„Andrea Moda Formula“ – Versionsunterschied

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==== Teamchef ====
{{Hauptartikel|Andrea Sassetti}}
Inhaber von Andrea Moda Formula war Andrea Sassetti, ein 1960 in der [[mittelitalien]]ischen [[Italienische Regionen|Region]] [[Marken]] geborener Unternehmer, der seit 1985 die nach ihm benannte Schuh- und Stiefelmarke [[Andrea Moda]] führte. Zu seiner Biografie existieren unterschiedliche Angaben, die teilweise stark voneinander abweichen. Einige Quellen sahen ihn als Angehörigen einer wohlhabenden Familie von Schuhherstellern,<ref>Danach ist Andrea Sassetti mit Silvano Sassetti verwandt, dem Gründer des [[Silvano Sassetti|gleichnamigen Herstellers]] hochpreisiger Damen- und Herrenschuhe, der in Andrea Sassettis Geburtsort Monte San Pietrangeli ansässig ist.</ref> nach anderen Angaben war er durch einen hohen Gewinn bei einem [[Poker]]spiel zu Reichtum gekommen.<ref name="ORC" /> Wieder andere vermuten, dass Sassetti illegale Geschäfte betrieb und Kontakte zum organisierten Verbrechen hatte.<ref name="Perry 194">Perry McCarthy: ''Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way!'' Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 194.</ref> Es gibt Berichte, wonach Sassetti und Teammitarbeiter im Laufe des Jahres 1992 mehrfach in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt waren.<ref name="rejects" /> Im Internet kursiert die Abschrift eines Interviews, das Sassetti im Frühjahr 2012 telefonisch gegeben haben soll<ref name="Sassetti">{{Webarchiv |url=http://www.f1rejects.com/forum/viewtopic.php?f=9&t=4918 |wayback=20140605053520 |text=Interview mit Andrea Sassetti aus dem Jahr 2012 |wayback=20140605053520 |archiv-bot=2023-06-09 03:37:55 InternetArchiveBot }} (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref> und das biografische Details sowie Einzelheiten zur Entwicklung von Andrea Moda Formula enthält. Danach ist Andrea Sassetti der Sohn armer Landwirte, der, aufbauend auf einem kleinen Geldgewinn bei Glücksspielen, durch eigene Arbeit zu Wohlstand kam.
 
Als Sassetti im September 1991 das Coloni-Team übernahm, hatte er keine Erfahrung im Motorsport. Die Berichterstattung über das Team griff diesen Umstand frühzeitig auf und betonte dies durch wiederholte und zum Teil sehr plakative Beschreibungen von Sassettis anderweitigen Tätigkeiten. Bezeichnungen wie „Schuhmagnat“,<ref name="rejects" /><ref name="ORC">Kurzbiografie Andrea Sassettis auf der Internetseite [http://www.oldracingcars.com/teamboss/Andrea_Sassetti www.oldracingcars.com] (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref><ref name="Hodges UK">David Hodges: ''A–Z of Grand Prix Cars 1906–2001.'' 2001 (Crowood Press), ISBN 1-86126-339-2, S. 18.</ref> „Boss eines Schuhindustriekonzerns“<ref name="Burchkalter">Patrice Buchkalter, Jean François Galeron: „Formula 1 – a complete guide to 1992“, Surrèsnes (Taillandrier) 1992, ISBN 2-87636-107-8, S. 120.</ref> oder „italienischer König des [[Prêt-à-porter]]“<ref>Pierre Ménard: ''La Grande Encyclopédie de la Formule 1.'' 2. Auflage. St. Sulpice, 2000, ISBN 2-940125-45-7, S. 605.</ref> fanden und finden sich noch immer regelmäßig in Darstellungen des Rennstalls. Mit fortlaufender Dauer der Saison und Distanz erhielten die Charakterisierungen auch abwertende Züge. So wurde er als „Dilettant“<ref>Motorsport Aktuell, Heft 32/1992, S. 6.</ref> oder „zwielichtige Gestalt“ („shady person“)<ref name="rejects" /> beschrieben. Sein Pilot [[Alex Caffi]] bezeichnete ihn rückblickend sogar als „Verrückten“.<ref name="Caffi">Interview mit Alex Caffi auf der Internetseite [http://www.oldracingcars.com/drivers/interview/Alex-Caffi/ www.oldracingcars.com] (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref>
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Eine besondere Rolle im Team nahm der zweite Fahrer ein, den Sassetti als Ersatz für Bertaggia verpflichtete. Auf Vermittlung des Managers von [[Nigel Mansell]] entschied sich Sassetti Ende März 1992 kurzfristig für den britischen Rennfahrer Perry McCarthy, der im Gegensatz zu Moreno keine Formel-1- und nur wenig [[Formel 3000|Formel-3000]]-Erfahrung hatte. McCarthy erhielt von Andrea Moda kein Gehalt und musste für sämtliche Reise- und Unterkunftskosten selber aufkommen.<ref name="Perry 167">Perry McCarthy: ''Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way''! Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 167.</ref> „Aufgrund eines Missverständnisses“<ref name="Henry 118">Alan Henry: ''Autocourse 1992/93'' London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 118.</ref> verweigerte ihm die FISA in [[Brasilien]] zunächst die [[Superlizenz]]. Nach einer Intervention Bernie Ecclestones<ref name="Perry 174">Perry McCarthy: ''Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way''! Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 174.</ref> erhielt er zum folgenden Rennen, dem [[Großer Preis von Spanien 1992|Großen Preis von Spanien]], die Fahrerlaubnis zurück.
 
