„Carl Patsch“ – Versionsunterschied
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'''Carl Ludwig Patsch''' (* [[14. September]] [[1865]] in [[Kovač|Kowatsch]] bei [[Jitschin]]; † [[21. Februar]] [[1945]] in [[Wien]]) war ein [[Österreich|österreichischer]] [[Slawistik|Slawist]], [[Archäologe]] und [[Historiker]]. |
'''Carl Ludwig Patsch''' (* [[14. September]] [[1865]] in [[Kovač|Kowatsch]] bei [[Jitschin]]; † [[21. Februar]] [[1945]] in [[Wien]]) war ein [[Österreich|österreichischer]] [[Slawistik|Slawist]], [[Archäologe]] und [[Historiker]]. |
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Carl Patsch wuchs als Sohn des oberfürstlichen Gutsverwalters Ludwig Patsch in Maratschowska und [[Slawuta]] ([[Wolhynien]]) auf. Neben deutsch sprach er schon als Kind tschechisch, polnisch und russisch. Nach dem Besuch des [[Piaristen]]-Gymnasiums in [[Prag]] studierte Patsch ab 1885 Geschichte und Geografie an der [[Universität Prag|Prager Universität]]. 1889 promovierte er bei [[Julius Jung]] (1851–1910) mit der Arbeit ''[[Strabon|Strabos]] Quellen zur Geschichte seiner Zeit''. Anschließend war er Stipendiat und von 1890 bis 1892 Assistent am Wiener archäologisch-epigrafischen Seminar bei [[Otto Benndorf]] und [[Eugen Bormann]]. Studienreisen führten ihn nach [[Istrien]] und [[Bosnien]]. Nachdem er das Lehramtsexamen in [[Innsbruck]] abgelegt hatte, bereiste er 1893 [[Italien]]. Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung als Gymnasiallehrer in [[Sarajevo]], die ihn verpflichtete, sich um die archäologischen Funde in Bosnien zu kümmern. In den folgenden Jahren machte er bedeutende Entdeckungen. So fand er 1895 das Heiligtum des illyrischen Quellgottes [[Bindus]] an der Privilica-Quelle bei [[Bihać]] und 1897 das [[Mithräum]] von Konjica. 1898 wurde er vom Schuldienst beurlaubt und zum [[Kurator (Museum)|Kustos]] des [[Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina|Bosnisch-Herzegowinischen Landesmuseums]] ''(Zemaljski Muzej Bosne i Hercegovine)'' berufen. Von 1899 bis 1914 führte Patsch umfangreiche Grabungen und Konservierungsarbeiten in [[Mogorjelo]] durch. 1904 begründete er das Bosnisch-Herzegowinische Institut für Balkanforschung, dessen Direktor er bis 1918 war. In Folge des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurde das Institut am 27. November 1918 von der Bosnisch-Herzegowinischen Nationalregierung aufgelöst. Patsch kehrte nach Wien zurück und erhielt einen Lehrauftrag an der [[Wirtschaftsuniversität Wien|Hochschule für Welthandel]]. 1921 wurde er in Nachfolge von [[Konstantin Jireček]] zum Ordinarius für slawische Geschichte und Altertumskunde an die [[Universität Wien]] berufen. 1922 richtete Patsch auf Bitte der albanischen Regierung das Nationalmuseum in Tirana ein. Als er 1934 in den Ruhestand trat, war er ein hochangesehener Experte für das Altertum auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]]. Am 21. Februar 1945 wurde er bei einem alliierten Bombenangriff auf Wien getötet. |
