„Baader-Befreiung“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [ungesichtete Version] |
Änderung 38737402 von 87.187.93.202 (Diskussion) wurde rückgängig gemacht. |
Nuuk (Diskussion | Beiträge) K Änderungen von Smoking Joe (Beiträge) rückgängig gemacht und letzte Version von 87.187.93.202 wiederhergestellt |
||
Zeile 9: | Zeile 9: | ||
== Vorbereitungen == |
== Vorbereitungen == |
||
Da eine Befreiung direkt aus der [[JVA Tegel]] unrealistisch war, beantragte Meinhofs Verleger [[Klaus Wagenbach]] Baaders „Ausführung zum Quellenstudium“ in das [[Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen|Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen]] in Berlin. Angeblich planten Meinhof und Baader ein Buch mit dem Arbeitsstitel ''Organisation |
Da eine Befreiung direkt aus der [[JVA Tegel]] unrealistisch war, beantragte Meinhofs Verleger [[Klaus Wagenbach]] Baaders „Ausführung zum Quellenstudium“ in das [[Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen|Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen]] in Berlin. Angeblich planten Meinhof und Baader ein Buch mit dem Arbeitsstitel ''Organisation randständiger Jugendlicher''. In dem Schreiben vom 10. Mai 1970 bittet der Verleger um die Ausführung Baaders, um Zeitschriften einzusehen, die nicht in die Haftanstalt gebracht werden könnten. Eile sei geboten. Denn das Buch solle bereits im Herbst erscheinen. Der Justizoberinspektor lehnt zunächst ab. Der Gefängnisdirektor der JVA Tegel gibt allerdings zwei Tage später nach einem Gespräch mit Baaders Anwalt [[Horst Mahler]] nach und stimmt einer einmaligen Ausführung für drei Stunden am 14. Mai zu. |
||
Um den Kauf von Waffen hatte sich zuvor schon die 18jährige [[Irene Goergens]], eine Heimjugendliche, die Meinhof besonders nahe stand, bemüht. In dem Berliner Lokal „Wolfschanze“ in der Charlottenburger Grolmannstrasse kauft sie für 1000 Mark von einem Unbekannten eine Pistole vom Typ [[Beretta]], Kaliber 6,35 mm und einen Schalldämpfer. Weitere Waffen werden von [[Astrid Proll]] und [[Ingrid Schubert]] besorgt. |
Um den Kauf von Waffen hatte sich zuvor schon die 18jährige [[Irene Goergens]], eine Heimjugendliche, die Meinhof besonders nahe stand, bemüht. In dem Berliner Lokal „Wolfschanze“ in der Charlottenburger Grolmannstrasse kauft sie für 1000 Mark von einem Unbekannten eine Pistole vom Typ [[Beretta]], Kaliber 6,35 mm und einen Schalldämpfer. Weitere Waffen werden von [[Astrid Proll]] und [[Ingrid Schubert]] besorgt. |
Version vom 8. November 2007, 14:19 Uhr

Die Baader-Befreiung gilt als Geburtsstunde der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion. Am 14. Mai 1970 wurde der inhaftierte Andreas Baader auf einem Ausführungstermin in Berlin von Ulrike Meinhof und anderen befreit. Für Meinhof bedeutete dies den Gang in die Illegalität.
Hintergrund
Andreas Baader war an den Brandstiftungen in zwei Frankfurter Kaufhäusern am 2. April 1968 beteiligt gewesen und dafür zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Baader, Gudrun Ensslin und Thorwald Proll erschienen nicht zum Haftantritt und setzten sich ab. Ensslin und Baader hielten sich zeitweilig bei der Journalistin Ulrike Meinhof in Hamburg auf. Zusammen mit Baaders Anwalt Horst Mahler und anderen hatte die Gruppe beschlossen eine terroristische Vereinigung nach dem Vorbild der lateinamerikanischen Guerillas zu gründen. Diese Pläne wurden jedoch durchkreuzt, als Baader am 4. April 1970 in Berlin erneut festgenommen wurde. Er war nach einem Hinweis des V-Manns Peter Urbach bei einer fingierten Verkehrskontrolle verhaftet worden. Die Gruppe beschloss, ihn zu befreien.
Vorbereitungen
Da eine Befreiung direkt aus der JVA Tegel unrealistisch war, beantragte Meinhofs Verleger Klaus Wagenbach Baaders „Ausführung zum Quellenstudium“ in das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen in Berlin. Angeblich planten Meinhof und Baader ein Buch mit dem Arbeitsstitel Organisation randständiger Jugendlicher. In dem Schreiben vom 10. Mai 1970 bittet der Verleger um die Ausführung Baaders, um Zeitschriften einzusehen, die nicht in die Haftanstalt gebracht werden könnten. Eile sei geboten. Denn das Buch solle bereits im Herbst erscheinen. Der Justizoberinspektor lehnt zunächst ab. Der Gefängnisdirektor der JVA Tegel gibt allerdings zwei Tage später nach einem Gespräch mit Baaders Anwalt Horst Mahler nach und stimmt einer einmaligen Ausführung für drei Stunden am 14. Mai zu.
