Geschichte Russlands und Bewegungskoordination: Unterschied zwischen den Seiten
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Unter '''Bewegungskoordination''' versteht die [[Bewegungswissenschaft|Bewegungs-]] und die [[Trainingswissenschaft]] den Prozess und das Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Wahrnehmungs-, Steuerungs-, Regelungs- und Motorik-Elemente zu einem geordneten, zielgerichteten Bewegungsablauf.<ref> K. Roth /K. Willimczik: ''Bewegungswissenschaft''. Reinbek (Rowohlt) 1999</ref> <ref> G. Schnabel u.a. (Hrsg.): ''Trainingslehre – Trainingswissenschaft: Leistung-Training-Wettkampf''. Aachen (Meyer & Meyer) 2009</ref> Koordinierte Bewegungen sind gleichzeitig oder in geordneter Folge auftretende Muskelaktionen. Im Unterschied zu den [[Koordinative Fähigkeiten (Motorik)|koordinativen Fähigkeiten]] stellt die Bewegungskoordination eine [[Fertigkeit]] dar, die als sichtbares Resultat aus den zugrundeliegenden Fähigkeiten erwachsen kann, aber nicht muss. Die einzelnen zur Koordination von komplexen Bewegungen ineinandergreifenden Fähigkeiten lassen sich [[Faktorenanalyse|faktorenanalytisch]] ermitteln.<ref name="Warwitz"> S.A. Warwitz: ''Der Wiener Koordinationsparcours'' (WKP). In: S.A. Warwitz: ''Das sportwissenschaftliche Experiment. Planung-Durchführung-Auswertung-Deutung''. Schorndorf (Hofmann) 1976. S. 48-62</ref> <ref name="Kiphard"> E.J. Kiphard /F. Schilling: ''Körperkoordinationstest für Kinder'' (KTK). Göttingen 2007</ref> |
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[[Datei:Novgorod Monument LOC cropped.jpg|miniatur|''„[[Tausend Jahre Russland]]“'' (1862). Monument vor der [[Sophienkathedrale (Nowgorod)|Sophienkathedrale]] in [[Weliki Nowgorod|Nowgorod]]]] |
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Die '''Geschichte Russlands''' bietet einen Überblick über die Vorgeschichte, Entstehung und den zeitlichen Verlauf des [[Russland|russischen Staates]].<ref>Im Zentrum steht also die Geschichte des russischen Ostslawentums, also das [[Russen|ethnische Russland]]. Die Strukturgeschichte der Ruthenen bzw. Ukrainer und Weißrussen als auch die Abhandlung nichtslawischer Völker und Territorien sind nicht Gegenstand dieses Artikels.</ref> |
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==Aspekte der Bewegungskoordination== |
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Ausgehend von der frühesten Besiedlung des heutigen russischen Territoriums seit der [[Altsteinzeit]], beschäftigt sich dieser Artikel mit der Entstehung des Reichs von Kiew (von 980 bis 1240), der [[Kiewer Rus]], des ersten [[Ostslawen|ostslawischen]] Großreiches, das sich im 10. Jahrhundert formierte, durch die Annahme des [[Christentum]]s von Byzanz her (988/89) in die christliche Ökumene eintrat und schließlich dem [[Mongolensturm]] zum Opfer fiel. Aus dem Konglomerat ostslawischer Teilfürstentümer, die der Zusammenbruch des Reiches von Kiew hinterließ folgte die Zeit der Nachfolgereiche (im Westen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, im Osten bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts).<ref>Carsten Goehrke: ''Russland'', S. 16.</ref> Im Zusammenwirken mit der Herrschaft der [[Tataren]] führte dies im Verlauf der russischen Geschichte zu einer jahrhundertelangen Entfremdung gegenüber dem Rest des westlichen Kulturkreises. |
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Je nach Arbeitsbereich ([[Training|Praktisches Training]],<ref>P. Hirtz: ''Koordinative Fähigkeiten im Schulsport''. Berlin 1985</ref> <ref> A. Neumaier: ''Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining''. Köln 3. Aufl. 2006 </ref> [[Physiologie]],<ref>H. de Marées: ''Sportphysiologie''. Köln (Sportverlag) 9. Auflage 2003</ref> [[Bewegungswissenschaft|Bewegungslehre]]<ref> K. Meinel / G. Schnabel: ''Bewegungslehre – Sportmotorik''. München (Südwest) 11. Auflage 2007</ref> etc.) lässt sich das Phänomen Bewegungskoordination unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, analysieren und nutzen: |
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*Bewegungskoordination kann als sinnvolles Zusammenspiel der Bewegungen verschiedener Körperteile (z.B. von Arm-, Rumpf- und Beinbewegungen) verstanden werden. |
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*Bewegungskoordination kann man als dynamische Abstimmung der [[Fitness|konditionellen Leistungsbereitschaften]] Kraft, Schnelligkeit, Schnellkraft, Ausdauer zu einer effektiven Bewegungsgestaltung sehen. |
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*Bewegungskoordination kann im physiologischen Sinne ein gelungenes Wechselspiel von [[Agonist (Anatomie)|Agonisten]] und [[Antagonist (Muskel)|Antagonisten]] (z. B. von [[Musculus biceps brachii|Bizeps]] und [[Musculus triceps brachii|Trizeps]]) bei Zug-, Schub-, Drehbewegungen bedeuten. |
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*Bewegungskoordination resultiert aus der optimalen Funktion physischer, physiologischer, neurologischer, regelungstechnischer, wahrnehmungspsychologischer und mentaler Leistungsfaktoren wie Beweglichkeit, Wendigkeit, Reizempfindlichkeit, Gleichgewichtsgefühl, Raumorientierung, Einstellungsfähigkeit, Antizipationsvermögen und andere. |
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==Merkmale der Bewegungskoordination== |
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Mit der zunehmenden Zersetzung der tatarischen Herrschaft und der gleichzeitigen inneren und äußeren Konsolidierung des [[Ethnie|ethnisch]] weitgehend russisch geprägten [[Großfürstentum Moskau|Moskauer Reiches]] gegenüber dem ethnisch weitgehend ruthenisch geprägten Großfürstentum Litauen, begann – durch die räumliche Struktur begünstigt – eine territoriale Expansion, die die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat. Einer Phase der inneren Zerrüttung, der sogenannten [[Smuta]], am Anfang des 17. Jahrhunderts, folgte mit Zar [[Peter I. (Russland)|Peter I.]] ein Herrscher, der mit den [[Petrinische Reformen|Petrinischen Reformen]] das seit 1721 imperiale [[Russisches Kaiserreich|Russische Reich]] wieder an das restliche [[Europa]] heranführte und modernisierte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts festigte das Russische Reich seinen Anfang des Jahrhunderts erworbenen Großmachtstatus, baute ihn weiter aus. Durch die schnelle räumliche Ausdehnung zu dieser Zeit eilten die [[staat]]lichen Aufgaben jedoch dem realen Sozialprodukt davon, so dass die Regierung die für die innere Entwicklung benötigten Mittel anderweitig einsetzen musste. Nach der Niederlage Napoleons erreichte das Russische Reich die Vorherrschaft auf dem europäischen Festland, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte. Aufgrund der festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen wie der [[Autokratie]] und der [[Leibeigenschaft]] konnte das agrarisch geprägte Reich jedoch mit den sich rasant entwickelnden Industriestaaten immer weniger Schritt halten, bis schließlich der [[Krimkrieg]] die Diskrepanz offenlegte und eine Phase der inneren Reformen anschob. Die Reformen beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, doch das Land wurde immer wieder von inneren Unruhen destabilisiert, da die politischen Veränderungen nicht weitreichend genug waren und große Teile der Bevölkerung ausgeklammert wurden. Durch die [[Februarrevolution 1917|Februar]]- und [[Oktoberrevolution]] im Jahre 1917 während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], wurde die [[Zar#Zarentum Russland|Zarenherrschaft über Russland]] beendet und in der Folge die sozialistische [[Sowjetunion]] gegründet, die bis 1991 Bestand hatte. Nach ihrer Auflösung ging die [[Russland|Russische Föderation]] durch einen schwierigen Transformationsprozess, der zunächst große Einbrüche sowohl beim nationalen [[Bruttoinlandsprodukt|BIP]] als auch bei der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen verursachte. Darauf folgte ab dem Jahr 2000 ein von der Weltkonjunktur begünstigter Aufschwung. |
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Eine gut koordinierte Bewegung präsentiert sich optisch als ästhetisch ansprechend und scheinbar mühelos. Der Akteur selbst empfindet sie als leicht und beglückend (vgl. gekonnte Skiabfahrt). Die gelungene Bewegungskoordination macht die Qualität einer Bewegungsgestalt aus. Sie hat zudem auch wesentlichen Anteil an deren [[Effektivität]]. Die Bewegungslehre umschreibt sie mit Merkmalen wie flüssig, rhythmisch, organisch (=körpergerecht), ökonomisch (=kraftsparend), präzise (=bewegungsgenau), ästhetisch (=reizvoll) oder gekonnt (=ausgereift). |
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Die Bewegungskoordination ist ein [[Signifikanz|signifikanter]] Gradmesser für die Beherrschung eines Bewegungsablaufs. |
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==Ansprüche an die Bewegungskoordination== |
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== Frühgeschichte == |
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Verschiedene Lebensbereiche stellen verschiedene Anforderungen an die Bewegungskoordination. Die Bewegungslehre differenziert z.B. zwischen Alltags-, Berufs- und [[Sportmotorik]] und konstatiert dabei eine wachsende Anzahl von Einzelelementen und eine Komplizierung des Zusammenspiels, je komplexer die Anforderungen werden. So zeigen sich Alltagsbewegungen (Gehen, Treppensteigen, Einkaufswagen packen) als relativ einfach strukturierte Bewegungsformen, die schnell beherrschbar sind. Berufsbezogene Bewegungen (von Dachdecker, Klempner, Chirurg oder Landwirt) erfordern spezifische Lernprozesse. Höchste Ansprüche an das Koordinationsvermögen können sportliche Bewegungsabläufe stellen ([[Gerätturnen|Gerätturnübungen]], [[Eislaufen|Eislauffiguren]]), zumal sie meist noch mit dynamischen Anforderungen ([[Wettkampf]], [[Leistung|Höchstleistung]]) gekoppelt sind. |
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[[Datei:Russland_topo.png|miniatur|340px|Topografie von Russland]] |
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==Messung und Beurteilung der Bewegungskoordination== |
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Endlose Weiten und die Einförmigkeit riesiger Ebenen kennzeichnen den Raum. Im Süden und Südwesten begrenzen Gebirge ([[Kaukasus]] und [[Karpaten]]) das [[Osteuropäische Tafel|osteuropäische Tafelland]]. Die Küsten im Norden ([[Weißes Meer]]) und im Süden sind schwach gegliedert. Im Süden erreicht das europäische Flachland lediglich Binnenmeere ([[Schwarzes Meer]] und [[Kaspisches Meer]]). Nach Westen und Osten ist das osteuropäische Flachland offen. Weder die westlichen Sumpfgebiete ([[Rokitnosümpfe|Pripjet-Sümpfe]]) noch der [[Ural]]s sind eigentliche Verkehrshindernisse. [[Westsibirien]] stellt eine kontinentale Fortsetzung des europäischen Russlands dar. Eine Grenze verläuft am Rand des gebirgigen Mittel- und [[Ostsibirien]]. Da keine west-östlichen Gebirge den osteuropäischen Tieflandsraum gliedern, reicht die Polarluft mitunter bis tief in den Süden ohne aufgehalten zu werden. Naturräumlich begrenzen die klimatischen Bedingungen die menschliche Besiedlung. Fast die Hälfte der Böden ist ständig gefroren oder taut nur an wenigen Tagen im Jahr auf. Durch die offenen und wenig Schutz bietenden Grenzen wurden die Menschen in diesen Gebieten häufig von äußeren Einfällen gefährdet (vgl. auch [[Russische Großlandschaften]]). |
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Die Bewegungskoordination ist wegen ihrer Komplexität die am schwierigsten zu messende Grundfertigkeit. Um ihre unterschiedlichen Komponenten und deren Zusammenspiel zu erfassen, reicht kein [[Test|Einzeltest]]. Es bedarf einer so genannten [[Testbatterie]], die eine Serie von Einzelaufgaben ([[Item]]s) koordiniert, die diese [[Komponente]]n repräsentieren. Außerdem muss das Problem gelöst werden, die Qualität der Bewegungsführung zu quantifizieren, um sie messbar und damit objektiv verfügbar zu machen. |
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Als ausgereift und damit einsetzbar zur Prüfung der Bewegungskoordination gilt ein [[Testverfahren]] nach den Regeln der [[Testpsychologie]] erst, wenn es zumindest die Haupt-Gütekriterien [[Objektivität]], [[Validität]], [[Reliabilität]] und [[Normierung]] erfüllt.<ref> K. Bös: ''Handbuch sportmotorischer Tests''. Göttingen 1987</ref> Dies ist nur bei wenigen Verfahren gegeben, weil der statistisch/mathematische, personelle und zeitliche Aufwand dazu sehr hoch ist und zahlreiche Testabnahmen voraussetzt. Verfahren, denen z.B. Vergleichsdaten wie [[Normierung|Normentafeln]] fehlen, sind als Prüfinstrument der Bewegungskoordination ungeeignet. Sie können aber zu deren Übung verwendet werden. |
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Auf dem riesigen Gebiet Russlands sind Menschen seit etwa 100.000 Jahren nachgewiesen. Die Besiedlung verdichtete sich ab 35.000 v. Chr. in den weiträumigen Flussgebieten und klimatisch begünstigten Zonen. Die Jäger und Sammler wohnten in hütten- und zeltartigen Behausungen und Höhlen. Mit ihren Steinwaffen jagten sie vor allem das Mammut. Der Übergang zu einer bäuerlichen Kultur vollzog sich in einigen Gegenden seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. Sehr früh, verstärkt seit dem 3. Jahrtausend v. Chr., wurden Pferde gezähmt und gezüchtet. Die Menschen der [[Kurgan-Kultur]], die sich von der unteren Wolga und den [[Dnepr-Becken]] ausbreiteten, nutzten das Tier zum Reiten und zum Wagenziehen. Viele Nomadenstämme durchzogen die weiten Steppen Russlands nun mit ihren Pferden. |
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Als ausgereifte und entsprechend viel eingesetzte Prüfverfahren zur Erfassung der Bewegungskoordination können der [[Motodiagnostik|Körperkoordinationstest für Kinder]] (KTK) von Ernst J. Kiphard und Friedhelm Schilling<ref name="Kiphard"/> sowie der [[Wiener Koordinationsparcours]] (WKP) von Siegbert A. Warwitz<ref name="Warwitz"/> gelten: Der KTK erfasst den koordinativen Leistungsstand von Kindern im Alter zwischen 5 und 14 Jahren. Er ist besonders geeignet, frühzeitig eventuelle Hirnschädigungen zu diagnostizieren. Der WKP erfasst das Leistungsspektrum von Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 21 Jahren sowie der speziellen [[Population]] weiblicher und männlicher Sportstudenten. Er verlangt von den [[Proband]]en, eine Folge von acht unterschiedlichen Bewegungsaufgaben möglichst schnell korrekt zu absolvieren. Der Grad der Koordinationsfähigkeit wird dabei über die Zeitmessung bestimmt. Die Anforderungen an das Koordinationsvermögen steigen mit der Geschwindigkeit der Bewegung. Sie ergeben sich zum einen durch die Aufgabenstellung, zum anderen aus deren Aufeinanderfolge. |
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Seit dem 12. Jahrhundert drangen immer wieder vom Kaukasus aus kriegerische [[Reitervölker|Reiternomaden]] in die Steppen Russlands vor unter anderem von [[Skythen]] und [[Sarmaten]]. zum Teil bildeten Sie frühe Großreiche. Eine genaue stammesmässige Gliederung lässt sich für die Zeit nicht aufschlüsseln. Ein erstes Königtum der Skythen bildete sich im 7. Jahrhundert v. Chr. im heutigen [[Aserbaidschan]] heraus, ein zweites im 6. Jahrhundert v. Chr. am Nordrand des Schwarzen Meeres und in der [[Waldsteppe]]. Im 7. Jahrhundert v. Chr. stießen die Griechen im Zuge ihrer Kolonisationsbewegung auch in das Schwarze Meer vor und gründeten an der Südküste der [[Krim]] und am [[Bug (Fluss)|Bug]] und [[Dnepr]] Städte. Diese Griechenstädte waren für die nördlichen Nachbarn von großer Bedeutung. Sie blieben nach dem Sturm der [[Völkerwanderung]] wichtige politische und wirtschaftliche Stützpunkte des Byzantinischen Reiches, über die ein reger Handelsverkehr zu den nördlichen Nachbarn abgewickelt wurde (vgl. [[Chersones (Stadt)|Chersones]]).<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 21.</ref> Sprachgeschichtlich lässt sich auch noch keine Dominanz des [[Slawische Sprachen|Slawischen]] feststellen.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 20.</ref> Nach 500 v. Chr. bildeten sich anscheinend festere Gemeinschaften heraus. Nördlicher von ihnen waren in der Waldzone [[Finno-ugrische Völker]], die nach Westen stießen, und [[Balten]] beheimatet. |
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==Literatur== |
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[[Datei:Slav-7-8-obrez.png|miniatur|links|Gebiete der Ostslawen (dunkelgrün) im 7. und 8. Jahrhundert]] |
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*K. Bös: ''Handbuch sportmotorischer Tests''. Göttingen 1987 |
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[[Slawen]] waren ursprünglich am mittleren Dnepr, nördlich von Kiew fassbar. Die Herkunft des Namens ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zumindest teilweise befanden sie sich in Abhängigkeit vom [[Goten|Gotenreich]]. Nach dessen Zerschlagung setzte eine Wanderungsbewegung auch nach Norden und Nord-Osten ein. Die slawischen Stämme, die sich unmittelbar auf dem Gebiet des heutigen Russlands niederließen, waren [[Ilmenslawen]], [[Kriwitschen]], [[Wjatitschen]] und [[Sewerjanen]]. Sie durchbrachen den Siedlungsgürtel der Balten und finno-ugrischen Stämme und kolonisierten die Waldgegenden um den Ilmensee. Gegenüber den [[Westslawen|slawischen Stämmen die nach Westen]] vordrangen begann sich bis Ende des 10. Jahrhunderts eine gemeinsame [[ostslawische Sprache]] herauszubilden.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 25.</ref> Ein Teil der Slawen geriet unter die Oberherrschaft des [[Chazaren|Chazarenreiches]], das Ende des 5. Jahrhunderts zwischen unterer Wolga und Don entstanden war. Es umschloss sehr verschiedene ethnische Elemente (u. a. [[Magyaren]] oder [[Alanen]]). Die Chazaren, türkischer Herkunft, bildeten nur eine Minderheit stellten aber die Herrschaftselite. |
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*P. Hirtz: ''Koordinative Fähigkeiten im Schulsport''. Berlin 1985 |
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*E.J. Kiphard /F. Schilling: ''Körperkoordinationstest für Kinder'' (KTK). Göttingen 2007 |
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*H. de Marées: ''Sportphysiologie''. Köln (Sportverlag) 9. Auflage 2003 |
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*H. Mechling u.a.: ''Koordinative Anforderungsprofile ausgewählter Sportarten. Training der Bewegungskoordination''. Bd. 2. Köln (Strauß) 2003. |
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*K. Meinel / G. Schnabel: ''Bewegungslehre – Sportmotorik''. München (Südwest) 11. Auflage 2007 |
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*A. Neumaier: ''Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining''. Köln 3. Aufl. 2006 |
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*K. Roth /K. Willimczik: ''Bewegungswissenschaft''. Reinbek (Rowohlt) 1999 |
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*G. Schnabel u.a. (Hrsg.): ''Trainingslehre – Trainingswissenschaft: Leistung-Training-Wettkampf''. Aachen (Meyer & Meyer) 2009 |
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*S.A. Warwitz: ''Der Wiener Koordinationsparcours'' (WKP). In: S.A. Warwitz: ''Das sportwissenschaftliche Experiment. Planung-Durchführung-Auswertung-Deutung''. Schorndorf (Hofmann) 1976. S. 48-62 |
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*J. Weineck: ''Optimales Training''. Erlangen (Balingen) 10. Auflage 2000 |
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==Einzelnachweise== |
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Zwischen 552 und 745 befand sich auf einem Teil vom heutigen Territorium Russlands das Alte [[Großbulgarisches Reich|Großbulgarische Reich]]. Um 654 teilte sich Großbulgarien in drei Teile auf. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert gehörte das Land zwischen Wolga und Kama zum Reich der [[Wolgabulgaren]]. |
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<references/> |
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==Siehe auch== |
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Die ostslawischen Stämme des 9. Jahrhunderts befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Die [[Poljanen]] am Dnepr um Kiew sowie die [[Derevljanen]] hatten sich zu festeren Verbänden unter Fürsten zusammengeschlossen. Für die anderen Stämme fehlen solche Hinweise. Die verschiedenen Stämme trugen ihre Namen nach landschaftlichen Begebenheiten und waren untereinander enge verwandt. Eine genaue Abgrenzung der Siedlungsgebiete der Stämme ist nicht möglich. |
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*[[Koordinative Fähigkeiten (Allgemein)]] |
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Allgemein waren die Ostslawen sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter. Aufgrund des kühlen Kontinentalklimas und den wenigen ertragreichen Böden (die fruchtbare Schwarzerdregion lag im südlicheren Steppengebiet), damit einhergehenden periodischen Missernten und Hungersnöten, wurde der traditionelle Lebensraum der Russen der Wald. [[Holz]] war bis ins 20. Jahrhundert das wichtigste Bau- und Brennmaterial. Die [[Forstwirtschaft|Waldgewerbe]] sowie die [[Bienenzucht|Waldbienenzucht]] oder die [[Jagd]] stellten lange Zeit bedeutende Wirtschaftszweige dar. [[Wachs]] und [[Pelze]] und andere Waldprodukte bildeten für viele Jahrhunderte die wichtigsten Exportgüter Russlands.<ref>Andreas Kappeler: ''Russische Geschichte'', C.H. Beck, München, S. 11.</ref> Wald und Sümpfe behinderten den Verkehr, der deshalb in der Regel über die Flüsse ging. Das Land war aber nur Inselhaft besiedelt. Nur von Orten die an großen Verkehrswegen lagen, war daher eine herrschaftliche Erschließung möglich. Diese Orte bildeten Kiew am Dnepr, [[Weliki Nowgorod]] an der Einmündung des [[Wolchow]] aus dem [[Ilmensee]] und [[Alt-Ladoga]] an der Einmündung des Volchow in den [[Ladogasee]].<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 29.</ref> |
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*[[Koordinative Fähigkeiten (Motorik)]] |
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*[[Wiener Koordinationsparcours]] |
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[[Kategorie:Neurophysiologie]] |
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== Kiewer Periode (882–1240) == |
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[[Kategorie:Sportwissenschaft]] |
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{{Hauptartikel|Kiewer Rus}} |
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[[Kategorie:Training (Sport)]] |
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[[Kategorie:Motorik]] |
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Der älteste ostslawische Staat in der Geschichte war die Kiewer Rus. Er entstand in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. In ihm bildete sich eine einheitliche altrussische Völkerschaft heraus, auf deren Grundlage sich in der Folgezeit das russische, das ukrainische und das weißrussische Volk formierten. Dieser alte russische Staat bestand über drei Jahrhunderte. Nach dem Tod des letzten Großfürsten von Kiew zerbrach er 1132 in mehrere unabhängige Fürstentümer. Damit begann eine Zeit feudaler Zersplitterung, die während der Invasion durch mongolische Horden (1237–1242) unter dem Kommando von Batu Khan (1208–1255), Enkel des Dschingis Khan, zum Verlust der politischen Unabhängigkeit der russischen Länder beitrug. |
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=== Aufstieg und Blüte === |
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[[Datei:KiewerRus.jpg|miniatur|links|Die Ausdehnung der [[Kiewer Rus]] um ca. 1000:<br />Das russische Land erstreckte sich über riesige Weiten von den linken Nebenflüssen der Weichsel bis zu den Vorläufern des Kaukasus, von Taman und dem Niederlauf der Donau bis zu der Küste des Finnischen Meerbusens und des Ladogasees.]] |
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Der erste mittelalterliche Staat auf dem Boden des späteren Russland war die [[Normannen|normannisch]]-skandinavische Herrschaft über eine slawische Bevölkerung, vor allem entlang eines Handelsweges, der Skandinavien mit dem [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] ([[Weg von den Warägern zu den Griechen]]) verband. Bedingt durch die Schwäche des Chasarenreiches und den damit zusammenhängenden Rückgang des Wolga-Handels gewann dieser Weg ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Hier lagen [[Weliki Nowgorod]] und [[Kiew]] als die ersten Zentren. Das Herrschaftsgebiet der hier siedelnden ostslawischen Stämme wird als die „Rus“ bezeichnet. Das Wort „[[Rus]]“ (russisch Русь) leitet sich vermutlich von einem [[Waräger]]stamm ab, der aus [[Schweden]] stammte (vgl. finnisch: „Ruotsi“ für Schweden<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 29.</ref>). Die Waräger waren skandinavische Männerbünde mit kaufmännischen Interessen, die als Schwurgemeinschaften zusammengehalten wurden. Sie benutzten das Flusssystem Russlands als Handelsrouten. Um genügend Pelze und Sklaven zu bekommen, benötigten die Waräger weite Räume. Daher dehnten Sie sich zugleich nach Süden und Osten aus. Daher wurde das Handelssystem umfassender. Um ihre Handelswege abzusichern, errichteten Sie von der Ostsee über die [[Düna]] und Dnepr ein Stützpunktsystem. Hier trafen Sie auf die organisatorischen Strukturen der Ostslawen, [[Wolgabulgaren]] und [[Chasaren]]. So trafen sie auch auf Kiew und fassten dort 839 Fuß. Kiew war ein bedeutender Handelsplatz mit weiträumigen Verbindungen bis nach Spanien und Bagdad. Abnahmeprodukte waren Honig, Wachs, Pelze uns Sklaven. Da die Kiewer Handelsrouten immer gefährlicher wurden, übernahmen die kriegerischen Kaufleute der Waräger diesen Platz. Sie übernahmen Kultur, Lebensweise und Organisationsformen und entwickelten schrittweise festere Organisationsformen.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 32.</ref> Durch den hauptsächlich auf Konstantinopel ausgerichteten Handel kam es, trotz anfänglicher Eroberungsversuche seitens der Rus (vgl. u. a. [[Belagerung von Konstantinopel (860)]]), in der Folgezeit zu engen Kontakten mit Byzanz. |
