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„25-Punkte-Programm“ – Versionsunterschied

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Das '''25-Punkte-Programm''' war das Parteiprogramm der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]]. [[Adolf Hitler]] verkündete es am 24. Februar 1920 vor etwa 2000 Personen im Münchner [[Hofbräuhaus am Platzl|Hofbräuhaus]]. Am selben Tag wurde die 1919 gegründete [[Deutsche Arbeiterpartei]] (DAP), der Hitler im selben Jahr als 55. Mitglied beigetreten war, in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (''NSDAP'') umbenannt. Verfasser des Programms waren Hitler, [[Anton Drexler]] (Gründer der DAP) und vermutlich der Wirtschaftstheoretiker [[Gottfried Feder]]. Letzterer gab zumindest für einen Teil die programmatische Vorlage (vor allem zu Punkt 11), seine direkte Beteiligung ist jedoch nicht sicher.<ref>Christian Körber: ''Gottfried Feder – Programmatiker der NS-Bewegung in den 20er und 30er Jahren'', Norderstedt 2005, ISBN 978-3-638-72480-7, S. 14.</ref> Das von ihm 1919 veröffentlichte „Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ gab zumindest die Vorlage und prägte die Begrifflichkeiten.
Das '''25-Punkte-Programm''' war das [[Parteiprogramm]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]]. [[Adolf Hitler]] verkündete es am 24. Februar 1920 vor etwa 2000 Personen im Münchner [[Hofbräuhaus am Platzl|Hofbräuhaus]]. Am selben Tag wurde die 1919 gegründete [[Deutsche Arbeiterpartei]] (DAP) in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (''NSDAP'') umbenannt. Verfasser des Programms war im Wesentlichen DAP-Gründer [[Anton Drexler]].


In diesem Programm wurde ein [[Deutsches Reich 1933 bis 1945#Großdeutsches Reich|Großdeutsches Reich]] angestrebt, die Aufhebung der Bestimmungen des [[Vertrag von Versailles|Versailler Vertrags]] gefordert, die deutsche [[Staatsbürgerschaft]] für [[Antisemitismus bis 1945|Juden]] abgelehnt und der Aufbau eines [[Autoritarismus|autoritären]] [[Staat]]es mit einer politisch gelenkten Presse und Literatur angekündigt. Die [[Führer]] der Partei „versprachen“, für die Durchführung der 25 Programmpunkte „wenn nötig unter Einsatz des eigenen Lebens rücksichtslos einzutreten“.<ref>[[Deutsches Historisches Museum#LeMO|LeMO]]: [http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/nsdap25/ ''25-Punkte-Programm der NSDAP'']</ref>
In diesem Programm wurde ein [[Deutsches Reich 1933 bis 1945#Großdeutsches Reich|Großdeutsches Reich]] angestrebt, die Aufhebung der Bestimmungen des [[Vertrag von Versailles|Versailler Vertrags]] gefordert, die deutsche [[Staatsbürgerschaft]] für [[Juden]] abgelehnt und der Aufbau eines [[Autoritarismus|autoritären]] [[Staat]]es mit einer politisch gelenkten Presse und Literatur angekündigt. Die [[Führer]] der Partei „versprachen“, für die Durchführung der 25 Programmpunkte „wenn nötig unter Einsatz des eigenen Lebens rücksichtslos einzutreten“.<ref>[[Deutsches Historisches Museum#LeMO|LeMO]]: [http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/nsdap25/ ''25-Punkte-Programm der NSDAP'']</ref>
== Inhalt ==
Das Parteiprogramm vereinigte diverse Parolen unterschiedlicher Herkunft, namentlich aus [[Antikapitalismus|antikapitalistischen]], [[Antisemitismus (bis 1945)|antisemitischen]] und [[Nationalismus|nationalistischen]] Quellen sowie [[Mittelstand|mittelständisch]] orientierte Einzelforderungen. Diese intellektuell schlichten, disparaten Elemente wurden durch das Partei-Schlagwort „[[Nationaler Sozialismus]]“ nur unzureichend zusammengehalten.<ref>Albrecht Tyrell (Hrsg.): ''Führer befiehl… Selbstzeugnisse aus der „Kampfzeit“ der NSDAP''. Grondrom Verlag, Bindlach 1991, S. 11 f.</ref><ref>[[Kurt Bauer (Historiker)|Kurt Bauer]]: ''Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall''. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106</ref>

