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„Voynich-Manuskript“ – Versionsunterschied

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* John Bellair: ''The Face in the Frost.''
* [[John Bellair]]: ''The Face in the Frost.''
* Valerio Evangelisti: ''Il Romanzo di Nostradamus.''
* [[Valerio Evangelisti]]: ''Il Romanzo di Nostradamus.''
* Max McCoy: ''[[Indiana Jones]] und der Stein der Weisen.''
* [[Max McCoy]]: ''[[Indiana Jones]] und der Stein der Weisen.''
* Dan Simmons: ''Ilium'' und ''Olympos'' - Der Name der Voynix, vom islamischen Kalifat aus der Zukunft gesandter [[Cyborg]]-Killer, leitet sich vom Voynich MS her.
* [[Dan Simmons]]: ''Ilium'' und ''Olympos'' - Der Name der Voynix, vom islamischen Kalifat aus der Zukunft gesandter [[Cyborg]]-Killer, leitet sich vom Voynich MS her.
* Brad Strickland: ''The Wrath of the Grinning Ghost.''
* [[Brad Strickland]]: ''The Wrath of the Grinning Ghost.''
* [[Colin Wilson]]: ''The Return of the Lloigor.''
* [[Colin Wilson]]: ''The Return of the Lloigor.''



Version vom 19. Dezember 2006, 23:00 Uhr

Textprobe aus dem Voynich-Manuskript
Abbildung aus der „Herbariums-Sektion“ des Voynich-Manuskriptes
Datei:F75r.jpg
Abbildung aus der „Anatomie-Sektion“ des Voynich-Manuskriptes
Abbildung aus der „Anatomie-Sektion“ des Voynich-Manuskripts (max. Auflösung 900x1300 Pixel)
Abbildung aus der „Astronomie-Sektion“ des Voynich-Manuskriptes

Das Voynich-Manuskript (benannt nach Wilfrid Michael Voynich) ist ein mindestens 400 Jahre altes Schriftstück. Es enthält viele Abbildungen, im Allgemeinen naturkundlicher Art (Pflanzen, menschliche Anatomie, Tierkreiszeichen und Sternsymbole), die von einem in einer unbekannten Schrift und unbekannten Sprache geschriebenen Text begleitet werden.

Geschichte des Manuskripts

Autor und Herkunft des Manuskriptes sind bis heute unbekannt. Auch die Provenienz (d.h. die Folge der Vorbesitzer) konnte bislang nur lückenhaft ermittelt werden. Da der Inhalt bislang nicht entschlüsselt werden konnte, stützt eine Datierung des Manuskripts sich lediglich auf die Illustrationen. Aufgrund der Hinweise aus Kleidung und Haartracht sowie einige weitere Anhaltspunkte wird das Manuskript von den meisten Experten in den Zeitraum zwischen 1450 und 1520 datiert. Eine Datierung aufgrund naturwissenschaftlicher Methoden (Radiokarbondatierung des Pergamentmaterials, Untersuchung der Pigmente) wurde bislang nicht unternommen.

Aus einer Unterschrift auf der ersten Seite des Manuskriptes lässt sich schließen, dass dieses einmal im Besitz von Jakub Horcicky de Tepenec gewesen sein muss. Da er schon seinen Adelstitel verwendete, muss dieser Eintrag nach 1608 entstanden sein. Aus dem mit dem Manuskript gefundenen Brief des späteren Besitzers Johannes Marcus Marci geht zudem hervor, dass angeblich auch Rudolf II. von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, um jenen Zeitpunkt Besitzer dieses Manuskriptes war, nachdem er es für die damals hohe Summe von 600 Dukaten einem unbekannten Händler abgekauft hätte. Entweder war Jakub Horcicky dieser Händler oder, und diese Theorie gilt als wahrscheinlicher, das Manuskript wurde ihm von Rudolf II. für weitere Analysen anvertraut, da er als erfolgreicher Chemiker und Pharmazeut bekannt war.

Marci berief sich bei dieser Geschichte auf seinen Freund Raphael Missowsky, einen Rechtsanwalt und Dichter, der unter Rudolf II. an den Prager Hof gekommen war, wo er den späteren Kaiser Ferdinand II. unterrichtete. Marci berichtete auch, Kaiser Rudolf habe geglaubt, Roger Bacon, der franziskanische Polyhistor des 13. Jahrhunderts, wäre der Autor des Manuskripts gewesen.

