„Also sprach Zarathustra“ – Versionsunterschied
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{{Zitat|Aus der Zukunft der Ehe. – Jene edlen, freigesinnten Frauen, welche die Erziehung und Erhebung des weiblichen Geschlechtes sich zur Aufgabe stellen, sollen einen Gesichtspunkt nicht übersehen: die Ehe in ihrer höheren Auffassung gedacht, als Seelenfreundschaft zweier Menschen verschiedenen Geschlechts, also so, wie sie von der Zukunft erhofft wird, zum Zweck der Erzeugung und Erziehung einer neuen Generation geschlossen, – eine solche Ehe, welche das Sinnliche gleichsam nur als ein seltenes, gelegentliches Mittel für einen größeren Zweck gebraucht, bedarf wahrscheinlich, wie man besorgen muss, einer natürlichen Beihilfe, des Konkubinats; denn wenn aus Gründen der Gesundheit des Mannes das Eheweib auch zur alleinigen Befriedigung des geschlechtlichen Bedürfnisses dienen soll, so wird bei der Wahl einer Gattin schon ein falscher, den angedeuteten Zielen entgegengesetzter Gesichtspunkt maßgebend sein: die Erzielung der Nachkommenschaft wird zufällig, die glückliche Erziehung höchst unwahrscheinlich. Eine gute Gattin, welche Freundin, Gehilfin, Gebärerin, Mutter, Familienhaupt, Verwalterin sein soll, ja vielleicht abgesondert von dem Manne ihrem eigenen Geschäft und Amte vorzustehen hat, kann nicht zugleich Konkubine sein: es hieße im Allgemeinen zu viel von ihr verlangen. … <ref>[[Friedrich Nietzsche]], ''[[Menschliches Allzumenschliches]]'', 1. Buch, 7. Hauptstück, 424. Aphorismus</ref>}} |
{{Zitat|Aus der Zukunft der Ehe. – Jene edlen, freigesinnten Frauen, welche die Erziehung und Erhebung des weiblichen Geschlechtes sich zur Aufgabe stellen, sollen einen Gesichtspunkt nicht übersehen: die Ehe in ihrer höheren Auffassung gedacht, als Seelenfreundschaft zweier Menschen verschiedenen Geschlechts, also so, wie sie von der Zukunft erhofft wird, zum Zweck der Erzeugung und Erziehung einer neuen Generation geschlossen, – eine solche Ehe, welche das Sinnliche gleichsam nur als ein seltenes, gelegentliches Mittel für einen größeren Zweck gebraucht, bedarf wahrscheinlich, wie man besorgen muss, einer natürlichen Beihilfe, des Konkubinats; denn wenn aus Gründen der Gesundheit des Mannes das Eheweib auch zur alleinigen Befriedigung des geschlechtlichen Bedürfnisses dienen soll, so wird bei der Wahl einer Gattin schon ein falscher, den angedeuteten Zielen entgegengesetzter Gesichtspunkt maßgebend sein: die Erzielung der Nachkommenschaft wird zufällig, die glückliche Erziehung höchst unwahrscheinlich. Eine gute Gattin, welche Freundin, Gehilfin, Gebärerin, Mutter, Familienhaupt, Verwalterin sein soll, ja vielleicht abgesondert von dem Manne ihrem eigenen Geschäft und Amte vorzustehen hat, kann nicht zugleich Konkubine sein: es hieße im Allgemeinen zu viel von ihr verlangen. … <ref>[[Friedrich Nietzsche]], ''[[Menschliches Allzumenschliches]]'', 1. Buch, 7. Hauptstück, 424. Aphorismus</ref>}} |
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Nachdem man nun weiß was die Zukunft von Ehe und Gattin sein soll, versteht man auch, was die „kleine Wahrheit“ des „alten Weibleins“ bedeutet. „Die Peitsche dient anscheinend dazu, die eigenen sinnlichen Begierden bei der Wahl und im Umgang mit einer Gattin im Zaume zu halten, damit sie nicht als entscheidender Gesichtspunkt vorherrschen, sondern dass die Hervorbringung des Übermenschen dabei im Mittelpunkt steht.“ <ref>Eugen Roth-Bodmer, Schlüssel zu Nietzsches Zarathustra: Ein interpretierender Kommentar zu Nietzsches Werk ''Also sprach Zarathustra'', Meilen-Druck AG, Seite 58</ref> |
Nachdem man nun weiß, was die Zukunft von Ehe und Gattin sein soll, versteht man auch, was die „kleine Wahrheit“ des „alten Weibleins“ bedeutet. „Die Peitsche dient anscheinend dazu, die eigenen sinnlichen Begierden bei der Wahl und im Umgang mit einer Gattin im Zaume zu halten, damit sie nicht als entscheidender Gesichtspunkt vorherrschen, sondern dass die Hervorbringung des Übermenschen dabei im Mittelpunkt steht.“ <ref>Eugen Roth-Bodmer, Schlüssel zu Nietzsches Zarathustra: Ein interpretierender Kommentar zu Nietzsches Werk ''Also sprach Zarathustra'', Meilen-Druck AG, Seite 58</ref> |