Um den Kauf von Waffen hatte sich zuvor schon die 18jährige Irene Goergens, eine Heimjugendliche, die Meinhof besonders nahe stand, bemüht. In dem Berliner Lokal „Wolfschanze“ in der Charlottenburger Grolmannstrasse kauft sie für 1000 Mark von einem Unbekannten eine Pistole vom Typ Beretta, Kaliber 6,35 mm und einen Schalldämpfer. Weitere Waffen werden von Astrid Proll und Ingrid Schubert besorgt.
In der Charlottenburger Kantstraße wird am 13. Mai von einem Gruppenmitglied ein Alfa Romeo Giulia Sprint gestohlen und mit falschen Kennzeichen versehen, der später zur Flucht benutzt wird.
Goergens und Schubert besuchen am 13. Mai das Berliner Institut, spähen es aus und kündigen an, am nächsten Tag wiederzukommen. Auch Ulrike Meinhof erscheint am 13. Mai im Institut und fragt nach, ob für den Baader-Termin alles vorbereitet sei.
Verlauf
Am 14. Mai 1970, einem Donnerstag, wird Andreas Baader gegen 9.45 Uhr von zwei Wachtmeistern in den Lesesaal des Institutes gebracht. Er trägt Handschellen. Ulrike Meinhof erwartet ihn dort. Die zwei Polizeibeamten, Baader, Meinhof und ein Institutsangestellter sind im Raum. Für etwa 75 Minuten sitzen Baader und Meinhof an einem Tisch, tauschen Zeitschriften und machen Notizen. Es wird geraucht. In dieser Zeit betreten Goergens und Schubert das Gebäude. Gegen 11 Uhr gewähren sie zwei weiteren Personen Einlass, indem sie eine Tür von innen öffnen. Die Identität dieser zwei ist bis heute ungeklärt. Kurz darauf stürmen die zwei Unbekannten den Lesesaal. Eine der unbekannten Personen, die mit einer Wollmaske maskiert ist, treibt den Institutsangestellten Georg Linke (62) vor sich her und schießt, als dieser flüchtet. Linke erleidet einen Leberdurchschuss und wird lebensgefährlich verletzt. Währenddessen zieht Goergens eine „Maschinenpistolen-ähnliche“ Waffe aus ihrer Aktentasche und Schubert eine Pistole Reck P 8, Kaliber 6,35 mm. Mit dem Ruf „Hände hoch, hinsetzen, keine Bewegung“ halten sie die Institutsmitarbeiter in Schach. Beide Frauen geben je einen Schuss in die Luft ab. Der Polizist Günter Wetter (28) stürzt sich auf den Maskierten, der Linke niedergeschossen hat. Es kommt zu einem heftigen Handgemenge. Der zweite Unbekannte schießt Wetter mit einer Gaspistole zweimal ins Gesicht, woraufhin dieser zusammenbricht. Gleichzeitig kommt es zu einem weiteren Handgemenge mit dem zweiten Polizisten und Goergens. Ingrid Schubert schlägt dem Polizisten einen Stuhl vors Schienbein. Dieser greift nach den Haaren der Frau und hat eine Perücke in der Hand. In der allgemeinen Verwirrung gelingt es allen Tätern aus den Fenstern zu springen und zu entkommen. Die Fenster lagen etwa eineinhalb Meter über dem Erdboden. Draußen laufen sie zu dem vorher abgestellten Alfa Romeo mit Astrid Proll am Steuer. Die Gruppe wechselt noch mehrfach die Fahrzeuge, verlässt aber Berlin nicht. Die Polizei verliert die Spur der Gruppe.
Folgen
Der Institutsangestellte Georg Linke ist erst 14 Tage später außer Lebensgefahr und muss wegen der Folgen der Schussverletzung seine Arbeit aufgeben. Der Polizist Günter Wetter bleibt sechs Wochen im Krankenhaus. In direkter Folge der Ereignisse setzt die ARD die Ausstrahlung des Meinhof-Films Bambule, die für den 24. Mai 1970 geplant war, ab. Für Meinhof bedeutete diese Tat den Sprung in die Illegalität. Sie wandelte sich von der anerkannten Chefredakteurin der linken Zeitschrift konkret zu einer steckbrieflich gesuchten Terroristin. Das Ereignis ist die Geburtsstunde der Rote Armee Fraktion. Von nun an wird nach der Gruppe und nicht mehr nach Einzeltätern gefahndet. Zwei Monate nach der Baader-Befreiung besucht die Gruppe ein Camp der Al Fatah in Jordanien und lässt sich militärisch ausbilden. 1972 begeht die Gruppe mehrere Anschläge. Im Juni 1972 werden Baader und Meinhof verhaftet. Meinhof stirbt 1976, Baader stirbt 1977 durch Selbstmord.
Quellen
- Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex. Hoffmann & Campe, Hamburg 2005, ISBN 3-455-09516-X.
- Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus. Edition Hamburg, Hamburg 2006, ISBN 3-936096-65-1.
- Butz Peters: RAF - Terrorismus in Deutschland.Droemer Knaur, München 1993, ISBN 3-426-80019-5.
- Butz Peters: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF. Argon-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-87024-673-1.