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„Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt“ – Versionsunterschied

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Ein späterer Krieg gegen die Sowjetunion war von Hitler bereits beschlossene Sache (Ziel des „Lebensraums“), der Pakt diente dem Dritten Reich dazu, Polen ungestört zu erobern und eine bessere Ausgangslage für den Krieg gegen die Sowjetunion zu erlangen. Wichtig war die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auch aus wirtschaftlicher Sicht, nämlich zur Erlangung von Rohstoffen.
Ein späterer Krieg gegen die Sowjetunion war von Hitler bereits beschlossene Sache (Ziel des „Lebensraums“), der Pakt diente dem Dritten Reich dazu, Polen ungestört zu erobern und eine bessere Ausgangslage für den Krieg gegen die Sowjetunion zu erlangen. Wichtig war die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auch aus wirtschaftlicher Sicht, nämlich zur Erlangung von Rohstoffen.


Stalin wollte ebenfalls Land erobern und nahm einen Krieg zwischen Deutschland und den Westmächten gerne in Kauf. Seine Absicht war es, die „imperialistischen“ Mächte gegeneinander auszuspielen und am Ende auch Westeuropa erobern zu können. Daher war er sehr schockiert, dass Deutschland im Jahre [[1940]] unerwartet schnell Frankreich und weitere Länder besetzen konnte. Danach bemühte er sich, mit pünktlichen Lieferungen und Hinnahmen von Paktverletzungen von Hitlers Seite (z.B. deutsche Einmischung in die finnischen Verhältnisse) sich Ruhe zu erkaufen. Man könnte darin die sowjetische Variante der [[Appeasement]]-Politik sehen. Lange hat man als das wichtigste Motiv der Kurswechsel Stalins die annehmende Furcht vor einer deutschen Aggression gesehen, was auch von der kommunistischen Propaganda wiederholt wurde. Im letzten Jahrzehnte haben viele Historiker gegen frühere Behauptungen, einschließend der Meinungen über den Pakt, argumentiert. Maser mutmaßt, dass zur Zeit des Vertragsabschlusses Stalin nicht verborgen gewesen sein konnte, dass „weder Deutschland noch Japan in der Lage waren, auch nur mit geringster Aussicht auf Erfolg, die UdSSR anzugreifen“<ref>Werner Maser:''Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg.'' Olzog, München 1994. S. 42</ref>. E.H. Carr zufolge habe der Pakt der UdSSR „einen Atmenraum der Immunität vor deutschem Angriff“ und eine „Verteidigungslinie gegen einen potenziellen deutschen Angriff“ gesichert.<ref>Carr, Edward H., German-Soviet Relations between the Two World Wars, 1919-1939, Oxford 1952, p. 136.</ref>)
Stalin wollte ebenfalls Gebiete hinzugewinnen und nahm einen Krieg zwischen Deutschland und den Westmächten gerne in Kauf. Seine Absicht war es, die „imperialistischen“ Mächte gegeneinander auszuspielen und am Ende auch Westeuropa erobern zu können. Daher war er sehr schockiert, dass Deutschland im Jahre [[1940]] unerwartet schnell Frankreich und weitere Länder besetzen konnte. Danach bemühte er sich, mit pünktlichen Lieferungen und Hinnahmen von Paktverletzungen von Hitlers Seite (z.B. deutsche Einmischung in die finnischen Verhältnisse) sich Ruhe zu erkaufen. Man könnte darin die sowjetische Variante der [[Appeasement]]-Politik sehen. Lange hat man als das wichtigste Motiv der Kurswechsel Stalins die zunehmende Furcht vor einer deutschen Aggression gesehen; damit argumentierte auch die kommunistische Propaganda. In den letzten Jahrzehnten änderte sich die Argumentation bei vielen Historikern. Maser z.B. mutmaßt, dass zur Zeit des Vertragsabschlusses Stalin nicht verborgen gewesen sein konnte, dass „weder Deutschland noch Japan in der Lage waren, auch nur mit geringster Aussicht auf Erfolg, die UdSSR anzugreifen“<ref>Werner Maser:''Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg.'' Olzog, München 1994. S. 42</ref>. E.H. Carr zufolge habe der Pakt der UdSSR „einen Atenraum der Immunität vor deutschem Angriff“ und eine „Verteidigungslinie gegen einen potenziellen deutschen Angriff“ gesichert.<ref>Carr, Edward H., German-Soviet Relations between the Two World Wars, 1919-1939, Oxford 1952, p. 136.</ref>)


== Folgen ==
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Version vom 10. Dezember 2006, 17:52 Uhr

Molotow unterzeichnet den Pakt, hinter ihm v. Ribbentrop, rechts hinter ihm Stalin, im Hintergrund ein Lenin-Porträt. Links hinter Molotow Generalstabschef Schaposchnikow.