Der nächste bekannte Besitzer war Georg Baresch, ein wenig bekannter Alchimist, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Prag lebte. Baresch hatte versucht, den Text zu entschlüsseln, war jedoch (wie bislang alle seine Nachfolger) damit gescheitert. Er wandte sich daher an Athanasius Kircher, einem jesuitischen Universalgelehrten und seinerzeit eine Berühmtheit, da es ihm angeblich gelungen war, die Hieroglyphenschrift der alten Ägypter zu lesen. Dass die Kircherschen Lesung völlig irrig waren, stellte sich erst nach der erfolgreichen Entschlüsselung der Hieroglyphen durch Champollion heraus. Zu seiner Zeit galt Kircher jedoch als die Kapazität im Enträtseln rätselhafter Texte, weshalb Baresch ihm eine Kopie der Manuskripttexte zusandte mit der Bitte um eine Expertise. Kircher scheint jedoch nie reagiert zu haben. Der erste Brief Bareschs scheint verloren, ein weiterer Brief Bareschs an Kircher vom 27. April 1639 wurde jedoch im Archiv der Korrespondenz Kirchers von René Zandbergen gefunden.

Als nächster Besitzer erbte Johannes Marcus Marci das Manuskript von dem mit ihm befreundeten Baresch (kurz vor 1666). Marci war der Autor des dem Manuskript beigelegten Briefes an Kircher, in dem er Kircher erneut um Hilfe bei der Entschlüsselung der Geheimschrift bat. Zu diesem Zweck wollte er diesmal keine Kopie senden, sondern das Manuskript selbst. Es ist jedoch nicht belegt, dass das Manuskript je in Kirchers Hände gelangte, denn in keinem der nach Kirchers Tod angefertigten Kataloge über seinen wissenschaftlichen Nachlass wird etwas von jenem Manuskript erwähnt.

Was in den über 200 Jahren zwischen 1666 und 1912 mit dem Manuskript geschah, kann nur vermutet werden. Doch da es (nach Aussage Voynichs) Teil einer Bibliothek des Jesuitenordens war, kann vermutet werden, dass das Manuskript sich zusammen mit dem Nachlass Kirchers im Besitz des Jesuitenordens befand, also der Bibliothek des Collegium Romanum (heute die Päpstliche Universität Gregoriana) gehörte.

Dort blieb es vermutlich, bis der Vatikanstaat im Zuge des Risorgimento von den Truppen Viktor Emmanuels II. 1870 annektiert wurde und kirchliches Eigentum von Konfiskation bedroht war. Die Bestände der päpstlichen Universitätsbibliothek wurden eilig den Mitgliedern der Fakultät übertragen, da privater Besitz nicht vom Zugriff des italienischen Staates bedroht war. Darunter der Nachlass Kirchers, der dem damaligen Ordensgeneral Pierre Jean Beckx übergeben wurde. Das Voynich-Manuskript gehörte ausweislich eines Exlibris von Beckx auch zu diesem Bestand, dessen „Privatbibliothek“ schließlich in der Bibliothek des 1865 gegründeten Jesuitenkollegs Nobile Collegio Mondragone in der Villa Mondragone bei Frascati landete.

Dort wurde es 1912 von Wilfrid Michael Voynich entdeckt, der es zusammen mit etwa 30 anderen wertvollen Manuskripten den Jesuiten abkaufte. Dazu Voynichs Fundbericht:

„Im Jahr 1912 [...] stolperte ich über eine sehr bemerkenswerte Sammlung kostbar illuminierter Handschriften. Jahrzehntelang waren sie in Kisten begraben gewesen, wo ich sie in einem alten südeuropäischem Schloss fand. Die Sammlung war dort anscheinend infolge der politischen Unruhen des frühen 19. Jahrhunderts untergebracht worden. [...] Während ich die Handschriften in Hinblick auf einen Ankauf wenigstens eines Teils der Sammlung untersuchte, wurde meine Aufmerksamkeit von einem Band besonders angezogen. Es war ein so hässliches Entlein, verglichen mit den anderen, mit Gold und Farben reich verzierten Manuskripten, dass meine Neugier sogleich erregt war. Ich stellte fest, dass es vollständig in einer Geheimschrift geschrieben war. [...] Dass ein Manuskript des 13. Jahrhunderts vollständig in Geheimschrift verfasst war, überzeugte mich von dessen außerordentlicher Bedeutung, da meines Wissens dergleichen in so früher Zeit nicht existierte, weshalb ich es den zu erwerbenden Manuskripten hinzufügte.“[1]

