„Artikel 301 (türkisches Strafgesetzbuch)“ – Versionsunterschied
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*Dezember 2007: Die Türkei gibt an, die Beleidigung des Türkentums künftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, verlangt dafür jedoch ein Entgegenkommen der [[EU]] bezüglich eines möglichen Beitritts.<ref>http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2007-12-07T143027Z_01_KOE752209_RTRDEOC_0_TRKEI-REFORMEN-ZF.xml&archived=False</ref> |
*Dezember 2007: Die Türkei gibt an, die Beleidigung des Türkentums künftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, verlangt dafür jedoch ein Entgegenkommen der [[EU]] bezüglich eines möglichen Beitritts.<ref>http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2007-12-07T143027Z_01_KOE752209_RTRDEOC_0_TRKEI-REFORMEN-ZF.xml&archived=False</ref> |
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*Dezember 2007: Eine Änderung wird für das Jahr 2008 als sicher angegeben. Demnach wird "Türkentum" in "türkisches Volk" und "die Republik" in "die türkische Republik" umgeändert. Gänzlich aufgehoben wird ''Wenn die Verunglimpfung des Türkentums durch einen türkischen Staatsbürger im Ausland begangen wurde, wird die Strafe um ein Drittel erhöht''. Jede Meinungsäußerung außer Äußerungen, die zu Terror und Gewalt aufrufen, werden als Kritik eingestuft und sind nicht mehr mit diesem Artikel verhandelbar.<ref>[http://www.zaman.com.tr/haber.do?haberno=629261 Zaman: ''Der Ministerpräsident hat auf den Knopf gedrückt: 301 wird im neuen Jahr geändert (übersetzt)''] - 26.12.2007</ref> |
*Dezember 2007: Eine Änderung wird für das Jahr 2008 als sicher angegeben. Demnach wird "Türkentum" in "türkisches Volk" und "die Republik" in "die türkische Republik" umgeändert. Gänzlich aufgehoben wird ''Wenn die Verunglimpfung des Türkentums durch einen türkischen Staatsbürger im Ausland begangen wurde, wird die Strafe um ein Drittel erhöht''. Jede Meinungsäußerung außer Äußerungen, die zu Terror und Gewalt aufrufen, werden als Kritik eingestuft und sind nicht mehr mit diesem Artikel verhandelbar.<ref>[http://www.zaman.com.tr/haber.do?haberno=629261 Zaman: ''Der Ministerpräsident hat auf den Knopf gedrückt: 301 wird im neuen Jahr geändert (übersetzt)''] - 26.12.2007</ref> |
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* Der Internetpräsenz des türkischsprachigen Nachrichtensenders [[CNN|CNN Turk]] zufolge wurden innerhalb von 5 Jahren 1`481 Prozesse |
* Der Internetpräsenz des türkischsprachigen Nachrichtensenders [[CNN|CNN Turk]] zufolge wurden innerhalb von 5 Jahren 1`481 Prozesse eröffnet, die auf diesen Paragraphen beruhen. <ref>[http://www.cnnturk.com/TURKIYE/haber_detay.asp?PID=318&HID=2&haberID=448731 Cnnturk.com: 301'den 5 yılda bin 481 dava açıldı] , abgerufen am 25. April 2008 </ref> |
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==Internationaler Vergleich== |
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Version vom 15. April 2008, 13:53 Uhr

Die Beleidigung des Türkentums, der Republik und der Institutionen und Organe des Staates (türkisch: Türklüğü, Cumhuriyeti, Devletin kurum ve organlarını aşağılama) ist ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch der Republik Türkei, geregelt in § 301, der seit dem 1. Juni 2005 in Kraft ist.
Wortlaut und Herkunft
- Die Person, die das Türkentum, die Republik und die Große Nationalversammlung der Türkei öffentlich verunglimpft, wird mit Haft zwischen sechs Monaten und drei Jahren bestraft.
- Die Person, die die Regierung der Republik Türkei, die Justizorgane des Staates oder die Einrichtungen des Militärs oder der Polizei öffentlich verunglimpft, wird mit Haft zwischen sechs Monaten und zwei Jahren bestraft.
- Wenn die Verunglimpfung des Türkentums durch einen türkischen Staatsbürger im Ausland begangen wurde, wird die Strafe um ein Drittel erhöht.
- Meinungsäußerungen, die der Kritik dienen, sind nicht als Straftat zu werten.
Der § 301 des türkischen StGB geht auf den Paragraphen 159 des alten türkischen Strafgesetzbuches zurück. Dieser Paragraph sah für alle Straftatbestände eine dreijährige Haftstrafe vor. Zusätzlich beinhaltete er eine Verfolgungsermächtigung des Justizministers. Die Staatsanwaltschaft konnte ohne Einwilligung des Ministers kein Verfahren eröffnen.