Der als Hitler-Stalin-Pakt bekannte Vertrag war ein auf zehn Jahre befristeter deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt, der am 24. August 1939 (datiert auf den 23. August 1939) in Moskau von dem deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop und dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow unterzeichnet wurde. In anderen Sprachen als dem Deutschen werden daher zumeist auch Variationen der Bezeichnung „Molotow-Ribbentrop-Pakt“ verwendet. Die Unterzeichnung erfolgte in Gegenwart Stalins und des deutschen Botschafters Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg .

Vorgeschichte

Als Deutschland am 15. März 1939 - unter Bruch des Münchner Abkommens von 1938 - die Tschechoslowakei besetzte, war klar, dass die Appeasementpolitik Großbritanniens und Frankreichs gescheitert war, die eine Einbindung Hitlerdeutschlands in ein spannungsfreies europäisches Staatensystem erreichen wollte. Als Zeichen der Entschlossenheit, weiteren Aggressionen Hitlers militärisch entgegen zu treten, verkündete der britische Premier Chamberlain, dass Großbritannien und Frankreich im Falle einer Aggression Deutschlands Polen militärische Unterstützung leisten würden. Da ein Vordringen Deutschlands und Italiens auch in Südosteuropa befürchtet wurde, weitete man diese Garantie wenig später auf Rumänien, Griechenland und die Türkei aus. Um dieser Garantie mehr Gewicht zu verleihen, richtete Frankreich am 14. April 1939 ein formelles Bündnisangebot an die Sowjetunion, das zunächst nur für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen oder Rumänien gelten sollte. Während die sowjetische Regierung ihrerseits ein Dreier-Bündnis mit Frankreich und Großbritannien anregte, führte sie gleichzeitig Geheimgespräche mit der deutschen Regierung, die im Juli 1939 eine Einigung über die jeweiligen Interessen in Polen und Litauen anregte und die Rückkehr der ehemaligen russischen Gebiete in Aussicht stellte[1] Nach langwierigen Verhandlungen kam es am 24. Juli 1939 in Moskau zur Unterzeichnung eines Entwurfs für ein Abkommen, das einen Kompromiss zwischen der Haltung der Westmächte darstellte, die ein Garantieabkommen anstrebten, und dem von der Sowjetunion gewünschten Defensivbündnis. Gleichzeitig hatte Deutschland mit Estland und Lettland Nichtangriffspakte geschlossen, die beide in den Gültigkeitsbereich des Moskauer Abkommens fielen. Großbritannien, das eine Ausweitung des sowjetischen Einflussbereichs im Ostseeraum fürchtete, zog sich daraufhin von den Verhandlungen zurück. Der britische Rückzug bot der Sowjetunion Anlass, die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Deutschland zu verkünden, in denen es auch um die „lebenswichtigen politischen Interessen“ beider Staaten gehen sollte. Deutschland ließ dabei durchblicken, dass es eine sowjetische Vormachtstellung im Baltikum anerkennen würde. Durch die deutsch-sowjetische Annäherung aufgeschreckt versuchten die Westmächte einen raschen Vertragsabschluss zu erreichen. Die Verhandlungen, die am 11. August 1939 in Moskau begannen, führten rasch zu einer weitgehenden Übereinstimmung, lediglich in der Frage des sowjetischen Einmarschrechtes in Polen konnte keine Einigung erzielt werden. Die sowjetische Forderung, auch ohne eine deutsche Aggression jederzeit polnisches Territorium nach eigenem Ermessen betreten zu können, wurde von den Polen nicht akzeptiert, was für die Briten Voraussetzung für einen Paktabschluss war. Diese - aufgrund der gespannten sowjetisch-polnischen Beziehungen nachvollziehbare - Weigerung ermöglichte es der Sowjetunion, die inzwischen mit Deutschland zu einer weitgehenden Einigung gelangt war, die Schuld am Scheitern der Verhandlungen den Westmächten anzulasten.