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Es bleibt die Frage zu klären, wer denn eigentlich das alte Weiblein ist, das Zarathustra rät, die „kleine Wahrheit“ einzuwickeln und „ihr den Mund“ zu halten, damit sie nicht „überlaut“ <ref name="weib" /> schreit und von allen missverstanden wird. Eine Antwort auf diese Frage findet sich in ''[[Die fröhliche Wissenschaft]]'': |
Es bleibt die Frage zu klären, wer denn eigentlich das alte Weiblein ist, das Zarathustra rät, die „kleine Wahrheit“ einzuwickeln und „ihr den Mund“ zu halten, damit sie nicht „überlaut“ <ref name="weib" /> schreit und von allen missverstanden wird. Eine Antwort auf diese Frage findet sich in ''[[Die fröhliche Wissenschaft]]'': |
Version vom 30. April 2008, 01:05 Uhr

Also sprach Zarathustra (Untertitel Ein Buch für Alle und Keinen, 1883–1885) ist ein dichterisch-philosophisches Werk des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche, das von vielen als sein Hauptwerk angesehen wird.
Übersicht
Das Buch besteht aus vier Teilen. Der erste Teil erschien 1883, der zweite und dritte 1884, der vierte 1885 als Privatdruck. 1886 veröffentlichte Nietzsche die drei ersten Teile als „Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. In drei Teilen.“ Im Gegensatz zu den frühen Werken Nietzsches handelt es sich beim Zarathustra nicht um ein Sachbuch. In hymnischer Prosa berichtet ein personaler Erzähler vom Wirken eines fiktiven Denkers, der den Namen des parsischen Religionsstifters Zarathustra trägt. Der Stil, in dem Also Sprach Zarathustra geschrieben ist, nennt sich halkyonisch (siehe: Halkyonische Tage). Er hat gleichsam eine auslesende Funktion, die bereits im Titel „Ein Buch für Alle und Keinen“ angedeutet wird. Menschen, die nicht eines „gleichen Pathos fähig und würdig sind“, werden von vorneherein ausgeklammert: „Man muss vor Allem den Ton, der aus diesem Munde kommt, diesen halkyonischen Ton richtig hören, um dem Sinn seiner Weisheit nicht erbarmungswürdig Unrecht zu tun“.
Vorwort: Nachdem er zehn Jahre als Einsiedler in den Bergen verbracht hat, versucht der mittlerweile vierzigjährige Zarathustra seine Weisheit mit den Menschen zu teilen. Er predigt der Menge auf dem Marktplatz einer Stadt vom Übermenschen, erfährt aber von seinen Zuhörern nur Hohn und Spott. Von nun an meidet Zarathustra Ansammlungen von Menschen und begibt sich auf die Suche nach bedeutenden Geistern.
Von den drei Verwandlungen
Der erste Teil wird mit einer der bekanntesten Reden Zarathustras eröffnet: In Von den drei Verwandlungen beschreibt Nietzsche drei Stadien, die der menschliche Geist im Laufe seines Daseins durchlaufen sollte.
„Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.“
Dabei handelt es sich um drei Bilder, die der Leser Nietzsches zunächst interpretieren muss. Die erste Verwandlung des Geistes ist das Kamel, das für den „tragsamen Geist“ steht. Seine Werte sind Glaube, Demut, Schlichtheit und Nächstenliebe:
„Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde. Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmuth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten?“
Die zweite Verwandlung ist die des Kamels zum Löwen, dessen Werte Freiheit und Selbstbestimmung sind. Er lehnt sich gegen die alten göttlichen Werte des „großen Drachen“ auf:
„Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder bedarf es des Löwen. Recht sich nehmen zu neuen Werthen - das ist das furchtbarste Nehmen für einen tragsamen und ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm und eines raubenden Thieres Sache.“
Da der Löwe aber nicht konstruktiv werden kann, ist eine dritte Verwandlung nötig. Das Kind steht für einen Neubeginn in Unschuld:
„Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.“
Von alten und jungen Weiblein
Von alten und jungen Weiblein ist eine weitere Rede Zarathustras aus dem ersten Teil des Buches.
