„Suprasolidität“ – Versionsunterschied
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Die Experimente von Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan an der [[Pennsylvania State University]] mit <sup>4</sup>He bei Temperaturen unterhalb von 200 [[Kelvin|mK]] mit Hilfe eines [[Torsionsoszillator]]s lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment |
Die Experimente von Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan an der [[Pennsylvania State University]] mit kristallinem <sup>4</sup>He bei Temperaturen unterhalb von 200 [[Kelvin|mK]] mit Hilfe eines [[Torsionsoszillator]]s lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment änderte sich unterhalb von etwa 200 mK die Eigenfrequenz des Torsionsoszillators, was darauf zurückgeführt wurde, dass ein Teil des kristallinen <sup>4</sup>He superfluid geworden war. Messungen der [[spezifische Wärme|spezifischen Wärme]] am Übergangspunkt zur Rotationsanomalie deuten auf einen echten [[Phasenübergang]].<ref name="pmid17960238">{{cite journal |author=X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Probable heat capacity signature of the supersolid transition |journal=Nature |volume=449 |issue=7165 |pages=1025–8 |year=2007 |month=October |pmid=17960238 |doi=10.1038/nature06228}}</ref> Spätere Studien zeigten jedoch, dass die Änderung der Eigenfrequenz auch durch eine Zunahme der [[Steifigkeit]] des kristallinen <sup>4</sup>He bei tiefen Temperaturen erklärt werden kann.<ref name="pmid18064007">{{cite journal |author=J. Day, J. Beamish |title=Low-temperature shear modulus changes in solid 4He and connection to supersolidity |journal=Nature |volume=450 |issue=7171 |pages=853–6 |year=2007 |month=December |pmid=18064007 |doi=10.1038/nature06383}}</ref> |
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Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit <sup>3</sup>He im [[parts per billion|ppb]]-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei<ref name="pmid18352487">{{cite journal |author=E. Kim, J. S. Xia, J. T. West, X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Effect of 3He impurities on the nonclassical response to oscillation of solid 4He |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |issue=6 |pages=065301 |year=2008 |month=February |pmid=18352487 |url=http://link.aps.org/abstract/PRL/v100/p065301}}</ref>, während die kristalline Struktur nur in der <sup>4</sup>He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt. Diese können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit, dass größere Hohlräume vorhanden sind, in denen die Möglichkeit besteht.<ref>Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853</ref> |
Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit <sup>3</sup>He im [[parts per billion|ppb]]-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei<ref name="pmid18352487">{{cite journal |author=E. Kim, J. S. Xia, J. T. West, X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Effect of 3He impurities on the nonclassical response to oscillation of solid 4He |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |issue=6 |pages=065301 |year=2008 |month=February |pmid=18352487 |url=http://link.aps.org/abstract/PRL/v100/p065301}}</ref>, während die kristalline Struktur nur in der <sup>4</sup>He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt. Diese können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit, dass größere Hohlräume vorhanden sind, in denen die Möglichkeit besteht.<ref>Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853</ref> |
Version vom 30. April 2019, 10:52 Uhr
Die Suprasolidität ist ein quantenmechanischer Zustand der Materie, der gleichzeitig sowohl Eigenschaften fester als auch suprafluider Körper zeigt. Dieser Zustand wurde bereits 1969 sowohl von David J. Thouless als auch von Alexander Andrejew und Jewgeni Michailowitsch Lifschitz vorausgesagt.[1][2]
Über einen ersten experimentellen Nachweis des suprasoliden Zustands berichteten Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan am Beispiel von ultrakaltem festem Helium-4 (4He).[3][4] Als Chan das Experiment allerdings 2012 mit Dud Kim wiederholte, fanden sie keinen Hinweis auf Suprasolidität[5][6]. Der beobachtete Effekt konnte durch die Änderung der Elastizität des festen Heliums erklärt werden.
Eine Analogie zur Supersolidität in magnetischen Phasendiagrammen von anisotropen Antiferromagneten im Feld wurde 1956 von Takeo Matsubara und H. Matsuda aufgezeigt.[7]
Experiment von Chan, Kim

Die Experimente von Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan an der Pennsylvania State University mit kristallinem 4He bei Temperaturen unterhalb von 200 mK mit Hilfe eines Torsionsoszillators lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment änderte sich unterhalb von etwa 200 mK die Eigenfrequenz des Torsionsoszillators, was darauf zurückgeführt wurde, dass ein Teil des kristallinen 4He superfluid geworden war. Messungen der spezifischen Wärme am Übergangspunkt zur Rotationsanomalie deuten auf einen echten Phasenübergang.[8] Spätere Studien zeigten jedoch, dass die Änderung der Eigenfrequenz auch durch eine Zunahme der Steifigkeit des kristallinen 4He bei tiefen Temperaturen erklärt werden kann.[9]
Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit 3He im ppb-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei[10], während die kristalline Struktur nur in der 4He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt. Diese können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit, dass größere Hohlräume vorhanden sind, in denen die Möglichkeit besteht.[11]
Bose-Einstein-Kondensat
2017 berichteten zwei Gruppen über die Realisierung eines Superfestkörpers in einem optischen Gitter ultrakalter Atome (Bose-Einstein-Kondensat), eines von der ETH Zürich, das andere vom MIT (unter Leitung von Wolfgang Ketterle)[12][13][14]. Während in diesen Experimenten die Kristallstruktur durch das optische Gitter induziert wurde, gelang es 2019 mehreren Gruppen (unter der Leitung von Francesca Ferlaino, Tilman Pfau und Giovanni Modugno) einen Superfestkörper zu erzeugen, bei dem, wie in Helium, die Wechselwirkung der Atome allein bereits zur Ausbildung suprasolider Eigenschaften führte.[15]
Theorie

Als eine mögliche Ursache werden Leerstellen in 4He-Kristallen angesehen. Es wird diskutiert, ob diese Kristallfehler essenziell auch am absoluten Nullpunkt existieren[16] oder ob sie auf experimentell verwendeten imperfekten Kristallen beruhen. Bei ausreichend niedrigen Temperaturen sind in suprasoliden Körpern wie im Bose-Einstein-Kondensat die Atome durch Überlagerung ihrer Wellenfunktionen und somit auch die Leerstellen im Kristall delokalisiert (Quantenkristall). Die Suprasolidität repräsentiert damit analog zum Bose-Gas und zur Suprafluidität eine Form des Bose-Einstein-Kondensats.
