„Native POSIX Thread Library“ – Versionsunterschied
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Die '''Native POSIX Thread Library''' ('''NPTL''') ist eine moderne Implementierung einer [[Thread (Informatik)|Threading]]-[[Programmbibliothek|Bibliothek]] für [[Linux]]. Sie wird in Verbindung mit der [[Glibc|GNU C Library]] (glibc) verwendet und erlaubt Linux-Programmen die Verwendung von [[Portable Operating System Interface|POSIX]]-Threads (pthreads). |
Die '''Native POSIX Thread Library''' ('''NPTL''') ist eine moderne Implementierung einer [[Thread (Informatik)|Threading]]-[[Programmbibliothek|Bibliothek]] für das Betriebssystem [[Linux]]. Sie wird in Verbindung mit der [[Glibc|GNU C Library]] (glibc) verwendet und erlaubt Linux-Programmen die Verwendung von [[Portable Operating System Interface|POSIX]]-Threads (pthreads). |
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== Geschichte == |
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Seit der Kernel-Version 2.0 existierte für Linux die Threading-Bibliothek ''[[LinuxThreads]]'', deren grundlegende Design-Prinzipien unter Einfluss der 1996 vorhandenen Beschränkungen des [[Linux (Kernel)|Linux-Kernels]] und der libc5 zustande gekommen waren. Linux hatte keine echte Unterstützung für Threads im Kernel, kannte aber den ''clone()''-Systemaufruf, der eine Kopie des aufrufenden Prozesses mit identischem Adressraum erzeugte. LinuxThreads benutzte diesen [[Systemaufruf]], um Thread-Unterstützung |
Seit der Kernel-Version 2.0 existierte für Linux die Threading-Bibliothek ''[[LinuxThreads]]'', deren grundlegende Design-Prinzipien unter Einfluss der 1996 vorhandenen Beschränkungen des [[Linux (Kernel)|Linux-Kernels]] und der libc5 zustande gekommen waren. Linux hatte keine echte Unterstützung für Threads im Kernel, kannte aber den ''clone()''-Systemaufruf, der eine Kopie des aufrufenden Prozesses mit identischem Adressraum erzeugte. LinuxThreads benutzte diesen [[Systemaufruf]], um Thread-Unterstützung im [[Ring (CPU)|Userspace]] zu simulieren. Die Bibliothek wurde zwar kontinuierlich verbessert, war aber konzeptionell veraltet und eingeschränkt. |
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Folgende Probleme mit der existierenden ''LinuxThreads''-Implementation wurden identifiziert: |
Folgende Probleme mit der existierenden ''LinuxThreads''-Implementation wurden identifiziert: |
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* Sie benötigt einen Manager-Thread im Prozess, der weitere Threads erzeugt, wieder aufräumt und die [[Signalbehandlung]] kanalisiert. |
* Sie benötigt einen Manager-Thread im Prozess, der weitere Threads erzeugt, wieder aufräumt und die [[Signal (Unix)|Signalbehandlung]] kanalisiert. |
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* Sie ist nicht [[Portable Operating System Interface|POSIX]]-konform, da es zum Beispiel nicht möglich ist, ein Signal an den ganzen Prozess zu senden, bzw. der Kernel dafür sorgen muss, dass Signale wie SIGSTOP und SIGCONT an alle Threads im Prozess durchgereicht werden. |
* Sie ist nicht [[Portable Operating System Interface|POSIX]]-konform, da es zum Beispiel nicht möglich ist, ein Signal an den ganzen Prozess zu senden, bzw. der Kernel dafür sorgen muss, dass Signale wie SIGSTOP und SIGCONT an alle Threads im Prozess durchgereicht werden. |
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* Unter Last wird die [[Leistung (Informatik)|Performance]] schlecht, da das Signalsystem |
* Unter Last wird die [[Leistung (Informatik)|Performance]] schlecht, da das Signalsystem zur [[Prozesssynchronisation|Synchronisierung]] verwendet wird. Dies beeinträchtigt auch die [[Stabilität]]. |
