„Ernst Federn“ – Versionsunterschied
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Als Trotzkist geriet Federn dort in Konflikt mit der von Stalinisten dominierten Häftlingsselbstverwaltung. ''Mit einem Trotzkisten zu reden, war verboten. Es gab allerdings einen berühmten kommunistischen Gefangenen, der im Lager unerhörte Dinge durchgestanden hatte. Mit dem habe ich sehr viel über Psychoanalyse gesprochen. Er ließ es sich nicht verbieten, mit mir zu sprechen. [[Datei:Prof. Ernst Federn im Jahr 2006.JPG|thumb|Ernst Federn im Jahr 2006]] Da er großen Einfluss auf die anderen hatte, bekam ich den Ruf des Psychoanalytikers im Lager. Man konnte nun doch mit mir sprechen, die Leute konnten mit mir über sich und ihre Probleme reden.''<ref>Tomas Plänkers, Ernst Federn: ''Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse.'' Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7, S. 158f.</ref> |
Als Trotzkist geriet Federn dort in Konflikt mit der von Stalinisten dominierten Häftlingsselbstverwaltung. ''Mit einem Trotzkisten zu reden, war verboten. Es gab allerdings einen berühmten kommunistischen Gefangenen, der im Lager unerhörte Dinge durchgestanden hatte. Mit dem habe ich sehr viel über Psychoanalyse gesprochen. Er ließ es sich nicht verbieten, mit mir zu sprechen. [[Datei:Prof. Ernst Federn im Jahr 2006.JPG|thumb|Ernst Federn im Jahr 2006]] Da er großen Einfluss auf die anderen hatte, bekam ich den Ruf des Psychoanalytikers im Lager. Man konnte nun doch mit mir sprechen, die Leute konnten mit mir über sich und ihre Probleme reden.''<ref>Tomas Plänkers, Ernst Federn: ''Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse.'' Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7, S. 158f.</ref> |
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Version vom 31. Mai 2013, 14:13 Uhr
Ernst Federn (* 26. August 1914 in Wien; † 24. Juni 2007 ebenda) war ein Pionier der psychologischen Analyse des Lebens in Konzentrationslagern, der psychoanalytischen Pädagogik sowie der psychoanalytisch orientierten Sozialarbeit in Gefängnissen.
Leben
Ernst Federn war ein Sohn des Psychoanalytikers Paul Federn[1] und Neffe des Wirtschaftsjournalisten Walther Federn sowie der Schriftsteller Etta Federn-Kohlhaas und Karl Federn. Er beabsichtigte zunächst nicht, ebenfalls Psychoanalytiker zu werden, sondern ging in die Politik, was für einen marxistischen Sozialisten damals, in den Dreißigerjahren in Österreich, hieß, in den Untergrund zu gehen. Als Mitglied der trotzkistischen „Revolutionären Kommunisten Österreichs (RKÖ)“ wurde er am 14. März 1938 von der Gestapo verhaftet[2] und verbrachte zunächst vier Monate im Konzentrationslager Dachau[3] (Häftlingsnummer 14168[4]), danach fast sieben Jahre im Konzentrationslager Buchenwald (1. Häftlingsnummer 9122, 2. Häftlingsnummer 2402[5]).[6]
Als Trotzkist geriet Federn dort in Konflikt mit der von Stalinisten dominierten Häftlingsselbstverwaltung. Mit einem Trotzkisten zu reden, war verboten. Es gab allerdings einen berühmten kommunistischen Gefangenen, der im Lager unerhörte Dinge durchgestanden hatte. Mit dem habe ich sehr viel über Psychoanalyse gesprochen. Er ließ es sich nicht verbieten, mit mir zu sprechen.
Da er großen Einfluss auf die anderen hatte, bekam ich den Ruf des Psychoanalytikers im Lager. Man konnte nun doch mit mir sprechen, die Leute konnten mit mir über sich und ihre Probleme reden.[7]
Einige Monate war Bruno Bettelheim Federns Mitgefangener, und die beiden diskutierten über die Psychologie des Terrors.