Ab April 1992 versuchte Sassetti, an McCarthys Stelle wieder Enrico Bertaggia zu melden, der zwischenzeitlich neue Sponsoren gefunden hatte.<ref name="MSA2192">Motorsport Aktuell, Heft 21/1992, S. 13.</ref> Die Rede war von Mitteln in Höhe von 1.000.000&nbsp;US-$.<ref name="rejects" /> Da Andrea Moda allerdings mit der Verpflichtung Morenos und McCarthys die maximal zulässige Anzahl an Fahrerwechseln bereits vollzogen hatte, ließ die FISA einen weiteren Fahrerwechsel nicht zu.<ref name="MSA2192" /><ref name="rejects McCarthy">Biografie Perry McCarthys auf der Internetseite {{Webarchiv |url=http://www.f1rejects.com/drivers/mccarthy/text.html |wayback=20130321223819 |text=www.f1rejects.com |wayback=20130321223819 |archiv-bot=2023-06-09 03:37:55 InternetArchiveBot }} (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref> McCarthy wurde daraufhin zum „ungeliebten Kind des Teams“:<ref name="Perry 176">Perry McCarthy: Flat ''Out Flat Broke. Formula One the hard way!'' Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 176.</ref> Sassetti sah ihn als wesentlichen Grund dafür an, dass das Team auf Bertaggias Sponsorgelder verzichten musste.<ref name="Perry 195">Perry McCarthy: ''Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way!'' Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 195.</ref> In der Folgezeit benachteiligte Sassetti ihn konsequent, sodass McCarthy kaum gezeitete Runden zurücklegen konnte und keine realistische Chance für eine (Vor-)Qualifikation bekam. Er versuchte, McCarthy zur Kündigung zu bewegen, indem er ihn so selten wie möglich fahren ließ<ref name="rejects" /> oder ihm lediglich veraltetes oder unsicheres Material zur Verfügung stellte.<ref name="rejects" /> McCarthy hielt seinerseits an dem Vertrag fest, da er keine Alternative in der Formel 1 hatte. Ein geplanter Einsatz als Testfahrer bei [[Arrows Grand Prix International|Arrows]] kam nicht zustande, weil Sassetti McCarthy keine Freigabe erteilte.<ref name="Perry 197">Perry McCarthy: ''Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way!'' Haynes Publishing, Sparkford 2008, ISBN 978-1-84425-018-9, S. 197.</ref> In dem angeblich 2012 mit ihm geführten Interview bestätigte Andrea Sassetti die grundsätzliche Benachteiligung McCarthys, bestand aber darauf, dass dieser von Anfang an die Situation des Teams gekannt habe: McCarthy habe gewusst, dass Andrea Moda nicht in der Lage gewesen sei, zwei Fahrzeuge gleichzeitig einzusetzen; er sei gleichwohl im Team verblieben, um überhaupt in der Formel 1 präsent zu sein.<ref name="Sassetti" />
 
McCarthy verarbeitete seine Erfahrungen mit Andrea Moda 2002 in einer Autobiografie, der er den Untertitel „Formel 1 auf die harte Tour“ („Formula One the hard way“) gab.
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Für die Saison 1992 wollte Sassetti das inzwischen zweieinhalb Jahre alte Chassis mit einer neuen Antriebseinheit an den Start bringen. Er erwarb zwei gebrauchte Zehnzylindermotoren von [[Engine Developments|Judd]] (Typ GV), die im Jahr zuvor von der [[BMS Scuderia Italia|Scuderia Italia]] im [[Dallara 191]] eingesetzt worden waren, sowie die Hinterachse und wohl auch das Sechsganggetriebe des Dallara. Überwacht von Paul Burgess, bauten Studenten der Universität Perugia in den ersten Wochen des Jahres 1992 das alte Chassis und die neue Antriebseinheit zusammen.<ref name="Burchkalter" /> Anfang Februar 1992 erfolgte eine Testfahrt des C4B, die nach Einschätzung Alex Caffis vielversprechend verlief.<ref name="Burchkalter" />
 