Literatur
- A. J. Leggett: Can a Solid be “Superfluid”?, Phys. Rev. Lett. 25, 1543 (1970); doi:10.1103/PhysRevLett.25.1543.
- G. V. Chester: Speculations on Bose-Einstein Condensation and Quantum Crystals, Phys. Rev. A 2, 256 (1970); doi:10.1103/PhysRevA.2.256.
- S. Balibar: The enigma of supersolidity. In: Nature. 464. Jahrgang, Nr. 7286, März 2010, S. 176–82, doi:10.1038/nature08913, PMID 20220834.
- N. Prokof’ev: What makes a crystal supersolid? In: Adv. Phys. 56. Jahrgang, 2007, S. 381–402.
- S. Balibar, F. Caupin: Supersolidity and disorder. In: J. Phys. Condens. Matter. 20,. Jahrgang, 2008, S. 173201.
- D. E. Galli, L. Reatto: Solid 4He and the supersolid phase: from theoretical speculation to the discovery of a new state of matter? A review of the past and present status of research. In: J. Phys. Soc. Jpn. 77. Jahrgang, 2008, S. 111010.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ D. J. Thouless: The flow of a dense superfluid. In: Ann. Phys. 51. Jahrgang, 1969, S. 403–427.
- ↑ A. F. Andreev, I. M. Lifshitz: Quantum theory of defects in crystals. In: Sov. Phys. JETP. 29. Jahrgang, 1969, S. 1107–1113.
- ↑ E. Kim, M. H. Chan: Observation of superflow in solid helium. In: Science. 305. Jahrgang, Nr. 5692, September 2004, S. 1941–4, doi:10.1126/science.1101501, PMID 15345778.
- ↑ E. Kim, M. H. Chan: Probable observation of a supersolid helium phase. In: Nature. 427. Jahrgang, Nr. 6971, Januar 2004, S. 225–7, doi:10.1038/nature02220, PMID 14724632.
- ↑ D. Y. Kim, M. H. W. Chan: Absence of Supersolidity in Solid Helium in Porous Vycor Glass". Physical Review Letters, Band 109, 2012, S. 155301. PMID 23102323
- ↑ Focus: Supersolid Discoverer’s New Experiments Show No Supersolid, APS Physics 2012
- ↑ T.Matsubara, H. Matsuda: A lattice model of liquid helium. In: Prog. Theor. Phys. 16. Jahrgang, 1956, S. 569–582.
- ↑ X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan: Probable heat capacity signature of the supersolid transition. In: Nature. 449. Jahrgang, Nr. 7165, Oktober 2007, S. 1025–8, doi:10.1038/nature06228, PMID 17960238.
- ↑ J. Day, J. Beamish: Low-temperature shear modulus changes in solid 4He and connection to supersolidity. In: Nature. 450. Jahrgang, Nr. 7171, Dezember 2007, S. 853–6, doi:10.1038/nature06383, PMID 18064007.
- ↑ E. Kim, J. S. Xia, J. T. West, X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan: Effect of 3He impurities on the nonclassical response to oscillation of solid 4He. In: Phys. Rev. Lett. 100. Jahrgang, Nr. 6, Februar 2008, S. 065301, PMID 18352487 (aps.org).
- ↑ Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853
- ↑ Julian Léonard,Andrea Morales, Philip Zupancic,Tilman Esslinger, Tobias Donner: Supersolid formation in a quantum gas breaking a continuous translational symmetry, Nature, Band 543, 2017, S. 87–90
- ↑ Julia Keller, MIT researchers create new form of matter, MIT News, 2. März 2017
- ↑ Jun-Ru Li, Jeongwon Lee, Jeongwon, Wujie Huang, Sean Burchesky, Sean, Boris Shteynas, Furkan Çağrı Top, Alan O. Jamison, Wolfgang Ketterle: A stripe phase with supersolid properties in spin–orbit-coupled Bose–Einstein condensates, Nature, Band 543, 2017, S. 91–94
- ↑ Tobias Donner: Viewpoint: Dipolar Quantum Gases go Supersolid. In: Physics. Band 12, 3. April 2019 (aps.org [abgerufen am 19. April 2019]).
- ↑ P. W. Anderson: Bose fluids above Tc: incompressible vortex fluids and ‘supersolidity’. In: Phys. Rev. Lett. 100. Jahrgang, 2008, S. 215301.