Es ist nicht ganz klar, auf welche Weise das Manuskript in Voynichs Besitz überging. Zum einen schwieg Voynich selbst sich zeitlebens über die genaue Herkunft des Manuskripts aus. Erst durch einen nach ihrem Tode zu öffnendem Brief von Voynichs Witwe Ethel Lilian Voynich an ihre Erbin und Lebensgefährtin Anne Nill wurde die Herkunft des Manuskripts aus dem Kolleg Mondragone bekannt. Zum anderen war das Manuskript noch 1963 im Katalog der Sammlung von Mondragone verzeichnet[2].

Nach Voynichs Tod im Jahre 1930 erbten seine Frau Ethel und Anne Nill, seine langjährige Sekretärin, das Manuskript. Nach dem Tod von Ethel im Jahr 1960 war Anne Nill alleinige Besitzern. Sie verkaufte das Manuskript für 25.000 US$ an den Buchhändler Hans P. Kraus. Dieser wollte es gewinnbringend weiterverkaufen, fand jedoch keinen Käufer und stiftete 1969 das Manuskript schließlich der Yale-Universität, wo es heute zum Bestand der Beinecke Rare Book & Manuscript Library gehört.

Inhalt

Das Voynich-Manuskript bestand ursprünglich aus vermutlich 116 beidseitig beschriebenen Pergament-Bögen, von denen heute noch 102 vorhanden sind. Die Seiten sind in einem unbeschrifteten Ledereinband zusammengefasst, der knapp die Größe eines DIN-A4-Blattes hat. Da manche Seiten aufgrund der großflächigen Zeichnungen deutlich größer sind, wurden diese mehrmals gefaltet.

Der Inhalt des Buches lässt sich nur durch die zahlreichen farbigen Zeichnungen erahnen. Danach besteht das Manuskript aus den folgenden Abschnitten:

  1. Pflanzenkunde mit Abbildungen von Gewächsen, die zwar uns bekannten Pflanzen ähnlich sehen, sich jedoch häufig durch entscheidende Details unterscheiden.
  2. Astronomie und Astrologie mit ganzseitigen Zeichnungen von Sternkreisbildern, sowie Sonne, Mond und Sternenanordnungen, die häufig von nackten Frauen gehalten werden.
  3. Vermutlich Anatomie mit Abbildungen von nackten Frauen in Röhrensystemen, die wahrscheinlich Organe darstellen sollen.
  4. Pflanzenkunde mit ähnlich unbekannten Abbildungen von kleinen Gewächsen und Wurzeln.
  5. Eventuell etwas wie Rezepte mit kurzen Textabschnitten, die jeweils mit einem Stern eingeleitet werden. Hier gibt es keine Abbildungen.

Voynich-Forscher und Voynich-Forschung

Wilfrid Voynich

Voynich war durch den Brief Marcis schnell zur Überzeugung gelang, Roger Bacon sei der Autor des Manuskripts. In den folgenden Jahren bemühte er sich, die Provenienz des Manuskripts zu klären. Durch die Annahme, Bacon sei der Autor, gelangte er zu der Hypothese, der englische Mathematiker und Visionär John Dee wäre einer der Vorbesitzer des Manuskripts gewesen, und zwar genau der Unbekannte, der das Manuskript an Rudolf II. verkaufte. Gestützt wird die Annahme dadurch, das Dee bekanntermaßen eine Sammlung von Schriften Bacons besaß und sich in zusammen mit dem Medium und Winkelalchimisten Edward Kelley in den 1580er Jahren am Hof Ruldolfs II. aufhielten. Wenn jedoch Bacon nicht der Autor ist, bricht die Theorie zusammen.

Eine Entschlüsselung des Textes hat Voynich nicht selbst versucht. Er verschickte vielmehr ab 1919 Photokopien des Manuskripts an Wissenschaftler, die er für befähigt hielt bzw. an solche, die sich interessiert zeigten. Einer von diesen war Newbold.

William Romaine Newbold

Newbold war Dozent an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Er hörte bereits 1915 von dem Manuskript, beschäftigte sich aber erst ab 1919 mit dem Manuskript, nachdem er von Voynich drei Seiten in Photokopie erhalten hatte. Bereits nach wenigen Stunden meinte er einen Schlüssel gefunden zu haben.

