„Code civil“ – Versionsunterschied
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Die ersten Entwürfe zu einem Code Civil erfolgten in Frankreich bereits in den Revolutionsjahren [[1793]] bis [[1797]]. Im Jahr [[1800]] berief Napoléon eine vierköpfige Kommission unter der Leitung von [[Jean-Jacques Régis de Cambacérès]], die eine Rechtsvereinheitlichung schaffen sollte. Bis dahin galt im Süden Frankreichs noch das [[Römisches Recht|römische Recht]], im Norden überliefertes [[Gewohnheitsrecht]], sowie für wenige Jahre ein Übergangsrecht der Französischen Revolution. Ziel der Kommission war es, eine Verbindung von kodifiziertem Recht und Gewohnheitsrecht und - vor allem - dem revolutionären Recht herzustellen. Das Gedankengut der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat. Ein fünfbändiges Werk des Anwalts [[Jean Domat]] gilt als wichtige Quelle für den Code civil. |
Die ersten Entwürfe zu einem Code Civil erfolgten in Frankreich bereits in den Revolutionsjahren [[1793]] bis [[1797]]. Im Jahr [[1800]] berief Napoléon eine vierköpfige Kommission unter der Leitung von [[Jean-Jacques Régis de Cambacérès]], die eine Rechtsvereinheitlichung schaffen sollte. Bis dahin galt im Süden Frankreichs noch das [[Römisches Recht|römische Recht]], im Norden überliefertes [[Gewohnheitsrecht]], sowie für wenige Jahre ein Übergangsrecht der Französischen Revolution. Ziel der Kommission war es, eine Verbindung von kodifiziertem Recht und Gewohnheitsrecht und - vor allem - dem revolutionären Recht herzustellen. Das Gedankengut der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat. Ein fünfbändiges Werk des Anwalts [[Jean Domat]] gilt als wichtige Quelle für den Code civil. |
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Das Gesetzbuch wurde auch in anderen durch [[Frankreich]] in der Zeit von [[1807]] bis [[1814]] dominierten Staaten eingeführt (z.B. dem [[Großherzogtum Warschau]], [[Großherzogtum Luxemburg]], [[Mexiko]], [[Ägypten]], [[Argentinien]] und einigen Staaten der [[USA]] oder im Königreich der [[Niederlande]]). In Deutschland galt der Code in den von Frankreich mit dem [[Frieden von Lunéville]] annektierten linksrheinischen und den 1811 in das Empire einverleibten nordwestdeutschen Gebieten ([[Hamburger Franzosenzeit|Département Bouches-de-l'Elbe]], [[Bouches-du-Weser|Département des Bouches-du-Weser]], [[Lippe (Département)|Lippe-Département]] und [[Ostfriesland#Ostfriesland unter preußischer Herrschaft|Département Ems-Oriental]]) unmittelbar. In einigen [[Rheinbund|Rheinbundstaaten]] ([[Königreich Westfalen|Königreich Westphalen]], [[Großherzogtum Frankfurt|Frankfurt]], [[Herzogtum Berg|Berg]], [[Anhalt-Köthen]]) wurde er ohne große Änderung eingeführt, in anderen ([[Baden (Land)#Die Entstehung des Großherzogtums|Baden]]) teilweise in veränderter Gestalt (als "Badisches Landrecht"). In wieder anderen blieb es bei Entwürfen, so in Bayern und Nassau. |
Das Gesetzbuch wurde auch in anderen durch [[Frankreich]] in der Zeit von [[1807]] bis [[1814]] dominierten Staaten eingeführt (z.B. dem [[Großherzogtum Warschau]], [[Großherzogtum Luxemburg]], [[Mexiko]], [[Ägypten]], [[Argentinien]] und einigen Staaten der [[USA]] oder im Königreich der [[Niederlande]]). In Deutschland galt der Code in den von Frankreich mit dem [[Frieden von Lunéville]] annektierten linksrheinischen und den 1811 in das Empire einverleibten nordwestdeutschen Gebieten ([[Hamburger Franzosenzeit|Département Bouches-de-l'Elbe]], [[Bouches-du-Weser|Département