Beim abendlichen Spaziergang trifft Zarathustra ein altes Weiblein, welches von ihm verlangt vom Weibe zu erzählen. Also sprach Zarathustra:
„Alles am Weibe ist ein Rätsel, und Alles am Weibe hat Eine Lösung: sie heißt Schwangerschaft. Der Mann ist für das Weib ein Mittel: der Zweck ist immer das Kind. [1]“
„Ein Spielzeug sei das Weib, rein und fein, dem Edelsteine gleich, bestrahlt von den Tugenden einer Welt, welche noch nicht da ist. Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Liebe! Eure Hoffnung heiße: ‚möge ich den Übermenschen gebären!‘ [1]“
Zum Dank bekommt er vom alten Weiblein eine „kleine“, aber oft missverstandene „Wahrheit“ geschenkt:
„Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht! [1]“
Um die „kleine Wahrheit“ zu verstehen, muss man zunächst einmal interpretativ annehmen, was Zarathustra in seiner Rede über das Weib zum Ausdruck bringen wollte. Einen möglichen Schlüssel dazu liefert Nietzsche in Menschliches Allzumenschliches:
„Aus der Zukunft der Ehe. – Jene edlen, freigesinnten Frauen, welche die Erziehung und Erhebung des weiblichen Geschlechtes sich zur Aufgabe stellen, sollen einen Gesichtspunkt nicht übersehen: die Ehe in ihrer höheren Auffassung gedacht, als Seelenfreundschaft zweier Menschen verschiedenen Geschlechts, also so, wie sie von der Zukunft erhofft wird, zum Zweck der Erzeugung und Erziehung einer neuen Generation geschlossen, – eine solche Ehe, welche das Sinnliche gleichsam nur als ein seltenes, gelegentliches Mittel für einen größeren Zweck gebraucht, bedarf wahrscheinlich, wie man besorgen muss, einer natürlichen Beihilfe, des Konkubinats; denn wenn aus Gründen der Gesundheit des Mannes das Eheweib auch zur alleinigen Befriedigung des geschlechtlichen Bedürfnisses dienen soll, so wird bei der Wahl einer Gattin schon ein falscher, den angedeuteten Zielen entgegengesetzter Gesichtspunkt maßgebend sein: die Erzielung der Nachkommenschaft wird zufällig, die glückliche Erziehung höchst unwahrscheinlich. Eine gute Gattin, welche Freundin, Gehilfin, Gebärerin, Mutter, Familienhaupt, Verwalterin sein soll, ja vielleicht abgesondert von dem Manne ihrem eigenen Geschäft und Amte vorzustehen hat, kann nicht zugleich Konkubine sein: es hieße im Allgemeinen zu viel von ihr verlangen. … [2]“
Nachdem man nun weiß, was die Zukunft von Ehe und Gattin sein soll, versteht man auch, was die „kleine Wahrheit“ des „alten Weibleins“ bedeutet. „Die Peitsche dient anscheinend dazu, die eigenen sinnlichen Begierden bei der Wahl und im Umgang mit einer Gattin im Zaume zu halten, damit sie nicht als entscheidender Gesichtspunkt vorherrschen, sondern dass die Hervorbringung des Übermenschen dabei im Mittelpunkt steht.“ [3]
Es bleibt die Frage zu klären, wer denn eigentlich das alte Weiblein ist, das Zarathustra rät, die „kleine Wahrheit“ einzuwickeln und „ihr den Mund“ zu halten, damit sie nicht „überlaut“ [1] schreit und von allen missverstanden wird. Eine Antwort auf diese Frage findet sich in Die fröhliche Wissenschaft:
„‚Die Wahrheit‘ hieß dies alte Weib … [4]“
Zentrale Themen
Zarathustra bildet einen Höhepunkt im Zusammenhang mit der Umkehrung alteuropäischer Vanitas-Motive ins Triumphale, wie sie in der Zeit um den Ersten Weltkrieg üblich war. Das einst Vergängliche, Nichtige, Selbstherrliche wurde dabei (als demonstrative Überwindung christlicher Demut) ins Positive verklärt.
