (praktische Diskurse, Gesprächsphilosophie etc.). Noch vor der Entstehung eines philosophischen Kommunikationsparadigmas ([[Ludwig Wittgenstein]] u.a.) hatte Kants Transzendentalphilosophie das hierbei konstitutive Element der „Endlichkeit der Vernunft“ begründet. Aus einer hieraus abgeleitenden Offenheit verbunden mit einer konsequenten Ideologiefreiheit bildete sich ein Moment heraus, das in den so definierten Positionen des Methodischen Rationalismus unterschiedlich gewichtet wird. |
Praktische Begründungen und auch eine [[Rationalitätstheorie|Theorie der Rationalität]] ergeben sich in der methodisch-rationalen Denkweise nur aufgrund „endlicher“ (englisch „finite“) Behandlungen von Sachthemen und auf ''pragmatisch wie kommunikativ'' begehbaren Wegen (praktische Diskurse, Gesprächsphilosophie etc.). Noch vor der Entstehung eines philosophischen Kommunikationsparadigmas ([[Ludwig Wittgenstein]] u.a.) hatte Kants Transzendentalphilosophie das hierbei konstitutive Element der „Endlichkeit der Vernunft“ begründet. Aus einer hieraus abgeleitenden Offenheit verbunden mit einer konsequenten Ideologiefreiheit bildete sich ein Moment heraus, das in den so definierten Positionen des Methodischen Rationalismus unterschiedlich gewichtet wird. |
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Als ein Element des [[Kritischer Rationalismus|Kritischen Rationalismus]] ist ''dessen'' methodischer Rationalismus einer, „der ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“ (H. Albert). Auch in den von Davidson und Schnädelbach bevorzugten Denkformen ist Kritik im Sinne Kants ein Standard philosophischer Methoden, ''aber'' es müsse nicht bei jeder philosophischen Tätigkeit darum gehen, kritisch zu sein. (Der Ausdruck ‚nicht kritisch’ ist hier wörlich gemeint, also nicht im Sinne von unkritisch; ein Beispiel ist die [[Phänomenologie]]). Ihre Formen des methodischen Rationalismus sind von der Programmatik des Kritischen Rationalismus unabhängig (bzw. nicht auf ein kritisches Prinzip festgelegt). Entscheidend ist hier, dass Kritik ''nicht'' aufgegeben wird, sondern die Priorität in einer ''offenen'' Methode liegt, die die eigenen kritischen Prinzipien mitbetrifft. |
Als ein Element des [[Kritischer Rationalismus|Kritischen Rationalismus]] ist ''dessen'' methodischer Rationalismus einer, „der ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“ (H. Albert). Auch in den von Davidson und Schnädelbach bevorzugten Denkformen ist Kritik im Sinne Kants ein Standard philosophischer Methoden, ''aber'' es müsse nicht bei jeder philosophischen Tätigkeit darum gehen, kritisch zu sein. (Der Ausdruck ‚nicht kritisch’ ist hier wörlich gemeint, also nicht im Sinne von unkritisch; ein Beispiel ist die [[Phänomenologie]]). Ihre Formen des methodischen Rationalismus sind von der Programmatik des Kritischen Rationalismus unabhängig (bzw. nicht auf ein kritisches Prinzip festgelegt). Entscheidend ist hier, dass Kritik ''nicht'' aufgegeben wird, sondern die Priorität in einer ''offenen'' Methode liegt, die die ''eigenen'' kritischen Prinzipien mitbetrifft. So charakterisiert Apel in Bezug auf Schnädelbach ''dessen'' Methodischen Rationalismus „im Sinne der Konsistenz der Theorie mit dem eigenen Geltungsanspruch“.<ref>[[Karl-Otto Apel]]: ''Rationalitätskriterien und Rationalitätstypen''. Versuch einer transzendentalpragmatischen Rekonstruktion des Unterschiedes zwischen Verstand und Vernunft, in: A. Wüstehube (Hg.): ''Pragmatische Rationalitätstheorien'', Würzburg: Königshausen & Neumann 1995, S. 29–63, hier S. 61, mit Bezug auf Schnädelbach: Zur Rehabilitierung des 'animal rationale', Suhrkamp, Frankfurt/M. 1992, S. 27f. et passim.</ref> |
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== Einzelnachweise == |