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Auch im Norden, um [[Alt-Ladoga]], setzten sich die Waräger 862 durch. Verschiedene Chroniken (u. a. [[Nestorchronik]]) besagen, dass die Slawen die Waräger dort zu sich riefen, damit diese ihre Stammesfehden beendeten.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 28.</ref> Stammesvater dieser warägischen Herrschaft im Norden wurde [[Rurik]] in Nowgorod. Ruriks Nachfolger [[Igor (Russland)|Igor]] (878–893) eroberte 882 auch Kiew, wo sich ja bereits eine Warägerherrschaft gebildet hatte. Igor machte Kiew zu seiner Residenz, und unterwarf die benachbarten ostslawischen Stämme. Die in Russland ansässigen Skandinavier waren bis zum Ende des 10. Jahrhunderts vollständig slawisiert. Bald schon wurde „die Rus“ zur Bezeichnung der Bewohner dieses Bereiches unabhängig von ihrer Stammeszugehörigkeit.<ref>Die Bezeichnung „Russland“ wurde erst zur Zeit Peters des Großen in Anlehnung an die westeuropäischen Landesnamen gebildet.</ref> So übertrug sich der Name von den Eingewanderten skandinavischen Führungsschicht auf die Alteingesessenen. Mindestens acht politische Einheiten wirkten an der Bildung und Konsolidierung des russischen Staates mit: serbische, finnische und litauische Stämme, die Waräger und Kasaren, die Bulgaren an der Wolga, die byzantinischen Griechen als Missionare und Araber als Vermittler zwischen Europa und Asien im internationalen Handel. Diese Entwicklung war in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhundert abgeschlossen. Dieses Kiewer Reich kann aufgrund der Vielzahl der [[Nationalität]]en daher als erster Großstaat der ostslawischen Geschichte gelten und gelangte in der Folgezeit zu hoher Blüte. So entstand zur ersten Jahrtausendwende aus der Verschmelzung von [[Wikinger|Skandinaviern]] und [[Ostslawen]] mit byzantinischer Kultur und Religion die Bevölkerung der Kiewer Rus, aus der später [[Russen]], [[Ukrainer]] und [[Weißrussen]] hervorgegangen sind. |
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Die Kiewer Herrscher [[Oleg (Russland)|Oleg]] und [[Swjatoslaw I.]] führten mehrere Kriege gegen das südlich anliegende Kasarenreich, oft mit byzantinischer Unterstützung. In den 960er Jahren gelang es Swjatoslaw mit Hilfe der Petschenegen schließlich, die Macht des [[Kasaren|Kasarenreichs]] zu brechen. Dadurch dehnte Swjatoslaw den Einfluss der Kiewer Rus bis an den [[Don (Asowsches Meer)|Don]] und an die Ostküste des [[Asowsches Meer|Asowschen Meeres]] aus. |
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[[Datei:Saint Sophia Cathedral in Novgorod.jpg|140px|rechts|alt=]] <small>Die '''[[Russisch-Orthodoxe Kirche]]''' beeinflusste alle Lebensbereiche. Unmittelbare weltliche Macht wie in Westeuropa gewann die Kirche aber nicht. Die Bischöfe und Äbte wurden keine Reichsfürsten. Dennoch war insbesondere die hohe Geistlichkeit eng mit der Politik verbunden.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 53.</ref></small> |
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Unter [[Vladimir der Heilige]] wurde das Christentum 988/989 zur Staatsreligion erhoben und die Kiewer Bevölkerung in Massentaufen bekehrt. Bereits seine Großmutter, Fürstin [[Olga (Russland)|Olga]] (893–924) hatte sich als erste Herrscherin aus der riurikidischen Dynastie taufen lassen, konnte den christlichen Glauben im Reich aber noch nicht durchsetzten. Vladimir ordnete sich dadurch nicht dem byzantinischen Reich unter, sondern half dem Kaiser mit Truppen aus militärischer Bedrängnis und heiratete dessen Schwester, wodurch man ihm Gleichrangigkeit symbolisierte und ihn in die „Familie der Könige“ aufnahm. In 35 Jahren, bis 1015, war das gesamte, bis dahin heidnische Russland bekehrt. Dies führte dazu, dass die Missionare nach dem Tod von Vladimir diesem den Beinamen [[Zar]] gaben. Die Annahme des byzantinischen Christentums verschloss zugleich Russland eine kulturelle Beziehung zum römischen Christentum. Denn Byzanz betrieb zu dieser Zeit seine Kirchenpolitik im bewussten Gegensatz zu Rom und vermittelte den Ostslawen bei ihrer Bekehrung antirömische Tendenzen.<ref>Vgl. Antonia von Reiche: ''Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie'', 2001, S. 17.</ref> Die Kirche Kiews wurde als Teilkirche des [[Patriarchat von Konstantinopel|Patriarchates von Konstantinope]]l zunächst von [[Exarchat (Byzantinisches Reich)|Exarchen]] verwaltet, was keine Auswirkungen auf die politische Selbständigkeit der Kiewer Großfürsten hatte. Die Orthodoxe Kirche und ihre Werte bildete zukünftig eine tragende gesellschaftliche Säule des russischen Reiches. |
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[[Datei:Bojaren.jpg|100px|left|alt=]] <small>Der russische Adel (die '''[[Bojaren]]''') war die politische Führungsschicht des Reiches. Im Unterschied zu Westeuropa belohnte der Fürst seine Gefolgsleute nicht mit einem Gut, über das sie auf Lebenszeit verfügen konnten. Aus der Gefolgschaft entwickelte sich kein Lehnswesen, das Verhältnis blieb individualisiert. Wenn auch Bojaren oft gegen Fürsten vorgingen und deren Macht zu begrenzen versuchten, bildeten sie keine Gegenmacht in Form eines [[Adelsstand]]es aus.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 47.</ref></small> |
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In dieser Periode gab es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Russland und [[Westeuropa]].<ref>Vgl. Antonia von Reiche: ''Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie'', 2001, S. 9.</ref> Der russisch-warägische Staat entwickelte sich politisch und wirtschaftlich innerhalb der romanisch–germanischen Völkerkonglomeration Europas. Die Großfürsten von Kiew standen mindestens bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in engem Kontakt zu ihrem Mutterland Schweden und zum skandinavischen Norden. Die freundschaftlichen Beziehungen Russlands zu westeuropäischen Staaten entwickelten sich besonders Anfang des 11. Jahrhunderts unter der Herrschaft [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaws I.]] (1019–1044), dessen 40-jährige Regierungszeit ein friedliches [[Diplomatie]]system, auf Grundlage weitverzweigter Eheverbindungen mit dem Herrscherhaus, hervorbrachte. Als Folge dieser Politik waren die Fürsten von Kiew im 11. Jahrhundert verwandt mit den Herrscherhäusern in Norwegen, Schweden, Frankreich, England, Polen, Ungarn, dem [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] und dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Unter Jaroslaw dem Weisen erreichte die Kiewer Rus eine Blütezeit und den Höhepunkt ihrer Macht. Er schaffte es seine Herrschaft zu festigen, wichtige Verkehrswege zu erschließen und die Tributherrschaft Kiews auszudehnen. Er ließ im ganzen Reich nach byzantinischem Vorbild viele Kirchen, Klöster, Schreibschulen und Festungsanlagen errichten, reformierte die ostslawische Gesetzgebung, hielt sie erstmals schriftlich fest (''[[Russkaja Prawda]]'') und gründete in Kiew die erste ostslawische [[Bibliothek]]. |
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=== Teilfürstlicher Partikularismus === |
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Von der Mitte des 11. Jahrhunderts an kam es im Kiewer Reich zu vielen Veränderungen, die schrittweise den Niedergang des Reiches einleiteten. Kiew konnte zwar seine Stellung als bedeutender Handelsplatz behalten, aber das Reich zerfiel zunehmend in kleinere Fürstentümer. |
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Das Kiewer Reich war ähnlich wie das [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] kein einheitlicher Staat, sondern bestand aus einer Vielzahl von autonomen Teilfürstentümern, die von den [[Rurikiden]] regiert wurden. Einer von Ihnen erbte jeweils die [[Großfürst]]enwürde und zog zum Regieren nach Kiew um. Das Kiewer Reich kannte keine stabile und unbestrittene Thronfolgeordnung. Das Reich war in einzelne souveräne Fürstentümer aufgeteilt, denen ein Großfürst übergeordnet war. Dabei gab es keine schriftlich fixierte Ordnung der Thronfolge als stabilisierendes Element für den kritischen Moment des Todes des Herrschers. Vielmehr folgte man dem [[Senioratsprinzip]]. Dabei galt immer eine Regel: Der Herrscher musste der Dynastie der [[Rurikiden]] entstammen. Entscheidend bei dem Gedanken der russischen Thronfolgeordnung war die Gleichheit der einzelnen Fürsten. Die Fürsten bezeichneten sich gegenseitig als „Brüder“. Schließlich stuften sie die Beziehung zueinander durch den Zusatz „älterer“ oder „jüngerer“ ab, wobei nicht unbedingt das tatsächliche Altersverhältnis wiedergegeben wurde sondern vielmehr das Rangverhältnis. So konnte ein „älterer Bruder“ jünger sein als sein „jüngerer Bruder“ und in der Thronfolge weiter oben stehen, da sich die Abstufung am Senioratsprinzip orientierte. Bei dem Seniorat handelte es sich um das erste beständige Thronfolgesystem. Bedingung war, dass nicht wie bei der Primogenitur der älteste Sohn den Thron erbt sondern der nächstfolgende Bruder, der zuvor schon ein anderes Teilfürstentum regierte. Erst wenn die regierende Generation keinen Thronfolger mehr stellen konnte, folgte die Generation der Söhne nach. Beim Tod eines Fürsten bildete sich unter den Brüdern ein Nachrückverfahren aus, das bis 1169 zu einem Residenzwechsel der Brüder und Söhne führte. Das heißt, der jüngere Bruder des Großfürsten von Kiew übernahm dessen Thron, dann der nächstfolgende Bruder und wenn der nicht vorhanden war, der älteste Sohn. Die Großfürstenwürde war also keineswegs in einem Haus erblich, sondern wurde nach dem Gesichtspunkt des Altersvorranges in der Dynastie vergeben.<ref>Vgl. Antonia von Reiche: ''Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie'', 2001, S. 10 f.</ref> |
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<div style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0em; padding: 1em; border: solid darkgray 1px; background:#F5F5F5; max-width: 25%;"> |
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[[Datei:Fragments Mihaylovskaya icon (Novgorod).png|140px|rechts|alt=]] <small> Die '''[[Possad|russischen Städte]]''' bildeten im Unterschied zu Westeuropa keine Stadtbürgergemeinden, die sich gegenüber dem Land rechtlich abgrenzten. Auch die Bauern konnten sich am Stadtleben beteiligen. Zwischen Stadt und Land kristallisierte sich keine scharfe Arbeitsteilung. Bis gegen Ende des 18. Jhs. blieben die Grenzen zwischen Stadt und Land fließend, auch rechtlich gab es kaum Unterschiede.</small> |
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Als im 11. Jahrhundert der Reiterstamm der [[Polowzer]] Kiew bedrohte und das Umland verwüstete zog die slawische Bevölkerung vom Süden des Kiewer Landes in die Waldzone im Norden oder westwärts zu den Ebenen [[Galizien]]s und dem Hügelland am Fuße des Karpatengebirges. Dadurch entstanden Siedlungen die zu neuen Zentren aufstiegen: die nördlich und östlich gelegene reiche Kaufmannsstadt [[Weliki Nowgorod|Nowgorod]], Galiziens Hauptstadt [[Halytsch]] im äußersten Südwesten und die Städte [[Wladimir (Russland)|Wladimir]], Rostow und Susdal. Nowgorod selber wurde zu einer einflussreichen [[Republik Nowgorod|Kaufmannsrepublik]] mit einem [[Hanse]]kontor. |
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Nur kurzfristig konnte [[Wladimir Wsewolodowitsch Monomach|Wladimir Monomach]] (Regierungszeit 1113–1125) die Einheit des Reiches wiederherstellen. Meist durch militärischen Druck und die Einsetzung seiner Söhne als Territorialfürsten band er die Teilfürstentümer wieder stärker an das Zentrum Kiew. Er setzte sich für die rasche Beendigung der blutigen Fehden zwischen den Fürsten und für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Polowzer ein. Diese Auffassung suchte Wladimir auf mehreren Fürstentagen (1097, 1100, 1103) durchzusetzen. Nach der Zusammenkunft von Dolobsk 1103 gelang es Wladimir Monomach und den mit ihm verbündeten russischen Fürsten, den Polowzern im Gefolge mehrerer Kriegszüge (1103, 1107, 1111) empfindliche Niederlagen beizubringen und die von dem kriegerischen Nomadenvolk ausgehende Gefahr vom russischen Lande abzuwenden. |
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Die zunehmende politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der Städte, die Zwistigkeiten zwischen den feudalen Herrschern verursachten aber eine zunehmende Entfremdung die rasch nach seinem Tod ab 1132 zum Zerfall der Kiewer Rus durch fortwährende Erbfolgekämpfe um den Großfürstentitel führte. So wurde Kiew 1169 durch Fürst [[Andrei Bogoljubski]] von [[Wladimir-Susdal]] erobert. Statt sich dort niederzulassen nahm der er den bis dahin an Kiew gebundenen Großfürstentitel mit nach Norden in seine neue Residenz bei [[Wladimir (Russland)|Wladimir]]. Damit setzte sich der Zerfall des Kiewer Reichs fort. Die größten Staaten, die sich nach dem Niedergang von Kiew abgesondert hatten, waren neben dem [[Fürstentum Kiew]], das [[Fürstentum Tschernigow]], das [[Fürstentum Perejaslaw]], das [[Fürstentum Smolensk]], das [[Fürstentum Polozk]], das [[Fürstentum Turow-Pinsk]], das [[Fürstentum Wladimir-Susdal]], das [[Fürstentum Rjasan]] und [[Halytsch-Wolhynien|Galizien-Wolhynien]] sowie das [[Republik Nowgorod|Nowgoroder Land]]. Laut der [[Nestorchronik]] gab es im 12. Jahrhundert im Kiewer Reich mehr als 100 Städte sowie eine Gesamtbevölkerung von 4 bis 9 Millionen Menschen. |
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=== Mongolensturm aus dem Osten === |
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[[Datei:Rus de Kiev en 1237.png|miniatur|Teilfürstentümer der Rus 1237 zu Beginn des Mongolensturms]] |
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Die Zerstrittenheit der russischen [[Fürst]]en erleichterte die Eroberung des Gebietes durch [[Mongolen]] aus der ostasiatischen [[Steppe]], die [[Mongolische Invasion der Rus]], auch „Mongolensturm“ genannt. |
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Den Fürsten blieb daher verborgen, dass die Mongolen nach Dschingis Khans Tod 1227 seinen Sohn Ögädäi zum Groß-Khan gewählt hatten und auf seiner 1235 in Qara Qorom, dem Sitz des Herrschers, abgehaltenen Reichsversammlung der Angriff gegen den Westen beschlossen wurde. Zum Feldherren wurde ein Enkel Dschingis Khans, Bātŭ, bestimmt. Nach längerer Vorbereitung begann der mongolische Vormarsch. Als erste fielen ihnen die [[Wolgabulgaren]] zum Opfer, deren Reich um [[Kasan]] an der mittleren Wolga als Handelsumschlagsplatz eine bedeutende Rolle besaß. Im Winter 1237/38 drangen die Mongolen in die Fürstentümer Rjazan, Vladimir und Suzdal ein. Hier kamen der Großfürst Jurij II. und alle seine Söhne um. Bātŭ rückte bis vor Toržak im Grenzgebiet Novgorods, kehrte aber um, als Tauwetter die Wege in Sümpfe verwandelte. Dadurch blieben Novgorod und die nordwestlichen Fürstentümer verschont. [[Batu Khan|Batu]] richtete sich in [[Sarai (Stadt)|Sarai]] an der unteren Wolga eine Residenz ein und unternahm von dort aus Vorstöße gegen die südöstlichen Fürstentümer. 1239 fielen Černigov und Perejaslavl am 6. Dezember 1240 die alte Reichshauptstadt Kiew<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 75</ref>. In schnellem Vorstoß durchstreiften die Mongolen die südwestlichen Fürstentümer der Rus, drangen in Polen ein, nahmen Krakau, verwüsteten Breslau und von dort weiter nach Ungarn. Während für die Länder Polens, Böhmens und Ungarn der Mongolenvorstoß eine Episode blieb, bedeutete es für die Fürstentümer der Kiewer Rus die dauerhafte Unterwerfung unter mongolischer Herrschaft. Zugleich löste der Mongolensturm und die ständige Bedrohung der steppennahen ostslawischen Bauernsiedlungen eine schrittweise Siedlungsverlagerung aus, das heißt eine Rückverlegung der bäuerlichen Ansiedlungen aus den Waldsteppenzonen im Süden und eine Wanderungsbewegung in die nördliche Taiga. |
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== Mongolenherrschaft und Kampf um die Herrschaft der Rus (1240–1547)== |
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[[Datei:Golden Horde 1389.svg|hochkant=1.4|miniatur|Das Reich der Goldenen Horde im Jahr 1389. Sarai ist als Stern markiert. Der hellgelbe Bereich markiert das Fürstentum Moskau, als Tributpflichtiger Vasall der Goldenen Horde]] |
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Mit der Aufrichtung der Mongolenherrschaft tritt [[Osteuropa]] von 1240 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in eine Übergangsphase seiner Geschichte ein, die als „dunkles“ Zeitalter bezeichnet wird.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 76.</ref> Die russische Nationalhistoriographie bewertet diese Zeit negativ. Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für zwei Jahrhunderte zu einem Abbruch der Beziehungen zum Westen und förderte die Abkapselung des orthodoxen Russlands.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', C.H. Beck, München, S. 47.</ref> Die russischen Fürstentümer lagen im Machtbereich der [[Goldene Horde|Goldenen Horde]], konnten jedoch eine gewisse innere Autonomie bewahren. Derweil mussten die russischen Fürstentümer im Norden und Westen Angriffen von Schweden, Ordensrittern und Litauern erwehren. Unter den zersplitterten und verfeindeten russischen Fürstentümer erwies sich das kleine und unbedeutende Fürstentum Moskau als das durchsetzungsstärkste, löste die Mongolenherrschaft und eroberte Schritt für Schritt die verlorengegangenen russischen Länder zurück. |
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=== Die russischen Fürstentümer unter „tatarischem Joch“ === |
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Osteuropa gehörte nun zum Machtbereich der [[Blaue Horde|Blauen Horde]], die in der [[Kyptschaksteppe|Kyptschak-Steppe]] nördlich des Kaspischen und des Schwarzen Meeres nomadisierte und deren [[Khan]] in [[Sarai]] an der unteren [[Wolga]] residierte. [[Ostslaven]] und Westeuropäer benutzen hierfür die Bezeichnung Goldene Horde als Sinnbild des Goldgeschmückten Zeltes, dem Palast der Khane. Nominell unterstand der Khan der Goldenen Horde dem [[Großkhan|Groß-Khan]] im fernen [[Karakorum (Stadt)|Karakorum]]. Die Goldene Horde löste sich später zunehmend vom Gesamtkhanat ab. Die ostslawischen Fürsten hatten es daher vornehmlich mit dem jeweiligen Khan der Goldenen Horde zu tun. |
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Die Form der Herrschaft über die russischen Fürstentümer war eine lockere. Ein gewisses Maß an Autonomie blieb bestehen, solange die russischen Fürsten den Grundpflichten nachkamen.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 79.</ref> Die Fürsten mussten Tribut liefern und Hilfstruppen bereitstellen. Wurde dies unterlassen folgten verheerende Straffeldzüge sobald die Mongolen Widerstand und Ungehorsam entdeckten. Nicht selten bedienten sich russische Fürsten der mongolischen Militärhilfe bei Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Nachbarn, die teils ihre Verwandten waren. |
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[[Datei:Basqaq.jpg|miniatur|Ein [[Baskake]] der Horde in einer russischen Stadt]] |
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* Ein wichtiger Faktor der Herrschaft bildete der [[Großfürst]]entitel. Die Tataren bestimmten aus den Fürsten einen ersten, der für die Eintreibung des Tributs verantwortlich wurde. Als Großfürst setzte der Khan stets einen Mann seines Vertrauens ein. In der Vergabe des Großfürstenamtes – des „Ältesten im ganzen russischen Volk“ – halten sie sich anfangs an die traditionelle [[Seniorat]]sordnung. Dem Khan hatten die Anwärter auf die Großfürstenwürde durch persönliche Reise nach Sarai zu huldigen, um die Ernennung aus seiner Hand durch eine Gnadenurkunde (Jarlyk) entgegenzunehmen. Dadurch, das immer nur der Stärkste unter den Fürsten Großfürst wurde, war auch keine Erbfolge möglich. |
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* Die Herrschaftssicherung vollzog sich durch die Entsendung von so genannten [[Baskaken]], zu deutsch Presser, als Beobachter an den Fürstenhöfen, die dem Khan über die politischen Vorgänge auf dem laufenden hielten und mangelndes Wohlverhalten unverzüglich nach Sirai meldeten. Aufrührerische Fürsten wurden dann entweder vom Khan nach Sirai befohlen oder durch eine Strafexpedition tatarischer Truppen zur Folgsamkeit gezwungen. |
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* Die orthodoxe Kirche stellte einen weiteren Machtstabilisierenden Faktor dar, da die Khane nicht in die religiösen Angelegenheiten eingriffen. Weitergehende Kontrollmaßnahmen waren nicht notwendig, da die russischen Fürsten untereinander misstrauten und es eine allgemeine Uneinigkeit der russischen Fürsten gab, was zu Intrigen und Anschwärzungen beim Khan durch russische Fürsten führte. |
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Nach dem Fall Kiews entstanden in den bisherigen Randgebieten neue bedeutende Machtzentren. Diese neuen Gebietszentren begannen sich unabhängig voneinander zu entwickeln und danach zu streben, die benachbarten Kleinfürstentümer wirtschaftlich, politisch und kulturell an sich zu binden. In den Umgruppierungsprozess der sich anschloss, taten sich vier Zentren hervor: |
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* im äußersten Süd-Westen entstand das [[Königreich Galizien|Galizische Fürstentum]], das sich von den nördlichen Hängen der [[Karpaten]] über das heutige Ostgalizien und [[Wolhynien]] erstreckte. Der Papst übertrug den Fürsten die Königskrone. Dieses Königreich bestand bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und zog das Fürstentum [[Turow-Pinsk]], das Fürstentum Kiew und das Fürstentum Tschernigow in seinen Herrschaftsbereich. Es bildete den Grundstein für die spätere ukrainische [[Volksgruppe]].<ref>Adolf Stender-Petersen: ''Geschichte der russischen Literatur'', S. 139.</ref> |
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* Im nordwestlichen Teil Altrusslands begann das [[Fürstentum Smolensk]], Zentralisierungstendenzen geltend zu machen. Sein westlicher Nachbar das [[Fürstentum Polazk]] leistet ihm keinen Widerstand. Hier bildete sich allmählich die [[Belorussen|belorussische]] Volksgruppe heraus, die im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts von Litauen inkorporiert wurde. |
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* Im Norden lag das dritte Zentrum, die [[Republik Nowgorod|Freistadt Nowgorod]] mit einem ausgedehnten Landbesitz in Nordrussland vom [[Ladogasee]] bis zum [[Weißes Meer|Weißen Meer]] und an die nördlichen Ausläufer des [[Ural]]s hin. Nowgorod stand in enger Verbindung mit den autonomen [[Republik Pskov|Republiken Pskov]] im Westen und [[Kirow]] im Osten. Die Handelsrepubliken gelang es ihre Unabhängigkeit zu wahren. Aufgrund der engen Handelsbeziehungen Nowgorods mit dem Westen blieb die Stadt uninteressiert an den innerrussischen Verhältnissen. |
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* Im Osten hatte, durch große Urwälder vom südlichen und westlichen russischen Land getrennt, das [[Fürstentum Wladimir-Susdal]] schon vor der Tatareninvasion zu bedeutender Macht gelangen können.<ref>Adolf Stender-Petersen: Geschichte der russischen Literatur, S. 140</ref> Ihre Fürsten erkannten die Oberherrschaft der Tataren an und suchten sich selbst eine begünstigende Stellung als Großfürsten in der Goldenen Horde zu sichern. Da sich das Fürstentum zu Beginn des 14. Jahrhunderts wegen fehlender Herrschernachfolge in mehrere Teilfürstentümer zersplitterte und zwar in die Teilfürstentümer Perejaslawl, Rostow, Susdal, Jaroslawl, Moskau und Twer. Die Großfürsten von Wladimir residierten aber nicht in [[Wladimir (Russland)|Wladimir]], sondern dort, wo sie jeweils ihr [[Vatererbe]] hatten, das heißt ihre Herrschaft beschränkte sich auf das Territorium ihres eigenen [[Teilfürstentum]]s. Dies war zuerst Twer und wechselte (auch institutionell) langsam nach Moskau. Dieses hegte später den Anspruch, alle Gebiete des ehemaligen Großfürstentums Vladimir seien das Vatererbe (votcina) des Moskauer Herrschers. |
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=== Abwehrkämpfe gegen Schweden und Deutschen Orden im Norden === |
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[[Datei:Chorikov.jpg|miniatur|Alexander Newski im Kampf gegen die Schweden, a.D. 1240]] |
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Im Norden war die Durchdringung der mongolischen Herrschaft am geringsten, so dass sich hier das Zentrum des antimongolischen Widerstands bildete. Rasch wechselnde Machtgefüge zwischen den einzelnen Rus-Fürstentümern und äußere Angriffe brachten die Nord-Ost-Rus im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts an den Rand des Abgrundes.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 80.</ref> |
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Bedingt durch die Schwäche der gesamten Rus infolge der Mongoleneinfälle wurde der Norden durch Angriffe auswärtiger Mächte bedroht, die ihrerseits Nutzen aus dieser Situation ziehen wollten. Dies betraf vor allem die Republik Nowgorod, die ihre Unabhängigkeit behaupten musste. Unter Führung von Alexander Newski konnte Nowgorod erfolgreich Gebietsansprüche Schwedens und des [[Deutscher Orden|Deutschen Ordens]] abwehren: |
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* Die politischen Ziele die die Schweden zu diesem Heerzug veranlassten sind in der Geschichtsforschung umstritten. Ein Erklärungsansatz lautet, dass die Schweden die [[Newabucht|Mündung an der Newa]] erobern wollten, um damit die politische und ökonomische Kontrolle über den lukrativen [[Ostseehandel]] der Rus zu gewinnen. Eine andere Erklärung lautet, dass hinter den Schweden der Papst stand, der auch von Norden her die [[Kirchenunion]] wollte und dies nach der Niederlage noch einmal mit dem Deutschen Orden versuchte. In der [[Schlacht an der Newa]] schlug das zahlenmäßig unterlegene Heer von Alexander Newski (seit 1236 Fürst von Nowgorod) am 15. Juli 1240 das Heer der Schweden und sicherte damit die Nordgrenze. Letztlich stand die Schlacht in einer langen Reihe von Konflikten um den Einfluss von [[Karelien]] und Finnland zwischen Schweden und Nowgorod.<ref>Frithjof Benjamin Schenk: Aleksandr Nevskij, S. 43</ref> Eine Grenzfestlegung zwischen Schweden und Nowgorod entstand erst 1323. Ein Krieg zwischen Schweden und Nowgorod in den Jahren 1321 und 1322 hatte zu Verhandlungen in [[Nöteborg]], an der Mündung der Neva in die Ladoga geführt (vgl. [[Vertrag von Nöteborg]]). Schweden erhielt West-Karelien und Nowgorod erhielt [[Ingrien]] und Ladoga-Karelien (Ost-Karelien). Dabei fielen nordöstliche Teile Finnlands an die Republik Nowgorod. Der übrige Teil blieb weiterhin eine Provinz seines westlichen Nachbarn Schweden. |
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* Deutsche Ordensritter eroberten [[Izborsk]] und [[Pleskau]], von wo aus sie einzelne Streifzüge bis in die unmittelbare Nähe Nowgorods unternahmen. Die Nowgoroder mussten Alexander Newski, der die Stadt verlassen hatten, weil diese ihm keine politischen Rechte gewährten, zurückholen, als die Ritter angriffen. Als Fürst von Nowgorod hatte er vor allem die Funktion eines Heerführers, die eigentliche Macht lag in den Händen einer Versammlung einflussreicher Bürger und dem Rat der Herren.<ref>Brigitte Beier: Neue Chronik der Weltgeschichte, S. 258</ref> Auf dem Eis des Peipussees vernichtete er 1242 die Truppen des Deutschen Ordens (siehe [[Schlacht auf dem Peipussee]]). Dieser Schlacht kam große Bedeutung zu, weil damit die mittelalterliche [[deutsche Ostexpansion]] gestoppt wurde. 1243 schließt der Deutsche Orden und Nowgorod Frieden. Die Deutschritter verzichten ausdrücklich auf künftige Expansionsabsichten im Nowgoroder Gebiet. Der Vertrag bildet für ein Jahrhundert die Grundlage der beiderseitigen Beziehungen und legt die Ostgrenze des Baltikums gegenüber Russland für die Folgezeit fest. |