Carl Patsch wuchs als Sohn des oberfürstlichen Gutsverwalters Ludwig Patsch in Maratschowska und [[Slawuta]] ([[Wolhynien]]) auf. Neben deutsch sprach er schon als Kind tschechisch, polnisch und russisch. Nach dem Besuch des [[Piaristen]]-Gymnasiums in [[Prag]] studierte Patsch ab 1885 Geschichte und Geografie an der [[Universität Prag|Prager Universität]]. 1889 promovierte er bei [[Julius Jung]] (1851–1910) mit der Arbeit ''[[Strabon|Strabos]] Quellen zur Geschichte seiner Zeit''. Anschließend war er Stipendiat und von 1890 bis 1892 Assistent am Wiener archäologisch-epigrafischen Seminar bei [[Otto Benndorf]] und [[Eugen Bormann]]. Studienreisen führten ihn nach [[Istrien]] und [[Bosnien]]. Nachdem er das Lehramtsexamen in [[Innsbruck]] abgelegt hatte, bereiste er 1893 [[Italien]]. Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung als Gymnasiallehrer in [[Sarajevo]], die ihn verpflichtete, sich um die archäologischen Funde in Bosnien zu kümmern. In den folgenden Jahren machte er bedeutende Entdeckungen. So fand er 1895 das Heiligtum des illyrischen Quellgottes [[Bindus]] an der Privilica-Quelle bei [[Bihać]] und 1897 das [[Mithräum]] von Konjica. 1898 wurde er vom Schuldienst beurlaubt und zum [[Kurator (Museum)|Kustos]] des [[Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina|Bosnisch-Herzegowinischen Landesmuseums]] ''(Zemaljski Muzej Bosne i Hercegovine)'' berufen. Von 1899 bis 1914 führte Patsch umfangreiche Grabungen und Konservierungsarbeiten in [[Mogorjelo]] durch. 1904 begründete er das Bosnisch-Herzegowinische Institut für Balkanforschung, dessen Direktor er bis 1918 war. In Folge des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurde das Institut am 27. November 1918 von der Bosnisch-Herzegowinischen Nationalregierung aufgelöst. Patsch kehrte nach Wien zurück und erhielt einen Lehrauftrag an der [[Wirtschaftsuniversität Wien|Hochschule für Welthandel]]. 1921 wurde er in Nachfolge von [[Konstantin Jireček]] zum Ordinarius für slawische Geschichte und Altertumskunde an die [[Universität Wien]] berufen. 1922 richtete Patsch auf Bitte der albanischen Regierung das Nationalmuseum in Tirana ein. Als er 1934 in den Ruhestand trat, war er ein hochangesehener Experte für das Altertum auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]]. Am 21. Februar 1945 wurde er bei einem alliierten Bombenangriff auf Wien getötet. Seine aus 1.400 Bänden bestehende Nachlassbibliothek wurde 1956 vom Münchner [[Südost-Institut]] erworben. Sie ist Teil der Bibliothek des [[Institut für Ost- und Südosteuropaforschung|Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung]]. Carl Patsch war seit 1894 verheiratet. Er hatte einen Sohn und eine Tochter. |
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Die [[Österreichische Akademie der Wissenschaften]] berief Carl Patsch 1924 zum korrespondierenden Mitglied und 1928 zum ordentlichen Mitglied. Er war seit 1902 Mitglied des [[Deutsches Archäologisches Institut|Deutschen]] und seit 1905 des [[Österreichisches Archäologisches Institut|Österreichischen Archäologischen Instituts]]. Von 1936 bis 1940 wirkte er als Obmann der antiquarischen Abteilung der [[Balkan-Kommission]]. |
Die [[Österreichische Akademie der Wissenschaften]] berief Carl Patsch 1924 zum korrespondierenden Mitglied und 1928 zum ordentlichen Mitglied. Er war seit 1902 Mitglied des [[Deutsches Archäologisches Institut|Deutschen]] und seit 1905 des [[Österreichisches Archäologisches Institut|Österreichischen Archäologischen Instituts]]. Von 1936 bis 1940 wirkte er als Obmann der antiquarischen Abteilung der [[Balkan-Kommission]]. |
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Version vom 26. Oktober 2012, 08:15 Uhr
Carl Ludwig Patsch (* 14. September 1865 in Kowatsch bei Jitschin; † 21. Februar 1945 in Wien) war ein österreichischer Slawist, Archäologe und Historiker.