Rechtspraxis
Der Strafsenat des Kassationshofes definierte am 11. Juli 2006 im Zusammenhang mit dem Urteil gegen den armenischen Journalisten Hrant Dink das Türkentum folgendermaßen:
- "Türkentum bedeutet die Gesamtheit der nationalen und ideellen Werte, die aus den humanitären, religiösen und historischen Werten, die die türkische Nation bilden, und aus der nationalen Sprache, den nationalen Gefühlen und nationalen Traditionen resultieren."
Von allen Verfahren nach dem umstrittenen Paragraphen sind etwa elf Prozent Verfahren wegen des Delikts der Beleidigung des Türkentums. In den seltensten Fällen kommt es zu einer Verurteilung wegen dieses Straftatbestands. Weitaus mehr Fälle betreffen die Beleidigung der Republik Türkei, der Gerichtsorgane und der Sicherheits- und Polizeikräfte. Zahlreiche Intellektuelle und Schriftsteller gerieten mit dieser Strafvorschrift in Konflikt. Prominente Beispiele:
- Der 2007 ermordete armenische Journalist Hrant Dink, wurde als erster explizit wegen „Beleidigung des Türkentums“ 2005 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.[1]
- Die Schriftstellerin Elif Şafak wurde im September 2006 vom gleichen Vorwurf freigesprochen.
- Das Verfahren gegen den Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wurde am 22. Januar 2006 auf Grund einer fehlenden Verfolgungsermächtigung des türkischen Justizministers eingestellt.
- Im Mai 2007 wurde der kurdische Politiker Mahmut Alınak wegen Beleidigung des Parlamentes und der Streitkräfte zu 10 Monaten Haft verurteilt.[2]
- Am 11. Oktober 2007 verurteilte ein Strafgericht in Istanbul Arat Dink, den Bruder des ermordeten Hrant Dink, und Serkis Seropyan zu jeweils einem Jahr Haft wegen Beleidigung des Türkentums.[3][4]
- Am 20. März 2008 wurde die Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Eren Keskin von einem türkischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.[5]
Politische Diskussion
Begründet wird der Widerstand in der Türkei gegen die Streichung der Vorschrift zum einen mit dem Argument, dass die Schmähung von Staat und Volk nicht ungestraft bleiben dürfe, und zum anderen mit dem juristischen Hinweis, dass sich die Rechtsprechung zum im Juni 2006 in Kraft getretenen Strafgesetzbuch noch nicht gefestigt habe.
- Dezember 2005: Amnesty International verlangt die Streichung der Vorschrift und appelliert an die türkischen Behörden, unverzüglich alle diesbezüglichen Verfahren einzustellen bzw. für ungültig zu erklären und die entsprechenden Anklagen aufzuheben.[6]
- November 2006: Der türkische Ministerpräsident, Recep Tayyip Erdoğan, deutet erstmals an, den umstrittenen Strafrechtsparagrafen 301 ändern zu wollen. Ende Januar 2007 erklärt er, dass eine Änderung möglich sei, aber seine Regierung über die Abschaffung des Paragrafen nicht nachdenke.[7] Die EU-Kommission fordert in ihrem Fortschrittsbericht sowie im Strategiedokument für die Erweiterung eine Änderung, da ansonsten ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union nicht möglich sei.[8]
- Januar 2007: Der türkische Parlamentspräsident Bülent Arınç spricht sich für die Aufhebung bzw. totale Änderung des § 301 aus.[9] Der türkische Außenminister Abdullah Gül hält eine Änderung des Paragraphen für notwendig.[10] Die türkische Regierung gibt erste Signale für eine Änderung des Gesetzes. Regierungsvertreter warten jedoch noch auf Vorschläge von Zivilorganisationen.[11] Der Justizminister Cemil Çiçek äußert sich positiv bezüglich einer Änderung des Paragraphen. Er fordert alle, die eine Änderung für nötig halten, auf, ihm Vorschläge zu unterbreiten.[12] Der Paragraph rückt zudem durch die Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Sein Mörder, ein nationalistischer Extremist, und seine Sympathisanten hatten sich auf die Verteidigung der Ehre der Türkei berufen. In engem Zusammenhang mit dem Mord an Dink ist daher nach Meinung von Intellektuellen wie z. B. Orhan Pamuk der Paragraph 301 zu sehen. Mit Hilfe des Paragraphen sei Dink zur Zielscheibe gemacht und zum Feind der Türken ausgerufen worden.[13][14]
- Mai 2007: Der Parteichef der kemalistischen CHP Deniz Baykal sprach sich gegen eine Änderung des Paragraphen aus.[15]