des Bouches-du-Weser]], [[Lippe (Département)|Lippe-Département]] und [[Ostfriesland#Ostfriesland unter preußischer Herrschaft|Département Ems-Oriental]]) unmittelbar. In einigen [[Rheinbund|Rheinbundstaaten]] ([[Königreich Westfalen|Königreich Westphalen]], [[Großherzogtum Frankfurt|Frankfurt]], [[Herzogtum Berg|Berg]], [[Anhalt-Köthen]]) wurde er ohne große Änderung eingeführt, in anderen ([[Baden (Land)#Die Entstehung des Großherzogtums|Baden]]) teilweise in veränderter Gestalt (als "Badisches Landrecht"). In wieder anderen blieb es bei Entwürfen, so in Bayern und Nassau. Die längste Bedeutung in seiner Originalfassung hatte das Gesetzeswerk bis 1919 in dem Gebiet [[Neutral-Moresnet]]. |
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Binnen weniger Jahre galt er von [[Lissabon]] bis [[Warschau]] und von Holland bis zur Küste der Adria. Mit der Niederlage Napoleons bei [[Schlacht bei Waterloo|Waterloo]] wurde seine erfolgreiche Verbreitung keineswegs gebremst: Vor allem in West- und Südeuropa, aber auch in Nord- und Südamerika orientierten sich die Gesetzbücher am Code Civil. Zwar stellten einige auf revolutionären Wurzeln beruhende Regelungen zugleich auch Schwächen dar: Der gleiche Erbanspruch aller Kinder führte in vielen Gegenden zur Teilung des Grundbesitzes in unrentable Parzellen; Frauen wurden einem männlichen Vormund unterstellt und damit schlechter gestellt als zuvor; die (nun staatlich garantierte) Ehescheidung bevorteilte einseitig den Mann. Dennoch war ein besseres, im Geist der Aufklärung geschriebenes, Gesetzeswerk in Deutschland lange nicht in Sicht - auch das [[Allgemeines Landrecht|Preußische Allgemeine Landrecht]] (ALR) war dem Code Civil nicht ebenbürtig. Erst 1900 wurde er auch dort, wo er im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reich]] noch galt, durch das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]] (BGB) abgelöst. |
Binnen weniger Jahre galt er von [[Lissabon]] bis [[Warschau]] und von Holland bis zur Küste der Adria. Mit der Niederlage Napoleons bei [[Schlacht bei Waterloo|Waterloo]] wurde seine erfolgreiche Verbreitung keineswegs gebremst: Vor allem in West- und Südeuropa, aber auch in Nord- und Südamerika orientierten sich die Gesetzbücher am Code Civil. Zwar stellten einige auf revolutionären Wurzeln beruhende Regelungen zugleich auch Schwächen dar: Der gleiche Erbanspruch aller Kinder führte in vielen Gegenden zur Teilung des Grundbesitzes in unrentable Parzellen; Frauen wurden einem männlichen Vormund unterstellt und damit schlechter gestellt als zuvor; die (nun staatlich garantierte) Ehescheidung bevorteilte einseitig den Mann. Dennoch war ein besseres, im Geist der Aufklärung geschriebenes, Gesetzeswerk in Deutschland lange nicht in Sicht - auch das [[Allgemeines Landrecht|Preußische Allgemeine Landrecht]] (ALR) war dem Code Civil nicht ebenbürtig. Erst 1900 wurde er auch dort, wo er im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reich]] noch galt, durch das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]] (BGB) abgelöst. |
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Version vom 31. Dezember 2006, 09:36 Uhr

Der Code Civil (CC) ( 1807 - 1815 und kurzzeitig zwischen 1853 und 1871 in Code Napoléon umbenannt) ist das französische Gesetzbuch zum Zivilrecht, das durch Napoléon Bonaparte am 21. März 1804 eingeführt wurde. Mit dem Code Civil schuf Napoleon ein bedeutendes Gesetzeswerk der Neuzeit. In Frankreich ist es in wesentlichen Teilen noch heute gültig.