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<ref name=" Loewenberg"> Vgl. [[Jacob Loewenberg]], ''What is Empirical?'', in: ''The Journal of Philosophy'', 23.5.1940: “[M]ethodological rationalism is a genus of many species. Consider, for example, Spinoza and Kant”.</ref> |
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<ref name="Metaphysik"> Vgl. z.B. Herbert Schnädelbach: ''Vernunft und Geschichte'', Frankfurt/M. 1987, S. 64ff et passim.</ref> |
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<ref name="Traditionslinie"> Gemäß [[Herbert Schnädelbach]] in mehreren Vorlesungen zur Kennzeichnung einer methodischen Traditionslinie im [[Rationalismus]]. Belegt in: ''Schnädelbach und die Hegelsche Milchschale'' (unveröffentlichte Filmfolgen mit Vorlesungsausschnitten). Zur Abgrenzung gegen den [[Irrationalismus]] siehe Schnädelbach, ''Über Irrationalität und Irrationalismus'', in: Hans Peter Duerr (Hrsg.), ''Der Wissenschaftler und das Irrationale'', Frankfurt a. M. 1982, S. 163, wonach der Irrationalismus zwar „gegen den metaphysischen und weltanschaulichen Rationalismus [...] recht“ habe, aber dennoch zwischen Rationalismus und Irrationalismus eine wichtige Asymmetrie bestehe: „Rationalismus lässt sich als methodisches Prinzip vertreten, Irrationalismus dagegen nicht. Für den methodischen Rationalisten ist alle Vernunft zunächst einmal subjektive Vernunft [im Sinne Kants], und die Frage, wieviel es davon in der Welt gebe, kann er offen lassen. Er unterstellt nicht, dass die Welt vernünftig ist, wenn wir es nicht sind.“</ref> |
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== Literatur == |
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Version vom 23. März 2010, 19:23 Uhr
‚Methodischer Rationalismus’ (englisch ‚Methodological Rationalism’) bezeichnet aufklärend-rationale und zugleich dezidiert methodische Denkformen der Philosophie.[1] Als eine Traditionslinie im Rationalismus ist er deutlich abgegrenzt nicht nur vom Empirismus und vom Irrationalismus, sondern auch vom metaphysischen Rationalismus;[2] wobei seine historischen und gegenwärtigen Ausprägungen unterschiedlich stark orientiert sind an der Logik von Aussagen, ihrer Herleitung, Konsistenz und Prüfung.
Entstehung
Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten mit der antiken Philosophie, dem cartesianischen, klassischen und theologischen Rationalismus wird der ‚Methodische Rationalismus’ im Sinne einer „alten“ Denkform und Denkrichtung den Aufklärungsphilosophen zugeschrieben (Denis Diderot, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant u.a.), wenn sie trotz oder gerade wegen der zunehmend enttabuisierten, irrationalen Seite des Menschen ausdrücklich vertraten, dass die Vernunft des Menschen methodisch (bzw. systematisch) gestärkt werden müsse.[3]
An diese, viele Philosophien beeinflussende Tradition aus dem 18. Jahrhunderts mit ihren „neuen“ Gegenbegriffen im 19. Jahrhundert (statt ‚Empirismus’ u.a. ‚Irrationalismus’) schließt im Anschluss an die analytische Sprachpragmatik, an deren Verbindung mit empirischen Theorien (bei Willard Van Orman Quine u.a.) und an die gleichzeitig verbreitete Vernunftskepsis (Poststrukturalismus u.a.) eine Denkrichtung an, die am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts zu jener Vernunftskepsis eine Alternative formt, dabei die Terminologie ‚methodischer Rationalismus’ prägt und entsprechend „jung“ ist. Sie wurde durch die Philosophen Donald H. Davidson (pragmatisch, in Auseinandersetzung mit Quine u.a.) und Herbert Schnädelbach (kommunikativ, in Auseinandersetzung mit Apel u.a.) vertreten. Sie zeigen auf, inwiefern eine „methodische“ Rationalität und Aufklärung unter Bedingungen von Unsicherheit, Intuition und Postmoderne eine philosophie-wissenschaftliche und auch lebenspraktische Zukunftspriorität behalte.