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Ein Zusammengehen mit dem Orden hätte zwar eine mögliche schlagkräftige Abwehr gegen die Tataren bedeutet und wurde von westorientierten Bojaren der Stadt auch gefordert. Letztlich konnte auch Newski nichts gegen die Mongolen ausrichten und suchte eine realistische Politik, da von einer dauerhaften mongolischen Bedrohung auszugehen war. Anstatt mit dem Orden zusammenzuarbeiten, hatte er diesen bekämpft und entschied sich nun dazu, mit den Tataren zu kooperieren. Denn mit dem Orden hätte auch der Katholizismus Einzug in die Rus gehalten und die Mongolen waren ihrerseits für die religiöse Toleranz bekannt.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', S. 42.</ref> |
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Als Großfürst von Wladimir-Susdal (seit 1252) unterstellte [[Alexander Newski]] 1257 den Tataren Nowgorod. Die Stadt [[Wladimir]] wird 1263 neues Zentrum des russischen Reiches.<ref>Christine Hamel: ''Russland von der Wolga bis zur Newa: Moskau und der Goldene Ring'', S. 22.</ref> So bewahrte er die Nordost-Rus vor schweren Einfällen der Reiternomaden und verschaffte dem Großfürsten zugleich den nötigen Rückhalt gegenüber Groß-Nowgorod und dem [[Fürstentum Twer]], die Zentren antimongolischer Strömungen waren. Die Autonomie geriet nach seinem Tod wieder in Gefahr, da seine Nachfolger die starke Stellung Newskis nicht halten konnten und ein Machtvakuum schufen. Das Großfürstentum Wladimir-Susdal musste daher zunehmend auf mongolische Truppen gegen die russischen Fürsten (besonders Nowgorod) setzen. |
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=== Expansion des Großfürstentums Litauen im Süden und Westen === |
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[[Datei:Lithuanian state in 13-15th centuries.png|miniatur|Der Aufstieg Litauens zu osteuropäischen Großmacht unter Großfürst [[Mindaugas I. (Litauen)|Mindaugas I.]] und seinen Nachfolgern führte auch zur Eroberung von Teilen der Länder der Rus.]] |
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Seit der Wende des 12./13. Jahrhunderts wurden die westlichen Teilfürstentümer durch das [[Großfürstentum Litauen]] bedroht. Plündernde litauische Streifscharen wurden häufig bei innerrussischen Fürstenfehden als Hilfstruppen ins Land gerufen. Betroffen waren die Teilfürstentümer Polock, [[Fürstentum Smolensk|Smolensk]], [[Turow-Pinsk|Turov-Pinsk]] und Teile [[Wolhynien]]s. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es zu Eheverbindungen zwischen den Familien ostslawischer Dünafürsten und litauischen Fürsten. Eine echte Bedrohung entwickelte sich zwischen 1240 und 1250, als [[Mindaugas I. (Litauen)|Mindowe]] die innere Konsolidierung Litauens vollzog und eine Konzeption in die litauischen Expansionsbestrebungen kam. Der teilfürstliche Partikularismus wie auch der beginnende Mongolensturm begünstigten hierbei die expansiven Absichten der litauischen Großfürsten. Litauen war seinerseits durch die Festsetzung des Deutschen Ordens in [[Preußen]] als auch in [[Livland]] und seit Beginn des 14. Jahrhunderts durch das Erstarken Polens an einer Westexpansion gehindert, so dass die litauischen Großfürsten das entstandene Machtvakuum im Osten ausnutzen mussten.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 90.</ref> |
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Nach dem Tode Mindaugas 1263 blieb von den litauischen ostslawischen Erwerbungen nur die [[Schwarze Rus]] am oberen Njemen um [[Grodno]] und [[Nowogrodek]] unter dauernder litauischer Herrschaft. Als am Ende des 13. Jahrhunderts [[Vytenis]] die ganze litauische Macht wieder vereinigen konnte, begann die entscheidende Phase der Expansion. Vytenis selber gliederte 1307 Polock endgültig an. Sein Nachfolger [[Gediminas|Gedimin]] (1316–1341) dehnte den litauischen Machtbereich bis an den westlichen [[Bug (Fluss)|Bug]] und über den [[Prypjat (Fluss)|Prypjat]] aus und gewann auch an Einfluss in Smolensk. [[Algirdas]] (1345–1377) nahm in Konkurrenz mit dem polnischen König [[Kasimir III. (Polen)|Kasimir III.]] das [[Fürstentum Galizien-Wolhynien]] in die Zange und konnte aus den langen Kämpfen mit Polen um die Beute Wolhynien und [[Ostpodolien]] einbringen. Mit der Eroberung Kiews und fast des gesamten mittleren [[Dnepr-Becken]]s beherrschte er gut 60 Prozent des ehemaligen Kiewer Reiches.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 91.</ref> |
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=== Kampf Moskaus und Twers um die Großfürstenwürde === |
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[[Datei:Founding of Moscow.jpg|miniatur|links|Gründung Moskaus durch Juri Dolgoruki. Ein [[Aquarell]] (1920) von [[Apollinari Michailowitsch Wasnezow|Apollinari Wasnezow]]]] |
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Im Windschatten dieser Konflikte wurde [[Moskau]], das zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch eine unbedeutende Burgstadt war, aber durch einen breiten Gürtel von Waldsümpfen gut geschützt war, das vorherrschende Fürstentum. Moskau gewann durch den Erhalt der Großfürstenwürde von Twer und der Verlagerung des Metropolitensitzes nach Moskau den Anspruch legitimer Nachfolger der Kiewer Rus zu sein. |
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Alexander Newskis jüngster Sohn [[Daniel von Moskau|Daniil Alexandrowitsch]] bekam von der Goldenen Horde als Lehen das kleine Teilfürstentum Moskau. Als Daniil Alexandrowitsch am 4. März 1303 in Moskau stirbt hinterlässt er seinem Sohn [[Juri I. Daniilowitsch]] ein Herrschaftsgebiet mit noch bescheidenem Umfang. Es umfasst das engere Territorium der Residenzstadt Moskau, dazu die jüngsten Erwerbungen Kolomna, Serpuchov und Gebiete auf dem linken Oka-Ufer sowie das ererbte Perejaslavl' Zalesskij. Unter Juri I. Daniilowitsch erreichte der bereits seit Jahrzehnten spürbarem Aufstieg des Fürstentums Moskau eine neue Phase. Bereits am Anfang der Herrschaft von Juri I. Daniilowitsch begann er mit der Ausweitung seines Territoriums. 1303 eroberte er das Fürstentum und die strategisch wichtige Festung [[Moschaisk]], wodurch er den gesamten Lauf der [[Moskwa]] unter seine Kontrolle brachte. Ein Jahr später bestätigte ihm der Khan der Goldenen Horde den Besitz des [[Fürstentum Pereslawl-Salesski|Fürstentums Pereslawl-Salesski]]. |
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[[Datei:Mikhailtver.jpg|miniatur|250px|Der unterlegene [[Michail Jaroslawitsch]] steht vor [[Usbek Khan]]]] |
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Die Großfürstenwürde begann am Anfang des 14. Jahrhunderts nach einer Zeit des Niedergangs wieder attraktiver zu werden, weil der Khan mit diesem Titel Recht und Verpflichtung zur Sammlung der zu zahlenden Tribute für das gesamte russische Gebiet übertrug. Dem Großfürsten kamen in diesem System eine Schlüsselstellung und damit eine Machtposition zu, denn damit war, wie einst in Kiew, über ein territorial abgegrenztes Großfürstentum (z. B. des Fürstentums Twer) der Anspruch auf das Gesamte hergestellt. Denn der Inhaber dieses Titel repräsentierte dann das ganze (Fürstentum) Vladimir, anstatt nur das Territorium des eigenen Teilfürstentums in der Beziehung zu den Tataren. Daran entzündeten sich Auseinandersetzungen Moskaus mit dem [[Großfürstentum Twer]], das bis dahin den Titel der Großfürsten von Wladimir besaß. |
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Beide Fürstentümer waren zunächst gleich stark in den Machtkampf gestartet. Auch Twer lag zentral und verkehrsgünstig; auch seine Wälder boten Flüchtlingen Sicherheiten und neue Existenzmöglichkeiten. Beide Residenzstädte waren als befestigte Grenzorte entstanden. 1147 gründete sich Moskau gegen [[Tschernihiw|Tschernigow]] und 1127 Twer gegen [[Nowgorod]]. Als Fürstentümer existierten sie noch weit jünger. Das Moskauer Fürstentum trat erst seit den 1290ern als selbständiger politischer Organismus in Verbindung und damit etwa dreißig Jahre später als das Fürstentum Twer.<ref>Anna Choroskevič: ''Das Moskauer Fürstentum unter Ivan Kalita (1325–1341) und Dmitrij Donskoj (1359–1389)'', in: ''Deutsches Historisches Institut Warschau, Quellen und Studien'', Band 14, Wiesbaden 2004, S. 80.</ref> Dieses hatte bereits 1247 die Großfürstenwürde erhalten. Auch 1304 erhielt Twer nochmals die Großfürstenwürde. Mit dem Machtantritt Khans [[Özbeg]]s 1314 nutzte Juri I. die Gunst der Stunde und erreichte beim Khan die Absetzung des Großfürsten von Twer. Diese wurde nun auf Juri I. übertragen, womit zum ersten Mal ein Moskauer Fürst die Großfürstenwürde erhielt. Die Kämpfe hielten während des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts an. Twer erhielt 1324 die erneute Großfürstenwürde, doch nach einem Aufstand in Twer verheerte eine großangelegte Strafaktion der Mongolen das Fürstentum Twer. Nutznießer war Moskau, dessen Fürst [[Iwan Kalita]] erhielt 1328 die Großfürstenwürde, die seither der Moskauer Dynastie zukommend, nicht mehr erfolgreich angefochten wurden.<ref>Udo Arnold: Handbuch der europäischen Geschichte, Band 2, S. 1032</ref> Moskau konnte sich gegen das Fürstentum Twer vor allem aufgrund der Interessengemeinschaft mit dem Khan Özbeg durchsetzen. Denn Iwan I. garantierte den Mongolen eine verhältnismäßige Ruhe in der Rus, da er als ein zuverlässiger Steuereintreiber der Goldenen Horde fungierte. Das bedeutete, das Moskau militärisch von den Mongolen geschützt wurde, wenn sich Twer mit Litauen verbündete und einen Angriff auf Moskau begann. Es kam in der Folgezeit zu einer Inflation des Großfürstentitels so gab es nicht nur den Großfürsten von Wladimir, sondern auch die Großfürsten von Twer, [[Fürstentum Jaroslawl|Jaroslaw]], [[Fürstentum Rjasan|Rjasan]]. Diese Situation entstand, weil es bereits vor den Moskauern andere Großfürsten von Wladimir gegeben hatte und deren Erben ihrem Herrschaftsgebiet den Großfürstentitel hinzugefügt hatten. Um sich einerseits von den anderen zu unterscheiden und sich andererseits rangmäßig über die anderen Großfürsten zu stellen, änderte der Großfürst [[Iwan I.]] später seinen Titel in den eines „Großfürsten der ganzen Ruß‘“ (velikij kniaz‘ vsea Rusi). |
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Der „Metropolit von Kiew und ganz Russland“, [[Peter (Metrepolit)|Peter]], verlegte 1325/28 seinen Sitz von Wladimir nach Moskau, da der Fürst von Twer ihn als Kandidaten ablehnte. Moskau unterstützte ihn und so stärkte auch die Kirche unter Peter und seinem Nachfolger [[Theognost]] den Rücken des Moskauers. Durch seine Entscheidung hat er entscheidenden Anteil an der politischen Aufwertung dieses ursprünglich unbedeutenden Fürstensitzes im Nordosten. |
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=== Innere Konsolidierung der Moskauer Herrschaft === |
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→ ''Hauptartikel: [[Großfürstentum Moskau]]'' |
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[[Datei:Vasnetsov Kreml pri Ivane kalite.jpg|miniatur|links|Der hölzerne Moskauer Kreml unter Iwan Kalita. Ein Aquarell (1921) von Apollinari Wasnezow]] |
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[[Iwan Kalita]] (1325–1341) begründete den Aufstieg Moskaus, da er viel von den in ganz Russland eingezogenen Steuern beziehungsweise Tributen für eigene Zwecke verwendete. Während seiner Herrschaft kehrten etwas ruhigere Verhältnisse im Innern und ein wirtschaftlicher Aufschwung ein. Begünstigend wirkten sich hierfür der beginnende Machtverfall der Goldenen Horde und der Machtgewinn Moskaus aus. Zwar war Moskau zu dieser Zeit noch nicht in der Lage, die Gefährdung durch äußere Feinde oder durch innere Zwistigkeiten völlig zu bannen, doch war das Maß der inneren Ruhe wesentlich stärker als noch in den hundert Jahren zuvor. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelte sich daher ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung in den Ländern der Rus, nachdem die Pestwellen von 1352/53 und 1360–1366 überwunden wurden. Neben dem Wiederaufleben monumentaler Bautätigkeiten, wie z. B. 1326 der Bau der ersten steinerne Kirche in Moskau, die Vorgängerin der heutigen [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)]] aufgrund der Verlegung des Sitzes des Oberhaupts der russischen Kirche. 1329 veranlasste Iwan den Weiterbau des [[Moskauer Kreml]], kurze Zeit darauf die Errichtung neuer hölzerner Befestigungsanlagen. Anspruchsvollere Gewerbezweige entwickelten sich und die Rodetätigkeiten wurden verstärkt ausgeführt. Auch ein Neubeginn einer eigenen Münzprägung fällt in diese Zeit. Die Binnenkolonisation erfuhr in der zweiten Hälfte des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts eine erhebliche Belebung. Ursprünglich war diese als Ausweichbewegung vor den Tartaren angefacht worden. Dadurch konnte die Erschließung der [[Borealer Nadelwald|Taiga]] erheblich beschleunigt werden. Kleine Siedlungsgruppen wanderten hierzu von den Altsiedlungen stromabwärts in Richtung zum Weißen Meer, in die bis dahin unerschlossenen Waldmassive.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 96 ff.</ref> |
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Wesentlichen Anteil am Moskauer Aufstieg hatten die adeligen Dienstleute. Die Moskauer Großfürsten warben gezielt Fürsten ab. Der Übertritt von Rjurikiden in Moskauer Diensten geschah nicht immer unfreiwillig, denn gerade die Zersplitterung vieler Teilfürstentümer bot den Kleinherrschern in immer geringem Maße ein standesgemäßes Leben und Schutz vor den [[Annexion]]sbestrebungen mächtiger Nachbarn. Beides sicherten sie, wenn sie die Abhängigkeit von Moskau akzeptierten, die ihnen als Dienstfürsten den höchsten Rang in der Moskauer Dienstadelhierarchie zusicherten. So erhielt Moskau die militärische Kraft dieser Territorien, und blutete gleichzeitig die restlichen Teilfürstentümer durch Abwanderung des Adels nach Moskau militärisch so weit aus, dass Widerstand sinnlos wurde.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 131.</ref> |
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Moskaus Aufstieg wurde auch nur möglich, weil es den Großfürsten im Gegensatz zu anderen russischen Fürstentümern auf lange Sicht gelang, das [[Senioratsprinzip|Seniorat]] durch die [[Primogenitur]] zu ersetzen und Teilungen ihres Herrschaftsgebietes zu verhindern. Anfangs blieb es strittig wer beim Tod des Großfürsten innerhalb der Moskauer Linie der Nachfolger werden sollte. Als das Moskauer Großfürstentum im 14. Jahrhundert seine ersten Entwicklungsphasen durchlief, gab es, ebenso wie im alten Kiewer Reich, keine stabile und unbestrittene Thronfolgeordnung. Doch zunächst konnten die Erben Iwan Kalitas, [[Simeon Iwanowitsch (Russland)|Simeon]] (1341–1353) und [[Iwan II. (Russland)|Iwan II.]] (1353–1359) die Nachfolge unbeschadet übernehmen, da die Brüder Iwan Kalitas Simeon als den Ältesten anerkannten. Beim Tod Iwans II. gab es nur Anfangs Probleme, aber einer seiner zwei Söhne starb bald nach den Tod Iwans II. Zu ihrer Zeit folgte eine [[Schwarzer Tod|Pestepidemie]] 1353 und 1364 die große Teile der Fürstenfamilie hinwegraffte, wodurch das Fürstentum zunächst vor Teilungen bewahrt wurde.<ref>Anna Choroskevič: ''Das Moskauer Fürstentum unter Ivan Kalita (1325–1341) und Dmitrij Donskoj (1359–1389)'', in: ''Deutsches Historisches Institut Warschau, Quellen und Studien'', Band 14, Wiesbaden 2004, S. 93.</ref> Die Moskauer Herrscher versuchten, als die politischen Bedingungen dafür gegeben waren, die Thronfolge (in ihrem Sinne) zu beeinflussen. Den Unsicherheitsfaktor, den ein Großfürstenthron beim Thronwechsel zum Streitobjekt zweier oder mehrerer Rivalen wurde, wollten sie ausschalten. Dimitrij Donskoj (1359–1389) betrachtete als erster Moskauer Großfürst nicht nur das (Teil-)Fürstentum Moskau, sondern auch das Großfürstentum als „Vatererbe“. Damit war die Voraussetzung für den Beginn einer großfürstlichen Thronfolgepolitik gegeben. Damit konnte das vom Tatarenkhan verliehene Territorium weitervererbt werden. So entwickelte Dimitrij aus der Improvisation heraus eine Stufenordnung: |
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* Zunächst legte er die vertragliche allgemeine Anerkennung des Thronfolgeanspruchs der Söhne durch andere russische Fürsten fest, |
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* darauf folgte die Anerkennung des Anspruchs eines bestimmten Sohnes und |
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* schließlich die testamentarische Vererbung. |
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Sein Versuch, auch schon den Nachfolger seines Nachfolgers zu bestimmen, misslang und lieferte den Grund für eine blutigen Fehde. Wenn der älteste Sohn eines Fürsten den Weg der [[Primogenitur]] von sich aus einschlug und in einem solchen Fall der nach dem [[Seniorat]] erbberechtigte jüngere Bruder des Verstorbenen nicht nachgab, so entwickelte sich eine Auseinandersetzung zwischen Onkel und Neffe. Dies geschah auch in dem Onkel-Neffen-Konflikt, der sich zu der blutigen [[Moskauer Fehde]] von 1425 bis 1453 zwischen zwei Zweigen der Moskauer Dynastie entwickelte. Hauptleidtragender dieses mit Härte geführten Bürgerkrieges war das einfache Volk. Nach immer wieder lokalem Aufflackern der [[Pest]] und den Hungersnöten 1417–1427 verschlimmerten die folgenden Kriegsjahrzehnte die allgemeine Not zu einer anhaltenden Wüstungsperiode, die ganze Landstriche fast völlig entvölkerte. Es war [[Vasili II.]] (1425–1462), der die Stufenfolge um ein wesentliches neues Element erweiterte: die Ernennung des Thronfolgers zum Großfürsten und Mitherrscher noch zu Lebzeiten. Dadurch setzte sich die Vorstellung durch, dass der Erbe des Großfürsten der einzig rechtmäßige Nachfolger der großfürstlichen Herrschaft und für andere Anwärter jeder Kampf von vornherein aussichtslos war.<ref>Vgl. Antonia von Reiche: ''Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie'', 2001, S. 13.</ref> Die Beilegung des innerdynastischen Konflikts unter Vasili II. leitete nach dem Niedergang bis 1453 eine über hundertjährige Blüteperiode ein. Von innen wie außen kaum bedroht, konnte das Moskauer Reich einen Großteil seiner Kräfte nach innen konzentrieren. Der Siedlungsausbau erreichte seinen absoluten Höhepunkt, Städtewesen, Gewerbe und Handel blühten wieder auf. |
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=== Sammlung der russischen Erde und Abschüttlung der Tatarenherrschaft === |
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[[Datei:Great standing on the Ugra river 2.jpg|miniatur|Das [[Stehen an der Ugra]] markierte das Ende der Tatarenherrschaft über Russland]] |
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Mit den für Moskau günstigen Bedingungen nahmen sich die Großfürsten von Moskau die „[[Sammlung russischer Erde]]“ vor, womit die Wiederherstellung der Kiewer Rus gemeint war. Dieser Prozess verlief aber keineswegs geradlinig oder zwanghaft.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 109.</ref> Schließlich hatte die „Sammlung des Landes“ Kriege gegen alle anderen Teilfürstentümer zur Folge. Daher mussten die Moskauer Großfürsten den konkurrierenden Teilfürsten schrittweise ihre Machtgrundlagen entziehen um Sie zu schwächen. Den russischen Teilfürstentümern wurde von den Moskauer Großfürsten ihre völkerrechtliche Handlungsfähigkeit entzogen. Auch die mächtigsten Teilstaaten wurden (teilweise durch Kauf) eingegliedert und unterlagen dem umfassenden Verbot außenpolitischer Beziehungen. Jeder Versuch der Teilfürsten, eigene Politik zu betreiben, galt als Verrat an Moskau. |
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So konnte der ernsthafteste Konkurrent Moskaus, Twer ausgeschaltet werden. Im Gegensatz zu Moskau hatte Twer 1319, 1333 und 1399 dynastische Teilungen erleben müssen und wurde darüber hinaus durch die Kämpfe zweier konkurrierender dynastischer Linien zwischen 1346 und 1360 an seiner Entwicklung geschwächt. In der zweiten Runde des Entscheidungskampfes mit Twer (1368–1375) konnte Moskau wiederum die Oberhand behalten. Auslöser war eine innenpolitische Krise Moskaus. Nach einigem hin und her fiel die Entscheidung als der Moskauer Großfürst [[Dmitri Donskoi]] (1359–1389) einer Machtübernahme des Großfürsten [[Michail von Twer]] zuvorkam. Dieser hatte von Abgesandten [[Mamai|Mamais]] am 14. Juli den Großfürstenjarlyk überbracht bekommen. Dmitri fiel mit einem großen Truppenaufgebot in das Großfürstentum Twer ein. Am 5. August begann die Belagerung Twers. Als die erwartete litauische Hilfe ausblieb, willigte Michail von Twer nach einmonatiger Belagerung ein, den von Dmitri geforderten Unterwerfungsvertrag zu unterzeichnen. Großfürst Michail von Twer behielt zwar seine Eigenständigkeit, musste aber Dmitri Donskoi als Übergeordneten anerkennen und außenpolitische Beschränkungen hinnehmen. Dieser Ausgang demonstrierte die gewachsene Autorität Moskaus. Dmitri befand sich auf dem Weg zum Großfürsten der gesamten Rus. So war Twer geschwächt und Nowgorod versank in innere Zwistigkeiten, so dass Großfürst Dmitri Donskoi mehrere Fürstentümer über die Wolga hinweg weit nach Nordwesten bis [[Beloozero]] und [[Galitsch]] eingliedern konnte. Dmitri gelang es 1392 das 1341 gegründete Großfürstentum [[Susdal-Nischni-Nowgorod]] unter seine Kontrolle zu bringen, das sich zwischenzeitlich zu einem Konkurrenten Moskaus entwickelt hatte aber letztlich ebenso unterlag. Nischni-Nowgorod wurde Moskaus Außenposten gegen das Kasaner Khanat. |
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Noch bestand die Oberherrschaft der Tataren über Moskau. So war der Aufstieg Moskaus solange in Gefahr, wie diese Abhängigkeit bestand. Denn die Tataren begegneten den Aufstieg Moskaus misstrauisch unterstützten verstärkt die anderen russischen Fürsten und schwächten Moskau durch gelegentliche Verheerung seines Territoriums. Also musste sich Moskau von der Oberherrschaft distanzieren und bildete fortan das russische Zentrum des antimongolischen Widerstands. Dmitri fühlte sich stark genug, nach dem Sieg über Twer 1375 auch eine Auseinandersetzung mit dem Emir zu wagen. Denn schon nach der Ermordung Khan [[Dschani Beg]] (1357) hatte die Goldene Horde eine Schwächeperiode durchzustehen, die von häufigen Thronwechseln gekennzeichnet war. Zwischen 1357 und 1380 lösten sich allein 25 Khane ab. Der Ausfall einer allgemein anerkannten Zentralmacht gab ehrgeizigen Emiren in den Randprovinzen die Chance zu eigenmächtigem Handeln. Als Anlass diente das Bündnis des Emirs [[Mamai]] mit Litauen die Unterstützung Twers und Rjazans gegen Moskau. Dmitri errang einen Sieg über die Tataren in der [[Schlacht von Kulikowo]], unweit des Dons, weil Dmitri zuschlug, bevor die Litauer eintrafen. Dieser Sieg beendete zwar nicht die Tatarenherrschaft, da Khan [[Toktamisch]] 1382 Moskau erobern konnte. Ein weiterer großer tatarischer Einfall vollzog sich im Winter 1408/09. Die Landbevölkerung litt schwer unter den Einfällen, eine Eroberung Moskaus wie noch 1382 gelang aber nicht mehr. Letztlich konnte sich die Goldene Horde von dem Schlag aber nicht mehr erholen. Auch die Fürsten von Twer und Rjazan waren durch ihre Zusammenarbeit mit Litauen und der Horde diskreditiert und Moskau konnte innerhalb der Rus erheblich an Reputation hinzugewinnen. Der Niedergang der Goldenen Horde setzte sich in den Folgejahrzehnten unvermindert fort. Edigü verlor seine beherrschende Stellung in den Wirren von 1410–1412. Er starb 1419 von der Hand eines der Söhne Toktamischs zu einem Zeitpunkt, als das territoriale Auseinanderbrechen des Herrschaftsbereiches der Goldenen Horde nicht mehr aufzuhalten war. Als sich Anfang des 15. Jahrhunderts aus dem Staatsgebiet der Goldenen Horde das [[Khanat Kasan]], das [[Krimkhanat]] und das [[Khanat Astrachan]] ausgliederten, waren die Tataren endgültig zu schwach, um den weiteren Aufstieg Moskaus zu verhindern. Gefährlich blieben ihre Einfälle aber noch gut anderthalb Jahrhunderte. Nach dem Tod Dmitris folgte ihm [[Vasili I.]] (1389–1425), der ein gesichertes Erbe antrat. Er stärkte es nach außen durch die Ehe mit Sofja, der Tochter des litauischen Großfürsten und flößte damit dem Khan [[Tamerlan|Timurlenk]] so viel Respekt ein, dass Moskau von 1395–1412 keinen Tribut zahlen musste. |
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Moskau hatte sich im Kampf gegen die Tatarenherrschaft profiliert während die Goldene Horde im Auflösungsprozess war. Dadurch gewann Moskau Freiraum für den Kampf im Innern der Rus um die Kleinstaaterei zu beenden. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war die politische Landkarte der nord-östlichen Rus deutlich übersichtlicher geworden. Es waren nur vier Staatengebilde übrig geblieben: Moskau, Nowgorod, Twer und Rjasan. Die Teilfürstentümer, insbesondere die Konkurrenten Moskaus wie Twer und Nowgorod waren aber auf Aufrechterhaltung ihrer Eigenstaatlichkeit bedacht. Im erbitterten Kampf mussten die noch verbliebenen russischen Fürstentümer unter der Führung Moskaus vereinigt werden. An der oberen Wolga existierten bei Regierungsantritt [[Iwan III.|Iwans III.]] (1462 bis 1505) noch unbedeutende Reste der [[Fürstentum Jaroslawl|Fürstentümer Jaroslawl]] und [[Fürstentum Rostow|Rostow]]. Beide standen schon seit der Zeit Dmitri Donskois im Vasallenverhältnis zum Moskauer Großfürsten. Iwan III. gliederte 1471 Jaroslawl und 1474 Rostow dem Moskauer Reich ein. 1478 wurde dann die frühere Regionalmacht und Stadtrepublik Nowgorod gewaltsam [[Annexion|annektiert]]<ref>Siehe dazu Andreas Kappeler: ''Russland als Vielvölkerreich'', S. 21–22.</ref> und Twer ausgeschaltet: |
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[[Datei:Novgorod torg.JPG|miniatur|Nowgoroder Marktplatz, im Hintergrund der [[Nowgoroder Kreml]]]] |
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* Großfürst Iwan III. eröffnete am 9. Oktober 1476 den Endkampf um die Eingliederung Nowgorods, als er mit einem großen Heer von Moskau aufbrach. Am 27. November schloss sich ein Belagerungsring um die Stadt, deren Führung durch zahlreiche Gesandtschaften in das Lager des Großfürsten vergeblich versucht hatte, das Unheil abzuwenden. Nach langwierigen Verhandlungen, in denen der Großfürst seine harten Forderungen präzisiert (u. a. Landabtretungen, Tributzahlungen, Auflösung der bisherigen politischen Institutionen der Stadt etc.), werden die Bedingungen des Unterwerfungsvertrages niedergeschrieben und der Erzbischof sowie die Stadtteilevertreter zur Unterschriftsleistung befohlen. Am 15. Januar entsendete der Großfürst seine Beauftragten in die Stadt, um alle Bewohner auf die Einhaltung der Abmachung zu verpflichten. Am 22. Januar die großfürstlichen Statthalter in Nowgorod ein, am 29. Januar nahm der Großfürst persönlich mit großem Gefolge von seinem „Vatererbe“ Besitz. Der Anschluss Nowgorods stellte den Höhepunkt der Vereinigungspolitik Iwans III. dar, war aber noch immer nicht abgeschlossen. |
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* 1484 erhielt Iwan III. Nachricht, dass der Fürst von Twer Michail Borissowitsch einen Vertrag mit den Großfürsten von Litauen, [[Kasimir IV. Jagiełło]] geschlossen hatte. Der Großfürst erklärte Twer den Krieg. Seine Truppen belagerten die Stadt. Nach der Flucht des Fürsten Michail Borissowitsch in der Nacht zum 12. September unterzeichnet eine Delegation der Stadtbewohner die Übergabebedingungen. Iwan III. gelang es damit, eines der letzten freien Fürstentümer zu annektieren. Er setzt seinen Sohn und Thronfolger Iwan zum Fürsten ein und griff, wie schon 1478 in Nowgorod, zum Mittel der Zwangsumsiedlung, um jeglichen Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen.<ref>s.a. Günther Stökl: Russische Geschichte, S. 171</ref> In der Folgezeit gewinnt Iwan III. bestimmenden Einfluss auf Rjasan und Pskow. |