Eine zentrale Forderung war die in Punkt 11 genannte „[[Brechung der Zinsknechtschaft]]“. Sie lief auf ein Verbot aller [[Bankgeschäft]]e hinaus – eine Maßnahme, die in einem modernen [[Industriestaat]] wie Deutschland schlankweg unsinnig war.<ref>Auch zum Folgenden [[Wolfgang Wippermann]]: ''Ideologie''. In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Graml]] und [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''[[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]]''. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.</ref> Dieser Punkt ging auf [[Gottfried Feder]]s 1919 veröffentlichtes „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ zurück. Da es unter den Parteigenossen als bekannt vorausgesetzt wurde, blieb dieser Punkt sehr knapp.<ref>Albrecht Tyrell: ''Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP''. Fink, München 1975, S. 85</ref> In einer kommentierten Ausgabe, die Feder 1927 veröffentlichte, war die Parole neben dem abschließenden Punkt 25 [[Liste geflügelter Worte/G#Gemeinnutz geht vor Eigennutz.|„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“]] die einzige, die fettgedruckt war. Sie sei das „Herzstück des Nationalsozialismus“, die „stählerne Achse, um die alles sich dreht“.<ref>Gottfried Feder: ''Das Programm der N.S.D.A.P und seine weltanschaulichen Grundgedanken'', Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf, München 1928, S. 9. Zitiert nach Frédéric Krier: ''Sozialismus für Kleinbürger: Pierre Joseph Proudhon – Wegbereiter des Dritten Reiches''. Böhlau, Köln und Weimar, S. 39.</ref> Ob Feder 1920 auch direkt an der Formulierung des Programms beteiligt war, ist umstritten.<ref>Albrecht Tyrell: ''Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP''. Fink, München 1975, S. 242</ref><ref>Kurt Bauer: ''Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall''. UTB Böhlau, Wien 2008, S., S. 105.</ref> Die erklärte Feindschaft der Partei gegen das [[Kreditwesen]] zeigte sich auch in Punkt 18, der die [[Todesstrafe]] für „[[Wucher]]er, Schieber usw.“ forderte. Dass dies explizit unabhängig von deren „Rasse und Konfession“ gelten solle, zeigt, dass die NSDAP hier nicht nur ihrem Antisemitismus folgte, sondern an ein Stimmungsmuster anknüpfte, das in den Wirren der Nachkriegszeit verbreitet war.<ref>Malte Zierenberg: ''Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939-1950''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008 S. 40</ref>

Die „Pflicht jedes Staatsbürgers […], geistig oder körperlich zu schaffen“ (Punkt 10) wurde gleichfalls gefordert. Sie erscheint wenig realitätstauglich, ebenso die Ersetzung des [[Römisches Recht|Römischen Rechts]], das angeblich dem Materialismus diene, durch ein „deutsches Gemeinrecht“: Weder wurde gesagt, worin dieses bestehen könne, noch, inwieweit jenes noch Gültigkeit hatte.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Ideologie''. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus''. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.</ref> Konkreter waren die [[Sozialismus|sozialistischen Forderungen]] der Punkte 12, 13, 14, 16 und 17, die [[Enteignung]]en von [[Kriegsgewinnler|Kriegsgewinnen]], [[Trust (Wirtschaft)|Trusts]], großen [[Warenhaus|Warenhäusern]] sowie von Grund und Boden im Zuge einer [[Bodenreform]] vorsahen. In Großbetrieben sollte es eine [[Gewinnbeteiligung]] geben.