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* Jeder Thread führt fälschlicherweise eine eigene [[Prozess ID]]. |
* Jeder Thread führt fälschlicherweise eine eigene [[Prozess ID]]. |
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* Auf der wichtigen [[IA-32]]-Architektur waren nur maximal 8192 Threads möglich. |
* Auf der wichtigen [[IA-32]]-Architektur waren nur maximal 8192 Threads möglich. |
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Um die bestehenden Probleme zu lösen, wurden zusätzliche Infrastruktur im Kernel und eine neu geschriebene Threading-Bibliothek benötigt. Es wurden zwei konkurrierende Projekte gestartet: |
Um die bestehenden Probleme zu lösen, wurden zusätzliche Infrastruktur im Kernel und eine neu geschriebene Threading-Bibliothek benötigt. Es wurden zwei konkurrierende Projekte gestartet: Next Generation POSIX Threads (NGPT) unter Leitung von [[IBM]] und NPTL unter Federführung der bei [[Red Hat]] angestellten Kernel- und glibc-Programmierer [[Ingo Molnár]] und [[Ulrich Drepper]]. Weil sich abzeichnete, dass sich in der Praxis die NPTL durchsetzen würde, wurde das NGPT-Projekt Mitte 2003 eingestellt. |
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Das NPTL-Team setzte sich folgende Ziele für seine neue Bibliothek: |
Das NPTL-Team setzte sich folgende Ziele für seine neue Bibliothek: |
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* POSIX-Konformität, um Userspace-[[Quelltext]] besser portierbar zu machen |
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* effektive Verwendung von [[Symmetrisches Multiprozessorsystem|SMP]] und gute [[Skalierbarkeit]], um |
* effektive Verwendung von [[Symmetrisches Multiprozessorsystem|SMP]] und gute [[Skalierbarkeit]], um die Leistungsfähigkeit auf Mehrprozessorsystemen zu steigern |
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** darauf aufbauend: [[NUMA]]-Unterstützung |
** darauf aufbauend: [[NUMA]]-Unterstützung |
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* wenig Erzeugungsaufwand pro Thread |
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* [[Kompatibilität (Technik)|Kompatibilität]] mit ''LinuxThreads'', das heißt, alte Programme sollten ohne Neukompilierung mit der NPTL laufen. |
* [[Kompatibilität (Technik)|Kompatibilität]] mit ''LinuxThreads'', das heißt, alte Programme sollten ohne Neukompilierung mit der NPTL laufen. |
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Unter diesen Voraussetzungen begann Mitte 2002 die Arbeit an der neuen Native POSIX Thread Library. Im August/September 2002 wurde der Linux-Kernel 2.5 für die NPTL vorbereitet. Dazu war es notwendig, einige neue Systemaufrufe einzuführen und vorhandene zu optimieren. In ersten Benchmarks konnten nun auf einem IA-32-System innerhalb von 2 Sekunden 100.000 parallele Threads erzeugt werden; ohne NPTL dauerte allein die Erzeugung der Threads fast 15 Minuten. Trotz dieser |
Unter diesen Voraussetzungen begann Mitte 2002 die Arbeit an der neuen Native POSIX Thread Library. Im August/September 2002 wurde der Linux-Kernel 2.5 für die NPTL vorbereitet. Dazu war es notwendig, einige neue Systemaufrufe einzuführen und vorhandene zu optimieren. In ersten Benchmarks konnten nun auf einem IA-32-System innerhalb von 2 Sekunden 100.000 parallele Threads erzeugt werden; ohne NPTL dauerte allein die Erzeugung der Threads fast 15 Minuten. Trotz dieser Last blieb das Testsystem mit annähernd gleicher Geschwindigkeit benutzbar. |
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[[Red Hat Linux]] 9 war die erste Linux-Distribution, in der die NPTL in einem [[ |