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Moskau grenzte nun im Westen an das Großfürstentum Litauen. Ein Kampf um die weißrussischen Fürstentümer war von nun an auf der außenpolitischen Tagesordnung und musste sorgfältig geplant werden. Dazu musste zunächst die Tatarische Oberhoheit gelöst werden. 1476 wurden die Tributzahlungen an die Mongolen beendet. Als 1480 zwei Brüder Iwans III. dessen Machtposition bedrohten, sah Kahn Achmat eine Möglichkeit Moskau zu schwächen woraufhin er mit einem Heer in Richtung Moskau vorrückte. Iwan III. zog mit seinen Truppen aus Moskau an die Ugra, um eine drohende Vereinigung zwischen dem Tatarenkhan [[Achmat]] und dem polnischen König Kasimir IV. zu verhindern. Dies führte 1480 zum [[Großes Gegenüberstehen an der Ugra|Großen Gegenüberstehen an der Ugra]]. Der kampflose Abzug der Truppen der Goldenen Horde nach mehreren Monaten des Gegenüberstehens beider Heere wird als das endgültige Ende der mongolischen Vorherrschaft angesehen. Mit der Befreiung von der Oberherrschaft der Tataren bekräftigte Iwan III. die Führungsrolle des Moskauer Reiches in Russland für den anstehenden Kampf gegen Litauen.<ref>Brigitte Beier: Neue Chronik der Weltgeschichte, S. 297</ref> |
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=== Russisch-Litauischer Kampf um die Herrschaft der ganzen Rus === |
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[[Datei:Moscow1500.png|miniatur|Großfürstentum Moskau um 1500]] |
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→ ''Hauptartikel: [[Russisch-Litauische Kriege]]'' |
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[[Datei:Russo-Polish war XVI century.JPG|miniatur|links|Eine Darstellung des Moskowitisch-Litauischen Kriegs aus dem Werk Jacob Pisos: ''Die Schlacht von dem Kunig von Poln und mit dem Moscowiter, 1514'']] |
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Mit dem erstarken Moskaus begann ein lang anhaltender Konflikt mit Litauen um die Vorherrschaft. Beide Länder beanspruchten für sich die Herrschaft über die Rus. Die Litauer vertraten den lateinischen, die Moskauer den traditionellen orthodoxen Glauben. Da die Litauer als Fremde angesehen wurden, konnte sich Moskau in den Kriegen aufgrund einer stärkeren inneren Kohäsion der Gebiete durchsetzen und Litauen stetig nach Westen drängen. |
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Litauens Versuche, im Zuge seiner Expansion im 14. Jahrhundert die Nachfolge der Kiewer Rus anzutreten, waren bereits an der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung der Länder der Rus gescheitert. Versuchen, Kiew als dem alten geistlichen und kulturellen Zentrum der Rus durch Einrichtung einer gegen Moskau gerichteten [[Metropolie]] zu neuer Geltung zu verhelfen, blieb dauernder Erfolg versagt. |
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Eine entscheidende Wendung die sich günstig für Moskau auswirkte vollzog sich 1385 als der litauische Großfürst [[Jogaila]] die polnische Königin [[Hedwig von Anjou|Jadwiga]] heiratete und zum römisch-katholischen Glauben übertrat. Durch die Bildung der [[Polnisch-Litauische Union|Polnisch-Litauischen Union]] wurde Moskaus Nachbar zwar noch stärker, aber Litauen wurde zunehmend in polnische Angelegenheiten verwickelt und richtete seinen Blick zunehmend nach Westen. Auch fehlte den litauischen Großfürsten nun die Legitimation als orthodoxe Herrscher. Den entscheidenden Schritt, seine Residenz von [[Vilnius]] nach Kiew zu verlegen und somit für alle sichtbar einen Anspruch auf die Nachfolge der Kiewer Großfürsten zu erheben, hatte Olgard nicht vollzogen. So fehlte in seiner Ostpolitik eine Konsequenz, deren Fehlen in der Folgeperiode zusammen mit der Verstrickung in polnische Interessen und den Abwehrkämpfen gegen des Deutschen Orden den späteren Sieg Moskaus begünstigte. |
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Zu Beginn des 15. Jahrhunderts hatten sich die Beziehungen zwischen Moskau und Litauen wieder verschlechtert, nachdem diese in der [[Schlacht an der Worskla]] gegen die Tataren eine schwere Niederlage erlitten. [[Vytautas]] Niederlage an der Worskla beendete die litauischen Expansionsbestrebungen nach [[Ruthenien|Südruthenien]]. Sein Staat verlor zudem den Zugang zum Schwarzen Meer. Die Litauer konzentrierten sich nun auf den Kampf um nördlichere [[Fürstentum Smolensk|Fürstentümer wie Smolensk]]. Dies führte zu einem [[Moskauisch-litauischer Krieg (1406–1408)|Krieg mit Moskau von 1406 bis 1408]]. Dieser endete mit dem [[Frieden an der Ugra]], der für einige Stabilität sorgte.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', S. 153.</ref> |
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Mit dem 1492 ausgebrochenen moskauisch-litauischen Krieg begann eine längere Folge militärischer Konflikte zwischen dem Moskauer Staat und seinem westlichen Nachbarn [[Polen-Litauen]]. Der benachteiligte orthodoxe Adel der östlichen Gebiete Litauens versprachen sich mehr Vorteile und Macht bei einem Übertritt zum Großfürstentum Moskau. So schlossen sich zwischen 1487 und 1493 mindestens vier Fürstenhäuser aus den Ostprovinzen des Großfürstentums dem Moskauer Staat an. Ende der 1490er Jahre verließen dann die Fürsten Semjon Belski, Semjon und Iwan Moschaijski und Wassili Schemjatitsch den litauischen Verbund. Immer wieder kam es zu Grenzkonflikten zwischen beiden Reichen. Zu Beginn des [[Zweiter litauisch-russischer Krieg|zweiten litauisch-russischen Krieges]] (1500–1503) erlitt das litauische Heer in der [[Schlacht an der Wedrosch]] nordöstlich von Smolensk eine schwere Niederlage. Es gelang der litauischen Heerführung in der Folgezeit nicht, eine Koordinierung der Kampfhandlungen mit den Verbündeten (Livländischer Orden, Khan Achmat der Großen Horde) zu erreichen. Am Ende des Krieges musste Litauen 1503 die Gebiete [[Tschernihiw]], [[Nowhorod-Siwerskyj| Nowgorod-Sewers]], [[Gomel]], [[Brjansk]], Putiwl, [[Starodub]] und [[Mzensk]] an Moskau abtreten. So hatte Iwan III. zum Ende seiner Herrschaft alle Voraussetzungen geschaffen, um sich als Großfürst von ganz Russland zu bezeichnen, da er das Gebiet der ganzen Rus, bis auf die von Litauen eroberten Gebiete zum neuen russischen Staat vereinigte. |
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Auch der Nachfolger Iwans III., sein Sohn [[Wassili III. (Russland)|Wassili III.]] (1505–1533) bemühte sich um die Expansion Russlands nach Westen. Wenig später, 1514, kam es erneut zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften Moskaus und Litauens. In dieser Zeit wurde unter der Führung Moskaus eine [[Jagiellonen|antijagelionische]] Allianz gegründet mit dem Ziel, das Großfürstentum Litauen aufzuteilen und die weißrussischen Provinzen dem Großfürstentum Moskau zuzuschlagen. Der Sieg, den die Truppen unter dem Oberkommando Konstantin Ostroschkis in der [[Schlacht bei Orscha (1514)|Schlacht bei Orscha]] am 8. September über das Moskauer Heer errangen, hielt die Expansion Moskaus nach Westen jedoch vorerst auf.<ref>Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: ''Handbuch der Geschichte Weissrusslands'', S. 89</ref> |
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Unter Wassili III. erfolgte der Anschluss der letzten russischen Fürstentümer, 1510 der [[Republik Pskow]] und 1521 des südlichen [[Fürstentum Rjasan|Fürstentums Rjasan]]. Gleichzeitig begannen vom Süden her jedoch Überfälle der [[Krimkhanat|Krimtataren]], die an der zunehmenden Unterlegenheit Litauens nicht interessiert waren. Nach dem Tode des Krimkhans [[Meñli I. Giray]] 1515 zerbrach das zeitweilig enge Bündnis Moskaus mit den Krimtataren endgültig. Das Verhältnis war in den vorausgegangenen Jahren durch zahlreiche Grenzübergriffe und wiederholte Annäherungen an Litauen erheblich belastet. Unter dem am 13. April inthronisierten neuen Khan [[Mehmed I. Giray]] gewann die moskaufeindliche Richtung die Oberhand, gleichzeitig verlor Moskau im [[Khanat Kasan]] seinen bisherigen beherrschenden Einfluss. In dieser Zeit nahmen auch die [[Moskau-Kasan-Kriege]] zwischenzeitlich eine für Moskau unvorteilhafte Wendung. Vergeblich versuchte Wasili III. über direkte Kontakte zum osmanischen Sultan die drohende Gefährdung der Süd- und Südost-/Ost-Grenzen seines Herrschaftsbereiches abzuwenden. In der Folgezeit drangen die Krimtataren wiederholt bis nach Moskau vor und zerstörten dieses. |
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=== Festigung der Selbstherrschaft der Moskauer Großfürsten === |
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[[Datei:Russian coa 1472.gif|miniatur|Iwan III. übernahm den kaiserlichen [[Doppeladler]] ab 1487. Damit knüpft er an die Tradition des Römischen Reiches an oder verfolgt diesen Anspruch. Ob es sich um eine direkte Übernahme oder aber vielleicht um ein [[Ehewappen]] von Iwan III. mit [[Sofia Palaiologos]] handelt, oder es über einen anderen Weg gewählt wurde, ist unklar.<ref> Vladimir Monakhov: Neue alte Farbe Russlands, oder Rückgabe des Adlers, 2003 (russ.)</ref>]] |
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Die Moskauer Großfürsten konnten durch den äußerlichen Machtzuwachs und die Ausschaltung der innerrussischen Konkurrenten auch einen inneren Machtgewinn erreichen, der zu einer extrem machtvollen Herrscherposition führte, der [[Selbstherrschaft]]. Kirche und Adel wurden in ihrem Einfluss begrenzt. Die Herrschernachfolge erfolgte nun durch die Primogenitur, und nach außen wurde durch die Freiwerdung und Verwendung des Zarentitels ihre Unabhängigkeit gesichert. Der Aufbau einer Bürokratie sicherte Ihnen die Durchführung einer geordneten Herrschaft. |
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Durch die Entstehung des russischen Reiches um dessen Zentrum Moskau und die Abschüttelung des Tatarenjochs wuchs am Ende des 15. Jahrhunderts die Bedeutung der Großfürsten Moskaus und ließ das russische Reich etappenweise in die europäische Staatenwelt eintreten. Die wachsenden Kontakte mit dem westlichen Ausland spiegelten sich auch in vermehrten Auslandsreisen von Russen wieder, um ihre Fachkenntnisse zu erweitern. Außerdem wurden zunehmend westliche Fachleute ins Land geholt. Als ökonomische Spezialisten, Diplomaten, Baumeister oder Waffentechniker nahmen sie Dienst und übten einen wichtigen Einfluss aus. Zwischen den Oberschichten Westeuropas und denen des Moskauer Reiches fand wieder ein kultureller Austausch statt.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 88.</ref> |
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Moralisch und rechtlich blieb dieses neue russische Reich aber außerhalb der damals offiziell anerkannten Völker- und Staatengemeinschaft. Das lag zum einen an dem sich selbständig entwickelnden Staat Russland, also ohne Vorbilder wie Rom oder Byzanz mit ihrem Herrschafts-, Rechts- und Feudalsystem, zum anderen an der fehlenden historischen Anerkennung Russlands als Staat unter Gleichen. |
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So war eine neue Titulatur nötig um die Anerkennung ihres Großfürstentitels auch international sicherzustellen. Das Großfürstentum Litauen, deren Großfürsten selbst im Titel den Passus „vieler russischer Länder Herrscher“ trugen, hatte dem Moskauer Großfürsten bis zum aufgedrängten Waffenstillstand von 1494 die Anerkennung als „Herrscher der ganzen Rus“ (Titelergänzung des Moskauer Großfürsten) verweigert, schließlich befand sich ein großer Teil der Rus unter litauischer Hoheit. Als Möglichkeit bot sich der Zarentitel an. Der Zarentitel war, durch die [[Belagerung von Konstantinopel (1453)|Eroberung von Konstantinopel]] und die Losschüttlung der tatarischen Fremdherrschaft über Russland, frei geworden. Iwan III. heiratete danach die [[Sofia Palaiologa|Nichte]] des letzten Kaisers von [[Byzantinisches Reich|Byzanz]]. Aufgrund dieser Ehe sah sich Iwan III. nun auch als rechtmäßiger Nachfolger der Kaiser des untergegangenen Byzantinischen Reichs. Iwan III. begann gelegentlich den Zarentitel für sich inoffiziell im Verkehr mit aus russischer Sicht schwächeren Mächten zu gebrauchen. |
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Grundlegende Änderungen in der orthodoxen Kirche konnte Iwan III. aufnehmen und in seine Politik der Festigung und Erweiterung der eigenen Machtstellung einbauen: |
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*Der Fall Konstantinopels und das [[Konzil von Basel/Ferrara/Florenz|Florentiner Union]] brachten der russischen Kirche die [[Autokephalie (Kirche)|Autokephalie]]. Das heißt, dass der Metropolit nach seiner Wahl nicht mehr der Bestätigung durch den ökumenischen Patriarchen bedurfte, sondern dass dafür die Zustimmung des Moskauer Großfürsten genügte. Damit wurde der Metropolit noch mehr als bisher an den Moskauer Großfürsten gebunden, denn diese Änderung beraubte die Moskauer Kirche ihres letzten Rückhalts außerhalb des großfürstlichen Machtbereichs.<ref>Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1136</ref> Dadurch wurde der ursprüngliche orthodoxe Gedanke der gleichrangigen Herrschaft von Kirche und weltlicher Macht in der Folgezeit weit übertroffen. Damit half die Kirche selbst der Selbstherrschaft der Großfürsten in den Sattel. |
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*Aus kirchenpolitischen Gründen entstand eine theokratische Staatstheorie, die Moskau als neue (orthodoxe) Heilsstadt erklärte. Nach 1453 wanderte eine große Zahl orthodoxer Kirchenmitglieder nach Russland ein. Es war damals die einzige christlich-orthodoxe Großmacht, die nicht durch islamische Eroberer besetzt war. Da das „Erste Rom“ aus orthodoxer Sicht vom rechten Glauben abgekommen und das „Zweite Rom“ – Byzanz – diese Funktion nicht mehr wahrnehmen konnte, erklärten orthodoxe Kirchenvertreter Moskau zum „[[Drittes Rom|Dritten Rom]]“. An die Nachfolger Iwans III. richtete der Begründer der Theorie von Moskau als „Drittem Rom“, den Mönchen [[Filofej]] die Worte: {{Zitat|Denn wisse, du Christus Liebender und Gott Liebender: Alle christlichen Reiche sind vergangen und sind zusammen übergegangen in das Eine Reich unseres Herrschers, gemäß den prophetischen Büchern: das ist das Russische Reich. […] Denn Zwei Rome sind gefallen, aber das dritte steht und ein viertes wird es nicht geben|Filofej<ref>Johannes Laudage: ''Von Fakten und Fiktion'', S. 380.</ref>}} Gestützt durch diese theokratische Staatsvorstellung Filofeijs, sowie die durch eine Abstammungslegende mittlerweile ausgesponnene Lehre vom dritten Rom, konnte sich die Selbstherrschaft in der Folgezeit voll entfalten.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 130.</ref> |
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[[Datei:Sudebnik of 1497.jpg|miniatur|Der Sudebnik von 1497]] |
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Das Moskauer Reich war innerhalb kurzer Zeit rasch gewachsen. Durch den Übergang zu einer begrenzt expansiven Politik zählte das Reich um 1500 bereits zwei Millionen Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von sechs bis acht Millionen Einwohner.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 133.</ref> Dies machte eine Regierungsreform notwendig, die den vergrößerten Rahmen Rechnung trugen, da die Herrschaft durch persönliche Beauftragung nicht mehr gelenkt werden konnte. Durch die Erweiterung der Kompetenzen des großfürstlichen Schatzamtes ([[Kazna]]), der obersten Verwaltung der großfürstlichen Hofbesitzungen ([[Dworez]]) sowie durch eine Spezialisierung der dort tätigen Sekretäre auf bestimmte laufende Geschäfte im [[Moskauer Kreml]] etablierten sich Vorformen einer festen zentralen Verwaltungsspitze. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich dieser bürokratische Apparat dann so weit differenziert, dass selbständige Geschäftsbereiche in Gestalt der [[Prikas]] gebildet werden konnte. Diese kümmerten sich um: |
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* die Militäradministration |
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* die Versorgung der Dienstleute |
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* die laufenden diplomatischen Geschäfte. |
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Dieses aus pragmatischen Erwägungen ohne ein durchschaubares Konzept entstandene Gliederungsprinzip der obersten Verwaltungsbehörden führte zukünftig zu sich häufenden Kompetenz-Überschneidungen und letztlich zu bürokratischer Erstarrung. Um die Grundlage für eine einheitliche Rechtsprechung zu schaffen, wurde das geltende Gewohnheitsrecht 1497 in einem Gesetzbuch, dem [[Sudebnik]] kodifiziert. |
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Als [[Wassili III. (Russland)|Wassili III.]] 1533 überraschend starb, war Iwan IV. gerade drei Jahre alt. Seine Zukunft und die der Selbstherrschaft waren keineswegs gesichert. Bereits Iwan III. hatte in seinem Testament bestimmt, das nicht die Brüder Wassilis, sondern dessen Kinder die weiteren Erben sein sollten. Zum ersten Mal wurde damit offiziell die Abkehr vom Seniorat zugunsten der [[Primogenitur]] erklärt. Unumstritten war das aber immer noch nicht. Wassili hatte bis zu Iwans Krönung eine Regentschaft eingesetzt. Die Interessen der Regentschaftsmitglieder prallten derart aufeinander, dass es zu harten und blutigen Kämpfen kam. Innenpolitisch sorgte [[Helena Glinskaja]], die Mutter Iwans für eine Währungsreform, förderte den Städtebau und verbot, dass Klöster weiteren Grundbesitz erwerben durften. Nach ihrem Tod 1538 wurden diese Ansätze jedoch nicht fortgeführt. Stattdessen brachen erneute Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Bojarencliquen aus. Der Adel verspielte dabei seine Chance, ein Herrschaftssystem aufzubauen, das ihm die Beteiligung an der Macht gesichert hätte.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 89.</ref> |
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== Zarentum Russland (1547–1721)== |
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{{Hauptartikel|Zarentum Russland}} |
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[[Datei:Coronation Ivan IV.-6.jpg|miniatur|Darstellung der Krönung Iwans IV. <br />''Holzschnitt aus der Bilderserie des „Buchs des Zarentums“ von 1547.'']] |
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Nach dem Ende der Mongolenherrschaft 1480 war aus den einstmals verfeindeten russischen Fürstentümern ein autokratisch regierter und zentral von einem neuen Dienstadel verwalteter Einheitsstaat mit Großmachtsanspruch entstanden. 1547 wurde als erster russischer Herrscher [[Krönung der russischen Zaren und Kaiser#Die erste Zarenkrönung am 16. Januar 1547|Iwan IV. zum Zaren gekrönt]]. Zum einen verdeutlichten die russischen Herrscher durch den Zarentitel, dass sie sich nun vollkommen von der tatarischen Oberherrschaft befreit hatten, und zum anderen zeigten sie, dass sie auch im Vergleich zum Westen etwas Neues, Eigenes geschaffen hatten und nicht dazu bereit waren, sich dem bestehenden europäischen Hierarchiesystem anzupassen. In der folgenden Periode griff das Zarentum Russland weit über die bisherige begrenzte Expansion zur Wiedererlangung der Gebiete der Rus hinaus und expandierte bis 1700 an den Pazifik im Osten. Die territoriale Ausdehnung vollzog sich nicht als geradliniger expansionistischer Prozess, sondern auch als Reaktion auf Versuche der Nachbarn, sich auf Kosten Russlands zu bereichern.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 106.</ref> Im Westen erlitt das Zarentum im Kampf um die Ostseeherrschaft Rückschläge und konnte erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert Territorialgewinne erreichen. Im Inneren erstarrte das gewachsene Reich, so dass gegen 1700 große Reformanstrengungen nötig waren, um dem Rückstand gegenüber den westlichen Teil des europäischen Kontinents aufzuholen. |
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=== Reformperiode und innerer Terror === |
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Mit [[Iwan IV. (Russland)|Iwan IV.]] folgte ein Herrscher, der gegenüber den Bojaren aufgrund der blutigen Auseinandersetzungen in seiner Kindheit ein starkes Misstrauen besaß. Daher sah er den [[Dienstadel]] und die Verwaltung als wichtige Stütze seiner Herrschaft gegen die Clans des [[Hochadel]]s. Iwan IV. verstand sich als uneingeschränkter Selbstherrscher und wollte mit Unterstützung der Kirche den blutigen Machtkampf der Bojaren beenden. Für seinen angestrebten außenpolitische Expansionskurs brauchte er eine stabile Herrschaft.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 147.</ref> Dazu begab er sich mit einem Beraterkreis und führte die Reformansätze seiner beiden Vorgänger den Erfordernissen eines Großreiches entsprechend fort. So drängten die innenpolitischen Reformen den Einfluss des Hochadels zurück bei gleichzeitiger Förderung des Dienstadels. |
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* 1550 wurde ein neuer Sudebnik in Kraft gesetzt das detaillierte Regelungen enthielt um die Missbrauchsgefahr zu verringern |
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* Bei der Verwaltungsreform wurde ein zentrales Besoldungssystem der Bediensteten eingerichtet und ersetzte das bisherige Selbstversorgungssystem, das zu vielen Auswüchsen führte. |
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* Die unabhängige Macht der bojarischen Statthalter, der [[Namestniki]] wurde gebrochen. |
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* den Städtern und den [[Schwarze Bauern|freien Bauern]] räumte Iwan IV. Wahlrechte im Bereich der örtlichen Selbstverwaltung ein |
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* eine Heeresreform verpflichtete nun auch den Erbadel zum Dienst |
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* die Länder des Erbadels wurden daraufhin überprüft, ob unrechtmäßige Besitzvermehrungen vorgekommen waren. In solchen Fällen wurden diese Ländereien eingezogen und dem Dienstadel verteilt, der insgesamt wirtschaftlich besser gestellt wurde und dadurch noch enger an Iwan IV. gebunden wurde.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 94.</ref> |
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Iwan IV. erkrankte 1553 schwer. Seine Nachfolgeregelung zugunsten seines noch unmündigen Sohnes wurde von den Bojaren nicht ohne weiteres akzeptiert. Dies stärkte sein Misstrauen und er witterte Verrat in den Reihen des hohen Adels. Der Tod ihm nahestehender Personen, die eine ausgleichende Wirkung auf den Zaren hatten, wie seine Frau [[Anastassija Romanowna Sacharjina]] 1560 und der Metropolit [[Makarij]] bewirkten ein übriges. Es zeigte sich die Schattenseiten einer uneingeschränkten Selbstherrschaft denn seine Herrschaft verwandelte sich zunehmend in eine terrorisierende. 1560 verbannte er einige seiner engsten Berater. Als ein Mitglied der Bojarenduma, [[Andrei Michailowitsch Kurbski]] 1564 zu den Litauern überlief leitete er Gegenmaßnahmen ein, die zur eigentlichen Terrorherrschaft führte und sich offen gegen die Aristokratie richtete. Ende 1564 zog sich Iwan IV. in eine Vorstadt zurück, trennte sich territorial und verwaltungsmäßig von seiner Herrschaft. Der Zar wollte Panik und Verwirrung stiften um das Volk gegen die Bojaren aufzubringen.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 98.</ref> Zu diesem Zweck sonderte er seit 1565 immer größere Gebiete des Landes als [[Opritschnina]] (das Abgesonderte) mit eigener Duma, eigener Verwaltung und eigenem Heer und zugleich einem besonderen Personenverband ab. Viele der Bojaren wurden umgebracht, zu Mönchen geschoren oder ausgesiedelt. Auf ihren Gütern setzte er eine neue Schicht von ihm ergebenen Dienstleuten, den [[Opritschniki]] an, die als Werkzeuge seiner Terrorherrschaft dienten. Schon bald wurden sie selbst als Verräter betrachtet. Sie denunzierten sich gegenseitig und wurden schließlich ebenfalls größtenteils ermordet. Die Absonderung eines Teils seines Territoriums hob Iwan IV. nun wieder auf und gab das Land an seine rechtmäßigen Besitzer zurück. Die Opritschnina hatte zur Folge, das der Dienstadel jetzt die mächtigste Schicht des Reichs war. Das alte Bojarentum war zerschlagen. |
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Der Aufstieg des Dienstadels vergrößerte den Druck auf die Dienstbauern. Bauern die sich nicht in die [[Gutshof|Gutswirtschaft]] restlos unterwerfen wollten flohen nun in großen Zahlen aus [[Zentralrussland]] nach Süden und suchten Schutz bei den [[Kosaken]] in dem herrschaftsfreien Raum zwischen Russen, Polen, Türken und Krimtataren (→ [[Wildes Feld]]). Weil die Zahl der Arbeitskräfte in den Kerngebieten des Reiches schnell schrumpfte und damit die Existenz des hier angesiedelten Dienstadels auf dem Spiel stand, wurden die Bauern auf die [[Scholle (Grund)|Scholle]] gebunden und ihr [[Abzugsrecht]] ausgesetzt.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 139.</ref> |
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=== Ausschaltung der Nachfolgekhanate im Süden und Osten und Eroberung Sibiriens === |
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[[Datei:KazanKhanate1500.png|miniatur|links|Kasan-Khanat um 1500]] |
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Der Machtzerfall der Goldenen Horde in Zentralrussland hatte die Position des Moskauer Großfürstentums gestärkt, aber die Tatarengefahr war noch nicht völlig gebannt. Noch besaßen die Tataren das mächtige [[Khanat Kasan]] an der mittleren Wolga und das [[Khanat Astrachan]] an der unteren Wolga, sowie das [[Krimkhanat]]. Die russische Diplomatie suchte geschickt durch eine Politik des Divide et Impera die Khanate gegeneinander auszuspielen. Zugleich sank die militärische Macht der Tataren, da sie von den militärischen Entwicklungen, wie z. B. dem europäischen Festungsbauwesen und der Artillerie unzureichenden Gebrauch machten. Unter solchen Umständen konnte Iwan IV. dank des in jahrzehntelangen Wirtschaftsblüte entstandenen wirtschaftlichen Potenzials eine neue imperiale Machtpolitik umsetzen.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 139.</ref> Die Wahl hierfür fiel auf das Tatarenkhanat Kasan, mit dem sich das Moskauer Reich seit dem 15. Jahrhundert [[Moskau-Kasan-Kriege|eine Reihe militärischer Auseinandersetzungen]] lieferte. Schon Großfürst Iwan III. hatte Kazan als sein Protektorat behandelt. Zweimal ist Zar Iwan IV. vergeblich gegen Kazan gezogen, die klimatischen und logistischen Probleme erwiesen sich als unüberwindlich. Erst der dritte Feldzug gelang mit der erfolgreichen Einnahme der Tatarenhauptstadt Kasan 1552. Damit leitete Zar Iwan IV. eine neue Phase der russischen Außenpolitik ein, die über das traditionelle [[Sammlung des Landes der Rus|Sammeln des Landes der Rus]] hinausgriff. Die Expansionspolitik zielte auf die Gewinnung des gesamten [[Wolgabecken]]s. Als 1556 [[Astrachan]], das Zentrum der [[Nogaier-Horde|Nogaischen Horde]] fiel, hatte das russische Zarentum den größten Teil des fruchtbaren Schwarzerdegürtels gewonnen und durch die Beseitigung der Flankenbedrohung vom Osten her in weiten Teilen der bäuerlichen Besiedlung geöffnet. Zudem wurde der Wolgahandelsweg auf seiner ganzen Länge gesichert. Damit wurde der Weg zur Kolonisierung [[Sibirien]]s offen.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 140.</ref> |
