„Kirche Großröhrsdorf“ – Versionsunterschied
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Version vom 14. August 2023, 23:28 Uhr

Die evangelische Kirche Großröhrsdorf ist die barocke Saalkirche der Stadt Großröhrsdorf im Landkreis Bautzen in Sachsen. Sie gehört zur Kirchengemeinde Großröhrsdorf im Kirchenbezirk Bautzen/Kamenz der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.[1]
In den frühen Morgenstunden des 4. August 2023 brach durch Brandstiftung ein Feuer aus, das Gotteshaus wurde stark beschädigt, Dachstuhl und Kirchturmspitze stürzten ein.[2][3]



Geschichte und Architektur
Die Dorfkirche Großröhrsdorf zählte laut Dehio-Handbuch zu den schönsten barocken Kirchenbauten der Oberlausitz. Die stattliche Saalkirche mit eingezogenem Chor und Dreiachtelschluss war in den Jahren 1731–1736 anstelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet worden. Superintendent Valentin Ernst Löscher aus Dresden weihte sie am 8. Oktober 1736.[4] Restaurierungen wurden in den Jahren 1886–1888 und 1933–1936 vorgenommen; im Jahr 1903 erfolgte der Anbau eines Treppenturmes in der Nordostecke an die Herrschaftsloge. In den Jahren 2012–2018 erfolgte eine umfassende Restaurierung außen und innen.[4]
Das Bauwerk war ein verputzter Bruchsteinbau mit Korbbogenfenstern und verkröpftem Verdachungsgesims. Ein zweigeschossiger quadratischer Westturm war mit einem achtseitigen Glockengeschoss, Haube und Laterne bekrönt. Das Innere wurde von einer flachen, mit geometrischen Stuckornamenten verzierten Putzdecke über großer Voute und Gesims abgeschlossen. Der Raum wurde von doppelgeschossigen Holzemporen an den Langseiten und einer konvex vorschwingenden Orgelempore eingefasst. An der Chornordseite war eine Loge mit drei Fenstern angebracht, darüber eine zweite, etwas vorkragende Loge. An der Chorsüdseite befand sich die Sakristei.
Das Gotteshaus diente der Gemeinde Groß- und Kleinröhrsdorf für Gottesdienste und andere Veranstaltungen, auch war es regelmäßig im Sommer mittwochs zu Andacht und Besichtigung geöffnet.[5]
Ausstattung
Das Bauwerk zeigte bis zum Brand 2023 eine einheitliche Ausstattung aus der Erbauungszeit. Der den Raum beherrschende Altar aus Holz stammte von 1745 und zeigte zwei übereck gestellte Pilaster korinthischer Ordnung mit vorgestellter Säule, welche die Altarnische mit Kruzifix flankieren; darüber war eine Kartusche mit flammendem Herz angeordnet. Ein seitlich ausschwingender Aufsatz mit Strahlengloriole und Urnen über den Säulen bekrönte den Aufbau. Zwischen Altar und Chorwand war je ein Durchgang mit geschweiftem Bogen angeordnet, der mit Rokoko-Ornament geschmückt war.
Die fünfeckige Kanzel aus Holz von 1736 zeigte am Kanzelkorb Evangelistenbilder und den segnenden Christus. Der Kanzelkorb ruhte auf einer mächtigen Volute. Das Gemälde im Schalldeckel war ein Werk von Johann Adolph Pöppelmann, dem Sohn des Zwingerarchitekten Matthäus Daniel Pöppelmann.[6]
Der Altar, eine Nachbildung des Altars der Thomaskirche Leipzig, war 2016 aufwändig restauriert worden.[7]
Die Taufe aus Holz auf vier volutenartigen Beinen war mit Akanthus geschmückt und stammte von 1745.
Eine beachtenswerte ungefasste Schnitzfigur aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammte vom Flügelaltar des Vorgängerbaus und stellte Maria mit dem Kind dar.
An der Südseite der Chorwand stand ein großes, prachtvolles Sandstein-Epitaph der Christiane Sophie Nicolai, geborene Troppanneger[8] (1692–1756): Eine liegende Gestalt hielt ein ovales Relief mit der Darstellung der Verstorbenen und war von Pietas und Fides flankiert, abschließend waren eine Glorie und ein einen Kranz herabreichender Putto dargestellt. Das an der Südwand des Chores befestigte, 2,5 Tonnen schwere Epitaph warf Fragen der statischen Festigkeit auf, die sich jedoch als unbegründet erwiesen.[4]
Zwei ganzfigurige, feingearbeitete, stark typisierte Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchthon in Öl auf Leinwand stammten von 1614.