[[Red Hat Linux]] 9 war die erste [[Linux-Distribution]], in der die NPTL in einem [[Patch (Software)|gepatchten]] 2.4er-Kernel verwendet wurde (und deren Benutzer dadurch bisweilen zu unfreiwilligen [[Entwicklungsstadium (Software)#Beta-Version|Betatestern]] wurden). Inzwischen benutzen alle modernen Distributionen die NPTL, wenn sie einen Kernel der Version 2.6 oder höher verwenden. |
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<!-- Ich bin kein Informatiker. Die Chancen stehen gut, dass ich hier Blödsinn erzähle. --> |
<!-- Ich bin kein Informatiker. Die Chancen stehen gut, dass ich hier Blödsinn erzähle. --> |
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NPTL funktioniert ähnlich wie ''LinuxThreads''. Der Kernel verwaltet immer noch Prozesse und keine Threads, und neue Threads werden mit einem von der NPTL aufgerufenen |
NPTL funktioniert ähnlich wie ''LinuxThreads''. Der Kernel verwaltet immer noch Prozesse und keine Threads, und neue Threads werden mit einem von der NPTL aufgerufenen <code>clone()</code> erzeugt. Die NPTL benötigt allerdings spezielle Kernelunterstützung und implementiert damit Synchronisationsmechanismen, bei denen Threads schlafen gelegt und wieder aufgeweckt werden. Dazu werden [[Futex]]es verwendet. |
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Die NPTL ist eine sogenannte 1:1-Threading-Bibliothek. Die vom Benutzer mit der |
Die NPTL ist eine sogenannte 1:1-Threading-Bibliothek. Die vom Benutzer mit der <code>pthread_create()</code>-Funktion erzeugten Threads stehen dabei in einer 1-zu-1-Beziehung mit Prozessen in den Scheduler-Queues des Kernels. Dies ist die einfachste denkbare Threading-Implementierung. Die Alternative wäre m:n. Dabei existieren typischerweise mehr Threads im Userspace, als es Prozesse im Kernel gibt. Die Threading-Bibliothek wäre dann dafür verantwortlich, die [[Prozessorzeit]] auf die einzelnen Threads im Prozess zu verteilen. Mit diesem Konzept wären sehr schnelle [[Kontextwechsel]] möglich, da die Anzahl der notwendigen Systemaufrufe minimiert wird, andererseits würde aber die Komplexität erhöht, und es könnte leichter zu [[Prioritätsinversion]] kommen. |
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* [https://static.redhat.com/legacy/whitepapers/developer/POSIX_Linux_Threading.pdf The Native POSIX Thread Library for Linux] (PDF; 535 kB) |
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Aktuelle Version vom 10. Februar 2025, 14:13 Uhr
Die Native POSIX Thread Library (NPTL) ist eine moderne Implementierung einer Threading-Bibliothek für das Betriebssystem Linux. Sie wird in Verbindung mit der GNU C Library (glibc) verwendet und erlaubt Linux-Programmen die Verwendung von POSIX-Threads (pthreads).
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der Kernel-Version 2.0 existierte für Linux die Threading-Bibliothek LinuxThreads, deren grundlegende Design-Prinzipien unter Einfluss der 1996 vorhandenen Beschränkungen des Linux-Kernels und der libc5 zustande gekommen waren. Linux hatte keine echte Unterstützung für Threads im Kernel, kannte aber den clone()-Systemaufruf, der eine Kopie des aufrufenden Prozesses mit identischem Adressraum erzeugte. LinuxThreads benutzte diesen Systemaufruf, um Thread-Unterstützung im Userspace zu simulieren. Die Bibliothek wurde zwar kontinuierlich verbessert, war aber konzeptionell veraltet und eingeschränkt.
Folgende Probleme mit der existierenden LinuxThreads-Implementation wurden identifiziert:
- Sie benötigt einen Manager-Thread im Prozess, der weitere Threads erzeugt, wieder aufräumt und die Signalbehandlung kanalisiert.
- Sie ist nicht POSIX-konform, da es zum Beispiel nicht möglich ist, ein Signal an den ganzen Prozess zu senden, bzw. der Kernel dafür sorgen muss, dass Signale wie SIGSTOP und SIGCONT an alle Threads im Prozess durchgereicht werden.