Außenpolitisch wurden [[Kolonie]]n zur Sicherung der Ernährungsgrundlage und als Siedlungsgebiete verlangt, die Aufhebung der [[Friedensvertrag von Versailles|Friedensverträge von Versailles]] und [[Vertrag von Saint-Germain |Saint-Germain]] sowie ein „Zusammenschluß aller Deutschen […] zu einem Groß-Deutschland“: damit war der [[Anschluss Österreichs]] gemeint.

Von brutaler Klarheit war das Programm in seinen antisemitischen und [[Rassismus|rassistischen]] Passagen: Die Punkte 4 und 5 verlangten, Juden die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie unter „Fremdengesetzgebung“ zu stellen. Im Falle einer Ernährungskrise sollten sie nach Punkt 7 ausgewiesen werden können. Auch das in Punkt 8 geforderte Einwanderungsverbot für Nicht-Deutsche richtete sich gegen Juden. Punkt 21 forderte, die „körperliche Ertüchtigung“ mittels staatlicher Gesetzgebung zu heben. Damit war nicht nur die zwangsweise Förderung des [[Breitensport]]s gemeint, sondern die rassistische Reinigung und Höherzüchtung des deutschen [[Volkskörper]]s, die Hitler später in [[Mein Kampf]] ausführlicher beschrieb.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Ideologie''. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus''. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.</ref> Punkt 24 forderte eine Einschränkung der [[Religionsfreiheit]], die nicht den Bestand des Staates gefährden „oder gegen das [[Sittlichkeit]]s- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen“ dürfe. Die Partei bekannte sich zu einem [[Positives Christentum|„positiven Christentum]]“ und zur Bekämpfung des „jüdisch- materialistischen Geistes in und außer uns“ – eine Formulierung, die auf [[Dietrich Eckart]] zurückging.<ref>Albrecht Tyrell: ''Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP''. Fink, München 1975, S. 85</ref>

In den übrigen Punkten ging es um allgemeine innenpolitische Fragen wie [[Mittelstandsförderung]], teilweise mit [[Völkische Bewegung|völkischem]] Unterton, teilweise waren die Forderungen wie die nach gleichen Rechten und Pflichten aller Staatsbürger auch schon erfüllt.<ref>Peter Glanninger: ''Rassismus und Rechtsrextremismus. Rassistische Argumentationsmuster und ihre historischen Entwicklungslinien''. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, S. 121</ref>


== Bedeutung ==
== Bedeutung ==
In der Praxis blieb das Parteiprogramm ohne Bedeutung. Größere Beachtung fanden stets die Reden der führenden Nationalsozialisten und die Berichterstattung der Presse.<ref>Gerhard Schulz: ''Aufstieg des Nationalsozialismus. Krise und Revolution in Deutschland.'' Propyläen, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1975, S. 376</ref> Die sozialdemokratische Zeitung ''Das freie Wort'' analysierte 1931 die [[NS-Propaganda]] und kam zu dem Ergebnis, dass die schiere Existenz des Parteiprogramms der NSDAP – „vielleicht unsere beste Waffe überhaupt in diesem Kampfe“ – zu wenig bekannt sei.<ref>Othmar Plöckinger: ''Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers „Mein Kampf“ 1922–1945.'' Oldenbourg, München 2011, S. 375.</ref>
Obwohl das Parteiprogramm 1926 für „unabänderlich“ erklärt worden war,<ref>[[Kurt Bauer (Historiker)|Kurt Bauer]]: ''Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall''. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106.</ref> blieben Änderungen nicht aus. Zum einen konkretisierte Hitler die Forderung nach Land und Boden ([[Kolonien]]) zur Ernährung der Bevölkerung (Punkt 3 des Programms). Im zweiten Band von [[Mein Kampf]], der Ende 1926 erschienen war, kündigte er die Eroberung von [[Lebensraum im Osten]] auf dem Gebiet der [[Sowjetunion]] an.<ref>Adolf Hitler: ''Mein Kampf'', Zwei Bände in einem Band, ungekürzte Ausgabe, 9. Auflage, Verlag Franz Eher Nachfolger München 1932, S. 742 u. ö.</ref>