Geschichte
Die ersten Entwürfe zu einem Code Civil erfolgten in Frankreich bereits in den Revolutionsjahren 1793 bis 1797. Im Jahr 1800 berief Napoléon eine vierköpfige Kommission unter der Leitung von Jean-Jacques Régis de Cambacérès, die eine Rechtsvereinheitlichung schaffen sollte. Bis dahin galt im Süden Frankreichs noch das römische Recht, im Norden überliefertes Gewohnheitsrecht, sowie für wenige Jahre ein Übergangsrecht der Französischen Revolution. Ziel der Kommission war es, eine Verbindung von kodifiziertem Recht und Gewohnheitsrecht und - vor allem - dem revolutionären Recht herzustellen. Das Gedankengut der Französischen Revolution zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat. Ein fünfbändiges Werk des Anwalts Jean Domat gilt als wichtige Quelle für den Code civil.
Das Gesetzbuch wurde auch in anderen durch Frankreich in der Zeit von 1807 bis 1814 dominierten Staaten eingeführt (z.B. dem Großherzogtum Warschau, Großherzogtum Luxemburg, Mexiko, Ägypten, Argentinien und einigen Staaten der USA oder im Königreich der Niederlande). In Deutschland galt der Code in den von Frankreich mit dem Frieden von Lunéville annektierten linksrheinischen und den 1811 in das Empire einverleibten nordwestdeutschen Gebieten (Département Bouches-de-l'Elbe, Département des Bouches-du-Weser, Lippe-Département und Département Ems-Oriental) unmittelbar. In einigen Rheinbundstaaten (Königreich Westphalen, Frankfurt, Berg, Anhalt-Köthen) wurde er ohne große Änderung eingeführt, in anderen (Baden) teilweise in veränderter Gestalt (als "Badisches Landrecht"). In wieder anderen blieb es bei Entwürfen, so in Bayern und Nassau. Die längste Bedeutung in seiner Originalfassung hatte das Gesetzeswerk bis 1919 in dem Gebiet Neutral-Moresnet.
Binnen weniger Jahre galt er von Lissabon bis Warschau und von Holland bis zur Küste der Adria. Mit der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde seine erfolgreiche Verbreitung keineswegs gebremst: Vor allem in West- und Südeuropa, aber auch in Nord- und Südamerika orientierten sich die Gesetzbücher am Code Civil. Zwar stellten einige auf revolutionären Wurzeln beruhende Regelungen zugleich auch Schwächen dar: Der gleiche Erbanspruch aller Kinder führte in vielen Gegenden zur Teilung des Grundbesitzes in unrentable Parzellen; Frauen wurden einem männlichen Vormund unterstellt und damit schlechter gestellt als zuvor; die (nun staatlich garantierte) Ehescheidung bevorteilte einseitig den Mann. Dennoch war ein besseres, im Geist der Aufklärung geschriebenes, Gesetzeswerk in Deutschland lange nicht in Sicht - auch das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) war dem Code Civil nicht ebenbürtig. Erst 1900 wurde er auch dort, wo er im Deutschen Reich noch galt, durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) abgelöst.
Als Partikularrechte konnten Teile des Code Civil in einigen deutschen Gebieten jedoch fortgelten. So galt beispielsweise in Rheinland-Pfalz bis zum Erlass des Nachbarrechtsgesetz am 1. Januar 1971 weiter das Nachbarschaftsrecht des Code Civil.
In Frankreich sind von den jetzt gültigen 2.285 Artikeln des Code Civil noch 1.200 in Übereinstimmung mit dem Urwerk.
In 22 Staaten wurde im Jahr 2004 das 200jährige Jubiläum des Code Civil öffentlich gefeiert.