Am 14. August nahm Ribbentrop die Einladung, nach Moskau zu kommen, an und unterbreitete wenige Tage später das Angebot, einen Nichtangriffspakt auf 25 Jahre abzuschliessen und auf die japanische Regierung einzuwirken, um eine Konsolidierung des Verhältnisses zur Sowjetunion zu erreichen. In seiner Antwort am 17. August 1939 ließ Molotow anklingen, dass im Gegenzug für ein deutsch-sowjetisches Kreditabkommen, eine Übereinkunft über die Interessen der beiden Parteien vertraglich festgelegt werden könne. Da sich die deutsch-polnische Krise bereits dramatisch zugespitzt hatte, drängte Ribbentrop auf einen schnellen Vertragsabschluss, indem er der sowjetischen Position weitgehend entgegenkam. Der Unterzeichnung des seit Anfang 1938 verhandelten Kreditabkommens in Berlin am 19. August 1939, das einen Wechselkredit in Höhe von 200 Millionen Reichsmark auf sieben Jahre im Gegenzug für Rohstofflieferung in Höhe von 180 Millionen Reichsmark innerhalb von zwei Jahren festlegte, folgte die Ankündigung der Reise Ribbentrops nach Moskau und der Unterzeichnung eines deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes am 21. August 1939.

Andreas Hillgruber stellt zu dem am 24. August 1939 (datiert auf den 23. August) unterzeichneten Abkommen fest:

„Dieses Vertragswerk stellte für die Beziehungen der Sowjetunion zu Deutschland wie für die internationale Politik eine einschneidende Wendung dar, von der der Verlauf des europäischen Krieges in den nächsten eineinhalb Jahren wesentlich mitgeprägt wurde. Für die Sowjetunion brachte der Paktabschluß mit Deutschland vor allem größere Bewegungsfreiheit und erhöhte strategische Sicherheit. In einem europäischen Krieg, mit dem bei Fortsetzung der Expansionspolitik Hitlers gerechnet werden mußte, würden sich nun Deutschland und die Westmächte gegenüberstehen. Moskau würde in der Hinterhand bleiben. Die Drohung eines Zweifrontenkrieges war entfallen. Nach Lage der Dinge mußte das nunmehr isolierte Inselreich sogar ein Arrangement mit der Sowjetunion suchen. Das Gewicht in der Weltpolitik mußte in dem Maße wachsen, in dem sich die Energien der übrigen europäischen Großmächte in dem von Stalin − wie er Ribbentrop gegenüber am 23. August 1939 offen aussprach − einkalkulierten langen Krieg gegenseitig lähmten. An einer raschen Niederlage Deutschlands hatte Stalin kein Interesse, da sich dann der Einflußbereich der Westmächte wieder bis nach Ostmitteleuropa vorgeschoben hätte. Den sowjetischen Standpunkt faßte er in einer zur Veröffentlichung durch den Reichsaußenminister bestimmten Fassung am 19. Oktober in der Formel zusammen, daß die Sowjetunion „an der Existenz eines starken Deutschlands interessiert ist. Daher kann sich die Sowjetunion nicht damit einverstanden erklären, daß die Westmächte Bedingungen schaffen, die Deutschland schwächen und in eine schwierige Lage bringen könnte.“ (ADAP D. Bd. 8, Dok. 280.)“

Andreas Hillgruber: Der Zweite Weltkrieg, 1939-1945 In: Dietrich Geyer: Osteuropa-Handbuch, Bd. I, Böhlau, Köln 1972, S. 270-342, S. 282f.

Der am 23. August 1939 geschlossene Deutsch-Sowjetische Nicht-Angriffspakt führte in seiner Konsequenz zur Unterzeichnung des Britisch-Polnischen-Beistandspaktes am 25. August 1939. Die Mehrheit der britischen Politiker war für einen Britisch-Sowjetischen-Nichtangriffspakt. Für Großbritannien war es wichtig, einen Verbündeten im Osten zu haben. Da die Sowjetunion nun als Verbündeter „ausgeschieden“ war, entschied man sich, Polen als Verbündeten zu wählen. Für Polen, das sich nun von zwei Seiten bedroht sah, erschien ein Verbündeter im Westen als eine gewisse Sicherheitsgarantie. Norman Davies schreibt hierzu „Der britisch-polnische Beistandspakt [...] kam vor allem deswegen zustande, weil Großbritannien und Frankreich es versäumt hatten, ein Bündnis von Stalin mit Hitler zu verhindern. Er wurde in aller Eile als Reaktion auf den nur zwei Tage zuvor, am 23.August, abgeschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt unterzeichnet...“[2]

Inhalt

Der Pakt sah neben den Nichtangriffsklauseln auch die gegenseitige Neutralität im Kriegsfalle der anderen Partei vor.