Bei Hans Albert ist ‚methodischer Rationalismus’ eine ähnlich gelagerte Komponente des von ihm vertretenen Kritischen Rationalismus, die „ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes Rationalitätsmodell involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“[4] Auch Albert knüpft dabei an den klassischen Rationalismus an, allerdings mit Hervorhebung zweier Unterschiede: „Aufgabe des allgemeinen Begründungsprinzips“ und „Annahme eines Prinzips der kritischen Prüfung“.[5]
Methode
Literarische Quelle des ‚methodischen Rationalismus’ ist eine Reihe rationalitätstheoretischer Aufsätze aus Studien in den operativen Bereichen Interpretieren, Verstehen, Erkennen und Handeln. Die philosophische Leistung, im Rahmen der älteren Denkrichtung aktualisierende und weiterführende Positionen zu vertreten, ergab unterschiedliche Schwerpunkte, so bei Albert in der Etablierung des Fallibilismus, bei Davidson in der Entwicklung der Bedeutungstheorie und bei Schnädelbach in der Begründung basaler Rationalitätstypen, die alle ein betont methodisches Moment haben (z.B. bei Albert durch Prüfungsprinzipien, bei Davidson durch das „principle of charity“ und bei Schnädelbach durch die Typologisierung von Warum-Fragen).
Methodisch vorgehen heißt „in kontrollierbaren Schritten vorgehen, so dass ein Schritt aus dem anderen sinnvollerweise folgt und auch nachvollzogen werden kann“ (Schnädelbach).[3] Damit wird der Begriff der Reflexion betont und ein intuitives Vorgehen in der Praxis nicht ausgeschlossen (auch nicht die Verarbeitung von Gefühlen, Leidenschaften etc.), aber dennoch besteht hier einerseits eine generelle Abgrenzung zu einem philosophischen Intuitionismus, wie er bei Friedrich Nietzsche oder Theodor W. Adorno feststellbar ist und wie er immer dort entsteht, wo Orientierungen an intuitiven, unbewussten oder nicht näher begründeten Neigungen oder Gewohnheiten auch im philosophischen Diskurs für maßgeblich gehalten werden.
Anderseits steht der methodische Rationalismus einem metaphysischen Rationalismus entgegen (Platon, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Martin Heidegger), weil sich Orientierungen nur im jeweiligen Prozess des Denkens ergeben würden.[2] Somit wird kein „natürliches“ Programm vorausgesetzt, festgestellt oder als Fixpunkt der Philosophie akzeptiert, so dass auch typische Prinzipien der Rationalität unter dem Vorbehalt ihrer Begründung stehen.
„Endliche“ Begründungen
Der methodische Rationalismus ist nicht wie die ebenfalls an Begründungen orientierten Philosophien von Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel auf bestimmte normative Grundlagen festgelegt (die ein Diskurs in deren Verständnis immer schon beinhalte), und er kann anders als Willard Van Orman Quine (ohne ein vorherrschendes Begriffsschema) den Standpunkt einer „radikalen Interpretation“ (Davidson) einnehmen. Er verbleibt aber mit diesen Philosophen in dem gemeinsam vollzogenen Kommunikationsparadigma, in welchem er seiner Konstruktionsaufgabe verpflichtet ist. Diese besteht in Bezug auf Begründungen von Handlungen, von Theorien und die Herausbildung von ebenso begründeten Orientierungen darin, Gedanken aus sich selbst heraus (Reflexivität der Vernunft) und in nachvollziehbaren Schritten zu vollziehen.
Praktische Begründungen und auch eine Theorie der Rationalität ergeben sich in der methodisch-rationalen Denkweise nur aufgrund „endlicher“ (englisch „finite“) Behandlungen von Sachthemen und auf pragmatisch wie kommunikativ begehbaren Wegen (praktische Diskurse, Gesprächsphilosophie etc.). Noch vor der Entstehung eines philosophischen Kommunikationsparadigmas (Ludwig Wittgenstein u.a.) hatte Kants Transzendentalphilosophie das hierbei konstitutive Element der „Endlichkeit der Vernunft“ begründet. Aus einer hieraus abgeleitenden Offenheit verbunden mit einer konsequenten Ideologiefreiheit bildete sich ein Moment heraus, das in den so definierten Positionen des Methodischen Rationalismus unterschiedlich gewichtet wird.
