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„Agendenstreit“ – Versionsunterschied

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== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==


König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] beabsichtigte mit der von ihm erarbeiteten Agende eine Konsensusunion. Jedoch waren die dogmatischen Voraussetzungen zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche und der reformierten Kirche nicht gegeben. Sein Ziel war es, eine einheitliche Landeskirche mit gleicher [[Liturgie]] zu schaffen. Er selber verfasste eine neue Agende, die in allen Kirchen seines Landes in Geltung sein sollte. Faktisch sollte also über die bloße Verwaltungsunion, eine gemeinsame Kirchenleitung für die lutherische und reformierte Kirche, hinausgegangen werden. Hierbei kam dem kirchlich sehr interessierten Monarchen zugute, dass Gemeinden und Pfarrer in Folge von [[Pietismus]] und [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] sich kaum noch bewußt waren, ob sie nun lutherisch oder reformiert waren. Das Lebensgefühl war allgemein [[evangelisch]], nicht spezifisch lutherisch oder reformiert. Im Jahr 1817, zum 300. Jahrestag der [[Reformation]] erfolgte seitens des Königs ein Aufruf zu gemeinsamen Abendmahlsfeiern. Jedoch waren weder die kirchenrechtlichen noch die dogmatischen Probleme im Vorfeld geklärt. Letztendlich blieb der Aufruf folgenlos, da Lutheraner und Reformierte kaum in direkter Nachbarschaft lebten.
König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] beabsichtigte mit der von ihm erarbeiteten Agende eine Konsensusunion. Jedoch waren die dogmatischen Voraussetzungen zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche und der reformierten Kirche nicht gegeben. Sein Ziel war es, eine einheitliche Landeskirche mit gleicher [[Liturgie]] zu schaffen. Er selber verfasste eine neue Agende, die in allen Kirchen seines Landes in Geltung sein sollte. Faktisch sollte also über die bloße Verwaltungsunion, eine gemeinsame Kirchenleitung für die lutherische und reformierte Kirche, hinausgegangen werden. Hierbei kam dem kirchlich sehr interessierten Monarchen zugute, dass Gemeinden und Pfarrer in Folge von [[Pietismus]] und [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] sich kaum noch bewusst waren, ob sie nun lutherisch oder reformiert waren. Das Lebensgefühl war allgemein [[evangelisch]], nicht spezifisch lutherisch oder reformiert. Im Jahr 1817, zum 300. Jahrestag der [[Reformation]] erfolgte seitens des Königs ein Aufruf zu gemeinsamen Abendmahlsfeiern. Jedoch waren weder die kirchenrechtlichen noch die dogmatischen Probleme im Vorfeld geklärt. Letztendlich blieb der Aufruf folgenlos, da Lutheraner und Reformierte kaum in direkter Nachbarschaft lebten.


== Der Agendenstreit 1822-1834 ==
== Der Agendenstreit 1822-1834 ==

Version vom 27. Oktober 2006, 16:07 Uhr

Unter Agendenstreit ist der Konflikt zwischen Pfarrern und König Friedrich Wilhelm III von Preußen über seine für alle evangelischen Kirchen in Preußen verbindliche Agende zu verstehen.

Vorgeschichte

König Friedrich Wilhelm III. beabsichtigte mit der von ihm erarbeiteten Agende eine Konsensusunion. Jedoch waren die dogmatischen Voraussetzungen zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche und der reformierten Kirche nicht gegeben. Sein Ziel war es, eine einheitliche Landeskirche mit gleicher Liturgie zu schaffen. Er selber verfasste eine neue Agende, die in allen Kirchen seines Landes in Geltung sein sollte. Faktisch sollte also über die bloße Verwaltungsunion, eine gemeinsame Kirchenleitung für die lutherische und reformierte Kirche, hinausgegangen werden. Hierbei kam dem kirchlich sehr interessierten Monarchen zugute, dass Gemeinden und Pfarrer in Folge von Pietismus und Aufklärung sich kaum noch bewusst waren, ob sie nun lutherisch oder reformiert waren. Das Lebensgefühl war allgemein evangelisch, nicht spezifisch lutherisch oder reformiert. Im Jahr 1817, zum 300. Jahrestag der Reformation erfolgte seitens des Königs ein Aufruf zu gemeinsamen Abendmahlsfeiern. Jedoch waren weder die kirchenrechtlichen noch die dogmatischen Probleme im Vorfeld geklärt. Letztendlich blieb der Aufruf folgenlos, da Lutheraner und Reformierte kaum in direkter Nachbarschaft lebten.