In einem geheimen Zusatzprotokoll legten die Länder die Aufteilung Nordost- und Südosteuropas in „Interessensphären“ für den Fall fest, dass es zu einer „territorial-politischen Umgestaltung“ Osteuropas kommen sollte. Die vier Punkte des Zusatzprotokolls sahen dabei Folgendes vor:

  1. Bei den baltischen Staaten (zu denen auch Finnland gerechnet wurde) sollten diese „Interessenssphären“ durch die Nordgrenze Litauens abgrenzt werden, das heißt Lettland, Estland und Finnland sollten im sowjetischen Einflussbereich liegen, Litauen hingegen im deutschen. Die deutsche Erklärung, kein Interesse an den anderen baltischen Staaten zu haben, implizierte dabei einen Kurswechsel um 180 Grad.
  2. Polen sollte längs der Flüsse Narew, Weichsel und San geteilt werden. Die beiden Vertragspartner verständigten sich darauf, dass die Frage „ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre“ erst „im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden“ könne.
  3. Derweil die Sowjetunion ihr Interesse an Bessarabien (heute Moldawien und Ukraine) bekundete, betonte die Reichsregierung „das völlige politische Desinteresse an diesen Gebieten.“
  4. Das Zusatzprotokoll sollte von beiden vertragsschließenden Parteien „streng geheim behandelt werden“.

Das überraschend schnelle Vordringen der Wehrmacht nach dem deutschen Angriff auf den Westen Polens vom 1. September 1939 sowie der sowjetische Einmarsch im Osten Polens am 17. September 1939 machten am 28. September 1939 (dem Tag an dem Warschau gegenüber den Deutschen kapitulierte) Zusatzvereinbarungen zum Hitler-Stalin-Pakt notwendig, um eine Interessenkollision zu vermeiden.

Karte vom 28. September 1939 mit den Unterschriften von Stalin und Ribbentrop. Die kleinere Unterschriften Stalins bezeichnen abgestimmte kleinere Veränderungen der Linie.

Diese Vereinbarungen wurden in drei geheimen Zusatzprotokollen zu einem Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag festgelegt. Dabei wurde auch Litauen der sowjetischen Interessenssphäre zugeteilt; im Gegenzug erhielten die Deutschen „die Woywodschaft Lublin und Teile der Woywodschaft Warschau“. Dies korrigierte die Tatsache, dass aufgrund der großen Eile bei den Verhandlungen zum Hitler-Stalin-Pakt der Fluss Pissa bei der Definition der Teilungslinie vergessen worden war („Geheimes Zusatzprotokoll“ I vom 28. September 1939). Die Vertragsparteien verpflichteten sich des Weiteren darauf, in den beiden Teilen des besetzten Polens „keine polnische Agitation [zu] dulden, die auf die Gebiete des anderen Teiles hinüberwirkt.“ („Geheimes Zusatzprotokoll“ II vom 28. September 1939). Außerdem wurde vereinbart, dass die deutschen Bevölkerungsgruppen aus der sowjetischen Interessensphäre „sofern sie den Wunsch haben“ nach Deutschland umgesiedelt werden dürften und dass die dafür Beauftragten der Reichsregierung diese Umsiedlung unter Billigung der Sowjets mit den „zuständigen örtlichen Behörden“ arrangieren würden. Ohne dass die Bevölkerungsgruppen spezifiziert wurden, bezog sich dies vor allem auf Bessarabiendeutsche, Deutsch-Balten und Bukowinadeutsche. Eine sinngemäße Verpflichtung übernahm die Reichsregierung für die in „ihren Interessengebieten ansässigen Personen ukrainischer oder weißrussischer Abstammung“ („Vertrauliches Protokoll“ vom 28. September 1939).