In der Folge entwickelte er die Theorie einer Mikroschrift. Demnach sollte der eigentliche Inhalt des Manuskripts in mikroskopisch kleinen Unregelmäßigkeiten der Voynich-Zeichen versteckt sein. Bei genauer Betrachtung würden darin altgriechische Kurzschriftzeichen erkennbar. Der so gelesene Text wurde von Newbold einem weiteren Dechiffrierungsschritt unterzogen. Das Resultat bestätigte nicht nur die Urheberschaft Bacons, darüber hinaus belegte es auch, dass Bacon nicht nur über ein Mikroskop verfügte, sondern dass ihm bereits die Spiralstruktur des Andromedanebels bekannt war.

Über diese Ergebnisse berichteten Voynich und Newbold im April 1921 in mehreren Vorträgen vor dem „College of Physicians“ und der „American Philosophical Society“ in Philadelphia. Obwohl erste (vermeintliche) Erfolge sich schnell eingestellt hatten, gestaltete sich die weitere Entzifferung ausgesprochen mühsam. Bevor Newbold eine vollständige Decodierung an Voynich liefern konnte, starb er überraschend im September 1926.

Roland Grubb Kent

Kent, ein Freund Newbolds und Professor für vergleichende Philologie an der „University of Pennsylvania“ sollte eigentlich nicht als Voynich-Forscher im engeren Sinn gelten. Vielmehr unterzog er sich der Aufgabe, den Nachlass seines Freundes Newbold zu ordnen und zu edieren mit Sorgfalt und aus deutlich werdender Zuneigung für einen etwas exzentrischen frühverstorbenen Freund. 1928 erschien der von ihm herausgegebene Band „The Cipher of Roger Bacon“, der dem wissenschaftlichen Ruf seines Freundes erheblich schaden, der Voynich-Forschung jedoch sehr nützen sollte, da der Band erstmals Reproduktionen des Manuskriptes im Druck verfügbar machte. Er rief allerdings auch Kritiker auf den Plan.

John Matthew Manly

Manly, Professor für englische Sprache an der University of Chikago und während des Krieges Kryptoanalytiker im militärischen Nachrichtendienst der USA, hatte die Forschungen Newbolds schon einige Zeit mit Interesse, aber auch Skepsis verfolgt, was aus einem 1921 veröffentlichtem Artikel „Das geheimnisvollste Manuskript der Welt“ in „Harpers“ ersichtlich wird. Auf die Publikation der „Ergebnisse“ meinte er reagieren zu müssen, da er befürchtete, unwidersprochen würden die Thesen Newbolds ungefiltert Eingang in die Geistesgeschichte finden. 1931 veröffentlichte er daher eine vernichtende Kritik an Newbolds Methoden und Ergebnissen.

Er zeigte darin auf, dass die Mikroschrift nur in der Phantasie Newbolds vorhanden war, dass es sich vielmehr bei den vermeintlichen Kürzeln um Unregelmäßigkeiten bei Auftrag und Abblättern der Tinte auf dem rauen Schreibmaterial handelte. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass das von Newbold verwendete Verfahren der Dechiffrierung eine sichere Wiederherstellung eines Originaltextes gar nicht zuließ, vielmehr musste der Dechiffrierer den zu dechiffrierenden Inhalt schon kennen (was eben bei Newbold der Fall war, der eben das fand, was er zu finden hoffte).

Joseph Martin Feely

Feely, ein Anwalt aus Rochester in Maine, stützte seinen Entschlüsselungsversuch lediglich auf eine Abbildung der Manuskriptseite 78r in Newbolds Buch. Er kam zu dem Ergebnis es handele sich um eine Chiffrierung durch Alphabetsubstitution (d.h. jedes Zeichen des Alphabets wird durch ein festes anderes Zeichen ersetzt, in diesem Fall durch ein Voynich-Zeichen). Als Klartextsprache nahm er Latein an. Eine solch einfache Verschlüsselung kann natürlich bei der vorhandenen Textmenge aufgrund von Häufigkeitsanalysen auch ohne Computer gebrochen werden, wie Poe in seiner Erzählung Der Goldkäfer auf sehr unterhaltende Weise vorführt.