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[[Datei:Crimean Khanate 1600.gif|miniatur|links|Krim-Khanat um 1600 ([[Asow]] und die Städte an der Südküste der Krim gehörten unmittelbar zum Osmanischen Reich)]] |
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Der krimitatarische Herrscher [[Meñli I. Giray]] reagiert angesichts der russischen Erfolge und unterstellte sich dem osmanischen Sultan Mehmed II. Er erhielt für seine Abhängigkeit die Dienste osmanischer Hilfstruppen und Artillerie, wodurch er in die Offensive gehen konnte. Krimtatarische und osmanische Armeen forderten das [[Wolga]]-Gebiet für den Islam zurück und drangen gegen Moskau vor. 1571 gelang es einer kleinen Armee des Chans [[Devlet I. Giray]] die russischen Befestigungen unentdeckt zu umgehen und vor Moskau aufzutauchen. Die Vorstädte wurden in Brand gesteckt, woraufhin die ganze Stadt bis auf den [[Moskauer Kreml|Kreml]] niederbrannte. Zehntausende Menschen kamen um, weil die Stadt ohne Verteidigung geblieben war. Ein Jahr später kam der Chan mit einem wesentlich größeren Heer zurück, in der Hoffnung, das angeschlagene Russland endgültig niederzuwerfen. Er musste jedoch eine schwere Niederlage in der [[Schlacht bei Molodi]] hinnehmen, die die Bedrohung durch das Krimchanat in den folgenden Jahrhunderten beschränkte. Trotzdem hielten die Raubzüge und Verschleppungen von Menschen im südlichen Grenzland noch lange an. Dies war einer der Faktoren, die die Entwicklung des [[Kosaken]]tums als wehrhafter Bauern weiter förderte. Dennoch konnte das Khanat der Krim der wachsenden Macht Russlands immer weniger standhalten. Katharina II. tat im 18. Jahrhundert den letzten Schritt, indem sie das Khanat zunächst besetzte und dann eingliederte.<ref>Gavin Hambly: ''Zentralasien'' (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 138.</ref> |
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[[Datei:Surikov Pokoreniye Sibiri Yermakom.jpg|miniatur|[[Wassili Surikow]] „Jermaks Eroberung von Sibirien“]] |
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Das turktatarische [[Khanat Sibir]] näherte sich während des russisch-krimtatarischen Krieges politisch dem [[Krimkhanat]] an und griff russische Siedlungen im [[Ural]] an, die zum Besitz der einflussreichen Kaufmannsfamilie [[Stroganow]] gehörten. Daraufhin erhielt diese vom Zaren das Recht, eigene Truppen zum Schutz ihrer Ländereien aufzustellen und gegen die sibirischen Tataren vorzugehen. Zu diesem Zweck heuerten die Stroganows die im Steppenland zwischen [[Wolga]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]] lebenden [[Kosaken]] an. Unter ihrem Anführer [[Jermak Timofejewitsch]] unternahmen die Kosaken im Jahr 1582 mit knapp Tausend Mann, jedoch mit Musketen und Kanonen ausgestattet, einen [[Eroberung des Khanates Sibir|Feldzug gegen das Khanat Sibir]]. Die Unzufriedenheit kleinerer [[Finno-ugrische Völker|ugrischer]] Völker mit [[Kütschüm Khan]] geschickt ausnutzend, konnten sie unaufhaltsam vorrücken und seine Hauptstadt [[Qaschliq]] im Sturm erobern. Das nicht der Zar, sondern der Kosakenführer Jermak das Machtvakuum jenseits des Urals nutzte und das schwache Westsibirische Tatarenkhantat angriff, liegt in der militärischen Agonie begründet, die das russische Zarentum zu dieser Zeit durchlebte. Erst als der Staat gegen Ende des 16. Jahrhunderts neue Kraft schöpfte, konnte er, unter Zar [[Boris Godunow]] durch Entsendung von Truppen und Anlegung von Stützpunkten den Brückenkopf ausbauen (Gründung von [[Tjumen]] 1586, [[Tobolsk]] 1587) und 1598 durch die endgültige Eroberung des Khanats ganz Westsibirien sichern. Der russische Drang nach Osten begründet sich aus dem Bedürfnis des Staates, sich feste natürliche Grenzen im Osten zu verschaffen. Da auch in den folgenden Jahrhunderten das Machtvakuum an der Ostgrenze des Russischen Reiches erhalten blieb, stieß die russische Expansionsbewegung hier auf den geringsten Widerstand. |
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Die russische Ostsiedlung verlief im Wesentlichen unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit. Seit der Erwerbung des Khanats Sibir 1581, und mit der Gründung von [[Tomsk]] 1604 standen die großen Weiten Sibiriens der russischen Besiedlung offen. Träger der Besiedlung waren [[Kosaken]], eine Bevölkerung, die sich aus Bauern, die der Leibeigenschaft entflohen waren, und Tataren gebildet hatte und hier kolonisatorische und militärische Aufgaben als Wehrbauern übernahm. 1648 wurde der östliche Landzipfel Sibiriens erreicht (vgl. [[Russische Eroberung Sibiriens]]). |
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=== Beginn des Zeitalters der Nordischen Kriege === |
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[[Datei:Polacak, 1579.jpg|miniatur|[[Belagerung von Polazk]] 1579, zeitgenössische Illustrierung]] |
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Unmittelbar nach der Eroberung von Astrachan wendete Zar Iwan IV. seine außenpolitische Aufmerksamkeit der livländischen Frage zu. In Überschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des russischen Zarentums, riskierte Zar Iwan IV. einen Konflikt mit [[Polen-Litauen]] und [[Schweden]], der ihn in einen zermürbenden Krieg um die Beherrschung der Ostseeküstenregion hineinzog (''siehe:'' [[Livländischer Krieg]] 1558–1583). Konflikte um den die Ostseeherrschaft hatte es bereits früher zwischen Nowgorod, dem Deutschen Orden und Schweden gegeben. So erbte Moskau mit der Inkorporierung Nowgorods 1476 auch die Konflikte mit Schweden und dem Deutschen Orden. 1492 legte Iwan III. Russlands ersten Ostseehafen ([[Iwangorod (Russland)|Iwanograd]]) gegenüber der [[Narva (Stadt)|Ordensfestung Narwa]] an. Die Festung war auch gegen Schweden gerichtet, von dem Iwan III. Teile [[Karelien]]s forderte. Die Schweden schleiften jedoch nach russischen Angriffen 1496 Iwanograd, bevor im nächsten Jahr ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Auch der Deutsche Orden wollte Russlands auftauchen an der Ostsee nicht hinnehmen. Es kam von 1501 bis 1503 zu einem Krieg. |
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[[Datei:Gostinny Dvor.jpg|miniatur|befestigtes Handelszentrum in Archankelsk]] |
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Ziel war es, für das von den Meeren und dem Handel weitgehend isolierte Russland einen Zugang zur [[Ostsee]] zu gewinnen. Den Anlass gab die wachsende innerlivländische Uneinigkeit zwischen Kirchenfürsten, [[Livländischer Orden|Livländischem Orden]], Städten und [[Ritterschaft]], die leichte Beute versprach. Die anfänglichen Gebietsgewinne im Baltikum gingen jedoch bald wieder verloren, da [[Estland]] sich schwedischer und Livland litauischer Oberhoheit unterstellte. So musste Zar Iwan IV. sich gegen zwei neue Gegner stellen. Nach den Friedensschlüssen [[Vertrag von Jam Zapolski|mit Polen-Litauen 1582]] und [[Friede von Pljussa|Schweden 1583]] gingen alle Eroberungen verloren, ferner hatte Polen-Litauen seine Ostgrenze leicht nach Osten verschieben können und Schweden sicherte sich für ein Jahrhundert [[Ingermanland]] im Nordwesten, wodurch Russland von der Ostsee isoliert wurde. Der einzige Hafen, über den Russland jetzt noch Handel mit dem Westen treiben konnte, wurde das 1584 gegründete [[Archangelsk]]. Englische Kaufleute die einen eigenen Handelsweg nach [[China]] und [[Indien]] erkundeten hatten 1553 über eine Expedition über das [[Weißes Meer|Weiße Meer]] Kontakt mir Russland geknüpft. Daraufhin wurden Handelskontakte mit Russland vereinbart und die [[Muscovy Company]] gegründet. Sie erhielt 1554 das einträgliche Privileg des ausschließlichen Handels mit Russland. So fuhren in den nächsten Jahrhunderten regelmäßig Schiffe der Muscovy Company nach [[Archangelsk]]. Jeweils im Frühjahr fuhren die Handelsflottillen der Engländer in der Dwina-Mündung ein. Im Herbst stachen sie, nun mit Waren beladen, erneut in See. Die Engländer brachten Tuch, Zucker, Gewürze, Edelsteine, Waffen, Munition und Waren aus dem Mittelmeerraum nach Russland; und sie kauften Felle, Leder, Wachs, Hanf, Teer, Getreide, Kerzen und Holz. |
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=== Zeit der Wirren (Smuta) === |
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[[Datei:RussianEmpire1600.png|miniatur|links|Das Russische Zarentum um 1600]] |
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1584 starb Iwan IV. völlig ausgezehrt. Er hinterließ im Inneren ein zerrüttetes, im Äußeren ein ungefestigtes Land und einen geistig zurückgebliebenen Sohn [[Fjodor I. (Russland)|Fjodor I.]] auf den Thron, für den jedoch der Bojare [[Boris Godunow]] die Regierungsgeschäfte übernahm. Nach dem Tod Fjodors 1598 erlosch die jahrhundertealte [[Rurikiden]]-Dynastie, da Iwan der Schreckliche zuvor einen weiteren Sohn in einem Wutanfall tötete, während der andere später unter mysteriösen Umständen erstochen wurde. In den folgenden Dreißig Jahren zeigte sich, wie wenig gefestigt die Selbstherrschaft der Zaren war, obwohl die kommende Periode anfangs noch durch verhältnismäßig stabile Zustände gekennzeichnet war. Denn Boris Godunow ließ sich nun zum Zaren krönen. Er war ein begabter Herrscher, agierte aber sowohl gegen den Hochadel (der ihn als nicht rechtmäßig ansah), als auch gegen die Bauern (Festigung der [[Leibeigenschaft]]), sodass seine Position, zumal nach den schweren Hungersnöten von 1601 bis 1603, immer schwächer wurde. Als er 1605 starb, stürzte das Land in eine Zeit schwerer politischer Unruhen ([[Smuta|Zeit der Wirren]]). Schweden und Polen versuchten, die Wirren in Russland zu nutzen und zu intervenieren. Ein Abenteurer, der sich als [[Dmitri Iwanowitsch (Zarewitsch)|Zarewitsch Dmitri]] (der Sohn Iwans IV., der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war) ausgab ([[Pseudodimitri I.]]), konnte mit polnischer Unterstützung kurz den Zarenthron besteigen, er scheiterte aber an denselben Gegensätzen wie sein Vorgänger, zumal seine Reformversuche als polnisch inspiriert wahrgenommen wurden. Er wurde in einem Aufstand umgebracht, woraufhin die Situation in Russland allerdings nur noch instabiler wurde. Es gab nun einen Zaren der Bojarenpartei [[Wassili IV. (Russland)|Wassili Schuiski]], der von den Schweden und einen zweiten [[Pseudodimitri II.|falschen Dimitri]], der von Polen und Kosaken unterstützt wurde. Als die Polen im [[Polnisch-Russischer Krieg 1609–1618|Polnisch-Russischen Krieg von 1609 bis 1618]] im Jahr 1610 Moskau einnahmen, um nunmehr ihren König [[Sigismund III. Wasa|Sigismund Wasa]] zum Zaren zu machen, hielt ihre Herrschaft nur ein Jahr. Ein Volksaufstand, der von [[Kusma Minin]] und [[Dmitri Michailowitsch Poscharski|Dmitri Poscharski]] angeführt wurde, führte zur Befreiung Moskaus und zur Aufgabe der polnischen Herrschaft in Moskau. |
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[[Datei:Polish plan of Moscow 1610.PNG|miniatur|Polnischer Stadtplan von Moskau, 1610]] |
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Trotz des Sieges in Moskau standen noch immer die Schweden im Nordwesten Russlands. Der Schwedenkönig verlangte wiederum die Zarenkrone für den Prinzen [[Karl Filip von Schweden|Karl Filip]] als Austausch für Novgorod. Allerdings stand eine ausländische Thronfolge nicht mehr zur Debatte. Russland suchte einen ''nationalen, orthodoxen'' Zaren. So beschlossen die neu formierten russischen Landstände 1613 in Moskau, den 16-jährigen [[Michael I. (Russland)|Michael Romanow]], ein Kandidat des Dienstadels, zum russischen Zaren zu wählen. Der junge Mann schien als hinreichend schwacher Zar, von dem man keine tyrannische [[Autokratie]] befürchten musste.<ref>Lothar Rühl: ''Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches'', S. 138.</ref> Die durchführende Wahlversammlung, die sich als ganzes Land konstituierte, wurde durch fast alle sozialen Schichten und Gruppen mit Ausnahme der Unfreien und der herrschaftlichen Bauern vertreten.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 146.</ref> Zwar hatten gerade diese Gruppen<ref>Vertreter von 50 Städten, des Adels, von hohen Beamten, der Kirche und zum ersten Mal der russischen Kosaken; vgl. hierzu Lothar Rühl: ''Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches'', S. 137</ref> in den zweieinhalb Jahren des Interregnums von 1610 bis 1613 den Widerstand gegen die ausländische Intervention getragen und eine Verwaltung mühsam aufrechterhalten, aber Bedingungen wurden dem designierten Zaren Michail vor der Wahl nicht gestellt. Damit endete die Interregnumsphase im Russischen Zarenreich und die verbliebenen polnischen Truppen zogen sich an die polnische Grenze zurück. Mit diesem Ereignis ging die Smuta, die Zeit der Wirren, zu Ende. Der neue Zar begründete die Dynastie der [[Romanow]]s, die bis zur [[Oktoberrevolution]] in Russland herrschte. |
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Nach weiteren fünf Kriegsjahren wurde 1618 der [[Vertrag von Deulino]] unterzeichnet, in dem Polen-Litauen das Gebiet um Smolensk und [[Sewerien]] zugesprochen bekam, die das [[Großfürstentum Litauen]] im Vertrag von 1522 an Russland verloren hatte, außerdem wurde ein 14 1/2-jähriger Waffenstillstand beschlossen. Das Zarentum Russland erlangte durch diesen Vertrag die dringend benötigte Waffenruhe, die es benötigte, um sich im Innern regenerieren zu können. |
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=== Moskauer Tradition und Vorboten der Modernisierung === |
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Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts benötigte das Russische Zarentum um die Depression von 1560 bis 1620 zu überwinden. Die machtpolitische Zurückhaltung, die das erschöpfte Land sich Polen-Litauen gegenüber auferlegte,<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 160</ref> wurde nur [[Russisch-Polnischer Krieg 1632–1634|1632 bis 1634]] unterbrochen als man infolge eines polnischen Interregnums nach dem Tod des polnischen Königs Sigismund III. Wasa im Bund mit den Schweden Gustav Adolf die 1618 verlorenen Gebiete erfolglos zurückerobern wollte. |
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Das während der Zeit der ''Smuta'' entwickelte Ständische Bewusstsein ging 1622 nach dem Abflauen der Notstandssituation zugunsten der Anknüpfung an der alten Autokratie unter. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die Kirche, für die die zaristische Macht traditionell eine notwendige Ergänzung der eigenen geistlichen Autorität war. Der kleine und mittlere Dienstadel benötigte den Zaren wiederum als Schutz vor der mächtigen Hocharistokratie. Das russische Volk, das stark im Bewusstsein der Autokratie verwurzelt war, konzentrierte sich nach der chaotischen Zeit der Smuta auf Sicherheit und Wohlstand und hieß einen starken Helden, in der Person des Zaren, willkommen. |
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[[Datei:Sobornoe Ulozhenie.jpg|miniatur|Sobornoje Uloschenije, russ. Соборное уложение, die 1649 von Zar Alexei I. herausgegebene russische Gesetzessammlung]] |
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Der zweite Zaren aus dem Hause Romanow, [[Alexei I. (Russland)|Alexei I.]] schuf mit der Einrichtung des „[[Prikas]] für geheime Staatsangelegenheiten“ ein wichtiges Kontrollorgan, das ihn in die Lage versetzte, die Regierungsgewalt weitgehend selbstständig auszuüben. Seine Regierung ist durch verstärkte Unterdrückung der Bauern und Erhöhung der Steuerlasten gekennzeichnet, was ab 1648 zu Stadtaufständen führte (Moskau, Tomsk, Pskow und Nowgorod). Dadurch sah sich Alexei gezwungen, die Landesversammlung ([[Semski Sobor]]) einzuberufen und 1649 ein neues Reichsgesetzbuch, das [[Sobornoje Uloschenije]], zu erlassen, das die [[Leibeigenschaft]] zementierte. |
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Zar Alexei konnte durch geschicktes Taktieren den 1648 begonnenen [[Chmelnyzkyj-Aufstand]] für sich ausnutzen und übernahm 1654 mit dem [[Vertrag von Perejaslaw]] die Schutzherrschaft über das ukrainische [[Hetmanat]]. Im daraufhin beginnenden [[Russisch-Polnischer Krieg 1654–1667|Russisch-Polnischen Krieg 1654–1667]] konnten [[Kaiserlich Russische Armee|russische Truppen]] 1654 [[Smolensk]] erobern. Nach weiteren russischen Erfolgen im folgenden Jahr griff Schweden in den Krieg ein und Russland konnte das gesamte [[Großfürstentum Litauen]] an sich bringen. Ende 1655 schloss Russland mit Polen einen Waffenstillstand und wandte sich gegen Schweden (→ [[Russisch-Schwedischer Krieg 1656–1658]]). Nachdem der neue Hetman Iwan Wyhowski sich 1658 mit dem [[Vertrag von Hadjatsch]] auf die Seite Polen-Litauens gestellt hatte, einigte sich Russland mit Schweden auf den [[Friede von Kardis#Waffenstillstand von Valiesar|Waffenstillstand von Valiesar]] (1658). Der nunmehr wiederaufgenommene Krieg gegen Polen verlief wechselhaft (Litauen ging wieder verloren), letztlich konnte sich Russland aber 1667 im [[Vertrag von Andrussowo|Friede von Andrussowo]] Smolensk, Kiew und die Ostukraine sichern. In östlicher Richtung erweiterte Zar Alexei sein Reich mit der Eroberung [[Ostsibirien]]s bis an die Grenze [[China]]s. |
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1658 überwarf sich Alexei mit dem Patriarchen [[Nikon (Patriarch)|Nikon]] über der Frage der von diesem eingeleiteten kirchlichen Reformen, der Sitz des Patriarchen blieb danach für acht Jahre unbesetzt. Der Konflikt führte 1666 zur Spaltung der [[Russisch-orthodoxe Kirche|russisch-orthodoxen Kirche]]. Die sogenannten [[Altorthodoxe|Altgläubigen]] weigerten sich, den neuen Ritus anzunehmen und wurden daraufhin vom Staat verfolgt, so dass es zu einer erheblichen Auswanderungswelle ins [[Baltikum]], ins [[Donau]]-Delta und über den [[Ural]] kam. Währenddessen hatte sich 1662 die Moskauer Bevölkerung erneut zum Aufstand erhoben. Der Kampf der unterdrückten Bauern entlud sich schließlich im [[Rasinscher Aufstand|Rasinschen Aufstand]] unter [[Stenka Rasin|Stepan Rasin]] von 1670/71, der allerdings rasch niedergeworfen wurde. 1676 konnte zusammen mit den Ukrainern eine massive [[Russisch-Türkischer Krieg (1676–1681)|türkische Aggression]] abgewehrt werden. Das internationale Ansehen in seiner Regierungszeit war beträchtlich gestiegen. |
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Als Alexei starb, wurde sein 16-jähriger Sohn [[Fjodor III.]] sein Nachfolger. Fjodor III. war sowohl religiös wie auch dem Westen sehr zugeneigt. In seiner Regierungszeit wurden daher viele Reformen begonnen, jedoch konnten die meisten davon aufgrund seiner kurzen Regentschaft nicht zu Ende gebracht werden. Die wichtigste Reform war die Abschaffung der Rangplatzordnung beim [[Kaiserlich Russische Armee|Militär]] ([[Mestnitschestwo]]). Weitere Reformen stärkten die Zentralisierung des Staatsapparats und drängten den Einfluss des Patriarchen zurück, den dieser auf die Staatsgeschäfte ausübte. Zugleich hatten die Reformen eine Verschlechterung der sozialen Lage der unteren Volksschichten zur Folge, die zum [[Moskauer Aufstand 1682|Moskauer Aufstand von 1682]] führte. |
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[[Datei:RussianEmpire1700.png|miniatur|links|Das russische Reich um 1700]] |
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Ein behindernder Umstand der Reformen war, dass sich Russland fast die ganze Zeit über mit dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] [[Russisch-Türkischer Krieg (1676–1681)|im Krieg]] befand, der erst 1681 mit dem für Russland vorteilhaften [[Vertrag von Bachtschissarai|Frieden von Bachtschissarai]] beendet wurde. Fjodor III. litt an [[Skorbut]] und starb bereits 1682, ohne einen Sohn als Nachfolger zu hinterlassen. Die Regentschaft übernahm Fjodors Schwester [[Sofia Alexejewna (Russland)|Sophia Alexejewna]]. Die [[Krimfeldzüge|Feldzüge gegen das Krimkhanat]], die die Regentin und Golizyn in den Jahren 1687 und 1689 unternahmen, blieben jedoch erfolglos und führten schließlich zu ihrem Sturz Anfang August 1689. |
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Die Kriegsniederlagen führten dazu, dass das Ansehen von Peter I. zunahm; sein politisches Engagement wuchs und die Beliebtheit in der russischen Bevölkerung nahm stetig zu. Mit der heranstehenden Volljährigkeit Peters wurde für Sofia die Gefahr der Absetzung immer deutlicher und sie plante mit ihren Verbündeten einen Anschlag auf Peter. Dessen Agenten hatte dieses Attentat frühzeitig erkannt und Peter konnte sich durch Flucht entziehen. Den Sieg um die Auseinandersetzungen um den Thron errang schließlich die Partei Peters I., die Sofia ins [[Nowodewitschi-Kloster]] bei Moskau verbannte. |
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=== Petrinische Reformen === |
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{{Hauptartikel|Petrinische Reformen}} |
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[[Datei:Deutsche Vorstadt.jpg|miniatur|Zeitgenössische Darstellung der ''Nemezkaja sloboda'', der Ausländersiedlung im Nordosten Moskaus]] |
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Zar [[Peter I. (Russland)|Peter I.]], der seit 1689 die Regierungsgeschäfte führte, gab dem russischen Staat eine neue Prägung. Er verhalf dem in Teilen noch mittelalterlich geprägten Russland zur dauerhaften Integrierung in die westeuropäische Staatenwelt. Russland lag technologisch zu dem Zeitpunkt hinter den meisten Staaten Westeuropas zurück. Dazu beigetragen hatte die Abschirmungspolitik des Staatsapparates und der Kirche, die nur da Lücken bot, wo man den Westen benötigte.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 174.</ref> Auch griff der Moskauer Staat im Falle kriegerischer Gefahr noch auf [[Adelsaufgebot|Adelsaufgebote]] zurück und war zudem wegen seiner schwachen Finanzkraft nicht in der Lage, den Schutz des riesigen, nur unzureichend erschlossenen Territoriums überall erfolgreich zu übernehmen.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 177.</ref> |
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Der junge Herrscher hatte sich durch Aufenthalte in der Moskauer Ausländer-Vorstadt, der [[Nemezkaja sloboda]], und seine Aufenthalte während seiner ersten großen Auslandsreise, der sogenannten [[Große Gesandtschaft|Großen Gesandtschaft]] in den Niederlanden und England vom März 1697 bis August 1698 ein genaues Bild von Westeuropa, seinem Wissen und seiner Technik gemacht. Der neue Zar begann nun den Umbau des alten Russlands und seiner Institutionen nach modernem Vorbild. Übergeordneter Zweck war es, das Steueraufkommen zu vermehren, um das Heer zu vergrößern. Da es anfangs kein geplantes Vorgehen gab, kam es zu häufigen Abbrüchen bereits begonnener innerer Reformen oder zu kompletten Verwerfungen von Neuansätzen. Die seit 1696 fast ununterbrochenen Kriege gegen das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]] und [[Schweden]] sollten den Verlauf, die Ausrichtung und die Durchführung der Reformpakete zusätzlich beeinflussen. |
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[[Datei:Kaiser Peter I. der Große bei der Arbeit.jpg|miniatur|Peter I. der Große bei der Arbeit<br />''Historiengemälde von Vassily Petrovich Khudoyarov'']] |
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Die Reformen begannen und vollzogen sich ohne eine Gesamtkonzeption auf allen Feldern, wobei nicht nur finanzielle oder militärische, sondern auch Kulturelle und Bildungsaspekte eine bedeutende Rolle spielten. Die petrinischen Reformen brachen mit den altrussischen Traditionen und trugen zur Modernisierung des Russischen Reiches bei, welches letztlich zur Großmachtstellung Russlands im 18. Jahrhundert führte. Nachfolgend findet sich eine Übersicht über die in Angriff genommenen Reformen: |
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* Verwaltung und Staatsaufbau: Reformen setzten eine fähige Bürokratie voraus. Die vorhandenen Administrationsorgane waren dafür ungenügend. Überhastete Anfangsreformen in diesem Bereich wurden nach der Schlacht von Poltawa sorgfältiger ausgearbeitet. Vielfach entwarfen ausländische Fachkräfte und Gelehrte die Reglements. Die Gouvernementsreformen von 1708 und 1719 teilten das Reich in acht, dann elf [[Gouvernement]]s ein. 1711 wurde in einem [[Ukas]] der ''Senat'' als höchste Zentralbehörde gegründet. Diese hatte anfangs die Funktion einer Stellvertretung des Zaren inne. Zudem sollte der aus neun Männern bestehende Senat das Justizwesen leiten und die Innenpolitik überschauen. Auch wirkte der Senat bei der Gesetzgebung mit. Die zweite Phase der Umgestaltung der Zentralbehörden leitete der Ukas vom 15. Dezember 1717 ein, bei der die ersten Kollegien<ref>Auswärtiges, Staatskontor, Admiralität, Kammer-, Kommerz-, Justiz-, Revisions-, Kriegs- sowie das Berg- und Manufakturkollegium. Siehe dazu Christoph Schmidt: ''Russische Geschichte 1547–1917'', S. 35.</ref> eingerichtet wurden, die die Vorläufer der späteren Ministerien waren. |
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[[Datei:Makhayev, Kachalov - View of Neva Downstream between Winter Palace and Academy of Sciences 1753.jpg|miniatur|Das neuerbaute Sankt Petersburg und Newa<br />''Kupferstich von Joseph Valeriani und Michail Iwanowitsch Machajew, 1753''<br /><br /> |
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Die neue Hauptstadt galt im russischen Volk als Symbol des fremden und unverständlichen Neuen. Die ablehnende Haltung wurde hervorgerufen durch die großen Opfer, die der Bau der Stadt forderte, und durch die Anwendung von Zwangsmitteln bei der [[Peuplierung]] der Stadt.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 186.</ref>]] |
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* Hauptstadt: Um mit den Moskauer Traditionen zu brechen bedurfte es eines bedeutenden Signals. Dieses Signal bot sich an, nachdem russische Truppen am 1. Mai 1703 bis zur Newa-Mündung vorgestoßen waren. Der Zar ließ nun nach eigenem Plan ab dem 16. Mai die [[Peter-und-Paul-Festung]] errichten mit dem Ziel, ein dauerhaftes „Fenster zum Westen“ zu etablieren und damit die Öffnung für die Modernisierung deutlich zu machen. Im November traf das erste holländische Handelsschiff ein, zugleich entstand die erste russische Waren- und Wechselbörse. In den folgenden Jahren wurde der Ausbau [[Sankt Petersburg]]s vorangetrieben. Dafür beorderte Peter I. für die Sommermonate 24.000 Arbeitskräfte in die Sümpfe des Mündungsdeltas der [[Newa]]. Seit 1708 stieg die Zahl auf bis zu 40.000.<ref>Christoph Schmidt: ''Russische Geschichte 1547–1917'', S. 33.</ref> Es kam zu Unruhen, vor allem in Südrussland. 1712 wurde die Regierung von Moskau nach St. Petersburg verlegt. Um die neue zentrale Rolle der Stadt als ''Fenster nach Westen'' zu fördern, erzwang Zar Peter I. seit 1720 die Umleitung fast des gesamten russischen Außenhandels vom bis dato bedeutendsten russischen Außenhandelshafen [[Archangelsk]] nach St. Petersburg. |