Das Programm wurde 1926 zwar für „unabänderlich“ erklärt.<ref>Kurt Bauer: ''Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall''. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106.</ref> Dennoch blieben Änderungen nicht aus. Hitler, der wahrscheinlich nicht inhaltlich, sondern nur redaktionell an der Abfassung des Parteiprogramms beteiligt gewesen war,<ref>Wolfgang Horn: ''Führerideologie und Parteiorganisation in der NSDAP 1919–1933.'' Droste, Düsseldorf 1972, S. 89</ref> konkretisierte zum einen die Forderung nach Kolonien (Punkt 3 des Programms). Im zweiten Band von ''Mein Kampf'', der Ende 1926 erschien, kündigte er die Eroberung von [[Lebensraum im Osten]] auf dem Gebiet der [[Sowjetunion]] an und erteilte jedem Streben nach Wiedergewinnung der verlorenen [[Deutsche Kolonien und Schutzgebiete|deutschen Kolonien]] eine Absage.<ref>Adolf Hitler: ''Mein Kampf'', Zwei Bände in einem Band, ungekürzte Ausgabe, 9. Auflage, Verlag Franz Eher Nachfolger München 1932, S. 742 u. ö.</ref>


Problematischer waren die Punkte 11 bis 18, die einem vagen [[Sozialismus]] das Wort redeten. Nach seiner Entlassung aus der Festungshaft 1924 ein Jahr nach dem misslungenen [[Hitlerputsch|Putsch]] brauchte Hitler zum Wiederaufbau der NSDAP Geld und versuchte, [[Großindustrie und Aufstieg der NSDAP|Spender in Unternehmerkreisen]] zu gewinnen. Forderungen nach [[Verstaatlichung]], Gewinnbeteiligung und einer „[[Brechung der Zinsknechtschaft]]“ (Feder) waren hierbei nicht förderlich.<ref>Dietrich Orlow: ''History of the Nazi Party. 1919 to 1933'', Pittsburgh 1969, S. 137.</ref>
Problematischer waren die Punkte 11 bis 18, die einem vagen Sozialismus das Wort redeten. Nach seiner Entlassung aus der Festungshaft 1924 ein Jahr nach dem misslungenen [[Hitlerputsch|Putsch]] brauchte Hitler zum Wiederaufbau der NSDAP Geld und versuchte, [[Großindustrie und Aufstieg der NSDAP|Spender in Unternehmerkreisen]] zu gewinnen. Forderungen nach [[Verstaatlichung]], Gewinnbeteiligung und einer „Brechung der Zinsknechtschaft“ waren hierbei nicht förderlich.<ref>Dietrich Orlow: ''History of the Nazi Party. 1919 to 1933'', Pittsburgh 1969, S. 137.</ref>