In der Literatur werden Bestimmungen der Zusatzprotokolle des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags vom 28. September häufig fälschlich als Bestimmungen des ursprünglichen Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August ausgewiesen. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung Litauens zur sowjetischen Einflusssphäre und für die de facto vereinbarten Zwangsumsiedlungen.

Ziele

Ein späterer Krieg gegen die Sowjetunion war von Hitler bereits beschlossene Sache (Ziel des „Lebensraums“), der Pakt diente dem Dritten Reich dazu, Polen ungestört zu erobern und eine bessere Ausgangslage für den Krieg gegen die Sowjetunion zu erlangen. Wichtig war die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auch aus wirtschaftlicher Sicht, nämlich zur Erlangung von Rohstoffen.

Stalin wollte ebenfalls Gebiete hinzugewinnen und nahm einen Krieg zwischen Deutschland und den Westmächten gerne in Kauf. Seine Absicht war es, die „imperialistischen“ Mächte gegeneinander auszuspielen und am Ende auch Westeuropa erobern zu können. Daher war er sehr schockiert, dass Deutschland im Jahre 1940 unerwartet schnell Frankreich und weitere Länder besetzen konnte. Danach bemühte er sich, mit pünktlichen Lieferungen und Hinnahmen von Paktverletzungen von Hitlers Seite (z.B. deutsche Einmischung in die finnischen Verhältnisse) sich Ruhe zu erkaufen. Man könnte darin die sowjetische Variante der Appeasement-Politik sehen. Lange hat man als das wichtigste Motiv der Kurswechsel Stalins die zunehmende Furcht vor einer deutschen Aggression gesehen; damit argumentierte auch die kommunistische Propaganda. In den letzten Jahrzehnten änderte sich die Argumentation bei vielen Historikern. Maser z.B. mutmaßt, dass zur Zeit des Vertragsabschlusses Stalin nicht verborgen gewesen sein konnte, dass „weder Deutschland noch Japan in der Lage waren, auch nur mit geringster Aussicht auf Erfolg, die UdSSR anzugreifen“[3]. E.H. Carr zufolge habe der Pakt der UdSSR „einen Atenraum der Immunität vor deutschem Angriff“ und eine „Verteidigungslinie gegen einen potenziellen deutschen Angriff“ gesichert.[4])

Folgen

Der Pakt löste bei den Kommunisten (und auch in anderen Kreisen von Gesellschaft und Politik) in Westeuropa einen großen Schock und Verunsicherung aus, da es sich schließlich um eine Kehrtwende der sowjetischen Politik um 180 Grad handelte. Allerdings wurde von vielen durchaus geglaubt, mit dem Pakt würde der Frieden in Europa gesichert werden – das geheime Zusatzprotokoll war schließlich zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich gemacht worden. In Wirklichkeit war der Pakt geradezu der Startschuss zum Zweiten Weltkrieg, da Hitler sich des sowjetischen Stillhaltens nach dem Angriff auf Polen gewiss war. England und Frankreich bekräftigten kurz vor Kriegsausbruch wiederholt ihre Absicht, Polen im Falle eines deutschen Angriffs durch einen Kriegseintritt zu unterstützen.

Änderung des polnischen Territoriums

Das Resultat des Paktes war, dass nach der vollständigen Eroberung Polens ungefähr 4 Wochen nach dem Angriff Anfang September (Warschau war bereits am 9. September eingeschlossen) die Deutschen und die Sowjets ihre Grenzen verschieben konnten. Allerdings war die deutsch-sowjetische Demarkationslinie durch eine weitere Vereinbarung vom 28. September 1939 dahingehend abgeändert worden, dass nunmehr auch Litauen in den sowjetischen Interessenbereich fallen sollte, während dafür die Grenze in Polen zu Gunsten von Deutschland von der Weichsel nach Osten an den Bug verschoben wurde. Die neue Westgrenze der Sowjetunion blieb auch nach 1945 erhalten und ist auch heute noch die polnische Ostgrenze.

Als weitere Folge des Paktes stellte die Sowjetunion am 26. Juni 1940 an Rumänien ein zweitägiges Ultimatum zur Räumung von Bessarabien. Danach setzte die Rote Armee über den Dnister und marschierte nach Westen, um die rumänische Provinz Bessarabien und den Nordteil der Bukowina (heute Teil der Ukraine) zu besetzen und wenige Monate später zu annektieren. Auch die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wurden 1940 besetzt und der Sowjetunion einverleibt.