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* Kirche: Nach dem Tod des Patriarchen [[Adrian I.]] 1700 war der Posten des kirchlichen Oberhauptes der orthodoxen russischen Kirche vakant geblieben. In der Kirchenreform von 1721 wurde die Kirche in Russland endgültig dem Staat untergeordnet.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 185.</ref> |
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* Wirtschaft: Peters Streben nach erhöhter Kriegsmacht setzte eine wirtschaftliche Unabhängigkeit voraus. Das Heer und die neu entstandene [[Kaiserlich Russische Marine|russische Marine]] mussten mit Waffen, Ausrüstungen und einheitlichen Uniformen versorgt werden. Der Zar gestattete daher den Angehörigen aller Stände, Adeligen, Kaufleute, Handwerkern und Bauern, Fabriken aller Art zugründen. Seit 1709 nahmen russische Eisenwerke im [[Ural]], in [[Tula]] und anderswo ihre Produktion auf. Beim Aufbau der neuen Industrien ergab sich aber sehr bald ein spürbarer Mangel an Arbeitskräften, so dass durch den Zaren die Kategorie der sogenannten [[Possessionsbauer]]n schuf, die sowohl den Boden zu bewirtschaften als auch in den Manufakturen zu arbeiten hatten. |
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* Finanzen: Um die Besteuerung zu rationalisieren, wurde 1718 die [[Kopfsteuer]] eingeführt, wonach allen männlichen Landbewohnern gleichmäßig die gesamte Steuerlast eines Dorfes aufgebürdet werden sollte. Eigentlich als Erleichterung für die Bauern gedacht, hatte sich durch die ständigen Finanzforderungen des Zaren die Lage der Bauern erheblich verschlechtert.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 198.</ref> |
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[[Datei:Schnipp Schnapp Bart ab.jpg|miniatur|Peter erhob auf die Bärte seiner Untertanen eine Steuer. Steuerverweigerern wurde der Bart gewaltsam entfernt<br />''Zeitgenössischer Holzstich'']] |
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* Gesellschaft: In allen Bevölkerungsschichten gab es Widerstand gegen die Reformpolitik, der sich in Volksaufständen äußerte, die wiederum niedergeschlagen wurden. Dass die drückende Steuerlast, die [[Scholle (Grund)|Schollenbindung]] und Leibeigenschaft der Bauern Hauptursachen für die nur langsamen Fortschritte im Russischen Reich waren, wurde von Zar Peter I. nicht gesehen.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Die russischen Zaren. 1547–1917'', S. 175.</ref> Zu den Oppositionskräften der von oben diktierten Reformpolitik zählte neben der Kirche, die sich durch den Bruch mit den Traditionen provoziert sah, auch der Adel, der sich bei der Ämterbesetzung übergangen fühlte. 1722 wurde im Zuge der ''Adelsreform'' eine [[Rangtabelle]] eingeführt. Sie ermöglichte den unmittelbaren Vergleich ziviler und militärischer Dienstgrade, brach die Vormachtstellung des alten Erbadels, der [[Bojaren]], und schuf einen von der Krone abhängigen Dienstadel. Nur ein Drittel des Adels durfte sich dem Zivildienst widmen; das Militärische genoss Vorrang.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 183.</ref> |
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* Bildung: Bei der Verwirklichung seiner Reformabsichten – die ihn insbesondere bei seinen kürzeren Auslandsaufenthalten im Heiligen Römischen Reich 1711 und 1712/3 geprägt hatten – bediente sich der Zar vor allem der deutschen Frühaufklärung, die in Russland im 18. Jahrhundert zur vorherrschenden Denkrichtung werden sollte<ref>Hans-Joachim Torke: ''Die russischen Zaren. 1547–1917'', S. 170</ref>. Insbesondere die ersten bedeutenden russischen Wissenschaftler [[Wassili Nikititsch Tatischtschew]], [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow]] und [[Wassili Kirillowitsch Trediakowski]] waren von deutschen Gelehrten wie [[Leibniz]] und [[Wolff]] beeinflusst. Der Zar erließ zahlreichen Erlasse, durch die Schulen verschiedenster Typen gegründet wurden. Dennoch blieb das weltliche Schulwesen im Argen, weil es an Geld und Lehrern fehlte. Ein weiteres Projekt war die Etablierung einer [[Russische Akademie der Wissenschaften]], die im Dezember 1725 gegründet wurde. In enger Verbindung mit der Akademiegründung stand die von ihm befohlene Erkundung seines Reiches. Die von Peter I. inspirierten Forschungsexpeditionen bis in den [[Ferner Osten|Fernen Osten]], wie z. B. die [[Zweite Kamtschatkaexpedition|Expeditionen Berings]], vermittelten der russischen Wissenschaft wichtige Impulse und förderten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Reiches.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Die russischen Zaren. 1547–1917'', S. 172.</ref> |
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* Kultur: Peter hatte den Eindruck, dass zu sehr an althergebrachten Traditionen festgehalten werde. In seiner Meinung bestärkten ihn Eindrücke, die er auf seiner Reise ins westliche Europa gewonnen hatte. Unter anderem waren wallende Vollbärte in den von ihm besuchten Ländern eher selten zu sehen und auch die Kleidung der bereisten Länder erschien ihm funktioneller, als die Gewänder seiner Untertanen. Er nahm sich daher vor, dies in seinem Reich zu ändern. Peter brachte am 5. September 1698 einen [[Ukas]] heraus,<ref>[http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/dossier/heute-vor--september08/-310-Jahren-Peter-der-Grosse-verbietet-Baerte/story/27944570 ''Tagesanzeiger'' vom 5. September 2008: ''Peter der Grosse verbietet Bärte''], abgefragt am 10. Juli 2009</ref> der Männer, ausgenommen Geistliche und tendenziell Bauern,<ref>[http://books.google.de/books?id=85MEAAAAYAAJ&pg=PA94&dq=Bartsteuer+Peter+-Wikipedia&lr=lang_de&as_brr=3 Wilhelm Binder: ''Peter der Grosse Alexjewitsch und seine Zeit'', Seite 94. Reutlingen 1844], abgefragt am 10. Juli 2009</ref> anhielt, sich ihren Vollbart abzurasieren. Doch Widerstände von Betroffenen blieben. Daraufhin belegte er Vollbartträger mit einer Abgabe, die 1701 und 1705 vom Zaren erneut angeordnet wurde. Bauern, die in eine Stadt kamen, mussten die Abgabe bezahlen, wollten sie ihren Bart behalten.<ref>[http://books.google.de/books?id=ru8GAAAAcAAJ&pg=PA319&dq=Abgabe+Bart&lr=&as_brr=3 Th. B. Welter: Lehrbuch der Weltgeschichte für Schulen, Seite 319. Münster 1861], abgefragt am 11. Juli 2009</ref> |
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* Militär: Durch ausländische Berater wie [[Patrick Gordon]], [[François Le Fort]] und andere wurden die Grundlagen einer modernen Armee nach westeuropäischem Vorbild geschaffen. Als Initialzündung für die grundlegende Reformierung erwies sich die Katastrophe infolge der [[Schlacht bei Narva]] im [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] im Jahr 1700, bei der sich die [[Kaiserlich Russische Armee|russische Armee]] als deutlich unterlegen gegenüber einer viel kleineren schwedischen Streitmacht erwies. |
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=== Russland als neue Nordische Großmacht === |
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[[Datei:Azov.jpg|miniatur|links|Eroberung von Asow durch Peter den Großen<br />'' Adriaan Schoonebeck, 1699'']] |
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In der Außenpolitik richtete der Zar seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Südgrenze Russlands. Als Teil des [[Großer Türkenkrieg|Großen Türkenkrieges]] wurde im Oktober 1696 die osmanische Festung [[Asow]] am Schwarzen Meer nach einjähriger Belagerung erobert. Russland konnte aber ohne eine eigene Flotte, die in der Lage war, das Schwarze Meer zu beherrschen, nicht selbstständig gegen die [[Hohe Pforte]] vorgehen. Dem Aufbau einer modernen Flotte, mit dessen Problematik sich der Zar bereits in England und Holland vertraut gemacht hatte, widmete der Zar einen großen Teil seiner Kraft. Jedoch verzögerte der neue Krieg gegen Schweden den Kampf um das Schwarze Meer. Stattdessen ging es nun um den Zugang zur Ostsee und seine Beherrschung. |
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Im [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]], vom Zaren dem schwedischen König [[Karl XII.]] im August 1700 erklärt, erlitten Russland und seine Verbündeten zunächst schwere Rückschläge. In der [[Schlacht bei Narva]] am 19./30. November 1700 wurde die [[Kaiserlich Russische Armee|russische Armee]] vom Schwedenkönig Karl XII. vernichtet. Dieser wandte sich anschließend wieder nach Polen, während Zar Peter in der Zwischenzeit die russische Armee von Grund auf modernisierte. Karl XII. hatte in der Zwischenzeit August II. geschlagen und am 24. September 1706 einen Siegfrieden geschlossen. Nun wandte er sich erneut Russland zu und begann 1708 einen Feldzug gegen Moskau. In der [[Schlacht von Poltawa]] am 27. Juni/8. Juli 1709 konnte Peter einen entscheidenden Sieg über das schwedische Heer erringen, der die Wende des Krieges bedeutete. |
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Dass auch die russische Macht an ihre Grenzen stieß, wurde 1711 sichtbar, als bei einem erneuten Krieg gegen das Osmanische Reich Zar Peter I. im Juli mitsamt seiner 38.000 Mann zählenden Armee<ref>Hans-Joachim Torke: ''Die russischen Zaren. 1547–1917'', S. 165.</ref> am [[Prut]] in Gefangenschaft geriet, jedoch nach zwei Tagen unter Verzicht von Asow und der russischen Asow-Flotte überraschend freigelassen wurde. Nachdem Russland das bis dato schwedische [[Livland]] und [[Estland]] erobert hatte, löste es – als neuer Ostseeanrainer – im Ergebnis des [[Frieden von Nystad]] 1721 Schweden als vorherrschende Ostseegroßmacht ab. Zudem wurde das nach dem Frieden von Zar Peter ''Imperiale'' ernannte Russische Reich von nun an wieder in die allgemeine europäische Geschichte verwickelt und ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 180.</ref> Dennoch hatte der Nordische Krieg dem russischen Volk das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 181.</ref> |
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== Russisches Kaiserreich (1721–1917)== |
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{{Hauptartikel|Russisches Kaiserreich}} |
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Zar [[Peter I. (Russland)|Peter I.]] („Peter der Große“) nahm am 20. Oktober 1721 den Titel ''„Imperator und Selbstherrscher ([[Autokrat]]) aller Russen – Zar zu Moskau, Kiew, Wladimir, Nowgorod, Kasan und Astrachan“''<ref>[[Rudolf Grulich]]: ''[http://media5.kathmedia.at/document/4661.doc Kaiser Karl I. – Der letzte katholische Kaiser der Geschichte]''</ref> |
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bzw. ''„Kaiser aller [[Reußen (Volksstamm)|Reußen]]“'' an und machte einen Monat später am 21. November die Titulatur als „Kaiserliche Majestät“ (''Imperatorskoje Welitschestwo'') bekannt<ref>Arthur Kleinschmidt: ''Drei Jahrhunderte russischer Geschichte'', S. 37</ref>. Auslöser für die Einführung des russischen Kaisertums war die durch den Sieg über die [[Geschichte Schwedens#Schweden als Großmacht|Großmacht Schweden]] im [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] erlangte Vormachtstellung Russlands in [[Osteuropa|Ost-]] und [[Nordeuropa]] sowie Peters I. vorausgegangene allgemeine Bestrebungen zur Reformierung des russischen [[Staat]]swesen nach westeuropäischem Vorbild, dem die Gleichstellung des Russischen Reiches im europäischen Machtgefüge durch den neuen Titel folgen sollte. |
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Aufgrund des Rechtsakts von 1721 durch den ''allrussischen Kaiser'' (''{{lang|ru-Latn|imperator wserossijskij}}'')<ref>Klaus Zernack: ''Handbuch der Geschichte Russlands'', Bd. 2, 1613–1856, S. 352</ref> [[Peter I. (Russland)|Peter dem Großen]] änderte sich die offizielle Bezeichnung des russischen Reiches. Der Terminus ''{{lang|ru-Latn|imperija}}'' („[[Weltreich|Imperium]]“) löste den bislang benutzten Begriff ''{{lang|ru-Latn|zarstwo}}'' („[[Reich (Territorium)|Reich]], [[Zarentum Russland|Zartum]]“<ref>Birgit Scholz: ''Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft. Die Warägerfrage in der russischen, deutschen und schwedischen Historiographie'', S. 24</ref>) ab<ref>Reinhard Wittram: ''Das russische Imperium und sein Gestaltwandel'' (HZ 187), S. 568–593, hier S. 569</ref>. Im amtlichen Sprachgebrauch ersetzte die bis dahin nur gelegentlich verwendete [[Hellenisierung|hellenisierte]] Form ''Rossija'' nun endgültig sowohl das Wort [[Rus]] als auch den Zweitnamen [[Moskowien]]<ref>Carsten Goehrke: ''Russland'', S. 15.</ref>. |
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg das Kaiserreich zur Kontinentalmacht auf; am Beginn des 19. Jahrhunderts avancierte [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] zum „Retter Europas“ vor Napoleon. Die Expansion und internationale Geltung standen im Gegensatz zu den strukturellen Problemen des Reiches. Die starre Sozialverfassung in Form der Leibeigenschaft war für sich selbst als aufgeklärt empfindende Herrscher wie die Katharina II. und Alexander I. eine Herausforderung, an der sie scheiterten, während Nikolaus der I. gerade in dem Erhalt der Sozialverfassung die Stärke Russland sah und mit dieser Vision im Krimkrieg scheiterte. |
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=== Fortführung seines Werkes === |
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Die [[Krönung der russischen Zaren und Kaiser#Kaiserkrönungen im Russischen Kaiserreich 1721 bis 1896|Proklamation Peters I. zum Kaiser]] erregte in der europäischen Öffentlichkeit großes Aufsehen und wurde von den Regierungen der meisten Staaten als Provokation empfunden. Es war schwer für die russische [[Diplomatie]], die internationale Anerkennung der neuen Herrschertitulatur zu erreichen. |
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Nach dem Tod Peters 1725 folgte ihm seine Frau [[Katharina I. (Russland)|Katharina I.]] auf den Thron. Sie stand unter dem Einfluss von [[Alexander Danilowitsch Menschikow]], dem sie die Regierungsgeschäfte praktisch uneingeschränkt überließ. Doch schon zwei Jahre nach ihrem Regierungsantritt starb Katharina. Ihr Nachfolger wurde der Enkel Peters des Großen, [[Peter II. (Russland)|Peter II.]], der Menschikow schon bald entmachtete und seinen Hof nach [[Moskau]] verlegte. Doch auch Peter starb schon bald nach seinem Regierungsantritt an den Pocken ohne einen Erben zu hinterlassen. Nach seinem Tod wurde der Hof erneut nach St. Petersburg verlegt. |
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Seine Nachfolgerin als Zarin wurde seine Tante, [[Anna (Russland)|Anna Iwanowna]]. Sie bremste viele Reformen Peters des Großen, die zu diesem Zeitpunkt noch wirksam waren. Das Geld wurde der Förderung von Bildung und anderen Unternehmungen entzogen und für aufwändige und verschwenderische Hofzeremonien ausgegeben. Die Persienfrage, ein Konfliktherd gegenüber England und Österreich wurde zunächst entschärft, indem Russland nicht weiter darauf drängte, am Kaspischen Meer und Kaukasus zu expandieren. Russland zog sich sogar aus Gebieten zurück, die unter Peter I. erobert wurden. Dafür konnte ein Bündnis mit [[Iran|Persien]] gegen das Osmanische Reich abgeschlossen und Handelsvorteile erzielt werden. Auch gegenüber China gelang nach dem [[Vertrag von Kjachta]] 1727 eine Ausweitung des Handels. Durch verschiedene Expeditionen setzte man die Erkundung des Fernen Ostens fort. Mit der Erschließung [[Kamtschatka]]s wurde begonnen und 1731 ein Aufstand der dortigen Einheimischen niedergeworfen. Unter Kontrolle geriet schließlich auch [[Kasachstan]]. Bis 1740 stellten sich die dortigen Khane unter den Schutz des russischen Kaisers. Eine formelle Eingliederung in das Russische Kaiserreich erfolgte allerdings noch nicht gleich. In der Westpolitik versuchte die russische Diplomatie nach 1725 defensiv zu handeln um in den Bündnissen mit Österreich und Frankreich die neu gewonnene Stellung an der Ostsee und in Polen zu halten. Bis zum Beginn der 1730er Jahre bildete sich dabei ein Verständigungssystem heraus, das auf einem Bündnis mit Österreich und Preußen sowie auf einem Ausgleich mit England beruhte. Eine erste Krise des Systems brach 1733 im Konflikt auf die Nachfolge August II. auf dem polnischen Thron aus. Frankreich versuchte seinen Favoriten [[Stanislaw Leszczynski]] durchzusetzen. Die [[Allianz der drei Schwarzen Adler]] bestehend aus Russland, Österreich und Preußen versuchte einen sächsischen Kandidaten durchzusetzen. Der [[Polnischer Erbfolgekrieg|Polnische Erbfolgekrieg]] sorgten vor allem russische Truppen bis 1736 für den Sieg des sächsischen Kandidaten [[August III. (Polen)|August III]]. Als Kriegsgewinn kam [[Kurland]], auf das eigentlich Preußen abgezielt hatte, unter russischen Einfluss. |
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[[Datei:Ministers Cabinet of of Empress Anna Ivanovna.PNG|miniatur|Kabinett Annas]] |
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Als der Sieg in Polen feststand, fiel 1735 die Entscheidung zum Krieg gegen das Osmanische Reich. Begründet wurde das weitere Vordringen Russlands am Kaukasus und am Schwarzen Meer, um sich handelspolitische und strategische Vorteile zu verschaffen. Zu dem Krieg drängte vor allem [[Burkhard Christoph von Münnich]], ein Oldenburger der besonders in der Orientpolitik an Einfluss gewonnen hatte. Unter Anna hatten viele [[Deutsche]] einen erheblichen Einfluss im russischen Staat gewonnen, darunter [[Ernst Johann von Biron]] und [[Heinrich Johann Friedrich Ostermann|Heinrich Johann Ostermann]]. Die führte zu Vorwürfen an Anna, unter ihr herrsche die [[Deutsche Partei (Russland)|deutsche Partei]]. Dieses Bild ist jedoch zu einfach. Die Mehrzahl der höchsten Stellen wurde durchaus von Russen besetzt, die keineswegs im Gegensatz zu den Deutschen standen. Diese Entwicklung wurde vor allem durch den Herrschaftsstil Annas begünstigt, die sich ein persönliches Beratungsgremium einrichtete und den einst mächtigen [[Regierender Senat|Regierenden Senat]] zur politischen Bedeutungslosigkeit verurteilte. Seit 1735 verzichtete die Kaiserin aber zunehmend auf ihre eigenhändige Unterschrift. Dies führte zu einer zunehmenden Günstlingswirtschaft unter ihren Favoriten Ernst Johann Biron. Der [[Russisch-Österreichischer Türkenkrieg (1736–1739)#Militärischer Verlauf|Russisch-Österreichische Türkenkrieg]] nahm militärisch einen wesentlich ungünstigeren Verlauf als erwartet. Im [[Frieden von Belgrad]] musste Russland 1739 fast alle Eroberungen die es gemacht hatte wieder herausgeben. Die Folgen zeigten sich sofort im Westen und im Norden, als die Schweden unter Ausnutzung der russischen Schwäche Bündnisverträge mit dem Osmanischen Reich und Frankreich schlossen. Der Erste Schlesische Krieg von 1740 bis 1742 im Rahmen des Österreichischen Erbfolgekrieges brachte weitere Nachteile Russlands. Preußen und Österreich standen sich nun feindlich gegenüber und Frankreich näherte sich Preußen an und gewann damit weiteren außenpolitischen Spielraum. Als Anna 1740 starb, wurde von Biron kurzzeitig Regent für den erst zwei Monate alten [[Iwan VI. (Russland)|Iwan VI.]], einen Großneffen Annas. Bald schickte man ihn jedoch in die Verbannung. Münnich, dann nochmal Ostermann gelangten zu neuer Macht. |
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[[Datei:Eliabeth lanceret.jpg|miniatur|Elisabeth I. in [[Zarskoje Selo]], Gemälde von [[Eugene Lanceray]]]] |
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1741 stürzte schließlich die Tochter Peters des Großen [[Elisabeth (Russland)|Elisabeth Petrowna]], mit Hilfe der Garde, die bisher herrschende Hofpartei. Da diese in der Öffentlichkeit mit verhassten Ausländern identifiziert wurde, galt der Umsturz beinahe als nationalrussische Revolution. Ostermann und Münich wurden verbannt, Iwan VI. inhaftiert und später bei einem Befreiungsversuch getötet. Die Regierungszeit Elisabeths war weniger von spektakulären Erfolgen geprägt, galt aber insgesamt also positiv mit soliden Fortschritten für Russland. Kaiserin Elisabeth nahm nach ihren Staatsstreich einen Kurswechsel auf die Seite Frankreichs vor, das sie unterstützt hatte. Mit dieser Rückendeckung führte sie [[Russisch-Schwedischer Krieg (1741–1743)|1742–1743 einen siegreichen Krieg gegen Schweden]].<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 180–185.</ref> Die Regierungszeit von Elisabeth war das Gegenteil des Herrschaftsmodells von Anna. Hohe Staatsämter wurden wieder an Russen vergeben, Modernisierung und Weiterentwicklung des Landes wurde wieder angestoßen. Beispielsweise unterstützte Elisabeth [[Michail Lomonossow]] bei der Gründung der [[Lomonossow-Universität|Moskauer Staatsuniversität]]. Elisabeth Petrowna erließ einige sehr liberale Gesetze, unter anderem wurde in Russland die Todesstrafe abgeschafft und während ihrer Regierungszeit kein einziges Mal vollzogen. Elisabeth, die sich stark auf den Adel stützte, förderte die Künste und die Architektur, auf ihre Initiative wurde das [[Eremitage (Sankt Petersburg)|Winterpalais]] von Sankt Petersburg, der [[Katharinenpalast]] und viele andere bekannte Bauwerke errichtet. St. Petersburg, auch das Venedig des Nordens genannt, stieg endgültig zu einer bedeutenden Metropole auf. Während der Regierungszeit von Elisabeth blieb Russland im Zuge des [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieges]] auf der österreichischen Seite. Das Russische Kaiserreich spielte im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] eine ausschlaggebende Rolle. In dem [[Renversement des alliances]] von 1756 blieb Russland wiederum an Österreichs Seite, selbst mit der Gefahr der Feindschaft mit England, das Russlands wichtigster Außenhandelspartner war.<ref>Carsten Goehrke u. a.: ''Russland'', S. 194.</ref> Die russische Armee operierte sehr erfolgreich und eroberte [[Ostpreußen]]. Der Tod von Elisabeth 1762, bekannt als das [[Mirakel des Hauses Brandenburg]], wendete die totale Niederlage Preußens ab. |
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[[Datei:Frieden St. Petersburg (1762).JPG|miniatur|links|Öffentliche Bekanntgabe des [[Frieden von St. Petersburg|Friedens von St. Petersburg]]]] |
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Der deutschfreundliche Neffe (sein Vater war der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp) von Elisabeth, [[Peter III. (Russland)|Peter III.]] wurde russischer Kaiser. Als Nachfolger Elisabeths wurde Peter III. von den Staatsgeschäften ferngehalten, so dass er den Thron ohne eigenes Netz von Beratern bestieg.<ref>Hans-Joachim Torke (Hrsg.): ''Die russischen Zaren. 1547–1917.'' 3. überarbeitete Auflage, C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9, S. 231.</ref> Peter III. gab nun Preußen alle eroberten Gebiete zurück. Aus seiner kurzen Herrschaftszeit entstand am 18. Februar 1762 das Manifest über die Befreiung des Adels vom obligatorischen Staatsdienst. Die Adeligen erhielten damit das Recht, dem russischen Staat nicht zu dienen, wenn immer Sie es wünschten. Der Ukaz kam insbesondere dem Hofadel zugute, während die Masse des kleinen und mittleren Adels zu bescheidenen Bedingungen im Dienst bleiben musste. Langfristig ergab sich aus dieser „Adelsbefreiung“ einerseits die Schaffung einer echten, von der Regierung distanzierten Gesellschaft. Andererseits ergaben sich daraus Legitimationsprobleme für die Aufrechterhaltung der Leibeigenschaft der Bauern. Denn die Dienstpflicht der Bauern wurde bisher von dem Adels so begründet, das diese auch den Dienst für den Kaiser zu leisten hätten. Dieses ethisch definierte Diensthaus wurde nun zerstört. Zudem gelang dem Kaiser die vollständige Säkularisation der Kirchengüter. Damit wurden die 800.000 Kirchenbauern zu Staatsbauern. Darüber hinaus schaffte er die diskriminierenden Gesetze gegenüber den nicht-orthodoxen Religionen ab.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', S. 129.</ref> Aus der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Politik Peters III. entstand eine Verschwörung, im Zuge derer seine Ehefrau [[Katharina II. (Russland)|Katharina II.]] („die Große“) an die Macht kam. Vorausgegangen war eine Drohung Peters III., sich scheiden zu lassen. Er wurde interniert und wenige Tage später ermordet. |
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=== Das Zeitalter Katharinas II. === |
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[[Datei:Cath2russia.jpg|miniatur|Katharina die Große]] |
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Am 28. Juni 1762 rief sich Katharina mit Unterstützung der Garderegimenter und ohne den Widerspruch der höchsten Institutionen des Reiches (z. B. des [[Regierender Senat|Regierenden Senats]]) zur Kaiserin aus. Katharina II. war im ganzen das Gegenteil ihres Mannes. Sie war den russischen Sitten zugänglich und lernbegierig. Um ihre Macht abzusichern, betrieb Sie eine Politik zugunsten des Adels und des Beamtentums. Die Adelspolitik Katharinas II. spiegelte sich in fast allen inneren Reformen wieder. Um ihre Legitimation zu stützen, berief Katharina II. 1767 eine Versammlung von gewählten Repräsentanten ([[Gesetzgebende Kommission]]) ein. Diese sollte ein Gesetzbuch diskutieren und entwerfen. Als sich die Diskussionen in die Länge zogen und unbequeme Fragen aufwarfen, wurde diese Kommission von Katharina II. wieder aufgelöst. |
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Wirtschaftlich machte Russland unter Katharina II. weitere Fortschritte. Der Binnenhandel wurde zollfrei durchgeführt, das Straßen- und Kanalnetz wurde verbessert und allen Ständen wurde ein größerer Spielraum und größere Freiheit bei der Besiedelung neu erworbenes Landes, z. B. in der Ukraine zugestanden. Zur Modernisierung der Landwirtschaft gründete Katharina II. die [[Kaiserliche Freie Ökonomische Gesellschaft]]. Auf einigen Gebieten wurde Russland ein führender Hersteller und Exporteur. Dies betraf besonders die Produkte Eisen und Stahl. Auch die Dichte und Anzahl der wirtschaftlich lebensfähigen Städte wurde größer. Alles im allen galt Russland ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert als ein nach zeitgenössischen europäischen Standards entwickeltes Land. Diesen Vorteil sollte Russland aber wieder in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung verlieren.<ref>Hans-Joachim Torke (Hrsg.): ''Die russischen Zaren. 1547–1917.'' 3. überarbeitete Auflage, C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9, S. 238.</ref> |