Der Agendenstreit 1822-1834

Mit der von König Wilhelm III. von Preußen erarbeiten Agende und den Versuch diese als das Evangelische Gottesdienstbuch durchzusetzen, berührte er einen umstrittenen Gesichtspunkt der Kirchenverfassung: Wem steht in der evangelischen Kirche das ius liturgicum (Recht zum Erlassen von Gottesdienstordnungen) zu? Einige Kirchengemeinden Preußens meinten, dass jede Ortsgemeinde selbst über die Agende befinden könne. Der König hingegen beharrte auf seinem landesherrlichen Kirchenregiment. Zahlreiche Kirchengemeinden widersetzten sich 1822 den Vorgaben des Königs. Durch einen Kompromiss wurde der Streit 1829 entschärft. Die einzelnen Landesteile akzeptierten zwar die Berliner Agende. Jedoch durfte ein landestypischer Anhang mit liturgischen Besonderheiten und Traditionen abgedruckt und verwandt werden. Die Kultusunion war gescheitert. 1834 erklärte König Wilhelm III., dass kein Kausalzusammenhang zwischen Union und Agende bestünde. Der Beitritt zur Union sei freiwillig und bedeute keine Aufhebung der bisher geltenden konfessionellen Bekenntnisse.

Landesweite Folgen des Agendenstreites

Der Agendenstreit hatte zur Folge, dass der lutherische Konfessionalismus in Preußen erstarkte. Überzeugte Lutheraner traten der Union nicht bei. In Schlesien, besonders in Breslau kam es zur stärksten Ablehnung. Durch Bittschriften an den König baten diese Lutheraner um Erhalt des lutherischen Gottesdienstes, der Selbständigkeit der Kirche durch eine lutherische Verfassung und der Eigenständigkeit in Lehre und Leben der lutherischen Kirche. Initiator war der Theologieprofessor und Pfarrer an der Evangelisch-Lutherischen Elisabeth Kirche zu Breslau, Johann Gottfried Scheibel. Diese Opposition wollte König Friedrich Wilhelm III. nicht dulden. Scheibel wurde suspendiert und wurde des Landes verwiesen. Jedoch bildeten sich nicht nur in Schlesien lutherische Gemeinden außerhalb der Union, sondern auch in Pommern, Preußen, Baden und anderen Teilen. Den Verfolgungsmaßnahmen mit Vertreibung, Enteignung und Inhaftierung aus religiösen Gründen, Wegnahme von Kirchgebäuden unter Einsatz von Militär, versuchten sich zahlreiche Lutheraner in der Zeit von 1834-1839 durch Emigration nach Australien und in die USA zu entziehen. Sie gründeten die Evangelisch-Lutherische Missouri-Synode, die heute 2,6 Millionen getaufte Glieder umfasst. Die Verfolgung der Altlutheraner endete 1840 unter König Friedrich Wilhelm IV. 1841 konnte sich die Evangelisch-Lutherische (Altlutherische) Kirche in Preußen unter Federführung von Philipp Eduard Huschke auch kirchenrechtlich organisieren. Rechtsnachfolgerin der Evangelisch-Lutherischen (Altlutherischen Kirche) ist die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche.

Folgen des Agendenstreites am Beispiel Hönigern

Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde von Hönigern (Schlesien) weigerte sich mit ihrem Pfarrer Kellner, die neue Agende einzuführen, was sie auch auf Drängen des zuständigen Superintendenten Kelch nicht tat. Hierauf wurde Pfarrer Kellner vom Superintendenten suspendiert, der seinerseits die Suspension nicht anerkannte. Der Landrat verlangte die Herausgabe des Kirchenschlüssels. Die Kirchengemeinde weigerte sich. Nach vergeblichen Versuchen seitens der neuen unierten Landeskirche, sich des Kirchgebäudes zu bemächtigen, rückte am 23. Dezember 1834 preußisches Militär an: 400 Mann Infanterie, 50 Kürassiere und 50 Husaren. 200 Gemeindeglieder versammelten sich um die Kirche. Nach zweimaligen Warnungen verschaffte sich das preußische Militär durch Kolbenstöße und Hiebe gewaltsam Zutritt zur Kirche. Nach uniertem Ritus fand ein Gottesdienst mit den unierten Geistlichen Konsistorialrat Hahn, Superintendent Kelch und Pfarrer Busch statt, der die unierte Agende überreicht bekam.

Verweise

Quellenbuch und Dokumentensammlung

  • Manfred Roensch, Werner Klän: Quellen zur Entstehung und Entwicklung selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland. Frankfurt/Main 1987