Der sowjetische Überfall auf Finnland (Winterkrieg) war ebenfalls eine direkte Folge des Paktes, da Stalin keinerlei Hilfeleistungen oder gar militärische Operationen von deutscher Seite befürchten musste.

Die russische Neutralität und Warenlieferungen waren eine wesentliche Voraussetzung für Hitlers erfolgreiche Westfeldzüge im Jahr 1940.

Am 22. Juni 1941 brach Hitler den Pakt mit dem Angriff auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa).

Die Sowjetunion hat in der Folge stets die Existenz des geheimen Zusatzprotokolls (wegen der darin offenbarten Annexionspläne Stalins) geleugnet, um international – vor allem aber in Osteuropa – ihren Ruf als Befreier und Friedenswahrer aufrechterhalten zu können. Erst im Jahre 1989 wurde der Inhalt der Originaldokumente öffentlich gemacht. Dies wurde auch durch den damaligen Regierungschef Gorbatschow möglich gemacht - der erstmals in der jüngeren Geschichte der Sowjetunion - als "unbelasteter" Politiker die Fäden des Landes in die Hand nehmen konnte.

Wirtschaftliche Aspekte

Für das deutsche Reich waren die Rohstofflieferungen aus der Sowjetunion äußerst wichtig, und die Sowjetunion hat ihre diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtungen peinlich genau eingehalten. Noch im Frühjahr 1941 wurde der Vertrag erweitert. Die richtige Deutung des sowjetischen Geheimdienstes über die bevorstehende Invasion (Deutsche Handelsschiffe verließen am 20. Juni 1941 sowjetische Häfen, obwohl sie nicht vollständig beladen waren.) wurden von Stalin ignoriert. Bei ihrem Einmarsch in die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begegneten die deutschen Truppen sowjetischen Zügen mit Warenlieferungen, welche nach Deutschland exportiert werden sollten.

Stalins Rolle

Stalin ist für den Abschluss dieses Vertrags heftig kritisiert worden, hatte allerdings für seine Entscheidung gute (sowjetische) Gründe:

  • Ein Pakt mit Hitler, der die souveränen Staaten Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien und Teile Polens der sowjetischen Einflußsphäre zuordnete, schuf günstige Voraussetzungen für eine Revision der als ungerecht betrachteten Nachkriegsordnung. Ein Pakt mit den Westmächten hätte hingegen diese Nachkriegsordnung einzementiert.
  • Stalin hatte seine Streitkräfte auf einen Stand gebracht, der ihn unabhängig von Sicherheitsgarantien des Westens machte, das Sicherheitsargument war für ihn mit Beginn der 30er Jahre also nicht mehr ausschlaggebend. Die Tatsache, dass er am 8.September 1939 der KOMINTERN den Auftrag gab, alle Volksfrontbündnisse aufzulösen und die Verteidigungsanstrengungen der Gegner Hitlers zu sabotieren (''Georgi Dimitroff. Tagebücher 1933-1943. Seite 275) macht klar, dass er Hitler nicht fürchtete, sondern als Werkzeug zur Zerschlagung der wichtigsten europäischen Demokratien betrachtete.(siehe Maimann: Wartesaal. Seite 62)
  • Stalin wollte kein friedliches, kooperierendes, kapitalistisches Europa. Er hatte ebenso wie Lenin immer wieder betont, dass eine friedliche Koexistenz zwischen dem Kommunismus und dem Kapitalismus zum Niedergang des realen Sozialismus führen würde, da sich der wahre Kommunismus nur auf den Trümmern der alten Ordnung aufbauen lasse.
  • Die britische und französische Regierung standen unter immensem Druck aus den eigenen Reihen, der Opposition und (Briten) des Commonwealth mit der Sowjetunion zu einer raschen und umfassenden Einigung bezüglich eines Beistandspaktes zu kommen. Die Sowjetunion setzte dem die Taktik ständig neuer Forderungen entgegen. Da diese Forderungen immer wieder eine Koordinierung mit einer nicht geringen Anzahl betroffenen Staaten erforderten, die alle einer umfassenden sowjetische Hilfe mehr als skeptisch gegenüberstanden, verging viel Zeit. Auf Basis dieser Verzögerungen ist es Stalin gelungen, die Schuld am Scheitern der Verhandlungen weitgehend dem Westen anzulasten. Tatsächlich standen die Verhandlungen bereits kurz vor dem Abschluss, bei gutem -sowjetischen- Willen hätte auch der letzte strittige Punkt (uneingeschränktes, bedingungsloses sowjetisches Interventionsrecht in Polen) einer Lösung zugeführt werden können.

