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„Akustisches Musikinstrument“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''akustisches Musikinstrument''' wird umgangssprachlich häufig zur Bezeichnung der typischen Orchesterinstrumente (Geige, Pauke, Flöte, Xylophon usw.) verwendet. Bei genauerer Überlegung ist der Begriff aber sehr problematisch. Es wundert daher nicht, dass der Begriff z. B. im Brockhaus gar nicht existiert. Es wird daher hier vorgeschlagen, auf die in Fachkreisen bekannte Bezeichung [[mechanisches Musikinstrument]] zu verweisen. (Leider werden unter diesem Titel gegenwärtig die [[mechanischen Musikautomaten]] besprochen). Es wundert schon, dass die letzteren Begriffe auch im Brockhaus durcheinander gehen.
Der Begriff '''akustisches Musikinstrument''' wird umgangssprachlich häufig zur Bezeichnung der typischen Orchesterinstrumente (Geige, Pauke, Flöte, Xylophon usw.) verwendet. Bei genauerer Überlegung ist der Begriff aber sehr problematisch. Es wundert daher nicht, dass der Begriff z. B. im Brockhaus gar nicht existiert. Es wird daher hier vorgeschlagen, auf die in Fachkreisen bekannte Bezeichung [[mechanisches Musikinstrument]] zu verweisen. (Leider werden unter diesem Titel gegenwärtig die [[mechanischen Musikautomaten]] besprochen). Es wundert allerdings schon etwas, dass die letzteren Begriffe auch im Brockhaus durcheinander gehen.


Was ist das Problem?
Jedes sinnvolle Musikinstrument sendet akustische Wellen
Jedes sinnvolle Musikinstrument sendet akustische Wellen
in dem umgebenden Medium (z. B. Luft) aus. Ohne diese Wellen kann man ein Instrument nicht hören. Es ist daher unüberlegt, gerade diesen notwendig gemeinsamen Aspekt aller Musikinstrumente als Unterscheidungsmerkmal einzuführen. Stattdessen muss man nach den Unterschieden fragen.
in dem umgebenden Medium (z. B. Luft) aus. Ohne diese Wellen kann man ein Instrument nicht hören. Es ist daher unüberlegt, gerade diesen notwendig gemeinsamen Aspekt aller Musikinstrumente als Unterscheidungsmerkmal einzuführen. Stattdessen muss man nach den Unterschieden fragen.
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Was ist z. B. bei der elektronischen Orgel anders?
Was ist z. B. bei der elektronischen Orgel anders?
Die grundsätzliche Schwingungserzeugung findet hier ohne jede mechanische
Die grundsätzliche Schwingungserzeugung findet hier ohne jede mechanische
Beteiligung statt, nämlich z. B. in elektrischen Schwingkreisen nebst Transistoren. Der LC-Schwingkreis ist nicht elektronisch, sondern elektrisch, der Transistor ist selbstverständlich ein elektronisches Bauelement. Ohne Transistoren gibt es keine Dauerschwingung, auch machen sie die Klangformung in weiteren Stufen (Kurvenformer). Der wesentlich klangbildende Anteil bei dieser Art von Orgel ist also der elektronische.
Beteiligung statt, nämlich z. B. in elektrischen Schwingkreisen nebst Transistoren. Der LC-Schwingkreis ist nicht elektronisch, sondern elektrisch, der Transistor ist selbstverständlich ein aktives, elektronisches Bauelement. Ohne Transistoren gibt es keine Dauerschwingung, auch machen sie die Klangformung in weiteren Stufen (Kurvenformer). Der wesentlich klangbildende Anteil bei dieser Art von Orgel ist also der elektronische. Solche Musikinstrumente sind also ''elektronische Musikinstrumente''.


Der Begriff ''elektrisches Musikinstrument'' ist auch problematisch. Durch eine Konstruktion von Spulen, Kondensatoren und Widerständen kommt es noch lange nicht zu einem Klang. Es fehlt das aktive Element. Dieses kann durch aktive elektronische Bauteile wie Röhren oder Transistoren gegeben sein. Oder durch elektromechanische Energieumwandlung (Saite-Magnet-Tonabnehmer ind er E-Gitarre, oder Tonrad, Magnet, Spule in der Hammond-Orgel). Letztere Fall führt also zum ''elektromechanischen Musikinstrument''.
Um die Geige davon zu unterscheiden, bleibt unterscheidend nur der oben erklärte mechanische Aspekt.