Grundgedanken: Übermensch, ewige Wiederkunft, Wille zur Macht
Aus Sicht Zarathustras waren vor Gott alle Menschen gleich. Mit dem Tod Gottes aber sind nur noch vor „dem Pöbel“ alle Menschen gleich. Darum ist der Tod Gottes eine Chance für den Übermenschen.
Zarathustra liebt an den Menschen ihre Brückenfunktion zum Übermenschen, er liebt an ihnen ihren „Untergang“. „Der Mensch ist etwas, was überwunden werden will.“ [5] Das Kennzeichen des „höheren Menschen“ ist seine Selbstüberwindung. Diese Anstrengung, die Züchtung und Bildung gleichermaßen ist, ist ein schöpferisches Bestreben, das nicht auf dem Marktplatz stattfindet, wo der Pöbel im Austausch der Waren nur tut, was dem persönlichen Vorteil dient. Der höhere Mensch ist vielmehr schöpferisch und selbstzweckhaft tätig, um der Vollendung der Dinge willen. Er wertet um, was den Menschen auf dem Marktplatz gleichgültig ist und unnütz scheint, darum steht er einsam gegen den Pöbel. Er ist ein Neuerer und damit ein Vernichter.
Als Bejaher des Lebens sind seine bevorzugten Ausdrucksformen die Leichtigkeit des Tanzes und das Lachen. „… Alle Lust will Ewigkeit.“ [6] Die höchste Form der Lebensbejahung symbolisiert sich im „Ring der Wiederkunft“. Auch wenn die Welt keinem göttlichen Endzweck zustrebt, so findet der Übermensch in seinem schöpferischen Akt der Selbstvervollkommnung seine Selbstbestätigung, die ihm die „ewige Wiederkunft des Gleichen“ bejahen lässt, dass sein Leben so ist, wie es ist, selbst wenn es sich auf ewig wiederholen würde.
Sein ursprünglicher Antrieb in der „Umwertung aller Werte“ nach Höherem zu streben und Schöpfer zu sein, ist sein „Wille zur Macht“. [7] Aufgrund dieses Schöpfungsprinzips entgeht die Welt auch ohne Gott ihrer Gleichgültigkeit und findet zur Bedeutung.
Die neuen Tugenden des „Übermenschen“ sind vor allem:
- das Schaffen, die Tat. Der Übermensch ist ein schaffender Mensch. Zum Schaffen gehört jedoch immer auch das Vernichten.
- Selbstliebe, die Knechtsein und Wehmut verhindert
- Liebe zum Leben und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
- der (männliche) Wille des Übermenschen, der sein einziger Handlungsmaßstab ist
- (Kriegs-)Mut, Härte und Kompromisslosigkeit in der Durchsetzung seiner Ziele
Entstehung und Einreihung in Nietzsches Schriften
Entstehung, Erscheinen und spätere Umarbeitungen
Die vier Teile des Zarathustra sind im Zeitraum vom November 1882 bis Februar 1885 entstanden. Die Dauer, die die einzelnen Bücher in Anspruch nahmen, unterschied sich aber ganz erheblich. Benötigte Nietzsche für den ersten Teil zwei Monate, für den zweiten und dritten nicht mal einen, so beschäftigte ihn der abschließende Teil den gesamten Herbst und Winter 1884/85.
Stellung der Schrift in Nietzsches Werk
Der Zarathustra leitet endgültig die Phase des späten Nietzsche ein: Stellten seine bisherigen Werke in erster Linie eine Analyse seiner Zeit und eine Kritik an ihren Strukturen dar, so versucht Nietzsche nun einen Gegenentwurf zur Gegenwart zu schaffen. Die Verkündung eines höheren Menschen leitet die Gedankensprünge ein, die zu Nietzsches Neubewertung der Moral führen, was er später in Jenseits von Gut und Böse und Zur Genealogie der Moral ausführt.