Nach 1941

Datei:Kukryniksy-razgromim.jpg
Hitler zerfetzt den Nicht-Angriffspakt, 1941 Poster von Kukryniksy.

Obwohl Stalin nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion mit dem Westen verbündet war, der ja zur Verteidigung Polens in den Krieg gezogen war, war er fest entschlossen, seine Beute aus dem Pakt mit Hitler zu behalten. So weigerte er sich z. B. strikt, die polnische Exilregierung in London anzuerkennen. Unter dem Druck der Ereignisse gestanden die Westmächte schließlich – wenn auch murrend – Stalin seine Beute, nämlich Osteuropa, zu.

Rückblick

Stalin hatte den Pakt mit Hitler einem Pakt mit den Westmächten vorgezogen, weil

- er aufgrund seines Rüstungsvorsprunges Sicherheitsgarantien des Westens nicht nötig zu haben glaubte;

- ein Pakt mit den Westmächten die als ungerecht empfundene sowjetische Nachkriegsordnung einzementiert, statt revidiert hätte;

- ein langandauernder Krieg zwischen dem Westen und Hitlerdeutschland zu erwarten war, der zur Schwächung aller Kontrahenten führen würde;

- dieser Krieg die Möglichkeit bieten würde, sich zu einem selbstbestimmten Zeitpunkt als Befreier einzuschalten;

- mittelfristig daher nur ein Pakt mit Hitler gute Aussichten für eine Sowjetisierung Europas bot.

Stalins Pläne gingen fast auf, lediglich Zeitpunkt und Stärke des deutschen Angriffes im Jahr 1941 hatte man falsch eingeschätzt, eine Fehleinschätzung, die der Sowjetunion schwere Opfer kosten sollte.

Fünfzig Jahre lang leugnete die Sowjetunion die Existenz der Zusatzprotokolle. Erst 1989 setzte Michail Gorbatschow einen Untersuchungsausschuss unter der Leitung seines Vertrauten Alexander Jakowlew ein, der zum Schluss kam, diese Dokumente gäbe es. Am 24. Dezember 1989 erklärte der Volksdeputiertenkongress der UdSSR den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und seine Zusatzprotokolle für nichtig.

Quellen

  1. M. Ju. Miagkow (Hg.): Mirowje Woiny XX Weka. Band 4. Moskau 2002, Seite 68.
  2. Norman Davies: Aufstand der Verlorenen. Der Kampf um Warschau 1944. Droemer Verlag 2004, ISBN 3426272431. Seite 45ff.
  3. Werner Maser:Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg. Olzog, München 1994. S. 42
  4. Carr, Edward H., German-Soviet Relations between the Two World Wars, 1919-1939, Oxford 1952, p. 136.

Literatur

  • In der kostenlosen bibliographischen Datenbank RussGUS werden zum Hitler-Stalin-Pakt mehrere hundert Publikationen nachgewiesen (Formularsuche / Sachnotationen / 12.3.4.5.2.3.2 ).
  • Bernhard Bayerlein (Hg.) Georgi Dimitroff. Tagebücher 1933 - 1943. Aufbau-Verlag, Berlin 2000.
  • Gerhard Bisovsky, Hans Schafranek, Robert Streibel: Der Hitler-Stalin-Pakt. Voraussetzungen, Hintergründe, Auswirkungen. Wien 1990.
  • Walter Hofer: Die Entfesselung des zweiten Weltkrieges. Fischer, Frankfurt am Main 1960.
  • Werner Maser Der Wortbruch: Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg. München: Olzog 1994.
  • Hans Schafranek: Zwischen NKWD und Gestapo. Die Auslieferung deutscher und österreichischer Antifaschisten aus der Sowjetunion an Nazideutschland 1937 - 1941. Frankfurt a.M. 1990.
  • Heinrich Schwendemann: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941. In: Alternative zu Hitlers Ostprogramm? Akademie-Verlag, Berlin 1993. (Dissertation 1991).

Siehe auch