- Unter Last wird die Performance schlecht, da das Signalsystem zur Synchronisierung verwendet wird. Dies beeinträchtigt auch die Stabilität.
- Jeder Thread führt fälschlicherweise eine eigene Prozess ID.
- Auf der wichtigen IA-32-Architektur waren nur maximal 8192 Threads möglich.
Um die bestehenden Probleme zu lösen, wurden zusätzliche Infrastruktur im Kernel und eine neu geschriebene Threading-Bibliothek benötigt. Es wurden zwei konkurrierende Projekte gestartet: Next Generation POSIX Threads (NGPT) unter Leitung von IBM und NPTL unter Federführung der bei Red Hat angestellten Kernel- und glibc-Programmierer Ingo Molnár und Ulrich Drepper. Weil sich abzeichnete, dass sich in der Praxis die NPTL durchsetzen würde, wurde das NGPT-Projekt Mitte 2003 eingestellt.
Das NPTL-Team setzte sich folgende Ziele für seine neue Bibliothek:
- POSIX-Konformität, um Userspace-Quelltext besser portierbar zu machen
- effektive Verwendung von SMP und gute Skalierbarkeit, um die Leistungsfähigkeit auf Mehrprozessorsystemen zu steigern
- darauf aufbauend: NUMA-Unterstützung
- wenig Erzeugungsaufwand pro Thread
- Kompatibilität mit LinuxThreads, das heißt, alte Programme sollten ohne Neukompilierung mit der NPTL laufen.
Unter diesen Voraussetzungen begann Mitte 2002 die Arbeit an der neuen Native POSIX Thread Library. Im August/September 2002 wurde der Linux-Kernel 2.5 für die NPTL vorbereitet. Dazu war es notwendig, einige neue Systemaufrufe einzuführen und vorhandene zu optimieren. In ersten Benchmarks konnten nun auf einem IA-32-System innerhalb von 2 Sekunden 100.000 parallele Threads erzeugt werden; ohne NPTL dauerte allein die Erzeugung der Threads fast 15 Minuten. Trotz dieser Last blieb das Testsystem mit annähernd gleicher Geschwindigkeit benutzbar.
Red Hat Linux 9 war die erste Linux-Distribution, in der die NPTL in einem gepatchten 2.4er-Kernel verwendet wurde (und deren Benutzer dadurch bisweilen zu unfreiwilligen Betatestern wurden). Inzwischen benutzen alle modernen Distributionen die NPTL, wenn sie einen Kernel der Version 2.6 oder höher verwenden.
Konzept
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]NPTL funktioniert ähnlich wie LinuxThreads. Der Kernel verwaltet immer noch Prozesse und keine Threads, und neue Threads werden mit einem von der NPTL aufgerufenen clone()
erzeugt. Die NPTL benötigt allerdings spezielle Kernelunterstützung und implementiert damit Synchronisationsmechanismen, bei denen Threads schlafen gelegt und wieder aufgeweckt werden. Dazu werden Futexes verwendet.
Die NPTL ist eine sogenannte 1:1-Threading-Bibliothek. Die vom Benutzer mit der pthread_create()
-Funktion erzeugten Threads stehen dabei in einer 1-zu-1-Beziehung mit Prozessen in den Scheduler-Queues des Kernels. Dies ist die einfachste denkbare Threading-Implementierung. Die Alternative wäre m:n. Dabei existieren typischerweise mehr Threads im Userspace, als es Prozesse im Kernel gibt. Die Threading-Bibliothek wäre dann dafür verantwortlich, die Prozessorzeit auf die einzelnen Threads im Prozess zu verteilen. Mit diesem Konzept wären sehr schnelle Kontextwechsel möglich, da die Anzahl der notwendigen Systemaufrufe minimiert wird, andererseits würde aber die Komplexität erhöht, und es könnte leichter zu Prioritätsinversion kommen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- The Native POSIX Thread Library for Linux (PDF; 535 kB)