Beim Brand 2023 wurden die meisten historischen Kunstschätze zerstört. Taufstein und -schale, Kanzel, Orgel und Emporen sowie eine geschnitzte Madonna aus dem 15. Jahrhundert und die Nachbildung des Altars der Leipziger Thomaskirche sind vernichtet worden. Ein Epitaph aus Sandstein, Grabmal einer örtlichen und dort begrabenen Mäzenin aus dem 18. Jahrhundert, konnte gerettet werden. Ebenfalls ein kleiner Altar, eine Truhe, eine Osterkerze und eine geschnitzte Holztafel mit den Namen aller Pfarrer seit dem 16. Jahrhundert, die in der Sakristei gelagert waren.[9]
Orgel
Die Orgel war ein zunächst zweimanualiges Werk mit 44, auf pneumatischen Kegelladen stehenden Registern von Orgelbau A. Schuster & Sohn aus dem Jahr 1904 in einem Gehäuse von Pfützner & Mayer aus den Jahren 1760/61. Schuster verwendete hierbei auch Teile des Orgelwerks von 1761.[10] Eule Orgelbau veränderte es in den Jahren 1935/36 und erweiteret es auf 48 Register auf drei Manualen und Pedal erweiterte. Es war für Kirchen dieser Art ungewöhnlich groß.[11] Das Instrument wurde zwischen 1997 und 1998 umfassend restauriert, die Kosten wurden aus Spenden finanziert.[12]
Geläut
Das Geläut bestand aus vier Eisenhartgussglocken, der Glockenstuhl war aus Stahl und die Glockenjoche aus Stahlguss gefertigt.[13]
Nr. | Gussdatum | Gießer | Material | Durchmesser | Masse | Schlagton |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 1919 | Glockengießerei Schilling & Lattermann | Eisenhartguss | 1660 mm | 1910 kg | es′ |
2 | 1919 | Glockengießerei Schilling & Lattermann | Eisenhartguss | 1300 mm | 895 kg | g′ |
3 | 1919 | Glockengießerei Schilling & Lattermann | Eisenhartguss | 1080 mm | 518 kg | b′ |
4 | 1919 | Glockengießerei Schilling & Lattermann | Eisenhartguss | 960 mm | 368 kg | c″ |
Kirchgemeinde
Die Kirche Großröhrsdorf gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Großröhrsdorf-Kleinröhrsdorf im Kirchgemeindebund Massenei, zur Kirchgemeinde gehörten Ende 2022 rund 1.400 Gemeindeglieder.[14] Pfarrer ist Stefan Schwarzenberg.
Pfarrer seit 1539
- 1539: Oelschlager, Wolfgang
- 1540: Zeise, Martin
- 1557: Fischer, Michael
- 1610: Klette, Georg d. J.
- 1644: Lindner, Samuel
- 1729: Plarr, David Gottlieb
- 1734: Löffler, Johann Paul
- 1752: Behnert, Johann Friedrich
- 1782: Heerklotz, Gottfried
- 1803: Stübel, Christian Adolph
- 1842: Henrici, Carl Traugott
- 1871: Schmieder, Carl Wilhelm Robert
- 1876: Schöpff, Friedrich Wilhelm Traugott
- 1883: Bergmann, Ernst *Alwin
- 1895: Schleinitz, Johann Emil
- 1927: Thomas, *Johannes Friedrich Cornelius
- 1933: Hahn, Richard
- 1961: Alt, Artur
- 1962: Thürmer, Wolfgang[15]
Brand und Folgen

Ein durch Brandstiftung gelegtes Großfeuer zerstörte das Gotteshaus und seine Ausstattung in der Nacht zum 4. August 2023 fast völlig. Personen kamen nicht zu Schaden; die Feuerwehr konnte die Ausbreitung des Feuers auf andere Gebäude verhindern.
