„Kratylos“ – Versionsunterschied
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Die von Platon aufgestellte Problematik findet sich fast unverändert in der sprachwissenschaftlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts. Es wurde also bisher keine Lösung in Richtung der Meinung des Kratylos oder der Hermogenes gefunden. Von [[Ferdinand de Saussure]] wurde [[1916]] <ref> Anm. 1916 veröffentlichten Schüler Saussures die Mitschriften: ''Cours de linguistique générale'' </ref> die These vertreten, dass sprachliche Zeichen auf Konventionen innerhalb einer Sprachgemeinschaft beruhen. Sprachwissenschaftlich ist das die These der [[Arbitrarität]]. Auch die vordem [[1907]] entwickelte These der [[Ikonizität]] der Zeichen, die auf den Philosophen [[Charles S. Peirce]] und die von ihm entwickelte [[Triade|triadische]] [[Semiotik]] (Ojekt+Interpretiation=Zeichen) <ref> Vgl. genauer: Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html] </ref> zurückzuführen ist, berücksichtigt die Notwendigkeit der [[Interpretation]] durch das [[Subjekt]]. Das [[Ikon (Linguistik)|Ikon]] ist ein wahrnehmungsnahes Objektmerkmal mit bildhaftem Charakter, das durch Interpretation zum Zeichen wird <ref> Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html] </ref>. Jedoch benötigt die These Peirce eine "erklärende Hypothese" (Peirce), die durch [[Abduktion (Wissenschaftstheorie)|Abduktion]] gebildet werden muss und sich nicht verifizieren läßt.<ref> Vgl. Ansgar Richter: Der Begriff der Abduktion bei Charles S. Peirce, Lang, Frankfurt/Main 1995, vgl. Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html], Jörg Seidel: Die Theorie der Abduktion bei Charles Sanders Peirce und Umberto Eco [http://seidel.jaiden.de/peirce_eco.php] </ref> Das Bezeichnende (Saussure: signifiant) weist oftmals Ähnlichkeiten zum Bezeichneten (Saussure: signifié) auf. Das Bezeichnete wird durch ein Zeichen wahrnehmbar. Ein klassisches Beispiel sind Tierlaute wie das Bellen eines Hundes oder das Muhen einer Kuh (siehe auch [[Onomatopoesie]]). Ikonische Ähnlichkeiten finden sich auch in Wort- und Satzstrukturen ([[Morphologie]] und [[Syntax]]). Ein weiterer Typ der Ikonizität ist die [[Metapher]]. Ikonozität spielt in der Bildsemantik von [[Roland Barthes]] eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund entspricht selbst die offene Haltung Platons zu dem dargestellten Dilemma der differenzierten Sichtweise der modernen Sprachwissenschaft. |
Die von Platon aufgestellte Problematik findet sich fast unverändert in der sprachwissenschaftlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts. Es wurde also bisher keine Lösung in Richtung der Meinung des Kratylos oder der Hermogenes gefunden. Von [[Ferdinand de Saussure]] wurde [[1916]] <ref> Anm. 1916 veröffentlichten Schüler Saussures die Mitschriften: ''Cours de linguistique générale'' </ref> die These vertreten, dass sprachliche Zeichen auf Konventionen innerhalb einer Sprachgemeinschaft beruhen. Sprachwissenschaftlich ist das die These der [[Arbitrarität]]. Auch die vordem [[1907]] entwickelte These der [[Ikonizität]] der Zeichen, die auf den Philosophen [[Charles S. Peirce]] und die von ihm entwickelte [[Triade|triadische]] [[Semiotik]] (Ojekt+Interpretiation=Zeichen) <ref> Vgl. genauer: Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html] </ref> zurückzuführen ist, berücksichtigt die Notwendigkeit der [[Interpretation]] durch das [[Subjekt]]. Das [[Ikon (Linguistik)|Ikon]] ist ein wahrnehmungsnahes Objektmerkmal mit bildhaftem Charakter, das durch Interpretation zum Zeichen wird <ref> Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html] </ref>. Jedoch benötigt die These Peirce eine "erklärende Hypothese" (Peirce), die durch [[Abduktion (Wissenschaftstheorie)|Abduktion]] gebildet werden muss und sich nicht verifizieren läßt.<ref> Vgl. Ansgar Richter: Der Begriff der Abduktion bei Charles S. Peirce, Lang, Frankfurt/Main 1995, vgl. Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Peirces_Zeichen.html], Jörg Seidel: Die Theorie der Abduktion bei Charles Sanders Peirce und Umberto Eco [http://seidel.jaiden.de/peirce_eco.php] </ref> Das Bezeichnende (Saussure: signifiant) weist oftmals Ähnlichkeiten zum Bezeichneten (Saussure: signifié) auf. Das Bezeichnete wird durch ein Zeichen wahrnehmbar. Ein klassisches Beispiel sind Tierlaute wie das Bellen eines Hundes oder das Muhen einer Kuh (siehe auch [[Onomatopoesie]]). Ikonische Ähnlichkeiten finden sich auch in Wort- und Satzstrukturen ([[Morphologie]] und [[Syntax]]). Ein weiterer Typ der Ikonizität ist die [[Metapher]]. Ikonozität spielt in der Bildsemantik von [[Roland Barthes]] eine wesentliche [[Dekonstruktion|dekonstruktionistische]] Rolle. Vor diesem Hintergrund entspricht selbst die offene Haltung Platons zu dem dargestellten Dilemma der differenzierten Sichtweise der modernen Sprachwissenschaft. |
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== Literatur == |
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Version vom 21. Januar 2007, 11:02 Uhr
Kratylos ist ein sprachphilosophische Themen behandelnder Dialog Platons. In ihm setzt sich Platon mit der Frage auseinander, wie die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks zustande kommt.