Vor einem Todesmarsch wurde Federn von seinem Freund Karl Fischer, der ebenfalls Mitglied der „Revolutionären Kommunisten Österreichs“ gewesen war, knapp vor der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald durch Übergabe dessen eigener weißen Lagerschutzbinde gerettet.[8][9][10]
„Im April 1945 wurde Ernst Federn durch die United States Army befreit. Eine Rückkehr nach Österreich, das von den Russen besetzt war, erschien dem entschiedenen Gegner Stalins als zu gefährlich - eine realistische Einschätzung: Sein Freund Karl Fischer beispielsweise wurde vom sowjetischen Geheimdienst entführt und nach Sibirien verschleppt. Ernst Federn hat die Haftzeit innerlich ungebrochen überstanden. Noch im Lager, am 20. April 1945, veröffentlichte er mit drei anderen Häftlingen die 'Erklärung der internationalistischen Kommunisten Buchenwalds', in der sie sich gegen den Stalinismus wandten und für eine österreichische Räterepublik eintraten. Federn ging nach Brüssel, wo er sein politisches Engagement fortsetzte.“ (Roland Kaufhold)[11]

Federn emigrierte 1948 mit seiner Frau Hilde Federn in die USA. Er lebte dort bis 1961 in New York City, anschließend bis 1972 in Cleveland, Ohio, und arbeitete als Familienberater, Sozialarbeiter und Psychotherapeut.[12]
An seinem zuerst 1946 veröffentlichten Versuch einer Psychologie des Terrors bestand in der vom Antikommunismus geprägten Nachkriegszeit kein Interesse. Ähnlich erging es Federn mit den Protokollen der sogenannten Mittwochsgesellschaft, des Kreises um Freud, der sich seit 1902 traf. Federn edierte diese für die Geschichte der Psychoanalyse außerordentlich wichtige Quelle gemeinsam mit dem Psychoanalytiker Hermann Nunberg.[13]
1972 kehrte Federn auf Einladung Bruno Kreiskys und Christian Brodas nach Österreich zurück und engagierte sich als Psychotherapeut und Supervisor in der Reform des Strafvollzugs.[14]
Im September 2004 wurde Federn in Würdigung seiner besonderen Leistungen mit Beschluss des Wiener Gemeinderates die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Silber verliehen.
Schriften (Auswahl)
Als Autor
- Zur Psychoanalyse der Psychotherapien. Tübingen: Ed. diskord, 1997.
- Ein Leben mit der Psychoanalyse. Von Wien über Buchenwald und die USA zurück nach Wien, Psychosozial-Verlag, Gießen 1999.
- Versuch einer Psychologie des Terrors; in: Kaufhold, R. (Hg.): Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des Terrors. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999, S. 35–75.
Als Herausgeber
- Nunberg, H., Federn, E. (Hg.): Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, Bd. I – IV. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1976 -1981 (Neuausgabe: Psychosozial-Verlag, Gießen 2007).
- Freud im Gespräch mit seinen Mitarbeitern: aus den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Hg., eingel. und mit Zwischentexten versehen von Ernst Federn, Frankfurt/M.: Fischer TB, 1984.
- Federn, E., Wittenberger, G. (Hg.): Aus dem Kreis um Sigmund Freud: zu den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Frankfurt/M.: Fischer-TB 1992.
Literatur
- Fragen zur Ethik und Technik psychoanalytischer Sozialarbeit (im November 1994 in Rottenburg). Hrsg.: Verein für Psychoanalytische Sozialarbeit Rottenburg und Tübingen, Festschrift für Ernst Federn. Tübingen: Ed. diskord 1995.
- Stephan Becker (Hg.), Helfen statt Heilen: Ernst Federn zum 80. Geburtstag. Giessen: Psychosozial-Verlag, 1995.
- Kaufhold, R. (Hg.) (1999): Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des Terrors. Material zum Leben und Werk von Ernst Federn. Psychosozial-Verlag, Gießen, S. 145-172.
- Kaufhold, R. (2001): Bettelheim, Ekstein, Federn: Impulse für die psychoanalytisch-pädagogische Bewegung. Mit einem Vorwort von Ernst Federn. Psychosozial-Verlag, Gießen.