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Zusammen mit ihrem Favoriten [[Grigori Alexandrowitsch Potjomkin|Grigori Potjomkin]] entwarf sie eine kühne Vision, das sogenannte „Griechische Projekt“. Es sah vor, die Macht des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reiches]] auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]] zu brechen und ein zusammenhängendes orthodoxes Reich von der [[Ägäis]] bis nach Russland zu erschaffen. Die Meerengen sowie [[Konstantinopel]] sollten unter die Kontrolle Russlands fallen. Eine Reihe von [[Russisch-Osmanische Kriege|Kriegen gegen das Osmanische Reich]] brachte dieses Ziel tatsächlich näher, auch wenn es nie vollständig realisiert wurde. Weite Teile Südrusslands und der Südukraine kamen zum Russischen Reich. In den neuen Landstrichen, die unter dem Namen [[Neurussland]] zusammengefasst waren, wurden zahlreiche neue Städte wie [[Sewastopol]], [[Odessa]] oder [[Jekaterinoslaw]] gegründet. Katharina besaß eine große Macht in [[Polen-Litauen]] und übte großen Einfluss auf dessen Entscheidungen und Thronverhältnisse aus. Schließlich beschloss sie zusammen mit Preußen und Österreich die [[Polnische Teilungen|Polnischen Teilungen]], bei denen sich Russland große Gebiete sicherte. |
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Im Inland war sie durch die Ausdehnung der Leibeigenschaft auf die Ukraine 1773/74 mit einem massiven Bauern- und Kosakenaufstand ([[Pugatschow-Aufstand]]) konfrontiert. Katharina konnte den Aufstand blutig niederschlagen, doch weite Teile des südlichen Wolga- und Uralgebietes blieben noch lange von dem bürgerkriegsähnlichen Aufstand verwüstet. Zum Wiederaufbau und der Wiederbesiedlung dieser Landstriche wurden viele [[Wolgadeutsche|Deutsche als Siedler nach Russland]] eingeladen. Katharina beseitigte außerdem die Autonomie der ukrainischen Kosaken und gab ihnen stattdessen Ländereien im [[Krasnodar]]-Gebiet. Die [[französische Revolution]] von 1789 hat sie endgültig von den liberalen Ideen abgestoßen, die sich in der Anfangszeit ihrer Herrschaft noch pflegte. |
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Bis 1812 wurden [[Finnland]], [[Georgien]] und [[Bessarabien]] russisch. |
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=== Russland im Zeitalter der Französischen Revolution === |
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Nach Katharinas Tod folgte ihr nicht, wie sie ursprünglich gewünscht hatte, ihr Enkel Alexander, sondern ihr verhasster Sohn [[Paul I. (Russland)|Paul I.]] (1796–1801) am 17. November 1796 nach. Anlässlich seiner Krönung zum Kaiser im April 1797 erließ er ein neues Thronfolgegesetz, das die männliche Linie der Thronfolge bevorzugte. Der älteste Sohn oder, wenn keine Söhne vorhanden waren sollte der älteste Bruder automatisch die Nachfolge antreten. Dies bedeutete die Begründung eines [[Erbkaisertum]]s. Bisher konnten die russischen Kaiser ihren Nachfolger frei bestimmen. |
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Am [[Zweiter Koalitionskrieg|Zweiten Koalitionskrieg]] gegen Frankreich nahm er teil, da Ritter des [[Geschichte des Johanniterordens|Malteserordens]] ihn im Oktober 1798 zum [[Großmeister des Malteserordens]] wählten und ihn um Hilfe gegen Frankreich anriefen. Er stellte Hilfstruppen für die von den Briten beabsichtigte Landung in den Niederlanden, für den Krieg in Süddeutschland und in Italien. Sultan [[Selim III.]] schickte er eine Flotte mit 4000 Soldaten nach Konstantinopel zu Hilfe. Russische Truppen erzielten in Italien Erfolge doch die Landung in den Niederlanden endete mit einer Kapitulation. Kaiser Paul schrieb diese Misserfolge den verbündeten Befehlshabern zu. Er sagte sich von der Koalition los und schloss nach dem Muster des Neutralitätsvertrags vom 26. Februar 1780 zur Beschränkung der britischen Seemacht, im Dezember 1800 einen solchen mit Schweden, Dänemark und Preußen. Großbritannien antwortete sofort mit einem [[Seeschlacht von Kopenhagen|Angriff auf Kopenhagen]]. |
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Seine kurze Regierungszeit hinterließ innenpolitisch ein widersprüchliches Bild. Anfangs erließ er einige wohltätige Verordnungen zugunsten der Leibeigenen und [[Raskolniki|Altgläubigen]]. Ein anderes Gesetz trennte einen Teil der [[Kronbauer]]n als Eigentum der kaiserlichen Familie unter dem Namen [[Apanage]]bauern ab. Aus Misstrauen gegen die revolutionären Ideen der französischen Revolution verbot Paul aber den Besuch ausländischer Lehranstalten und Universitäten, führte eine verschärfte Zensur und strenge Aufsicht über alle im Reich lebenden Ausländer und fremden Reisenden ein und bestrafte freie Meinungsäußerung. Paul schottete Russland zunehmend ab vom Rest der Welt. Namentlich der Adel fühlte sich durch die Politik Pauls zurückgesetzt, da er die Leibeigenschaft etwas einschränkte und versuchte den Adel mit Steuern zu belegen. Die führte zu Gerüchten unter den Bauern, der Kaiser würde die Leibeigenschaft aufheben. Als Folge bildete sich eine Adelsverschwörung. In der Nacht des 24. März brachten ihn Angehörige der Palastgarde um.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 218 f.</ref> |
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=== Rettung Europas vor französischer Fremdherrschaft === |
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[[Datei:Tilsitz 1807.JPG|miniatur|links|Treffen des russischen und französischen Monarchen auf der Memel bei Tilsit; Gemälde von Adolphe Roehn (1799–1864)]] |
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Sein 23-jähriger Sohn [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] (1801–1825) entsagte sofort in einem Vertrag mit Großbritannien der bewaffneten Neutralität. Bald erkannte er, dass sein kooperativer Kurs zu Frankreich von [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] nur benutzt wurde, um in Mitteleuropa nach Willkür schalten zu können. 1805 trat er der [[Dritter Koalitionskrieg|dritten Koalition gegen Frankreich]] bei. Doch wurde das russische Heer geschlagen. Seinem Freundschaftsbündnis mit [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] getreu, kam Alexander 1806 Preußen im [[Vierter Koalitionskrieg|Vierten Koalitionskrieg]] zu Hilfe. Alexander schloss am 7. Juli mit Napoleon den [[Frieden von Tilsit]]. In einem geheimen Bundesvertrag teilten sie sich die Herrschaft über Europa. Genaueres wurde bei einer zweiten Zusammenkunft in Erfurt ([[Erfurter Fürstenkongress]], September bis Oktober 1808) bestimmt. Russland überließ Napoleon die Herrschaft über Deutschland, Spanien und Portugal und trat der [[Kontinentalsperre]] gegen Großbritannien bei. Dafür durfte Russland Schweden und die Türkei erobern. |
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Schon Anfang 1808 hatte Russland Schweden den [[Russisch-Schwedischer Krieg 1808–1809|Krieg]] erklärt und ein Heer in Finnland einrücken lassen, das in kurzer Zeit erobert wurde; 1809 gingen russische Truppen über das Eis des [[Bottnischer Meerbusen|Bottnischen Meerbusens]], besetzten die [[Åland]]inseln und die gegenüberliegende schwedische Küste. [[Karl XIII. (Schweden)|Karl XIII.]] von Schweden musste den [[Frieden von Frederikshamn]] schließen (17. September 1809) und ganz Finnland bis zum Fluss [[Torne älv|Tornea]] und die Ålandinseln an Russland abtreten. Das zweite Opfer des Tilsiter Bündnisses war die Türkei. Von Napoleon provoziert, begann sie am 30. Dezember 1806 den [[Russisch-Türkische Kriege|achten]] [[Russisch-Türkischer Krieg (1806–1812)|russisch-türkischen Krieg]] (1806–1812). Die Russen drangen in die Donaufürstentümer ein und erzwangen den [[Friede von Bukarest (1812)|Frieden von Bukarest]] (28. Mai 1812), durch welchen der [[Pruth]] zur Grenze zwischen den beiden Reichen bestimmt wurde. Ein Krieg mit Persien wurde gleichzeitig durch Abtretung eines Länderstreifens am Westufer des Kaspischen Meers mit [[Baku]] beendet. |
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Kaum waren diese Kriege beendet, begann der [[Russlandfeldzug 1812|Krieg mit Frankreich 1812]]. Ursache des Krieges war der Übermut Napoleons, der Russland als Bündnispartner nicht mehr zu brauchen glaubte und allein in Europa herrschen wollte und forderte eine Verschärfung der Kontinentalsperre. Im Sommer 1812 überschritt Napoleon mit der Großen Armee von 477.000 Mann die russische Grenze. Die Russen waren zahlenmäßig weit unterlegen (ca. 200.000 Mann). Trotzdem besiegten sie Napoleon, indem sie offene Feldschlachten mieden, sich in das weite Innere des Reiches zurückzogen und den Feind durch Kleinkrieg ermüdeten. Um die Bevölkerung von jeder Unterstützung des Feindes abzuhalten, wurde die [[Russisch-Orthodoxe Kirche|orthodoxe Religion]] für gefährdet erklärt und der heilige Krieg proklamiert. |
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Die Hauptarmee unter Napoleon schlug die Richtung nach [[Moskau]] ein, erreichte 28. Juni [[Vilnius]], 28. Juli [[Wizebsk]] und stieß erst Mitte August bei [[Smolensk]] auf die 116.000 Mann starke russische Westarmee unter [[Michael Andreas Barclay de Tolly|Barclay de Tolly]]. Sie leistete Widerstand, wurde aber am 17. August geschlagen. |
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[[Datei:Fire of Moscow 1812.jpg|miniatur|A. Smirnow: ''[[Brand von Moskau (1812)|Brand von Moskau]]'']] |
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Nachdem [[Michail Kutusow]] den Oberbefehl übernommen hatte, wagten sie am 7. September noch einmal die [[Schlacht von Borodino]]. Zwar mussten sie nach einem hartnäckigen und furchtbar blutigen Kampf ihre Stellung räumen und Moskau preisgeben, in das Napoleon am 14. September einzog; aber das französische Heer war auf 100.000 Mann zusammengeschmolzen, erschöpft und kriegsmüde, und statt durch den Besitz Moskaus den Frieden erzwingen zu können, fand Napoleon die Stadt von fast allen Einwohnern verlassen und der Vernichtung geweiht; denn am Abend des 15. September begann der Brand Moskaus, der in sechs Tagen fast die ganze Stadt in Asche legte und die Franzosen der Mittel des Unterhalts beraubte. Napoleon konnte nun nicht in Moskau überwintern, und nachdem seine Friedensanträge von Alexander erst hingehalten, dann zurückgewiesen worden waren, trat er am 18. Oktober den Rückzug an. Durch den Mangel an Lebensmitteln und die früh eingetretene Kälte litt die Armee fürchterlich und war schon in Auflösung, als sie am 9. November Smolensk erreichte. Mit Mühe, unter Aufbietung der letzten Kräfte, erzwangen die Franzosen am 26.–28. November den [[Schlacht an der Beresina|Übergang über die Beresina]]. In bejammernswertem Zustand erreichte der Rest des Heers am 6. Dezember Wilna. Der [[Konvention von Tauroggen|Abfall]] [[Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg|Yorcks]] von den Franzosen (30. Dezember) nötigte die Franzosen auch zur Räumung der Weichsellinie. |
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[[Datei:Russparis.jpg|miniatur|Die Russen erobern Paris 1814.]] |
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Auch die russischen Truppen waren durch die Verluste und die Strapazen des Winterfeldzugs stark vermindert und erschöpft, und im russischen Hauptquartier waren viele einflussreiche Personen für einen sofortigen, möglichst vorteilhaften Frieden mit Frankreich. Aber zu einem solchen zeigte sich Napoleon keineswegs geneigt, und auch Alexander verlockten Ehrgeiz und Herrschsucht sowie der Wunsch, sich den Besitz ganz Polens zu sichern, zur Fortsetzung des Kriegs im Bund mit Preußen (siehe [[Befreiungskriege]]). Der Frühjahrsfeldzug 1813 endete mit dem Rückzug nach Schlesien. Im zweiten Teil des Kriegs aber, als Österreich, Großbritannien und Schweden der sechsten Koalition beigetreten waren, wurde Napoleon aus Deutschland vertrieben. Im Rate der Verbündeten spielte Kaiser Alexander neben [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Metternich]] die bedeutendste Rolle. Er bewirkte die Restauration der [[Bourbon]]en und die Schonung Frankreichs im [[Erster Pariser Frieden|ersten Pariser Frieden]]. 1815 wurde Alexander I. in Europa als „Retter Europas“ gefeiert und bestimmte beim [[Wiener Kongress]] maßgeblich die Neuordnung Europas mit. Mit auf seine Anregung hin wurde unter anderem die ''[[Heilige Allianz]]'', die aus Russland, Österreich und Preußen bestand, gegründet. Russland erhielt das eigentliche Polen (das so genannte [[Kongresspolen]]) als besonderes Königreich, dem auch eine eigene liberale Verfassung verliehen wurde. Seine Besitzungen dehnten sich nun im Westen bis nahe an die Oder aus, während es sich im äußersten Osten über die [[Beringstraße]] hinaus über einen Teil Nordamerikas ausbreitete; es umfasste über 20 Millionen Quadratkilometer mit etwa 50 Millionen Einwohnern. Russland dominierte nun Kontinentaleuropa, bis der [[Krimkrieg]] in den 1850er Jahren dieser Dominanz ein Ende setzte. |
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[[Datei:Growth of Russia 1613-1914.png|miniatur|Russlands Wachstum erreichte im 19. Jahrhundert seinen Zenit.]] |
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=== Reform und Beharrung === |
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Nach [[Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]]’schen Grundsätzen erzogen, schwärmte Alexander I. für humane Ideale, ohne jedoch auf seine unbeschränkte Herrschergewalt zu verzichten. An Stelle der von Peter I. begründeten Kollegien errichtete er acht Ministerien (1802), schuf für die Prüfung und Beratung aller neuen Gesetze und Maßregeln der Regierung den [[Staatsrat (Russisches Reich)|Staatsrat]] (1810, auch ''Reichsrat'' genannt), suchte die Finanzen zu regeln und legte zur Verminderung der Heereskosten [[Militärkolonie]]n an. Die Leibeigenschaft hob er in den [[Baltikum|baltischen Provinzen]] auf und milderte sie in Russland selbst. Die Zahl der Gymnasien und Volksschulen wurde beträchtlich vermehrt, Universitäten neu errichtet (in [[Staatliche Universität Kasan|Kasan]] und [[Charkiw]]) oder reorganisiert (in [[Universität Tartu|Dorpat]] und [[Universität Vilnius|Vilnius]]). Alexander starb Ende 1825 in [[Taganrog]] am Asowschen Meer ohne Nachkommen zu hinterlassen. |
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[[Datei:Kolman decembrists.jpg|miniatur|links|Dekabristenaufstand in St. Petersburg]] |
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Laut Nachfolgeregelung wäre ihm eigentlich sein Bruder Konstantin auf dem Thron gefolgt; dieser hatte jedoch bereits 1822 auf den Thron verzichtet. Alexander hatte deshalb im Geheimen seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch zu seinem Nachfolger designiert. Nach dem Tode Alexanders wurde erst Konstantin zum Herrscher ausgerufen; als dieser verzichtete, kam es zeitweise zu einer wirren Situation. Die gebildeten Bevölkerungskreise in Russland sahen sich durch die Verschärfung der Herrschaft um ihre Hoffnungen betrogen, mit ihren Opfern im Krieg gegen Napoleon liberale Freiheiten zu erreichen. Es entstand eine Reihe von Geheimbünden die gesellschaftliche und politische Möglichkeiten der Umgestaltung diskutierten und dafür revolutionäre Programme entwickelten. Bei der Vereidigung der Petersburger Garnison auf [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus I.]] kam es aus Enttäuschung über ausgebliebene innenpolitische Reformen 1825 zum [[Dekabristenaufstand]] (russ. dekabr = Dezember). Der Putsch am 26. Dezember war aber schlecht vorbereitet und geleitet, so dass er innerhalb weniger Stunden zusammenbrach. Durch die nachfolgenden Urteile wurde die Gruppe liberaler Verfechter in Russland im Kern getroffen. Für lange Zeit blieb ihre politische Aktivität gelähmt. Da auch der Adel sich passiv verhielt, sah sich Kaiser Nikolaus in der Politik auf sich selbst und die Beamtenschaft verwiesen. Unter seiner Ägide wurde auch die Geheimpolizei, die spätere [[Ochrana]], ins Leben gerufen. |
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Nikolaus, der bis 1855 regierte, war ein eher vorsichtiger Herrscher, der sich vor allem als Bewahrer der bestehenden Ordnung im Innern und Äußeren sah. Er unterstützte die [[Reaktion (Politik)|Reaktion]] in Europa; mehrmals drohte Nikolaus mit einer Interventionsarmee, wenn es, wie beispielsweise in Belgien, zu nationalen [[Belgische Revolution|Unruhen]] kam. Den Zeitgenossen in Europa galt er daher nicht mehr als Befreier wie sein Vorgänger Alexander, sondern als Gendarm Europas. Mit seinem Namen verbinden sich die Niederschlagung des polnischen Aufstandes 1831 und – auf Bitten Österreichs – die des ungarischen Aufstandes 1849. |
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[[Datei:Congresso di Parigi.jpg|miniatur|März 1856: Gesandte beim Pariser Kongress, der zum [[Dritter Pariser Frieden|Pariser Frieden]] führte.]] |
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=== Eine Weltmacht auf dem Prüfstand und Expansion im Kaukasus und Zentralasien === |
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Die russischen Versuche, auf dem Weg mittels Protektorat über das Osmanische Reich die Meerengen zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer zu kontrollieren, wurden durch Frankreich und England, aber auch durch Preußen und Österreich zurückgewiesen (vgl. [[Dardanellen-Vertrag]]). Bereits im [[Russisch-Türkischer Krieg (1828–1829)|russisch-türkischen Krieg (1828/29)]] hatte Russland Gebiete im südlichen [[Kaukasus]] vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] gewonnen und dieses geschwächt. Moldau, Walachei und Serbien wurden autonom und gerieten unter russischem Einfluss. Der osmanische Sultan selbst war nicht bereit sich mehr an Russland anzulehnen, wodurch dieses seinen Protektoratsanspruch auf die Christen in Gefahr sah. 1853 kam es zu erneuten militärischen Verwicklungen zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, in die [[Napoleon III.]] eingriff, um von seinen eigenen innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Kaiser Alexander sah sich nun einer englisch-französisch-türkischen Koalition gegenüber. Im [[Krimkrieg]] von 1853 bis 1856 unterlag Russland dieser Allianz. Der Krieg wurde nicht nur auf der Krim selbst, sondern auch in der Ostsee, im Weißen Meer und im Schwarzen Meer ausgetragen. Im Krieg machte sich die [[Russische Rückständigkeit|Rückständigkeit Russlands]] unangenehm bemerkbar; die Ausrüstung des Landheeres war mangelhaft und die [[Kaiserlich Russische Marine]] war vollkommen veraltet und einer Kraftprobe mit der britischen [[Royal Navy]] nicht gewachsen. Russland musste die Neutralisierung des Schwarzen Meeres zustimmen.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', S. 159.</ref> |
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[[Datei:Sturm aul Gimry 1891.jpg|miniatur|links|Russischer Sturm auf die dagestanische Ortschaft ([[Aul]]) Himry, Gemälde von Franz Roubaud 1891.]] |
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In der Folge wandte sich Russland verstärkt Asien zu. Im Kaukasus begann 1856 die dritte und letzte Phase der russischen Expansion (vgl. [[Kaukasuskrieg (1817–1864)]]). Der Befriedung 1864 folgte die wirtschaftliche Erschließung und Russifizierung der 53 Völkerschaften und 14 Stämme unter Leitung des [[Kaukasisches Komitee|Kaukasischen Komitees]]. |
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[[Datei:У крепостной стены.jpg|miniatur|Der russische Angriff auf Xiva, Bild von [[Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin]]]] |
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Quasi nahtlos schloss sich an die Befriedung des Kaukasus die Expansion nach [[Zentralasien]]s an. Russland dehnte hierbei im beginnenden Zeitalter des [[Imperialismus#Russland|Imperialismus]] 1852–1888 sein Einflussgebiet auf [[Generalgouvernement Turkestan|Turkestan]] aus. |
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Nach der russischen Expansionswelle gegen die Khanate Kasan, Astrachan und Sibir im 16. Jahrhundert war Russland an seinen südöstlichen Grenzen zunächst in Verteidigungsstellung gegangen, da es in anderen Gebieten stark in Anspruch genommen wurde. Vom Kaspischen Meer bis zum Altaigebirge wurde deswegen eine lange Linie von [[Staniza|Kosakensiedlung]]en errichtet, deren Basen [[Orenburg]], [[Petropawlowsk-Kamtschatski]], [[Omsk]], [[Semipalatinsk]] und [[Ust-Kamenogorsk]] waren und die [[Kasachen]] an Einfällen in das Wolgagebiet und Westsibirien hindern sollten.<ref>Gavin Hambly: ''Zentralasien'' (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 217.</ref> Die Kasachen brachen aber häufig durch die russischen Linien und griffen die Siedlungen an. Ab den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts bemühte sich Russland schließlich um stabilere Grenzen. Durch die Beseitigung der [[Kleine Horde|Kleinen Horde]] 1822 und der [[Mittlere Horde|Mittleren Horde]] 1824 wurde die Kasachische Unabhängigkeit untergraben. In der Steppe wurden Grenzposten errichtet. Es folgten zunächst erfolglose Expeditionen gegen das [[Khanat Xiva]]. In den 1840er Jahren wurden die Stützpunkte in die Steppe vorgeschoben. Russland drang nun in die Gebiete ein, die vom [[Khanat Kokand]] beansprucht wurden, aber praktisch unverteidigt waren.<ref>Gavin Hambly: ''Zentralasien'' (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 219.</ref> 1853 wurde [[Kasalinsk]] erreicht, ein Jahr später [[Alma-Ata]] gegründet. Bedingt durch die Beanspruchung der Kräfte im Krimkrieg folgte eine Phase der Konsolidierung der gemachten Eroberungen. Um die Baumwollversorgung zu sichern – durch die Folgen des Amerikanischen Bürgerkriegs waren die Weltmarktpreise für den Rohstoff erheblich gestiegen – begannen 1864 erneute Operationen. Ein russisches Kontingent eroberte im gleichen Jahr [[Dschambul]], [[Jassy]], [[Tschimkent]]. Mit diesem Feldzug eroberten die Russen das ganze [[Tschüi (Fluss)|Tschu]]-Tal und schlossen die ganze [[Kasachensteppe]] in einem Ring von russischen Forts ein. 1867 wurden die neu gewonnenen Gebiete in die Oblast Turkestan umgewandelt und einem Militärgouverneur unterstellt.<ref>Gavin Hambly: ''Zentralasien'' (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 220.</ref> Danach wurde die Stadt Chodschent erobert, in dessen Folge sich der Khan von Kokand, Khudayar Khan, zum Vasall des Kaisers bereit erklärte. Danach folgte ein neuer Feldzug gegen das Emirat von Buchara. 1868 nahmen die Russen Samarkand ein. Der Emir [[Kapitulation|kapitulierte]]. |
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[[Datei:Turkestan 1900-de.svg|miniatur|[[Generalgouvernement Turkestan]] um 1900]] |
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Die abgetretenen Gebiete wurden in das Generalgouvernement Turkestan eingegliedert, das am 11. Juli 1867 gegründet worden war und die neu eroberten Gebiete administrativ zusammenfasste. 1873 wurde dann schließlich das Khanat Xiva erobert. Von den drei großen zentralasiatischen Staaten, die so zu russischen Vasallen wurden, blieb allein [[Kokand]] ein Unsicherheitsfaktor.<ref>Gavin Hambly: ''Zentralasien'' (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 221.</ref> Nach einem erfolglosen Aufstand wurde auch dieses 1876 als Oblast eingegliedert. Auch im [[transkaspisches Gebiet|transkaspisch]]en Gebiet südlich des [[Amurdarja]], hatte Russland bereits Fuß gefasst. 1881–85 wurde das transkaspische Gebiet im Zug eines Feldzugs annektiert, dies betraf u. a. [[Aschgabat]] und [[Merw]] kamen unter russische Kontrolle. Die russische Expansion südwärts kam 1887 zum Stillstand, als mit dem Kontrahenten Großbritannien die afghanische Nordgrenze festgelegt wurde, die gleichzeitig als Demarkationslinie der Interessen- und Einflusssphären festgeschrieben worden war. Afghanistan wurde so zum Pufferstaat zwischen den beiden imperialen Mächten, was 1907 im [[Vertrag von Sankt Petersburg (1907)|Vertrag von Sankt Petersburg]] bekräftigt wurde (vgl. [[The Great Game]]). 1860 wurde am [[Pazifik]] [[Wladiwostok]] gegründet, als feste Ausgangsbasis für eine aktivere Politik Russlands im Fernen Osten. |
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=== Zeitalter der Reformen und beginnende Industrialisierung === |
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[[Datei:Gorskii 04422u.jpg|miniatur|Russische Bauern im Russischen Kaiserreich]] |
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Als Reaktion auf die in der Niederlage im Krimkrieg deutlich zutage getretene Rückständigkeit Russlands nahm [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] (1855–1881) weitreichende Reformen in Angriff, deren wesentlichste Bestandteile die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der [[Leibeigenschaft]], Reformen im [[Rechtspflege|Justizwesen]] und eine neue Militärorganisation waren. Alexander setzte diese Reformen gegen große innere Widerstände durch. Die größten Reformnotwendigkeiten sahen Alexander II. und die russische Öffentlichkeit die Notwendigkeit in der Aufhebung der Leibeigenschaft der Bauern. Der Kaiser beauftragte daher schon 1857 ein Komitee, Vorschläge zur Lösung des Bauernproblems auszuarbeiten. Dieses bestand hauptsächlich in der Leibeigenschaft der Bauern, die über 80 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Diese war, abgesehen vom Verfügungsrecht des Herrn über die Person des Bauern, mit vielfältigen Dienstleistungen für den adligen Grundbesitzer verbunden. Dieses System ließ weder Eigeninitiative noch soziale Veränderungen oder Mobilität noch effektivere und rationellere Bewirtschaftungsmethoden zu. Die Dienstleistung variierte dabei zwischen der einfachen Form eines Leibzinses ([[Obrok-Bauern]] in Weißrussland, der Ukraine, Woronesh und Kasan) und der oft willkürlichen des Frondienstes ([[Barschtschina]]-Bauern in Großrussland und in Westsibirien). Die einzigen, die die Leibeigenschaft abgeschüttelt hatten, waren die Kosaken, die ab dem 16. Jahrhundert aus der Leibeigenschaft in die unerschlossenen Gebiete des Ostens fliehen konnten. So kam diese nur schleppend in Gang. |
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{| class="wikitable float-left" border="1" cellpadding="2" |
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|+'''Die Produktion der wichtigsten Industrieprodukte zwischen 1887–1913 in Mio. [[Pud]]'''<ref>Roger Portal: ''The Industrialization of Russia.'' Cambridge Economic History of Europe, 6. Ausgabe, Band 2, Cambridge 1965, S. 837 f.</ref> |
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! Produktart |
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! 1887 |
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! 1900 |
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! 1913 |
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|- |
|||
|Gusseisen |
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| 36,1 |
|||
| 176,8 |
|||
| 283 |
|||
|- |
|||
|Kohle |
|||
| 276,2 |
|||
| 986,4 |
|||
| 2215 |
|||
|- |
|||
|Stahl und Eisen |
|||
| 35,5 |
|||
| 163 |
|||
| 246,5 |
|||
|- |
|||
|Öl |
|||
| 155 |
|||
| 631,1 |
|||
| 561,3 |
|||
|- |
|||
|Baumwolle |
|||
| 11,5 |
|||
| 16 |
|||
| 25,9 |
|||
|- |
|||
|Zucker |
|||
| 25,9 |
|||
| 48,5 |
|||
| 75,4 |
|||
|} |
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Alexander I. hatte noch die Hoffnung, dass der [[Adel]] von sich aus und ohne Druck von oben die Bauern freilassen würde, Alexander II. aber war nach der Kriegsniederlage nicht mehr bereit, auf die Bereitschaft des Adels zu warten, eine Aufhebung der Leibeigenschaft selbst anzuordnen, sondern ergriff selbst die Initiative. Nach fünf Jahren Beratungen wurde das Manifest über die Aufhebung der Leibeigenschaft am 2. März 1861 unterzeichnet. Dem Manifest folgte ein Gesetz, das die Landzuteilung an die Bauern regelte. Die Landanteile waren zu klein und wurden mit übergroßen Lasten belegt, da die Bauern die Entschädigung, die der Staat den Grundbesitzern gezahlt hatte, innerhalb von 49 Jahren an ihn zurückzahlen mussten. Ergebnis der Bauernbefreiung von 1861 war also, dass sich die Lage der Bauern eher verschärfte. Der entstehende Bevölkerungsüberschuss konnte nirgends anders aufgefangen werden, die Landwirtschaft arbeitete weiter am Rand der Existenzkrise, was sich in den immer wiederkehrenden Hungersnöten zeigt. Die alte Abhängigkeit der Bauern von den Grundbesitzern wandelte sich in eine neue Abhängigkeit durch die drückenden Schulden. |