Sassetti meldete den C4B zum Saisonbeginn 1992 für Alex Caffi und für Enrico Bertaggia. Ob tatsächlich für jeden Fahrer ein Fahrzeug hergestellt wurde, ist zweifelhaft, denn der Coloni C4, auf dem der C4B basierte, war ein Einzelstück. In Südafrika erschien das Team nur mit einem rennbereiten Auto.<ref name="MSA 11">Motorsport Aktuell, Heft 11/1992, S. 8.</ref> Eine einzelne Quelle berichtet, dass das Team in Kyalami auch ein zweites, nicht komplettiertes Chassis in der Box hatte.<ref name="MSA 11" /><ref>Da Andrea Moda aus finanziellen Gründen keine Möglichkeiten hatte, ein neues Chassis nach dem Muster des C4(B) aufzubauen, müsste es sich hierbei um jenes Chassis handeln, das 1990 mit Subaru-Motor unter der Bezeichnung C3B gemeldet worden war.</ref> Es gibt keine Abbildungen, die dies bestätigen könnten. In allen zeitgenössischen Veröffentlichungen wurde regelmäßig nur ''ein'' Fahrzeug vom Typ C4B – und zwar jeweils das gleiche – gezeigt.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.f1rejects.com/teams/andreamoda/picture-gallery.html |wayback=20070328153507 |text=Archivierte Kopie }} Abbildungen des Coloni C4B beim Großen Preis von Südafrika (abgerufen am 20. Juni 2014)</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://fc01.deviantart.net/fs70/i/2013/170/4/e/andrea_moda__coloni__c4b__south_africa_1992__by_f1_history-d69qujg.jpg |wayback=20140714232903 |text=Abbildung eines C4B in der Box am Kyalami Grand Prix Circuit |wayback=20140714232903 |archiv-bot=2024-07-06 22:07:18 InternetArchiveBot }} (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref>
 
Ob Andrea Moda anfänglich geplant hatte, die gesamte Saison 1992 mit dem C4B zu bestreiten, ist unklar. Einzelne zeitgenössische Quellen bezeichneten den C4B bereits vor dem Beginn der Saison als bloßes Interimsauto, dessen Ablösung durch eine neuere Konstruktion bevorstand,<ref>Motorsport Aktuell, Heft 12/1992, S. 5.</ref> während andere davon ausgehen, dass sich Sassetti erst nach dem Ausschluss des Teams in Kyalami erstmals um einen Nachfolger bemühte.<ref name="Henry 118" />
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== Renneinsätze ==
=== Bologna Sprint ===
Der erste Renneinsatz des Teams ''Coloni-Andrea Moda Formula'' fand im Dezember 1991 statt. Einen Monat nach dem letzten Weltmeisterschaftslauf der Saison 1991 in [[Großer Preis von Australien 1991|Australien]] erschien das Team beim [[Bologna Sprint]], einem Wettbewerb, der im Rahmen der jährlichen [[Bologna Motor Show]] in einer geschlossenen Halle abgehalten wurde. Hier traten sechs Fahrer in überwiegend italienischen Autos bei kurzen Sprintrennen gegeneinander an. Der Wagen entsprach dabei, abgesehen von der schwarzen Lackierung und den Sponsoraufklebern, technisch dem zuvor von Coloni eingesetzten C4. Er war noch mit einem Cosworth-Motor ausgestattet.<ref>{{Webarchiv |url=http://blogmonumentalformula.wordpress.com/2012/02/10/novela-das-7-moda-praia-capitulo-1-coloni-vestida-de-andrea/ |wayback=20140715011243 |text=Abbildung des Coloni C4 beim Bologna Sprint im Dezember 1991 |wayback=20140715011243 |archiv-bot=2023-06-09 03:37:55 InternetArchiveBot }} (abgerufen am 2. Juli 2014).</ref> Fahrer war [[Antonio Tamburini (Rennfahrer)|Antonio Tamburini]]. Er setzte sich im ersten Sprint gegen [[Gianni Morbidelli]] im [[Minardi M191]] durch, scheiterte aber im Halbfinale an [[Johnny Herbert]], der einen [[Lotus 102]] mit [[Engine Developments|Judd]]-Motor einsetzte.<ref>Ergebnisse des Bologna Sprint 1991 auf der Internetseite [http://www.silhouet.com/motorsport/archive/f1/bologna.html www.silhouet.com] (abgerufen am 20. Juni 2014).</ref>
 
=== Weltmeisterschaft 1992 ===