- Dezember 2007: Die Türkei gibt an, die Beleidigung des Türkentums künftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, verlangt dafür jedoch ein Entgegenkommen der EU bezüglich eines möglichen Beitritts.[16]
- Dezember 2007: Eine Änderung wird für das Jahr 2008 als sicher angegeben. Demnach wird "Türkentum" in "türkisches Volk" und "die Republik" in "die türkische Republik" umgeändert. Gänzlich aufgehoben wird Wenn die Verunglimpfung des Türkentums durch einen türkischen Staatsbürger im Ausland begangen wurde, wird die Strafe um ein Drittel erhöht. Jede Meinungsäußerung außer Äußerungen, die zu Terror und Gewalt aufrufen, werden als Kritik eingestuft und sind nicht mehr mit diesem Artikel verhandelbar.[17]
- Der Internetpräsenz des türkischsprachigen Nachrichtensenders CNN Turk zufolge wurden innerhalb von 5 Jahren 1`481 Prozesse eröffnet, die auf diesen Paragraphen beruhen. [18]
Internationaler Vergleich
Wesentlicher Unterschied zwischen den Straftatbeständen anderer Länder und der Türkei ist, dass der Begriff des Türkentums verwendet wird und ein Pendant in den Strafgesetzbüchern dieser Länder fehlt. Die vermeintliche Beleidigung des Türkentums bietet relativ viel Raum für Anfeindungen und wurde von der türkischen Justiz wiederholt dafür herangezogen, Kritiker aus dem eigenen Land für kritische Anmerkungen über den türkischen Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern zu bestrafen. Der Paragraph ist inhaltlich äußerst vage und offen für Interpretationen: Was „Herabwürdigung“ des Türkentums etwa von „Kritik“ unterscheidet, bleibt ungeklärt. Aufgrund dessen beschneidet er im internationalen Vergleich die Meinungsfreiheit und wird u. a. von der Europäischen Kommission und auch Amnesty International als ernste Bedrohung der Meinungsfreiheit in der Türkei angesehen.[19][20][21]
Siehe auch
Quellen
- ↑ NZZ Online: Politische Bluttat in der Türkei geklärt, 21. Januar 2007
- ↑ Zu den Hintergründen vgl. Artikel im "derStandard"
- ↑ FR-Online: Arat Dink in der Türkei verurteilt
- ↑ Meldung der Hürriyet vom 11. Oktober 2007
- ↑ tagesschau.de: Kritik an türkischer Armee Sechs Monate Haft für Menschenrechtlerin Keskin[1], 20. März 2008
- ↑ amnesty-meinungsfreiheit.de:Das Gesetz über die "Verunglimpfung des Türkentums" ist eine Bedrohung der Freiheit der Meinungsäußerung Dezember 2005
- ↑ cnnturk.com:"301'inci maddede tümden iptal yok"-Keine Abschaffung des 301. Paragrafen 29. Januar 2007
- ↑ bundestag.de:Fortschrittsbericht zu Türkei-Beitritt vorgestellt, Das Parlament, Ausgabe 46 vom 13. November 2006
- ↑ zaman.com:Arınç: 301. madde kaldırılabilir zaman.com.tr23. Januar 2007
- ↑ todayszaman.com:Gül admits article 301 problematicm25. Januar 2007
- ↑ todayszaman.com:Pressure mounts on government to amend Article 30126.01.2007
- ↑ zaman.com.tr:Bakan Çiçek yeşil ışık yaktı: 301. madde değişebilir28. Januar 2007
- ↑ Mörder sollte die Ehre der Türkei retten , Die Welt.de, 22. Januar 2007
- ↑ "Ich bin wie eine Taube" , Tagesspiegel Online, 22. Januar 2007
- ↑ Chancenlose Linke , Der Standard Online, abgerufen am 23. Mai 2007
- ↑ http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2007-12-07T143027Z_01_KOE752209_RTRDEOC_0_TRKEI-REFORMEN-ZF.xml&archived=False
- ↑ Zaman: Der Ministerpräsident hat auf den Knopf gedrückt: 301 wird im neuen Jahr geändert (übersetzt) - 26.12.2007
- ↑ Cnnturk.com: 301'den 5 yılda bin 481 dava açıldı , abgerufen am 25. April 2008
- ↑ derStandard.at:Europarat fordert Reform des "Türkentum"-Paragrafen 26. Januar 2007
- ↑ faz.net:Elif Şafak hat das Türkentum nicht beleidigt 21. September 2006
- ↑ taz.de:Ein Sieg für die Meinungsfreiheit 22. September 2006
Weblinks
- Bericht des Deutschlandfunks zu diesem Thema vom 10. November 2005
- Bericht des Deutschlandfunks zu diesem Thema vom 9. Januar 2008
- Komplette deutsche Übersetzung des Berichtes von amnesty international zum Artikel 301
- Übersicht über Verfahren nach Artikel 301 in einem privaten Wiki
- BBC-News Online Pair guilty of insulting "Turkishness"
- Pressure mounts on government to amend Article 301 Zeitungsartikel auf todayszaman.com
- EU: We never said we were OK with 301 Zeitungsartikel auf todayszaman
- NGOs send the ball back to government's court on 301 changes Zeitungsartikel auf todayszaman