Feely nahm daher weiter an, zuvor wären die lateinischen Worte durch willkürliches Weglassen von Buchstaben abgekürzt worden. Das Element der Willkür in der Verschlüsselung hat den Nachteil, dass eine Entschlüsselung ein Element von Subjektivität (und mögliche Irrtümer) enthält. Ein weiteres Problem war, dass der von Feely entschlüsselte Text keinen Sinn ergab. Andererseits kann ein nüchterner Leser in den meisten Texten der Alchemie auch nur Kauderwelsch finden.

Hugh O'Neill

O'Neill war ein Botaniker an der Catholic University of America und hatte von einem Kollegen einen Satz Photokopien des Voynich-Manuskripts erhalten. Er versuchte, die in den botanischen Abschnitten abgebildeten Pflanzen zu identifizieren, was bei mittelalterlichen Manuskripten häufig schwierig, im Fall des Voynich-Manuskripts nahezu unmöglich ist. Dennoch meinte O'Neill zwei Pflanzen eindeutig bestimmen zu können, nämlich auf Blatt 93r eine Sonnenblume und auf Blatt 101v eine Art des Spanischen Pfeffers.

Das Bemerkenswerte bei diesen Identifizierungen war, dass beide Gewächse in der Alten Welt vor Kolumbus nicht heimisch waren, das Manuskript demnach erst nach 1493 entstanden sein könnte. Das wiederum hieße, dass Roger Bacon nicht der Autor sein kann.

William Frederick Friedman war wohl der erste ausgewiesene Experte für Kryptologie, der sich mit dem Voynich-Manuskript befasste. Er war der Gründer des Signals Intelligence Service der US-Armee (eine der Vorläuferorganisationen der heutigen NSA). Unter seiner Leitung wurde während des 2. Weltkriegs der japanischen PURPLE-Code entschlüsselt.

Friedman war 1915 von dem etwas exzentrischen George Fabyan als Genetiker in den Riverbank Laboratories bei Chikago angestellt worden, einer privaten Forschungseinrichtung mit etwas unklarem Forschungsprogramm. Eines der Forschungsprojekte hatte das Ziel zu beweisen, dass die Werke Shakespeares eigentlich von Francis Bacon (nicht verwandt mit Roger Bacon) verfasst worden seien. Eine Gruppe von Kryptologen (zu der bald auch Friedman stieß) hatte die Aufgabe, in den Werken Shakespeares nach verborgenen Indizien für Bacons Autorschaft zu fahnden.

In dieser Gruppe lernte Friedman auch seine spätere Frau Elisabeth kennen, mit der zusammen er sich um die Entschlüsselung des Voynich-Manuskripts bemühte, ein Projekt, das die beiden neben ihren Pflichten als Armee-Kryptologen über viele Jahren hin privat verfolgten. William hatte den Vortrag Newbolds gehört und später mit Manly an der Widerlegung der Theorien Newbolds gearbeitet. Im Mai 1944 gründeten die beiden eine private Arbeitsgruppe, deren Aufgabe die maschinenlesbare Transkription des Voynich-Textes auf Lochkarten sein sollte. Die Aufgabe wurde jedoch nicht vollendet, da die Gruppe mit Kriegsende auseinander fiel. Der Voynich-Code scheint die Friedmans jedoch weiter beschäftigt zu haben, da Ende der 50er Jahre Friedman in der Fußnote eines Aufsatz eine als Anagramm verschlüsselte Hypothese zum Voynich-Code publizierte (ähnlich wie vor ihm Galileo zur Sicherung der Priorität noch nicht zur Veröffentlichung reife Ergebnisse als Anagramm verschlüsselt veröffentlicht hatte). Die Auflösung wurde erst nach Friedmans Tod 1970 gegeben:

The Voynich MSS was an early attempt to construct an artificial or universal language of the a priori type. - Friedman. („Das Voynich-Manuskript stellt einen frühen Versuch der Konstruktion einer künstlichen oder universellen Sprache vom a priori-Typ dar“.)

Unter einer künstlichen oder universellen Sprache versteht man eine Plansprache oder logische Sprache. Vom "a priori"-Typ ist eine solche Sprache dann, wenn sie sich nicht (wie etwa Esperanto) allgemeiner Verständlichkeit halber an existierende Sprachen anlehnt, sondern wenn sie in ihrer Konstruktion logisch-philosophischen Prinzipien folgt.