Carl Patsch wuchs als Sohn des oberfürstlichen Gutsverwalters Ludwig Patsch in Maratschowska und Slawuta (Wolhynien) auf. Neben deutsch sprach er schon als Kind tschechisch, polnisch und russisch. Nach dem Besuch des Piaristen-Gymnasiums in Prag studierte Patsch ab 1885 Geschichte und Geografie an der Prager Universität. 1889 promovierte er bei Julius Jung (1851–1910) mit der Arbeit Strabos Quellen zur Geschichte seiner Zeit. Anschließend war er Stipendiat und von 1890 bis 1892 Assistent am Wiener archäologisch-epigrafischen Seminar bei Otto Benndorf und Eugen Bormann. Studienreisen führten ihn nach Istrien und Bosnien. Nachdem er das Lehramtsexamen in Innsbruck abgelegt hatte, bereiste er 1893 Italien. Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung als Gymnasiallehrer in Sarajevo, die ihn verpflichtete, sich um die archäologischen Funde in Bosnien zu kümmern. In den folgenden Jahren machte er bedeutende Entdeckungen. So fand er 1895 das Heiligtum des illyrischen Quellgottes Bindus an der Privilica-Quelle bei Bihać und 1897 das Mithräum von Konjica. 1898 wurde er vom Schuldienst beurlaubt und zum Kustos des Bosnisch-Herzegowinischen Landesmuseums (Zemaljski Muzej Bosne i Hercegovine) berufen. Von 1899 bis 1914 führte Patsch umfangreiche Grabungen und Konservierungsarbeiten in Mogorjelo durch. 1904 begründete er das Bosnisch-Herzegowinische Institut für Balkanforschung, dessen Direktor er bis 1918 war. In Folge des Ersten Weltkriegs wurde das Institut am 27. November 1918 von der Bosnisch-Herzegowinischen Nationalregierung aufgelöst. Patsch kehrte nach Wien zurück und erhielt einen Lehrauftrag an der Hochschule für Welthandel. 1921 wurde er in Nachfolge von Konstantin Jireček zum Ordinarius für slawische Geschichte und Altertumskunde an die Universität Wien berufen. 1922 richtete Patsch auf Bitte der albanischen Regierung das Nationalmuseum in Tirana ein. Als er 1934 in den Ruhestand trat, war er ein hochangesehener Experte für das Altertum auf dem Balkan. Am 21. Februar 1945 wurde er bei einem alliierten Bombenangriff auf Wien getötet. Seine aus 1.400 Bänden bestehende Nachlassbibliothek wurde 1956 vom Münchner Südost-Institut erworben. Sie ist Teil der Bibliothek des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung. Carl Patsch war seit 1894 verheiratet. Er hatte einen Sohn und eine Tochter.
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften berief Carl Patsch 1924 zum korrespondierenden Mitglied und 1928 zum ordentlichen Mitglied. Er war seit 1902 Mitglied des Deutschen und seit 1905 des Österreichischen Archäologischen Instituts. Von 1936 bis 1940 wirkte er als Obmann der antiquarischen Abteilung der Balkan-Kommission.
Schriften (Auswahl)
- Die Lika in römischer Zeit, Schriften der Balkankommission, Antiquarische Abteilung, 1 (1900)
- Das Sandschak Berat in Albanien, Schriften der Balkankommission, Antiquarische Abteilung, 3 (1904)
- Zur Geschichte und Topographie von Narona, Schriften der Balkankommission, Antiquarische Abteilung, 5 (1907)
- Archäologisch-epigraphische Untersuchungen zur Geschichte der römischen Provinz Dalmatien, Wiss. Mitt. aus Bosnien und d. Hercegovina, 8 Folgen in 4–12 (1896–1912)
- Beiträge zur Völkerkunde von Südosteuropa, 6 Bände, 1925–1937
- Historische Wanderungen im Karst und an der Adria. I. Teil: Die Herzegowina einst und jetzt, 1922
- Der Kampf um den Donauraum unter Domitian und Trajan, Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1937
Literatur
- G. Seewann, in: M. Bernath, F. von Schroeder (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 3, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1979, ISBN 3486489917, S. 405 f.
- Hubert Daniel Szemethy: Patsch, Carl Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie. (NDB). Band 20. Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 101–102 (deutsche-biographie.de).
Weblinks
- Literatur von und über Carl Patsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Patsch, Carl |
| ALTERNATIVNAMEN | Patsch, Carl Ludwig |
| KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Slawist, Archäologe und Historiker |
| GEBURTSDATUM | 14. September 1865 |
| GEBURTSORT | Kowatsch |
| STERBEDATUM | 21. Februar 1945 |
| STERBEORT | Wien |