1926 kam es zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen mit dem [[Nationalsozialistische Linke|linken Parteiflügel]] um die Brüder [[Otto Strasser]] und [[Gregor Strasser]], die Hitler für sich entschied (vgl. [[Bamberger Führertagung]]). 1928 ließ Hitler dem Parteiprogramm die Erklärung hinzufügen, nach der „gegenüber den verlogenen Auslegungen von seiten unserer Gegner … die NSDAP auf dem Boden des [[Privateigentum]]s steht“.<ref>[[Avraham Barkai]]: ''Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945''. Erweiterte Neuausgabe, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 32 u. Fn 70. Dort zitiert nach dem Anhang zu [[Otto Wagener]]: ''Das Wirtschaftsprogramm der NSDAP''. München, Eher 1932, S. 101–103.</ref>
1926 kam es zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen mit dem [[Nationalsozialistische Linke|linken Parteiflügel]] um die Brüder [[Otto Strasser]] und [[Gregor Strasser]], die Hitler für sich entschied (vgl. [[Bamberger Führertagung]]). 1928 ließ Hitler dem Parteiprogramm die Erklärung hinzufügen, nach der „gegenüber den verlogenen Auslegungen von seiten unserer Gegner … die NSDAP auf dem Boden des [[Privateigentum]]s steht“.<ref>[[Avraham Barkai]]: ''Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945''. Erweiterte Neuausgabe, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 32 u. Fn 70. Dort zitiert nach dem Anhang zu [[Otto Wagener]]: ''Das Wirtschaftsprogramm der NSDAP''. München, Eher 1932, S. 101–103.</ref>

Version vom 3. März 2012, 22:19 Uhr

Das 25-Punkte-Programm war das Parteiprogramm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Adolf Hitler verkündete es am 24. Februar 1920 vor etwa 2000 Personen im Münchner Hofbräuhaus. Am selben Tag wurde die 1919 gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) umbenannt. Verfasser des Programms war im Wesentlichen DAP-Gründer Anton Drexler.

In diesem Programm wurde ein Großdeutsches Reich angestrebt, die Aufhebung der Bestimmungen des Versailler Vertrags gefordert, die deutsche Staatsbürgerschaft für Juden abgelehnt und der Aufbau eines autoritären Staates mit einer politisch gelenkten Presse und Literatur angekündigt. Die Führer der Partei „versprachen“, für die Durchführung der 25 Programmpunkte „wenn nötig unter Einsatz des eigenen Lebens rücksichtslos einzutreten“.[1]

Inhalt

Das Parteiprogramm vereinigte diverse Parolen unterschiedlicher Herkunft, namentlich aus antikapitalistischen, antisemitischen und nationalistischen Quellen sowie mittelständisch orientierte Einzelforderungen. Diese intellektuell schlichten, disparaten Elemente wurden durch das Partei-Schlagwort „Nationaler Sozialismus“ nur unzureichend zusammengehalten.[2][3]

Eine zentrale Forderung war die in Punkt 11 genannte „Brechung der Zinsknechtschaft“. Sie lief auf ein Verbot aller Bankgeschäfte hinaus – eine Maßnahme, die in einem modernen Industriestaat wie Deutschland schlankweg unsinnig war.[4] Dieser Punkt ging auf Gottfried Feders 1919 veröffentlichtes „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ zurück. Da es unter den Parteigenossen als bekannt vorausgesetzt wurde, blieb dieser Punkt sehr knapp.[5] In einer kommentierten Ausgabe, die Feder 1927 veröffentlichte, war die Parole neben dem abschließenden Punkt 25 „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ die einzige, die fettgedruckt war. Sie sei das „Herzstück des Nationalsozialismus“, die „stählerne Achse, um die alles sich dreht“.[6] Ob Feder 1920 auch direkt an der Formulierung des Programms beteiligt war, ist umstritten.[7][8] Die erklärte Feindschaft der Partei gegen das Kreditwesen zeigte sich auch in Punkt 18, der die Todesstrafe für „Wucherer, Schieber usw.“ forderte. Dass dies explizit unabhängig von deren „Rasse und Konfession“ gelten solle, zeigt, dass die NSDAP hier nicht nur ihrem Antisemitismus folgte, sondern an ein Stimmungsmuster anknüpfte, das in den Wirren der Nachkriegszeit verbreitet war.[9]

Die „Pflicht jedes Staatsbürgers […], geistig oder körperlich zu schaffen“ (Punkt 10) wurde gleichfalls gefordert. Sie erscheint wenig realitätstauglich, ebenso die Ersetzung des Römischen Rechts, das angeblich dem Materialismus diene, durch ein „deutsches Gemeinrecht“: Weder wurde gesagt, worin dieses bestehen könne, noch, inwieweit jenes noch Gültigkeit hatte.[10] Konkreter waren die sozialistischen Forderungen der Punkte 12, 13, 14, 16 und 17, die Enteignungen von Kriegsgewinnen, Trusts, großen Warenhäusern sowie von Grund und Boden im Zuge einer Bodenreform vorsahen. In Großbetrieben sollte es eine Gewinnbeteiligung geben.