Um die Geige davon zu unterscheiden, bleibt nur der oben erklärte mechanische Aspekt.
Beim Klavier spricht man seit je her von der Mechanik.
Beim Klavier spricht man seit je her von der Mechanik.
Die herkömmlichen Instrumente (Geige, Pauke, Xylophon, Flöte, usw.) sind also für den Fachmann allesamt mechanische Musikinstrumente.
Die herkömmlichen Instrumente (Geige, Pauke, Xylophon, Flöte, usw.) sind also für den Fachmann allesamt mechanische Musikinstrumente.
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Orchestrion, Pianola, Drehorgel usw. sind also mechanische Musikautomaten und nicht einfach nur mechanische Musikinstrumente.
Orchestrion, Pianola, Drehorgel usw. sind also mechanische Musikautomaten und nicht einfach nur mechanische Musikinstrumente.

Mitunter wird der Begriff ''natürliches Instrument'' gebraucht. Hierin spiegelt sich die naive Auffassung wieder, die Klangformung in mechanischen Musikinstrumenten sei ''natürlich''. Mechanische Musikinstrumente wachsen aber nicht auf Bäumen. Z. T. haben sie eine jahrhundertelange Entwicklung stetiger Verbesserung hinter sich. Zu ihrer Herrstellung müssen große Anstrengungen unternommen werden. Ein Baum muß in meist großer Höhe ausgesucht werden, das Holz muß geschnitten und lange Zeit sorgfältig gelagert werden. Der Instrumentenbauer wird daraus das beste aussuchen, seine Kunstfertigkeit rechtfertigt einen Lehrberuf außergewöhnlich langer Lehrzeit. Das, was gewohnt ist, erscheint manchen als natürlich.

Version vom 2. Dezember 2006, 19:34 Uhr

Der Begriff akustisches Musikinstrument wird umgangssprachlich häufig zur Bezeichnung der typischen Orchesterinstrumente (Geige, Pauke, Flöte, Xylophon usw.) verwendet. Bei genauerer Überlegung ist der Begriff aber sehr problematisch. Es wundert daher nicht, dass der Begriff z. B. im Brockhaus gar nicht existiert. Es wird daher hier vorgeschlagen, auf die in Fachkreisen bekannte Bezeichung mechanisches Musikinstrument zu verweisen. (Leider werden unter diesem Titel gegenwärtig die mechanischen Musikautomaten besprochen). Es wundert allerdings schon etwas, dass die letzteren Begriffe auch im Brockhaus durcheinander gehen.

Jedes sinnvolle Musikinstrument sendet akustische Wellen in dem umgebenden Medium (z. B. Luft) aus. Ohne diese Wellen kann man ein Instrument nicht hören. Es ist daher unüberlegt, gerade diesen notwendig gemeinsamen Aspekt aller Musikinstrumente als Unterscheidungsmerkmal einzuführen. Stattdessen muss man nach den Unterschieden fragen.

Die Akustik ist eine Spezialisierung der klassischen Mechanik. Die Mechanik behandelt Körper, Kräfte und Bewegungen der Körper durch Kräfte. Dies betrifft z. B. die Bewegungen der Planeten, aber auch die Bewegungen einer Membran. Der typische Alltagssprachgebrauch bringt die Mechanik aber nur sehr einschränkend in den Zusammenhang mit Uhrwerken, Wagenhebern usw. Daher rühren letztlich alle Schwierigkeiten.

In der Akustik tritt nun der Spezialfall auf, dass die Körper Gasmoleküle sind, oder z. B. auch die Atome in Kristallgittern eines Festkörpers. Es ist also von einer sehr großen Anzahl auszugehen. Weiters treten Wellenerscheinungen auf, also Bewegungen, die nicht nur zeit- sondern auch ortsabhängig sind. Sehr schnell langt man bei komplizierten Differentialgleichungen mit Randbedingungen an. Einfache Lösungen lassen sich nur durch spezielle Näherungen gewinnen. Dieser praktische Aspekt rechtfertigt die Einführung einer Spezialdisziplin -eben der Akustik- aus der Mechanik heraus. In der Akustik gelten aber alle Gesetze der Mechanik weiterhin (Newton), sie stellt keine grundsätzlich neuen auf. Bei der heutigen numerischen Lösung dieser Bewegungsprobleme kehrt man sogar direkt zu den Grundgleichungen der Mechanik wieder zurück und berechnet das Vielteilchensystem.