Konsequenzen dieser Hypothese für den Voynich-Text wären:

  1. Die Hypothese würde das Vorhandensein sonst nur bei natürlichen Sprachen zu findender statistischer Eigenschaften im Voynich-Text erklären.
  2. Die Entschlüsselung einer konstruierten Sprache, deren Konstruktionsprinzip verlorengegangen ist, ist extrem schwierig oder unmöglich. Das wäre konsistent mit den bis heute gescheiterten Bemühungen um die Entschlüsselung des Voynich-Textes.

Im September 1962 initiierten die Friedmans eine weitere Arbeitsgruppe mit dem Ziel, automatische Datenverarbeitung zur Entschlüsselung des Voynich-Codes einzusetzen. Dieses Mal sollte ein RCA 301 Computer eingesetzt werden, zu dem die Gruppe außerhalb der normalen Betriebszeiten Zugang hatte. Sie wären damit die ersten Voynich-Forscher gewesen, die einen Computer zur Entschlüsselung verwendeten. Es kam jedoch nicht dazu, da RCA die Nebennutzung für diesen Zweck untersagte. Die Gruppe löste sich im Sommer 1963 auf.

Robert S. Brumbaugh

Robert Brumbaugh war Professor für Philosophie des Mittelalters an der Yale University, hatte mithin gegenüber anderen Voynich-Forschern die Möglichkeit, das Dokument im Original in Augenschein zu nehmen – zu einer Zeit, in der nur wenige Seiten als (schwarz-weißes) Faksimile publiziert bzw. als Photokopie in Umlauf waren, ein unschätzbarer Vorzug. Darüber hinaus gelang es ihm, einen Forschungsauftrag für die Untersuchung des Manuskripts zu erhalten. Er veröffentlichte in den 1970er Jahren eine Reihe von Artikeln zum Thema Voynich MS und fasste in der 1978 erschienenen Monographie The Most Mysterious Manuscript den damaligen Stand der Forschung zusammen. Brumbaugh selbst entwickelte aufgrund der Ähnlichkeit einiger Voynich-Zeichen mit altertümlichen Ziffernformen die Theorie, dass die Voynich-Zeichen (dezimale) Ziffern seien, wobei jeder Ziffer mehrere Buchstaben des lateinischen Alphabets zugeordnet seien. ähnlich wie beim Ansatz von Feely, enthielte auch eine solche Kodierung ein Element der Mehrdeutigkeit, entsprechend enthalten die Dekodierungen ein stark subjektives Element. Auch die von Brumbaugh vorgelegten "Entschlüsselungen" ergaben keinen (offensichtlichen) Sinn.

Leo Levitov

Prescott Currier

Mary D'Imperio

Theorien und Fakten

Selbst nach vier Jahrhunderten konnte nicht ein einziges Wort des Manuskriptes entschlüsselt werden. Darüber hinaus wurde bislang noch kein weiteres Schriftstück in ähnlicher Schrift oder Sprache gefunden. Daher gibt es Zweifel an der Echtheit des Manuskriptes (wobei es freilich zu diskutieren wäre, was „Echtheit“ bei einer Sache von unbekannter Herkunft und Funktion eigentlich bedeuten kann). Einerseits hätte es der einstige Händler herstellen können, um die 600 Golddukaten von Kaiser Rudolf II. zu kassieren, dessen Sammelleidenschaft für ungewöhnliche Dinge bekannt war. Andererseits glauben einige, dass Wilfried Voynich selbst das Manuskript der Aufmerksamkeit wegen angefertigt habe.

Im Manuskript befand sich ein alter Brief an einen Gelehrten, mit der Bitte, es zu entschlüsseln. 2004 wurde in einem südeuropäischen Kloster ein weiterer Brief an diesen Gelehrten gefunden, der ein Jahr später verfasst war, und in welchem das Manuskript ebenfalls erwähnt wird. Der Fälschungsvorwurf stützt sich auf die Annahme, dass Voynich nur den ersten Brief gefunden und dann das Manuskript selbst verfasst habe. Der zweite Brief entlastet Voynich, da dieser nichts von seiner Existenz wissen konnte.