Außenpolitisch wurden Kolonien zur Sicherung der Ernährungsgrundlage und als Siedlungsgebiete verlangt, die Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und Saint-Germain sowie ein „Zusammenschluß aller Deutschen […] zu einem Groß-Deutschland“: damit war der Anschluss Österreichs gemeint.

Von brutaler Klarheit war das Programm in seinen antisemitischen und rassistischen Passagen: Die Punkte 4 und 5 verlangten, Juden die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie unter „Fremdengesetzgebung“ zu stellen. Im Falle einer Ernährungskrise sollten sie nach Punkt 7 ausgewiesen werden können. Auch das in Punkt 8 geforderte Einwanderungsverbot für Nicht-Deutsche richtete sich gegen Juden. Punkt 21 forderte, die „körperliche Ertüchtigung“ mittels staatlicher Gesetzgebung zu heben. Damit war nicht nur die zwangsweise Förderung des Breitensports gemeint, sondern die rassistische Reinigung und Höherzüchtung des deutschen Volkskörpers, die Hitler später in Mein Kampf ausführlicher beschrieb.[11] Punkt 24 forderte eine Einschränkung der Religionsfreiheit, die nicht den Bestand des Staates gefährden „oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen“ dürfe. Die Partei bekannte sich zu einem „positiven Christentum“ und zur Bekämpfung des „jüdisch- materialistischen Geistes in und außer uns“ – eine Formulierung, die auf Dietrich Eckart zurückging.[12]

In den übrigen Punkten ging es um allgemeine innenpolitische Fragen wie Mittelstandsförderung, teilweise mit völkischem Unterton, teilweise waren die Forderungen wie die nach gleichen Rechten und Pflichten aller Staatsbürger auch schon erfüllt.[13]

Bedeutung

In der Praxis blieb das Parteiprogramm ohne Bedeutung. Größere Beachtung fanden stets die Reden der führenden Nationalsozialisten und die Berichterstattung der Presse.[14] Die sozialdemokratische Zeitung Das freie Wort analysierte 1931 die NS-Propaganda und kam zu dem Ergebnis, dass die schiere Existenz des Parteiprogramms der NSDAP – „vielleicht unsere beste Waffe überhaupt in diesem Kampfe“ – zu wenig bekannt sei.[15]

Das Programm wurde 1926 zwar für „unabänderlich“ erklärt.[16] Dennoch blieben Änderungen nicht aus. Hitler, der wahrscheinlich nicht inhaltlich, sondern nur redaktionell an der Abfassung des Parteiprogramms beteiligt gewesen war,[17] konkretisierte zum einen die Forderung nach Kolonien (Punkt 3 des Programms). Im zweiten Band von Mein Kampf, der Ende 1926 erschien, kündigte er die Eroberung von Lebensraum im Osten auf dem Gebiet der Sowjetunion an und erteilte jedem Streben nach Wiedergewinnung der verlorenen deutschen Kolonien eine Absage.[18]

Problematischer waren die Punkte 11 bis 18, die einem vagen Sozialismus das Wort redeten. Nach seiner Entlassung aus der Festungshaft 1924 ein Jahr nach dem misslungenen Putsch brauchte Hitler zum Wiederaufbau der NSDAP Geld und versuchte, Spender in Unternehmerkreisen zu gewinnen. Forderungen nach Verstaatlichung, Gewinnbeteiligung und einer „Brechung der Zinsknechtschaft“ waren hierbei nicht förderlich.[19]