Die Kirchengemeinde dankte allen Einsatzkräften, kirchliche Veranstaltungen finden wie geplant statt – die Gottesdienste im Kirchgemeindehaus Großröhrsdorf. Für den Wiederaufbau erbittet die Kirchengemeinde Spenden auf das Konto zugunsten der Stadtkirche Großröhrsdorf.[16]
Tobias Bilz, der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (EvLKS), zu der die Kirchgemeinde Großröhrsdorf gehört, war am 4. August spontan zur Brandstelle gekommen und zeigte sich bestürzt. Die zuständige Grundstücks-, Bau- und Friedhofsdezernentin des Landeskirchenamtes, Oberlandeskirchenrätin Carmen Kuhn, sagte, die EvLKS werde „die Kirchgemeinde bei allen anstehenden Schritten eng begleiten“.[17] Der Landrat des Landkreises Bautzen, Udo Witschas, sagte, eine Kirche sei einer der wichtigsten identitätsstiftenden Anker in einer Stadt und es müsse „alles dafür getan werden, damit sie so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden kann“.[18]
Eine vergleichbare Katastrophe gab es im Frühjahr 2000 in Rathendorf, Ortsteil der Stadt Geithain im Landkreis Leipzig: Dort wurde die Kirche Rathendorf Opfer der Flammen.[19] Der Wiederaufbau des Gotteshauses dauerte drei Jahre, er kostete damals rund 3 Millionen Euro und wurde zum großen Teil aus der Versicherungssumme finanziert.[20]
Varia
- Die Kirche war 2011 Drehort für Hochzeitsszenen der TV-Verfilmung von Uwe Tellkamps Roman Der Turm.[21][22]
Literatur
- Zweihundertjähriges Jubiläum der Kirche zu Großröhrsdorf am 11. Oktober 1936. Sonderbeilage zum Anzeiger für Großröhrsdorf, 1936.[23]
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen I. Regierungsbezirk Dresden. Deutscher Kunstverlag, München 1996, ISBN 3-422-03043-3, S. 424.
- Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Hrsg. vom Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. Mit einem Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 304.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Informationen zur Kirche Großröhrsdorf auf der Website der Gemeinde. Abgerufen am 9. September 2020.
- ↑ Stadtkirche Großröhrsdorf nach Brand akut einsturzgefährdet. In: mdr.de. Abgerufen am 5. August 2023.
- ↑ Kirchenbrand in Großröhrsdorf war Brandstiftung - Täter festgenommen. In: saechsische.de. Abgerufen am 12. August 2023.
- ↑ a b c Norbert Littig: Der Neubau der Großröhrsdorfer Kirche und seine Beziehung zur Residenzstadt Dresden. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2018. Band 22. Schnell & Steiner, Regensburg 2018, ISBN 978-3-7954-3371-0, S. 135–146.
- ↑ https://www.zeit.de/news/2023-08/04/brand-der-stadtkirche-landrat-und-landesbischof-bestuerzt
- ↑ Gernot Klatte: Die Kirche zu Großröhrsdorf. Eine kunstgeschichtliche und bautypologische Würdigung. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2018. Band 22. Schnell & Steiner, Regensburg 2018, ISBN 978-3-7954-3371-0, S. 147–158.
- ↑ https://www.evlks.de/aktuelles/alle-nachrichten/nachricht/kirche-in-grossroehrsdorf-ausgebrannt
- ↑ Eine Tochter des königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Hofrates und Leibarztes Johann Christoph Troppanneger, manchmal auch Troppaniger.
- ↑ Heike Garten: Nach Kirchenbrand in Großröhrsdorf: Polizei setzt Drohne ein. In: Sächsische Zeitung. 8. August 2023 (kostenpflichtig online [abgerufen am 9. August 2023]).
- ↑ Orgelbau A. Schuster & Sohn. Abgerufen am 14. August 2023.
- ↑ Website der Stadt Großröhrsdorf. Abgerufen am 13. September 2020.
- ↑ https://grossroehrsdorf.de/web/leben-wohnen/kirche/?navid=708739875636
- ↑ Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Hrsg.: Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 304 ff. (Mit einem Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner).
- ↑ https://www.evlks.de/aktuelles/alle-nachrichten/nachricht/kirche-in-grossroehrsdorf-ausgebrannt
- ↑ https://pfarrerbuch.de/sachsen/ort/2775, abgerufen am 7. August 2023
- ↑ Traurige Bekanntmachung. Website der Kirchengemeinde Großröhrsdorf, abgerufen am 7. August 2023.
- ↑ https://www.evlks.de/aktuelles/alle-nachrichten/nachricht/kirche-in-grossroehrsdorf-ausgebrannt
- ↑ https://www.katholisch.de/artikel/46397-landrat-kirche-in-grossroehrsdorf-nach-brand-wiederaufbauen
- ↑ Die damalige Brandstiftung konnte bislang nicht aufgeklärt werden
- ↑ https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/bautzen-hoyerswerda-kamenz/video-kirche-brand-grossroehrsdorf-rathendorf-100.html
- ↑ Hochzeitsszenen für TV-Zweiteiler “Der Turm” in Großröhrsdorf gedreht – Görlitz folgt im November auf radiolausitz.de, 29. September 2011.
- ↑ Wo Tellkamps Turm verfilmt wird auf sz-online.de.
- ↑ https://d-nb.info/361010796
Koordinaten: 51° 8′ 39,3″ N, 14° 0′ 56″ O