Als ein Element des Kritischen Rationalismus ist dessen methodischer Rationalismus einer, „der ein am Prinzip kritischer Prüfung orientiertes involviert und die Rolle der konstruktiven und kritischen Phantasie im Problemlösungsverhalten in Rechnung stellt“ (H. Albert). Auch in den von Davidson und Schnädelbach bevorzugten Denkformen ist Kritik im Sinne Kants ein Standard philosophischer Methoden, aber es müsse nicht bei jeder philosophischen Tätigkeit darum gehen, kritisch zu sein. (Der Ausdruck ‚nicht kritisch’ ist hier wörlich gemeint, also nicht im Sinne von unkritisch; ein Beispiel ist die Phänomenologie). Ihre Formen des methodischen Rationalismus sind von der Programmatik des Kritischen Rationalismus unabhängig (bzw. nicht auf ein kritisches Prinzip festgelegt). Entscheidend ist hier, dass Kritik nicht aufgegeben wird, sondern die Priorität in einer offenen Methode liegt, die die eigenen kritischen Prinzipien mitbetrifft. So charakterisiert Apel in Bezug auf Schnädelbach dessen Methodischen Rationalismus „im Sinne der Konsistenz der Theorie mit dem eigenen Geltungsanspruch“.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Jacob Loewenberg, What is Empirical?, in: The Journal of Philosophy, 23.5.1940: “[M]ethodological rationalism is a genus of many species. Consider, for example, Spinoza and Kant”.
- ↑ a b Vgl. z.B. Herbert Schnädelbach: Vernunft und Geschichte, Frankfurt/M. 1987, S. 64ff et passim.
- ↑ a b Gemäß Herbert Schnädelbach in mehreren Vorlesungen zur Kennzeichnung einer methodischen Traditionslinie im Rationalismus. Belegt in: Schnädelbach und die Hegelsche Milchschale (unveröffentlichte Filmfolgen mit Vorlesungsausschnitten). Zur Abgrenzung gegen den Irrationalismus siehe Schnädelbach, Über Irrationalität und Irrationalismus, in: Hans Peter Duerr (Hrsg.), Der Wissenschaftler und das Irrationale, Frankfurt a. M. 1982, S. 163, wonach der Irrationalismus zwar „gegen den metaphysischen und weltanschaulichen Rationalismus [...] recht“ habe, aber dennoch zwischen Rationalismus und Irrationalismus eine wichtige Asymmetrie bestehe: „Rationalismus lässt sich als methodisches Prinzip vertreten, Irrationalismus dagegen nicht. Für den methodischen Rationalisten ist alle Vernunft zunächst einmal subjektive Vernunft [im Sinne Kants], und die Frage, wieviel es davon in der Welt gebe, kann er offen lassen. Er unterstellt nicht, dass die Welt vernünftig ist, wenn wir es nicht sind.“
- ↑ Albert: Kritische Vernunft und menschliche Praxis, Stuttgart 1977, S. 26f; Ders.: Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 3. A. 1977, S. 183f.
- ↑ Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften Bd. 9, Mohr Siebeck 5. A. 1991 (1. A. 1968), ISBN 3161457218, S. 219.
- ↑ Karl-Otto Apel: Rationalitätskriterien und Rationalitätstypen. Versuch einer transzendentalpragmatischen Rekonstruktion des Unterschiedes zwischen Verstand und Vernunft, in: A. Wüstehube (Hg.): Pragmatische Rationalitätstheorien, Würzburg: Königshausen & Neumann 1995, S. 29–63, hier S. 61, mit Bezug auf Schnädelbach: Zur Rehabilitierung des 'animal rationale', Suhrkamp, Frankfurt/M. 1992, S. 27f. et passim.
Literatur
- Hans Albert (Auswahl)
- Traktat über kritische Vernunft, Mohr Siebeck: Tübingen 1968; 5. verb. & erw. Auflage 1991; ISBN 3-8252-1609-8. 1992: ISBN 3-16-145721-8.
- Traktat über rationale Praxis, Tübingen 1978, ISBN 978-3168408420.
- Herbert Schnädelbach (Auswahl)
- Reflexion und Diskurs. Fragen einer Logik der Philosophie, Frankfurt a. M. 1977, ISBN 978-3518064085.
- Vernunft und Geschichte, Vorträge und Abhandlungen (1), Frankfurt a. M. 1987, ISBN 978-3518282830.
- Zur Rehabilitierung des animal rationale, Vorträge und Abhandlungen 2, Frankfurt a. M. 1992, ISBN 3518286439.
- Philosophie in der modernen Kultur. Vorträge und Abhandlungen 3, Frankfurt a. M. 2000, ISBN 978-3518290651.