1926 kam es zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen mit dem linken Parteiflügel um die Brüder Otto Strasser und Gregor Strasser, die Hitler für sich entschied (vgl. Bamberger Führertagung). 1928 ließ Hitler dem Parteiprogramm die Erklärung hinzufügen, nach der „gegenüber den verlogenen Auslegungen von seiten unserer Gegner … die NSDAP auf dem Boden des Privateigentums steht“.[20]

Mit dem Ausscheiden Gregor Strassers aus der Parteileitung im Herbst 1932 verlor auch Feder, von dem die sozialistischen Teile des Programms stammten, jeglichen Einfluss innerhalb der NSDAP. Einige Historiker gehen dagegen davon aus, dass die sozialistischen Forderungen im Programm für Hitler von vornherein „nur demagogischer Natur“ gewesen seien.[21]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. LeMO: 25-Punkte-Programm der NSDAP
  2. Albrecht Tyrell (Hrsg.): Führer befiehl… Selbstzeugnisse aus der „Kampfzeit“ der NSDAP. Grondrom Verlag, Bindlach 1991, S. 11 f.
  3. Kurt Bauer: Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106
  4. Auch zum Folgenden Wolfgang Wippermann: Ideologie. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.
  5. Albrecht Tyrell: Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP. Fink, München 1975, S. 85
  6. Gottfried Feder: Das Programm der N.S.D.A.P und seine weltanschaulichen Grundgedanken, Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf, München 1928, S. 9. Zitiert nach Frédéric Krier: Sozialismus für Kleinbürger: Pierre Joseph Proudhon – Wegbereiter des Dritten Reiches. Böhlau, Köln und Weimar, S. 39.
  7. Albrecht Tyrell: Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP. Fink, München 1975, S. 242
  8. Kurt Bauer: Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. UTB Böhlau, Wien 2008, S., S. 105.
  9. Malte Zierenberg: Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939-1950. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008 S. 40
  10. Wolfgang Wippermann: Ideologie. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.
  11. Wolfgang Wippermann: Ideologie. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.
  12. Albrecht Tyrell: Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP. Fink, München 1975, S. 85
  13. Peter Glanninger: Rassismus und Rechtsrextremismus. Rassistische Argumentationsmuster und ihre historischen Entwicklungslinien. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, S. 121
  14. Gerhard Schulz: Aufstieg des Nationalsozialismus. Krise und Revolution in Deutschland. Propyläen, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1975, S. 376
  15. Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers „Mein Kampf“ 1922–1945. Oldenbourg, München 2011, S. 375.
  16. Kurt Bauer: Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106.
  17. Wolfgang Horn: Führerideologie und Parteiorganisation in der NSDAP 1919–1933. Droste, Düsseldorf 1972, S. 89
  18. Adolf Hitler: Mein Kampf, Zwei Bände in einem Band, ungekürzte Ausgabe, 9. Auflage, Verlag Franz Eher Nachfolger München 1932, S. 742 u. ö.
  19. Dietrich Orlow: History of the Nazi Party. 1919 to 1933, Pittsburgh 1969, S. 137.
  20. Avraham Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945. Erweiterte Neuausgabe, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 32 u. Fn 70. Dort zitiert nach dem Anhang zu Otto Wagener: Das Wirtschaftsprogramm der NSDAP. München, Eher 1932, S. 101–103.
  21. Ernst Nolte: Der Faschismus in seiner Epoche. Action française – Italienischer Faschismus – Nationalsozialismus, München 1963 [zuletzt Neuausgabe 2000], ISBN 3-7610-7248-1, S. 391 (hier das Zitat); ähnlich Henry A. Turner: Hitlers Einstellung zur Wirtschaft und Gesellschaft vor 1933, in: Geschichte und Gesellschaft 2 (1976), S. 96.