Vor allem Computer- und Sprachanalysen in den letzten Jahrzehnten haben das Folgende ergeben:

  • Vergleicht man die Häufigkeiten der einzelnen Buchstaben und der einzelnen Wörter, so ergibt sich eine sinnvolle sprachliche Struktur. Es muss sich daher um ein vollständiges Sprachsystem handeln. Das schließt zwar auch eine erfundene Sprache ein; deren Entwicklung hätte jedoch viel Zeit gekostet.
  • Das Manuskript wurde von mindestens zwei Personen geschrieben und nachträglich zusammengefügt. Nicht nur die Handschriften unterscheiden sich, sondern es scheint auch ein anderer Sprachdialekt verwendet worden zu sein.
  • Es wurden keinerlei Korrekturen in dem Manuskript vorgenommen. Da so etwas kaum möglich ist, muss es höchstwahrscheinlich eine Vorlage dafür gegeben haben.
  • Gordon Rugg von der britischen Keele-Universität beschäftigte sich mit der Methode, mit der das Voynich-Manuskript entstanden sein könnte. Dazu erstellte Rugg eine Tabelle mit zufälligen Zeichenkombinationen, die dann als Vor-, Mittel- oder Nachsilben neuer "Wörter" diente. Über diese Tabelle schob er ein sogenanntes Cardan-Gitter, eine Schablone mit drei Fenstern, wie sie im 16. Jahrhundert zur Verschlüsselung von Texten verwendet wurde. Die Zeichenfolgen, die jeweils in den drei Fenstern erschienen, wurden transkribiert, und eine dreisilbige unverständliche „Sprache“ entstand, die große Ähnlichkeiten mit dem Text des Voynich-Manuskriptes aufwies.

Rezeption und Wirkung

Das Voynich-Manuskript war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenigen Spezialisten bekannt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte jedoch stieg der Bekanntheitsgrad, wodurch das Voynich-Manuskript Eingang in Werke der populären Kultur fand und Büchern, Bildern, Musik bis hin zu Computerspielen als Inspiration diente:

Musik

  • Der zeitgenössische Schweizer Komponist Hanspeter Kyburz schrieb ein auf dem Voynich-Text basierendes Stück The Voynich Cipher Manuscript, wobei er die Voynich-Zeichen als Noten interpretierte.
  • Eines der Alben des japanischen Speedcore-Künstlers m1dy trägt den Titel Voynich Tracks.

Literatur

Kunst

  • Luigi Serafini: Der von dem italienischen Künstler geschaffenene Codex Seraphinianus ist ein Werk im Stil des Codex Voynich. Dieses Lexikon einer imaginären Welt ist in einer eigens hierfür erdachten, unentschlüsselbaren Schrift abgefasst und mit zahlreichen, teils grotesken Abbildungen reich illustriert.

Computerspiele

Quellen

  1. Voynich: Preliminary Sketch, a.a.O., S. 415
  2. Kennedy/Churchill, a.a.O., S. 279

Literatur

  • Wilfrid Michael Voynich: A Preliminary Sketch of the History of the Roger Bacon Cipher Manuscript. in: Transactions of the College of Physicians of Philadelphia Folge 3, Bd. 43. S. 415-430
  • William Romaine Newbold: The Cipher of Roger Bacon. in: Transactions of the College of Physicians of Philadelphia Folge 3, Bd. 43. S. 431-474
  • William Romaine Newbold: The Cipher of Roger Bacon. Edited with foreword and notes by Roland Grubb Kent. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1928
  • John Matthews Manly: Roger Bacon and the Voynich Manuscript. in Speculum 6 (Juli 1931). S. 345-391.
  • John Matthews Manly: The Most Mysterous Manuscript in the World. Harper's Monthly Magazine 143 (1921). S. 186-197.
  • Joseph Martin Feely: Roger Bacon's Cipher: The Right Key Found. Selbstverlag, Rochester, NY. 1943.
  • Hugh O'Neill: Botanical Remarks on the Voynich MS. in: Speculum 19 (1944). S. 126.
  • Leo Levitov: Solution of the Voynich Manuscript: A Liturgical Manual for the Endura Rite of the Cathari Heresy, the Cult of Isis. Aegean Park Press, Laguna Hills 1987.
  • Robert S. Brumbaugh: The most mysterious manuscript : the Voynich "Roger Bacon" cipher manuscript. Southern Illinois Univ. Pr., Carbondale, Ill. 1978. ISBN 0-8093-0808-8
  • M. E. D'Imperio: The Voynich Manuscript: An Elegant Enigma. Aegean Park Press, Laguna Hills 1978. ISBN 0-89412-038-7
  • Gerry Kennedy, Rob Churchill: Der Voynich-Code. Das Buch, das niemand lesen kann.. Rogner & Bernhard, Berlin 2005. ISBN 3-8077-1009-4