- Kaufhold, R. (2005): Erinnerung an Hilde Federn (26.10.1910 - 19.01.2005); in: Kinderanalyse, 13. Jg., Heft 2/2005, S. 234-237.
- Kaufhold, R. (2005a): Biographische Kontinuität, Emigration und psychoanalytisch-pädagogisches Engagement. Laudatio auf Ernst Federn zu seinem 90. Geburtstag; in: psychosozial, 28. Jg. Nr. 100 (Heft 2/2005), S. 75-83.
- Kaufhold, R. (2007): Traumatisierung überleben und verarbeiten - Leben und Werk des Pioniers der Psychoanalyse Ernst Federn; in: Krisor, M., Wunderlich, K. (Hg.) (2007): Gerade in schwierigen Zeiten: Gemeindepsychiatrie verankern - Internationale Beiträge. Pabst Science Publishers, Lengerich, Berlin, S. 182-199.
- Kaufhold, R. (2007a): Erinnerung an Ernst Federn, Pionier der psychoanalytischen Pädagogik und Sozialarbeiter (26.8.1914 - 24.6.2007); in: Kinderanalyse 4/2007.
- Kaufhold, R. (2008): Documents Pertinent to the History of Psychoanalysis and Psychoanalytic Pedagogy: The Correspondence Between Bruno Bettelheim and Ernst Federn. in: The Psychoanalytic Review, (New York), Vol. 95, No. 6/2008, S. 887-928.
- Kuschey, B. (2003): Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstruktur des Konzentrationslagers. Bd. I und II. Psychosozial-Verlag, Gießen.
- Kuschey, B. (Hg.) (2006): Die Psychoanalyse kritisch nützen und sozial anwenden. Ernst Federn zum 90. Geburtstag. Verlag Theodor Kramer Gesellschaft, Wien.
- Kuschey, B. (2007): Nachruf für Ernst Federn (1914-2007); in: „Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands“, 24. Jg. Nr. 1/2; Wien, Oktober 2007, S. 40-41. ISSN 1606-4321
- Tomas Plänkers, Ernst Federn: Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse. Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. den Eintrag über Paul Federn auf psyalpha.net.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 267ff.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 325ff.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 1028.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 1032.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 397ff.
- ↑ Tomas Plänkers, Ernst Federn: Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse. Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7, S. 158f.
- ↑ Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 754, 833 und 841f;
- ↑ Brief Ernst Federns an Maria Johanna Fischer, Cleveland, Ohio, 30. März 1963.
- ↑ Brigitte Bailer-Galanda, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Jüdische Schicksale. (=Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 3) ÖBV, Wien 1992, ISBN 3-216-06377-1, S. 591.
- ↑ Nachruf von Roland Kaufhold.
- ↑ Gernot Nieder: Federn, Ernst. In: Gerhard Stumm, Alfred Pritz, Paul Gumhalter, Nora Nemeskeri, Martin Voracek (Hrsg.): Personenlexikon der Psychotherapie. Springer, Frankfurt 2005, ISBN 9783211293966, S. 133f.
- ↑ Eintrag Ernst Federn im Personenindex der PADD, Psychoanalytic Document Database.
- ↑ Nachruf von Roland Kaufhold.
Weblinks
- Literatur von und über Ernst Federn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- 5-teiliges Interview mit Ernst Federn auf Comvivo-TV
- 5-teiliges haGalil-Interview mit Ernst Federn
- Roland Kaufhold: Erinnerung an einen Pionier der psychoanalytischen Pädagogik und Sozialarbeiter Ernst Federn
- Roland Kaufhold: Ernst Federn, Pionier der kollektiv orientierten Psychoanalyse – Einführung zum Themenschwerpunkt.
- Roland Kaufhold: Zum 100. Geburtstag von Hilde Federn
- Ernst Federn im Personenindex der PADD. Psychoanalytic Document Database, mit Angabe von 9 Dokumenten [1]
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Federn, Ernst |
| KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Psychoanalytiker |
| GEBURTSDATUM | 26. August 1914 |
| GEBURTSORT | Wien |
| STERBEDATUM | 24. Juni 2007 |
| STERBEORT | Wien |