Einflüsse und Ähnlichkeiten zu anderen Philosophien
Schopenhauer
In der Distanzierung von Schopenhauers Schrift Die Welt als Wille und Vorstellung mit dessen pessimistischen Deutung des Willens als einer universalen irrational wirkenden Kraft, formulierte Nietzsche den Gedanken vom „Willen zur Macht“ als eine lebensbejahende „dionysischen“ Schöpfungsenergie, die die Welt bewegt. Das schöpferische „Werden“ mündet nach Nietzsches Vorstellung entgegen der „christlichen Weltauffassung“ jedoch in keine endzeitliche Welterlösung, sondern vollzieht als beständig wiederholendes Spiel der Selbsterneuerung eine „Ewige Wiederkehr des Gleichen“.
Deutungen und Rezeption

Nietzsche selbst bezeichnete Also sprach Zarathustra als „das tiefste Buch, das die Menschheit besitzt“. In ihm finden sich wichtige Motive der Philosophie Nietzsches: der „Tod Gottes“, der schon in der Fröhlichen Wissenschaft verkündet wurde sowie zum ersten Mal der „Übermensch“ und der „Wille zur Macht“. Nietzsche zufolge ist der Hauptgedanke des Zarathustra aber die Lehre der ewigen Wiederkunft, nach der alles Geschehen sich schon unendlich oft wiederholt hat und noch unendlich oft wiederholen wird.
Der Name Zarathustra für den Weisen wird von Nietzsche selbst damit erklärt, dass die gleichnamige historische Gestalt als erster die Moral als Unterteilung der Welt in Gut und Böse zum Prinzip gemacht habe; daher müsse Zarathustra auch der erste sein, der diesen Irrtum einsieht und sich nun „jenseits von Gut und Böse“ stellt. Diese Umkehrung bestehender Lehren spiegelt sich in Also sprach Zarathustra auch darin wider, dass u.a. Bibelstellen parodiert werden.
Auch schickte Nietzsche seinen Zarathustra gleich viermal in die Stadt „Bunte Kuh“ und knöpfte sich damit den Buddha (bzw. was er von Buddha wusste) vor. Denn es war diese Stadt, in der Buddha eine seiner bekanntesten Reden hielt, die als Mahásatipatthána Sutta[8] überliefert ist. Beispielsweise in „Von den Lehrstühlen der Tugend“ lässt Nietzsche seinen Zarathustra über Buddha (ohne ihn jedoch direkt zu benennen) sagen: „Seine Weisheit heißt: wachen, um gut zu schlafen.“ Hier ist die Mahásatipatthána Sutta selbst das Ziel des Spottes. Ihr Thema ist die Achtsamkeitsmeditation: Meditieren, um wachsam zu werden. In Umkehrung dieser Lehre vertauscht Zarathustra frech Methode und Übungsziel, ist aber dann doch nicht völlig ohne Sympathie für sie und fährt im gleichen Satz fort: „Und wahrlich, hätte das Leben keinen Sinn und müsste ich Unsinn wählen, so wäre auch mir dies der wählenswürdigste Unsinn.“
Die weitere Deutung des Werks ist stark umstritten. Nach Meinung eines der Herausgeber von Nietzsches Gesamtausgabe, Giorgio Colli, stellt das Werk weniger eine zusammenhängende Philosophie als vielmehr unmittelbare „subjektive Ergüsse“ eines Philosophen dar, der sich dichterischer und prophetischer Sprache bedient. Auch andere Interpreten betonen, dass das Werk kein philosophisches System oder eine Lehre im klassischen Sinne entwickelt.
Eine grundsätzliche Frage ist die der Rollenprosa: Nietzsche verkündet selbst eben keine Lehren, sondern legt sie einer fiktiven Gestalt in den Mund. Deswegen sollten Nietzsches „Zarathustra“ und Nietzsche selbst nicht einfach identifiziert werden.
Eine Interpretation sieht schon in der Form des Werkes einen wichtigen Ausdruck; damit mache Nietzsche Philosophie überhaupt problematisch, denn er wirft die Frage auf, ob und wie Erkenntnisse „gelehrt“ werden können. Auch in dem Werk finden sich entsprechende sprach- und erkenntnistheoretische Bemerkungen.