Ein paar Beispiele sollen dies verdeutlichen. Der Bogen streicht über die Geigensaite. Dabei kommt es zu einem Wechsel von Haftreibung und Gleitreibung. Durch die Unregelmäßigkeiten der Oberflächen entsteht ein -besonder in nächster Nähe gut- hörbares Kratzen (Rauschen). Die Saite als schwingfähiges System kann man als eine Reihe von Massenpunkten modellieren, die durch elestische Federn und Dämpfungselemente verbunden sind. Weil eben nicht nur ein einziger Massenpunkt mit einer einzigen Feder interagiert, so gibt es nicht nur eine mögliche Schwingung, sondern eine ganze Schar davon (Moden). So weit funktionert alles schon, auch ohne Resonanzkasten. Auf diesen wird nur ein kleiner Teil der Schwingungsenergie übertragen. Er sorgt für die akustische Anpassung und damit für einen größeren Schalldruck. Zusätzlich wirkt er als Multibandfilter. Bei der Pauke wird der Schlegel zunächst von der Hand beschleunigt. Er trifft auf die Membran. Diese ist nun kein -im wesenlichen- eindimensionales Gebilde wie die Saite, sonden hat zwei Dimensionen. Entsprechend muß das Modell als flächiges Netzwerk von Massen, Federn und Dämpfern ausgebildet werden. Dadurch gibt es wesenlich mehr Moden und diese haben nicht einmal mehr annähernd ganzzahlige Frequenzverhältnisse zur Folge. Der Kessel wirkt als Resonator. Bei der Flöte haben wir es mit der Strömungsmechanik einer laminaren oder chaotischen Luftströmung zu tun, die ein Resonanzrohr anregt. Man merkt, daß zur Beschreibung der Vorgänge die klassischen Elemente ode Begriffe der Mechanik herangezogen werden müssen. Tatsächlich lassen sich mit Modellen aus solchen Elementen Physical Modelling sehr ähnliche Klänge darstellen, die hier vorgestellte Beschreibung funktioniert also auch praktisch.

Was ist z. B. bei der elektronischen Orgel anders? Die grundsätzliche Schwingungserzeugung findet hier ohne jede mechanische Beteiligung statt, nämlich z. B. in elektrischen Schwingkreisen nebst Transistoren. Der LC-Schwingkreis ist nicht elektronisch, sondern elektrisch, der Transistor ist selbstverständlich ein aktives, elektronisches Bauelement. Ohne Transistoren gibt es keine Dauerschwingung, auch machen sie die Klangformung in weiteren Stufen (Kurvenformer). Der wesentlich klangbildende Anteil bei dieser Art von Orgel ist also der elektronische. Solche Musikinstrumente sind also elektronische Musikinstrumente.

Der Begriff elektrisches Musikinstrument ist auch problematisch. Durch eine Konstruktion von Spulen, Kondensatoren und Widerständen kommt es noch lange nicht zu einem Klang. Es fehlt das aktive Element. Dieses kann durch aktive elektronische Bauteile wie Röhren oder Transistoren gegeben sein. Oder durch elektromechanische Energieumwandlung (Saite-Magnet-Tonabnehmer ind er E-Gitarre, oder Tonrad, Magnet, Spule in der Hammond-Orgel). Letztere Fall führt also zum elektromechanischen Musikinstrument.

Um die Geige davon zu unterscheiden, bleibt nur der oben erklärte mechanische Aspekt. Beim Klavier spricht man seit je her von der Mechanik. Die herkömmlichen Instrumente (Geige, Pauke, Xylophon, Flöte, usw.) sind also für den Fachmann allesamt mechanische Musikinstrumente.

Ein weiteres Problem besteht in der Bezeichnung der selbstspielenden Instrumente, wie dem Pianola. Oft sind sie mit den mechanischen Musikinstrumenten völlig baugleich, bis auf die Abspielvorrichtung. Der Unterschied besteht nur darin, dass kein Spieler benötigt wird. Dies drückt sich nach dem vorher gesagten am besten in der Bezeichnung des mechanischen Musikautomaten aus.

Orchestrion, Pianola, Drehorgel usw. sind also mechanische Musikautomaten und nicht einfach nur mechanische Musikinstrumente.

Mitunter wird der Begriff natürliches Instrument gebraucht. Hierin spiegelt sich die naive Auffassung wieder, die Klangformung in mechanischen Musikinstrumenten sei natürlich. Mechanische Musikinstrumente wachsen aber nicht auf Bäumen. Z. T. haben sie eine jahrhundertelange Entwicklung stetiger Verbesserung hinter sich. Zu ihrer Herrstellung müssen große Anstrengungen unternommen werden. Ein Baum muß in meist großer Höhe ausgesucht werden, das Holz muß geschnitten und lange Zeit sorgfältig gelagert werden. Der Instrumentenbauer wird daraus das beste aussuchen, seine Kunstfertigkeit rechtfertigt einen Lehrberuf außergewöhnlich langer Lehrzeit. Das, was gewohnt ist, erscheint manchen als natürlich.