Inhalt
Maximen
Der Code Civil garantierte allen männlichen Bürgern:
(die wesentlichen Forderungen der französischen Revolution: Liberté=Freiheit, Egalité=Gleichheit, Fraternité=Brüderlichkeit)
- Gleichheit vor dem Gesetz
- Freiheit für jeden
- Schutz des Privateigentums
- Vollkommene Trennung von Staat und Kirche (Laizismus)
- Abschaffung des Zunftzwangs
- Gewerbefreiheit und freie Berufswahl
- Schaffung der juristischen Basis für die Marktwirtschaft
- Aufzeichnung von Geburten und Todesfällen (Personenstandswesen)
Aufteilung und Gliederung
Der Code civil ist seit seinem Inkrafttreten 1804 in drei Bücher aufgeteilt:
- Livre Ier: Des personnes / Über die Personen (Art. 7 - 515-8 Code civil)
- Livre II: Des biens et des différentes modifications de la propriété / Von den Sachen und den einzelnen Änderungen des Eigentums (Art. 516 -710 Code civil)
- Livre III: Des différentes manières dont on acquiert la propriété / Von den einzelnen Arten, Eigentum zu erwerben (Art. 711 - 2283 Code civil)
Den drei Büchern ist ein titre préliminaire ("De la publication, des effets et de l'application des lois en général / Von der Veröffentlichung, der Wirkung und der Anwendung der Gesetze", Art. 1 - 6 Code civil) vorangestellt, der das Inkrafttreten, grundlegende Prinzipien (Rückwirkungsverbot, Justizverweigerungsverbot, Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte) und Kollisionsnormen (Internationales Privatrecht) enthält. Im Jahr 2002 wurde, systematisch an fragwürdiger Stelle, ein viertes Buch ("Dispositions applicables à Mayotte / Auf Mayotte anwendbare Vorschriften", Art. 2284 - 2285 Code civil) angehängt, welches die Anwendung des Code civil auf das Übersee-Territorium Mayotte regelt.
Siehe auch
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Codex Maximilianeus bavaricus civilis
- Kodifikation
- Österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
- Preußisches Allgemeines Landrecht (ALR)
Literatur
- Alfons Bürge: Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert - zwischen Tradition und Pandektenwissenschaft, Liberalismus und Etatismus, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-46502-815-5
- Elisabeth Fehrenbach: Der Einfluß des "Code Napoléon" auf das Rechtsbewußtsein in den Ländern des rheinischen Rechts. In: Joseph Jurt (Hrsg.): Wandel von Recht und Rechtsbewußtsein in Frankreich und Deutschland. Berlin-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-87061-806-X, S. 133-141.
- Elisabeth Fehrenbach: Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht - die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten. Göttingen 1974, ISBN 3-52535-964-0
- Thomas Gergen: Le Code civil en Allemagne: genèse et rôle du Code civil en Bade (1809), in: C. Witz: Le Bicentenaire du Code civil - 200 Jahre Code civil. Saarbrücker Kolloquium zum 50-jährigen Bestehen des CJFA, Baden-Baden 2006, S. 39-55, ISBN 3-83291-749-7
- Jan Jelle Kähler: Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815). Peter Lang, Frankfurt a.M. 2007. ISBN 3-63155-876-7.
- Werner Schubert (Hrsg.): 200 Jahre Code civil. Die napoleonische Kodifikation in Deutschland und Europa. Böhlau, Köln 2005. ISBN 3-41235-105-9.
- Werner Schubert (Hrsg.): Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zivilrecht, Gerichtsverfassungsrecht und Zivilprozessrecht. Böhlau, Köln 1977, ISBN 3-41204-976-X
- Karl D. Wolff (Hrsg.): Code Napoléon - Napoleons Gesetzbuch. Stroemfeld Verlag, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-87877-573-3 (Faksimile d. Ausg. Straßburg 1808).
Weblinks
- Der Code civil im Volltext auf Französisch auf dem Server Legifrance der französischen Regierung. Auf Legifrance sind ebenfalls englische und spanische Übersetzungen verfügbar.
- Karin Wiedemann: 200 Jahre Code civil des Français (in den Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 1/2004 vom 15. März 2004)