Nach einer Interpretation steht der Mensch nach dem Tod Gottes, der Erkenntnis, dass alle bisherigen Werte unglaubwürdig geworden sind, vor einer sinnlosen Welt, dem Hereinbrechen des Nihilismus. Die größte Gefahr sei nun das Aufkommen des „letzten Menschen“, einer antriebslosen, glücklichen Herde, die nichts mehr erreichen will. Dagegen stünde der Übermensch, der ein neuer Sinn sein könne:
- „Unheimlich ist das menschliche Dasein und immer noch ohne Sinn […]. Ich will die Menschen den Sinn ihres Seins lehren: welcher ist der Übermensch, der Blitz aus der dunklen Wolke Mensch.“
Den Übermensch habe es bisher noch nie gegeben, selbst Zarathustra sei nur ein Vorläufer des Übermenschen. Zarathustra ist jedoch optimistisch, dass der Übermensch kommen wird. Der Übermensch könne nur aus der Selbstüberwindung des 'alten Menschen' entstehen. Das einzig gute am jetzigen, „überflüssigen“ Menschen sei, dass er bald untergehen werde und in diesem Untergang den Übermenschen erschafft.
Nationalsozialismus
Einige Textstellen, in denen Zarathustra den Starken das Recht zubilligt, sich zu nehmen, was sie wollen, und den „Überflüssigen“ den Tod wünscht, wurden immer wieder als sozialdarwinistisch interpretiert. Man muss jedoch hier bedenken, dass in einer Zeit nach den Revolutionen von Frankreich im 18. Jahrhundert (auf letztere folgte z. B. ein diktatorischer „Freigeist“ wie Napoleon) und später auch Deutschland die Möglichkeiten und Grenzen des Individuums stark diskutiert wurden. So auch fast zeitgleich ausgedrückt in Dostojewskis Hauptfigur Raskolnikow in seinem Roman Schuld und Sühne von 1866. Auch die Lehre vom „Übermenschen“ wurde – vor allem im deutschsprachigen Raum – immer wieder mit der germanischen Herrenrasse der Arier assoziiert. Also sprach Zarathustra bot in der Zeit des Nationalsozialismus Material, das – unter Missachtung des Textzusammenhangs – überspitzt und ideologisch verfälscht werden konnte.
Ob das Werk Nietzsches in höherem Maße geeignet war, das Denken der Nationalsozialisten zu inspirieren, als das Denken seiner Gegner, wie etwa eines Martin Buber, der den ersten Teil des Zarathustra ins Polnische übersetzt hat, oder anderer Geistesgrößen wie Thomas Mann, Sartre oder Camus, wird bezweifelt.[9]. Vielmehr konnte ein Nietzschekenner, wie Walter Kaufmann, den Nachweis führen, dass die Berufung des Nationalsozialismus auf Nietzsches Werk zu großen Teilen auf Täuschung und Verkennung beruht.
Vertonung durch Richard Strauss
Der Komponist Richard Strauss schuf eine gleichnamige sinfonische Dichtung, die 1896 uraufgeführt wurde. Siehe: Also sprach Zarathustra (Strauss)
Literatur
- Claus Zittel: Das ästhetische Kalkül von Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra". Würzburg 2001, ISBN 978-3826018367
- Stanley Rosen: The Mask of Enlightenment, Nietzsche's Zarathustra, 2004, ISBN 0-300-10451-0
Siehe auch
Weblinks
- Also sprach Zarathustra bei Zeno.org.
- Also sprach Zarathustra als E-Book bei Project Gutenberg
- Also sprach Zarathustra im Projekt Gutenberg-DE
- Literatur zu Also sprach Zarathustra, Verzeichnis der Weimarer Nietzsche-Bibliographie
- Gesamtfassung des Werkes Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen im Nietzsche-Blog von namicoNET.
Quellen
- ↑ a b c d Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Die Reden Zarathustras, Von alten und jungen Weiblein
- ↑ Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, 1. Buch, 7. Hauptstück, 424. Aphorismus
- ↑ Eugen Roth-Bodmer, Schlüssel zu Nietzsches Zarathustra: Ein interpretierender Kommentar zu Nietzsches Werk Also sprach Zarathustra, Meilen-Druck AG, Seite 58
- ↑ Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Anhang, 3. Lied
- ↑ Also sprach Zarathustra, 1. Teil, Zarathustras Vorrede, Nr. 3, Stuttgart 64, Seite 6
- ↑ A. a. O. 3. Teil, Das andere Tanzlied, Nr.3, Seite 218
- ↑ A. a. O. 2. Teil, Von der Selbstüberwindung, Seite 105
- ↑ http://www.palikanon.com/digha/d22.htm Gotama Buddha (überliefert): Dígha Nikáya (DN 22), Mahásatipatthána Sutta
- ↑ Vgl. W. Kaufmann, Nietzsche, 1982, Darmstadt, S. 435, 488f, 491