Inhalt
Der - nach dem Philosophen Kratylos benannte - Diskussionspartner des Hermogenes behauptet in diesem Dialog, dass jedes Ding von Natur aus einen richtigen Namen hat. Als Gegenspieler vertritt Hermogenes die Auffassung, dass ein Begriff dadurch richtig wird, dass seine Bedeutung durch eine Vereinbarung hergestellt wird. Kratylos argumentiert, dass Sätze und damit auch Wörter wahr oder falsch sein können. Die richtige Bedeutung erkennt man an der Wahrheit einer Aussage. Hermogenes hält dagegen, dass man eine Sprache erfinden kann, in der es möglich ist, wahre Aussagen zu machen.
Sokrates, der von den beiden als Schiedsrichter aufgefordert wird, verweist schließlich darauf, dass man die Wirklichkeit bereits kennen muss, um zu beurteilen, ob eine Aussage richtig ist beziehungsweise ob ein Begriff in der richtigen Bedeutung verwendet wurde. Entsprechend sind Begriffe nur Namen des Erkannten. Sprache aus sich heraus ist danach ohne Bedeutung. Gegen Hermogenes spricht, dass die Konventionen nicht beliebig sind, sondern dass die Namen der Dinge oftmals eine zeichenhafte Entsprechung haben. Gegen Kratylos spricht, dass manche Namen für die Dinge als Zeichen wenig geeignet sind. Offen bleibt auch die Frage, woher der Erfinder wusste, dass er mit ihnen die natürlichen Eigenschaften eines Dinges bezeichnet. Den Ausweg aus diesem Dilemma suchte Platon, indem er anstelle der Namen das Wesen der Dinge (eidos) für die Erkenntnis als grundlegend ansah.
Sprachwissenschaftliche Bedeutung
Die von Platon aufgestellte Problematik findet sich fast unverändert in der sprachwissenschaftlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts. Es wurde also bisher keine Lösung in Richtung der Meinung des Kratylos oder der Hermogenes gefunden. Von Ferdinand de Saussure wurde 1916 [1] die These vertreten, dass sprachliche Zeichen auf Konventionen innerhalb einer Sprachgemeinschaft beruhen. Sprachwissenschaftlich ist das die These der Arbitrarität. Auch die vordem 1907 entwickelte These der Ikonizität der Zeichen, die auf den Philosophen Charles S. Peirce und die von ihm entwickelte triadische Semiotik (Ojekt+Interpretiation=Zeichen) [2] zurückzuführen ist, berücksichtigt die Notwendigkeit der Interpretation durch das Subjekt. Das Ikon ist ein wahrnehmungsnahes Objektmerkmal mit bildhaftem Charakter, das durch Interpretation zum Zeichen wird [3]. Jedoch benötigt die These Peirce eine "erklärende Hypothese" (Peirce), die durch Abduktion gebildet werden muss und sich nicht verifizieren läßt.[4] Das Bezeichnende (Saussure: signifiant) weist oftmals Ähnlichkeiten zum Bezeichneten (Saussure: signifié) auf. Das Bezeichnete wird durch ein Zeichen wahrnehmbar. Ein klassisches Beispiel sind Tierlaute wie das Bellen eines Hundes oder das Muhen einer Kuh (siehe auch Onomatopoesie). Ikonische Ähnlichkeiten finden sich auch in Wort- und Satzstrukturen (Morphologie und Syntax). Ein weiterer Typ der Ikonizität ist die Metapher. Ikonozität spielt in der Bildsemantik von Roland Barthes eine wesentliche dekonstruktionistische Rolle. Vor diesem Hintergrund entspricht selbst die offene Haltung Platons zu dem dargestellten Dilemma der differenzierten Sichtweise der modernen Sprachwissenschaft.
Literatur
- Josef Derbolav: Platons Sprachphilosophie im Kratylos und in den späteren Schriften, Darmstadt 1972.
- Ernst Heitsch: Willkür und Problembewusstsein in Platons Kratylos, Stuttgart 1984.
- Rudi Keller: Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens, Franke, Tübingen 1995
- Michael Palmer: Names, reference and correctness in Plato’s Kratylos, New York, Bern, Frankfurt, Paris 1989.
Weblinks
- „Kratylos“ Der Text des Dialogs
- Andreas Eckl: Platons ‚Kratylos’ lesen
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- ↑ Anm. 1916 veröffentlichten Schüler Saussures die Mitschriften: Cours de linguistique générale
- ↑ Vgl. genauer: Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [1]
- ↑ Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [2]
- ↑ Vgl. Ansgar Richter: Der Begriff der Abduktion bei Charles S. Peirce, Lang, Frankfurt/Main 1995, vgl. Michael H.G. Hoffmann: Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung [3], Jörg Seidel: Die Theorie der Abduktion bei Charles Sanders Peirce und Umberto Eco [4]