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R00738, Baku, Erdöl-Tanks.jpg|miniatur|Erdöltanks in Baku im Jahr 1912]] |
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Das für die [[Industrialisierung]] notwendige Kapital konnte mit der Bauernbefreiung nicht freigesetzt werden. Auch die Adligen wurden nur zögernd Unternehmer. Der russische Staat konnte aus Mangel an Alternativen den wirtschaftlichen Rückstand nur dadurch überwinden, dass er selber eine kapitalistische Industriewirtschaft aufbaute, indem er von oben in das Wirtschaftsleben eingriff. Die Regierung gründete Staatsbetriebe und unterstützte Unternehmer finanziell. Der Staat beteiligte sich auch selbst an den Unternehmen oder gewährte Großbetrieben im [[Metallurgie|Hüttenwesen]] und im [[Transportmaschine|Transportmaschinenbau]] Geldmittel und sorgte für den Absatz ihrer Produkte. Durch hohe Importzölle versuchte der Staat einheimische Unternehmer vor der Konkurrenz ausländischer Unternehmer zu schützen. Der Staat erneuerte das Kreditwesen, indem er Regierungsbanken ins Leben rief und damit die Voraussetzung für den Import westlichen Kapitals. So wurde 1860 die [[Staatsbank des Russischen Reiches|Staatsbank]] gegründet. Vom ausländischen Kapital profitierte vor allem der [[Eisenbahnbau]]. 1857 wurde mit Hilfe ausländischen Kapitals die [[Hauptgesellschaft der russischen Eisenbahn]] gegründet. Von 960 Streckenkilometer stieg das russische Streckennetz bis 1880 auf 21.800 Kilometer an. Mitte der 1880er und 90er Jahre verstaatlichte Russland die meisten Eisenbahnen, die die entstehenden Industriezentren mit den Eisen- und [[Kohlerevier]]en, sowie mit den zentralen Agrarregionen und den Ausfuhrhäfen an der Ostsee und am Schwarzen Meer verbanden. Auf diese Weise wurde die wirtschaftliche Erschließung des Landes und die Bildung eines großen [[Binnenmarkt]]erst möglich. Mit dem Eisenbahnbau wurden gleichzeitig die [[Schwerindustrie]] und der Maschinenbau angetrieben, die zu zentralen Bereichen der Industrialisierung wurden. Seit der zweiten Hälfte der 1880er Jahre erfolgte ein rascher industrieller Aufschwung. die durchschnittlichen Wachstumsraten lagen bei sechs Prozent, in den 1890er Jahren bei acht Prozent.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 261.</ref> Sogar in der Landwirtschaft stieg die Getreide- und Kartoffelproduktion jährlich um über zwei Prozent. Trotz der Industrialisierung blieb Russland ein Agrarland. Um 1900 trug die Landwirtschaft um 1900 mit 53 Prozent zum Nationaleinkommen, die Industrie mit 21 Prozent bei. Auch die Arbeiter behielten oft ihre bäuerliche Lebensweise bei und lebten in Arbeiterdörfern um die neu entstandenen Industrieansiedlungen herum. Die Industrie konzentrierte sich besonders in Sankt Petersburg und Moskau, in der Ukraine und in den Ölgebieten [[Transkaukasien]]s. |
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Da mit der aufgehobenen Leibeigenschaftsordnung auch staatliche Funktionen des Grund besitzenden Adels verbunden waren, musste auch das Verwaltungs- und das Gerichtswesen in der Provinz neu geordnet werden. Die Justizreform von 1864 führte dieselben Rechtsnormen ein, die auch im Westen herrschten: Rechtsgleichheit, Trennung von Justiz und Verwaltung, Unabhängigkeit der Richter. Die Verwaltungsreform vom selben Jahr schuf Selbstverwaltungsorgane auf Kreis- und Gouvernementsebene, die 1870 durch solche in den Städten ergänzt wurden. Von weiterer Bedeutung waren die Militärreformen. Gleich zu Beginn seiner Herrschaft schaffte Alexander I. die [[Militärsiedlung]]en ab und reduzierte die Dienstzeit. Zudem wurde die Armee in ein modernes Massenheer auf Grundlage der am 1. Januar 1874 neu geschaffenen Wehrpflicht geschaffen. Die Bildungsinstitute erhielten Autonomie, auch die Presse erhielt Zensurerleichterungen. Auf Grundlage dieser Freiheiten konnte sich eine [[Opposition (Politik)|Opposition]] radikalisieren, die vom europäischen Ausland stark unterstützt wurde.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', S. 167.</ref> Das revolutionäre Potential, das schon im Dekabristenaufstand von 1825 deutlich wurde, erhielt durch die langsamen Veränderungen immer neue Verstärkung. Es blieb aber nicht bei einer begrenzten Übernahme von Elementen der europäischen Kultur, sondern es setzte eine Radikalisierung der Opposition ein. Statt Abschaffung der Leibeigenschaft forderten sie den [[Sozialismus]], statt Verfassung [[Anarchie]], statt Lösung des Nationalitätenproblems [[Kosmopolitismus]], statt Gewissensfreiheit [[Atheismus]]. Dadurch befürworteten diese Gruppen auch Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele. Die einzelnen revolutionären Gruppen unterschieden sich dabei sehr, sowohl in der Herkunft als auch in der Ausprägung ihres Ideengutes (vgl. [[Russischer Nihilismus]]). So hatten sich Ende der 1860er Jahre zwei politische Richtungen herauskristallisiert: |
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* ''Aufrührer'' (buntari): Diese folgten den Ideen [[Michail Alexandrowitsch Bakunin]], dem Vater des russischen Anarchismus |
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* ''Vorbereiter'' (podgotowiteli): Sie folgten [[Pjotr Lawrowitsch Lawrow]], der die [[Narodniki]]bewegung schuf. Diese kleine Gruppen versuchten die Umgestaltung Russlands auf anderen Wegen, in geduldiger Aufbauarbeit, zu erreichen. Nach den Enttäuschungen über die ergebnislose friedliche Agitation und nach zahlreichen Verhaftungswellen der 1870er Jahre bildete ein Teil der Narodniki 1879 die Geheimgesellschaft [[Narodnaja Wolja]] (''Volkswille''), welche die Ermordung (1881) Alexander II. organisierte. |
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Ihm folgte sein Sohn als [[Alexander III. (Russland)|Alexander III.]] nach, der, auch durch die Ermordung seines Vaters beeinflusst, einen reformfeindlichen Kurs einschlug und autokratisch regierte. Dabei stützte er sich vor allem auf die Armee und auf die Geheimpolizei, die [[Ochrana]]. Die Armee nahm im Inneren Russlands traditionell auch Polizeiaufgaben wahr. Die revolutionäre Bewegung wurde immer schwächer. |
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=== Russland im Zeitalter des Imperialismus === |
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[[Datei:Russian prisoners at work at the Amur Railway.jpg|miniatur|Bauarbeiten an der Transsibirischen Eisenbahn]] |
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Nach dem [[Russisch-Osmanischer Krieg (1877–1878)|Türkisch-Russischen Krieg]] 1877–1878, in dessen Verlauf Russland die Unabhängigkeit [[Bulgarien]]s vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] erreichte, verbreitete sich die Idee des [[Panslawismus]], also der Vereinigung der slawischen Völker unter russischer Herrschaft. Diese Ideen waren nicht neu, aber jetzt fanden sie durch eine national gesinnte Presse und Agitatoren zunehmend Gehör in Russland. Auf dem Berliner Kongress erlitt Russland jedoch einen Rückschlag, denn eine Schaffung eines Groß-Bulgarien, wie sie Russland anstrebte, traf auf heftige Opposition Großbritanniens und Österreich-Ungarns, die einen Durchbruch Russlands an die Adria unbedingt unterbinden wollten. |
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Von 1891 bis 1901 wurde die [[Transsibirische Eisenbahn]] zwischen Wladiwostok und [[Tscheljabinsk]] gebaut, die den Westen und den Osten des Reiches miteinander verbinden sollte; auch die Besiedlung Sibiriens wurde hierdurch begünstigt. 1896 erhielt Russland durch den Bau einer Abzweigung, der [[Transmandschurische Eisenbahn|Transmandschurischen Eisenbahn]], Einfluss auf die [[Mandschurei]], was aber zu kollidierenden Interessen mit [[Japan]] führte; beide suchten sich auf Kosten Chinas zu vergrößern. |
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So kam es 1904–1905 zum [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieg]]. Japan, seit 1902 Bündnispartner Großbritanniens, attackierte den russischen Stützpunkt [[Lüshunkou|Port Arthur]] ohne vorherige Kriegserklärung und versenkte einen Teil des russischen Fernostgeschwaders. Am 13. April kam es zu einer ersten Seeschlacht, die mit dem Sieg der Japaner endete. Diese besetzten nun die Höhen um die Festung Port Arthur und begannen mit der Belagerung. Von den Höhen aus nahmen sie auch die russischen Schiffe unter Feuer; im August versuchte die Restflotte einen erneuten Durchbruch. Es kam zu einer weiteren Seeschlacht, in der die restlichen russischen Schiffe versenkt wurden. Der Zar war jedoch uneinsichtig und noch nicht zu einem Frieden bereit, den auch weite Kreise, von Großindustriellen bis zu den Militärs, in Russland forderten. Nachdem die [[Baltische Flotte|Russische Ostseeflotte]] die halbe Welt umrundet hatte, kam es am 14.–15. (27.–28.) Mai 1905 bei [[Tsushima (Insel)|Tsushima]] in der Meerenge von [[Korea]] und Japan zur Schlacht mit der [[Kaiserlich Japanische Marine|japanischen Flotte]] unter Admiral [[Tōgō Heihachirō]]. Erneut unterlag die russische Flotte der japanischen, und nachdem die Festung Port Arthur von den Japanern erobert worden war, musste Russland einem von [[Präsident der Vereinigten Staaten|US-Präsident]] [[Theodore Roosevelt]] vermittelten Frieden zustimmen, der am 23. August (5. September) 1905 in Portsmouth, [[New Hampshire]], unterzeichnet wurde. Die Niederlage wurde als Sensation empfunden, denn erst zum zweiten Mal (nach der italienischen Niederlage in [[Äthiopien]] 1896) war eine europäische Nation gegen eine außereuropäische unterlegen. Wiederum zeigte sich die Rückständigkeit Russlands. |
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[[Datei:Europaeisches Russland (Doppelseitige Farbkarte).jpg|miniatur|Europäisches Russland um 1888]] |
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Durch ausgebliebene innenpolitische Reformen und den Konflikt zwischen Anhängern einer Annäherung an den Westen ([[Westler (Russland)|Westler]]) und Gegnern einer solchen Annäherung ([[Slawophile]]) geriet Russland wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen gegenüber den anderen Großmächten. Die Korruption im Land war weit verbreitet und höher als in den westlichen Ländern. Zudem war die starke Zentralisierung des Staates nicht immer von Vorteil. In [[Moskau]] und [[Sankt Petersburg]], aber auch in anderen russischen Städten entstanden Kreise von Intellektuellen, Kommunisten und Anarchisten. Sie wurden von Zar Alexander III. brutal verfolgt. Sein Nachfolger, [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]], behielt die Politik seines Vaters bei. Hinzu kamen soziale Probleme, die im Zuge der [[Industrialisierung]] des Landes entstanden, sowie eine Hungersnot im Jahre 1890. 1898 wurde die [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands]] (Vorgängerin der [[Kommunistische Partei Russlands|Kommunistischen Partei Russlands]]) gegründet, in welcher ab 1903 die [[Bolschewiki]] unter [[Lenin]] die Führung übernahmen. Die Niederlage Russlands im russisch-japanischen Krieg verstärkte die Unzufriedenheit nur noch und es kam zu großen Demonstrationen. Nach dem [[Petersburger Blutsonntag]] 1905 fand von 1905 bis 1907 eine erfolglose [[Russische Revolution 1905|Revolution]] in Russland statt, die jedoch dem Zaren die Unzufriedenheit im Land zeigte. |
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Zar Nikolaus II. rief unter anhaltendem Druck ein [[Parlament]], die [[Duma]], zusammen, die er jedoch wiederholt auflösen ließ. Dazu wurde eine Verfassung ausgearbeitet, das [[Staatsgrundgesetz des Kaiserreichs Russland]]. Die Duma wird in der [[Geschichtswissenschaft]] teilweise als Scheinparlament bezeichnet. |
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28740, St. Petersburg, Eröffnung der Parlamente.jpg|miniatur|Eröffnung der Duma 1906]] |
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Außenpolitisch war Russland nach der 1890 vom Deutschen Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] verweigerten Verlängerung des [[Rückversicherungsvertrag]]es 1892 ein Bündnis mit Frankreich eingegangen. Nach der Niederlage im Fernen Osten richtete Russland wieder seine Aufmerksamkeit auf Europa und den Balkan. Russland war nach dem verlorenen Krieg jedoch extrem geschwächt und musste zusehen, wie [[Österreich-Ungarn]] mit Rückendeckung des Deutschen Reiches 1908 [[Bosnien-Herzegowina]] annektierte. Die Spannungen auf dem Balkan nahmen immer weiter zu, denn das Osmanische Reich, „der kranke Mann am Bosporus”, war zunehmend im Zerfallen begriffen. |
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1907 schloss Russland [[Vertrag von Sankt Petersburg (1907)|ein Übereinkommen mit Großbritannien]], in dem die Streitigkeiten in Asien ausgeräumt und die gegenseitigen Interessensphären festgelegt wurden. Es kam in Europa zu einem Rüstungswettlauf. Die allgemeine Lage verdüsterte sich zunehmend und ein großer europäischer Krieg wurde immer wahrscheinlicher. |
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Im August 1914 brach der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] aus. Russland stand als Verbündeter Serbiens, Frankreichs und Großbritanniens gegen das mächtige Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich. Nach einigen Erfolgen vor allem in [[Galizien]] erlitt Russland mehrere schwere Niederlagen gegen die deutsche Armee; Polen und das Baltikum gingen verloren. Den Oberbefehl im [[Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers|Hauptquartier]] übernahm aufgrund der Niederlagen der russischen Armeen Nikolaus II. am 9. September. Doch nach zwei Jahren stand Russland vor dem wirtschaftlichen und militärischen Zusammenbruch. |
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[[Datei:Defenders NGM-v31-p369-A.jpg|miniatur|links|Russische Soldaten marschieren an die Front]] |
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Im März 1917 kam durch die [[Februarrevolution 1917|Februarrevolution]] das Ende der Autokratie. Eine [[Provisorische Regierung (Russland)|Provisorische Regierung]] wurde eingesetzt. Da das Deutsche Kaiserreich die Lage Russlands destabilisieren und den Krieg im Osten beenden wollte, gelangte der bisher im [[Exil]] lebende [[Lenin]] nach Petrograd, wo es im Oktober zur kommunistischen Oktoberrevolution kam. Die Hauptstadt Russlands wurde zurück nach Moskau verlegt. [[Polen]], [[Finnland]], das [[Baltikum]] und vorübergehend auch [[Weißrussland]] sowie die [[Ukraine]] wurden unabhängig. Das Hauptquartier nahm gegenüber den [[Bolschewiki]] eine feindliche Haltung ein, und am 7. November wandte es sich mit einem Aufruf an die Armee, gegen die Bolschewiki zu kämpfen. Am 3. Dezember 1917 wurde das Hauptquartier von revolutionären Kräften eingenommen und aufgelöst. |
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== RSFSR und Sowjetunion (1917 bis 1991) == |
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[[Datei:SovietUnionRussia.png|miniatur|Karte der [[Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik|RSFSR]] innerhalb der [[Sowjetunion|UdSSR]]]] |
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{{Hauptartikel|Geschichte der Sowjetunion}} |
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Lenin verlegte die Hauptstadt wieder von St. Petersburg nach Moskau. Nach dem [[Friedensvertrag von Brest-Litowsk|Vertrag von Brest-Litowsk]] wurde 1918 die [[Russische SFSR|Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik]] (RSFSR) gegründet, die sich sofort einem Einmarsch [[Deutsches Reich|Deutschlands]] und der wieder unabhängigen [[Zweite Polnische Republik|polnischen Republik]] ausgesetzt sah. Hinzu kam, dass sich die im Zuge der Februarrevolution an die Macht gekommene Regierung nicht aufgeben wollte und als [[Weiße Armee]] mit Unterstützung ausländischer Interventionstruppen im Baltikum, im Süden (Briten, Franzosen) und in [[Fernöstliche Republik|Fernost]] (Japan, USA, [[Tschechoslowakische Legion]]) den [[Russischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] gegen die kommunistische [[Rote Armee]] anfing. Der Bürgerkrieg hatte hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung zur Folge. Der Roten Armee gelang es, [[Weißrussland]], die [[Ukraine]] und [[Georgien]] zu erobern und dort [[Unionsrepublik|Sowjetrepubliken]] zu errichten, die 1922 zusammen mit der RSFSR die [[Sowjetunion]] begründeten. 1924 wurde die [[Sowjetische Verfassung von 1924|erste sowjetische Verfassung]] verabschiedet. |
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In Zeiten der Sowjetunion war Russland in Form der RSFSR die größte und wirtschaftlich, sozial und politisch dominierende Sowjetrepublik. Vor allem in Sibirien wurden die Besiedelung und die wirtschaftliche Erschließung, oft durch die Arbeit politischer und militärischer Gefangener, vorangetrieben. Während der Herrschaft [[Josef Stalin|Stalins]], im sogenannten [[Stalinismus]], kamen Millionen von Bürgern des Landes gewaltsam in [[Gulag|Lagern]] oder in Gefängnissen ums Leben – die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt (''siehe auch:'' [[Archipel GULAG]]). |
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[[Datei:Victoy Parade 1945.ogv|miniatur|Die Siegesparade in Moskau am 24. Juni 1945 in Farbe]] |
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Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] war Russland neben [[Weißrussland]] und der [[Ukraine]] einer der Hauptkriegsschauplätze. Dabei brachten die deutschen Eroberer im Zeichen [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] [[Rassismus|Rassenideologie]] schlimmstes Leid über die Bevölkerung: Ermordung und Verschleppung mehrerer Millionen sowjetischer Zivilisten und [[Kriegsgefangenschaft|Kriegsgefangener]], Massenmorde an [[Juden]], [[Sinti]] und [[Roma (Volk)|Roma]], Versklavung und Ausbeutung der besetzten Gebiete. In Anlehnung an den [[Russlandfeldzug 1812|Vaterländischen Krieg]] gegen [[Napoléon Bonaparte|Napoleon Bonaparte]] wurde der Zweite Weltkrieg auf sowjetischem Gebiet als [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Großer Vaterländischer Krieg]] bezeichnet. Bei [[Wolgograd|Stalingrad]] und [[Kursk]] (→ [[Schlacht von Stalingrad]] und [[Unternehmen Zitadelle|Schlacht bei Kursk]]) erlitt die eingedrungene deutsche [[Wehrmacht]] entscheidende Niederlagen, was den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg einleitete. |
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Gegen Kriegsende eroberten und besetzten sowjetische Truppen auch [[Japanisches Kaiserreich|japanisches]] Gebiet im Fernen Osten. 1945 gliederte sich die Sowjetunion nach dem [[Potsdamer Abkommen]], bis zur endgültigen [[friedensvertrag]]lichen Regelung, [[Nordostpreußen]] mit [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] als „[[Oblast Kaliningrad|Königsberger Gebiet]]“ ein; 1990 wurde dieses per [[Abtretung (Völkerrecht)|Zession]] aufgrund des [[Zwei-plus-Vier-Vertrag]]es seitens Deutschland übertragen.<ref>Joachim Bentzien: ''Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert'', Peter Lang, Frankfurt a.M. 2007, ISBN 978-3-631-56781-4, [http://books.google.de/books?id=fAo5zbLhfzcC&pg=PA69 S. 68 f.]</ref> Daneben gewann sie das südliche [[Sachalin]] und die [[Kurilen]] von [[Japan]]. 1954 wurde auf Betreiben von [[Nikita Chruschtschow]] die [[Krim]] von der RSFSR an die Ukrainische SSR übertragen. |
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Mit Beginn der 1980er Jahre geriet die sowjetische Wirtschaft immer mehr in eine Krise. Auf einigen Gebieten der Versorgung herrschte schwerer Mangel. Nach dem Tod von [[Konstantin Tschernenko]] wurde am 11. März 1985 der noch relativ junge [[Michail Gorbatschow|Michail Sergejewitsch Gorbatschow]] zu seinem Nachfolger bestimmt. Im Zuge seiner Politik von [[Perestroika]] und [[Glasnost]] trat die wirtschaftliche Krise immer klarer zutage. Durch die sinkenden [[Ölpreis]]e im Zuge des ersten Golfkrieges zwischen dem [[Iran]] und dem [[Irak]] fiel ein wichtiger Devisenbringer und eine Haupteinnahmequelle der Sowjetunion weg. Die Invasion in [[Afghanistan]] 1979 und der daraus resultierende kostspielige Krieg lasteten ebenfalls schwer auf dem Staatshaushalt. Die Versuche Gorbatschows, den Rüstungswettlauf zu beenden um Geld für dringend benötigte innenpolitische Reformen und Modernisierungen einzuleiten, wurden von den USA nicht goutiert, da die USA dem Systemfeind nicht helfen, sondern ihn zerschlagen wollten. Gorbatschow geriet innenpolitisch zunehmend in Bedrängnis; den Reformern gingen seine Reformen nicht weit genug, den reaktionären Kräften schon zu weit. Im aufstrebenden [[Boris Jelzin]] erwuchs Gorbatschow auch ein Gegner, der ihn bald in den Schatten drängen sollte. Der Unmut der sowjetischen Bevölkerung entlud sich immer offener und in den Republiken kam es verstärkt zu separatistischen Tendenzen. 1991 erklärten sich im Zuge des Machtzerfalls der sowjetischen Regierung und nach dem erfolglosen Putsch gegen Gorbatschow im August zunächst die drei baltischen Länder [[Litauen]], [[Lettland]] und [[Estland]], später auch die übrigen Sowjetrepubliken für unabhängig. Am 8. Dezember 1991 beschlossen die [[Staatsoberhaupt|Staatsoberhäupter]] der letzten drei Unionsrepubliken – der russischen, [[Ukrainische SSR|ukrainischen]] und [[Weißrussische SSR|weißrussischen]] – die offizielle Auflösung der Sowjetunion. Mit der ganz überwiegenden Staatenpraxis wird dabei die [[Russische Föderation]] als mit der UdSSR identisch angesehen.<ref>[[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]]: ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge'', Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66140-9, [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&pg=PA85 S. 85–97], hier [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&pg=PA97 S. 97].</ref> |
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== Russische Föderation (seit 1992) == |
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[[Datei:Moscow-City 28-03-2010 3 l.jpg|miniatur|Wolkenkratzer der neuen [[Moskau City]]]] |
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Nach dem Untergang der Sowjetunion stellte sich die Frage nach der Kontinuität der russischen Geschichte erneut. Dabei knüpft die Russische Föderation an die Zeit vor der Oktoberrevolution an. Allerdings entsprechen die Grenzen Russlands nicht denen des Kaiserreichs vor 1917, sondern denen des ethnisch relativ einheitlichen russischen Zarentums im 17. Jahrhundert.<ref>Andreas Kappeler: ''Russische Geschichte'', C.H. Beck, München, S. 10.</ref> Mit der Auflösung der Sowjetunion gründete Russland zusammen mit [[Weißrussland]] und der [[Ukraine]] die [[Gemeinschaft Unabhängiger Staaten]] (GUS), der sich später mit Ausnahme der [[Baltische Staaten|baltischen Staaten]] auch die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken anschlossen, jedoch erreichte diese Organisation nie echte Bedeutung. |
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1992 ließ der russische Präsident Boris Jelzin einen Föderationsvertrag unterzeichnen, der den Föderationssubjekten Russlands weitreichende Vollmachten zubilligte. 1993 kam es in Moskau zu blutigen Auseinandersetzungen, als sich der Machtkampf zwischen dem konservativ dominierten Parlament und dem Präsidenten zuspitzte (siehe [[Russische Verfassungskrise 1993]]). Im selben Jahr trat eine neue Verfassung in Kraft, das eine starke präsidentielle Stellung vorsah. Ende 1999 trat Jelzin als Präsident zurück. Nachfolger wurde [[Wladimir Putin]], der bei den Wahlen im Frühjahr 2000 im Amt bestätigt wurde. Am 2. März 2008 wurde [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]] zum Nachfolger Wladimir Putins als Präsident Russlands gewählt. Putin wechselte ins Amt des Ministerpräsidenten. |
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Die wirtschaftliche Situation hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion immer weiter verschlechtert. Die gewachsenen Verbindungen wurden teilweise zerrissen, ohne das neue geknüpft werden konnten. Es fehlte an durchdachten Konzepten zur Behebung der Krise. Eine Folge wie das Land vom kommunistischen zum kapitalistischen System überging ist die starke soziale Polarisierung. Einer kleinen Zahl von Profiteuren stand in den 1990ern eine große Zahl von Armen gegenüber. Der Übergangsprozess zum Kapitalismus begann sich Ende der 90er Jahre zu normalisieren.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 479.</ref> Auch wenn 1998 das [[Russlandkrise|russische Bankenwesen zusammenbrach]], wodurch viele Russen ihr Guthaben verloren. Dem schloss sich ein langanhaltende Phase der wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung an. Bedingt durch die rasant wachsende Wirtschaft kam es zu einer Sanierung des Staatshaushaltes und einen steigenden Lebensstandard. |
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Insbesondere in der Übergangszeit nahmen zentrifugale Strömungen an den Rändern des Landes zu durch das erstarken der regionalen Autonomie nach dem Ende der stark zentralistischen Sowjetzeit. So sah sich seit Mitte der 90er Jahre die russische Regierung mit Unabhängigkeitsbewegungen und Machtkämpfen in zahlreichen Teilrepubliken, darunter Tschetschenien, Jakutien und Nordossetien konfrontiert (vgl. [[Tschetschenienkrieg]]). Von Frühherbst 1999 bis Anfang 2000 brachten russische Truppen aber den Großteil Tschetscheniens wieder unter ihre Kontrolle. Gerade das Problem des Ausgleichs zwischen zentralistischer und dezentraler Herrschaft bildete in der Geschichte Russlands ein konstantes Problem. Um die staatliche Einheit zu wahren und ein Auseinanderfallen des Landes zu verhindern setzte sich unter Putin wieder eine zunehmende Macht der Zentrale in Moskau durch. |
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Außenpolitisch suchte die russische Regierung lange nach einem neuen Standort. Unter Putin gelang es wieder mehr politisches Gewicht zu erlangen. Gerade das Auftreten im Umfeld des [[Irak-Krieg|Irak-Krieges]] 2003 machte deutlich, dass sich Russland nicht als Spielball der USA versteht, ohne allerdings einen konfrontativen Kurs zu verfolgen.<ref>Heiko Haumann: ''Geschichte Russlands'', Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 481.</ref> Zudem ist Russland an einer engen Abstimmung innerhalb Europas bestrebt und versucht seine Interessen durch eine enge Partnerschaft durchzusetzen. Die Vollmitgliedschaft bei den [[G8]]-Staaten (seit 2002) bedeutete einen erheblichen außenpolitischen Prestigegewinn. Russland blieb bemüht, seinen Einfluss in den Nachbarländern, vor allem in [[Mittelasien]] und Weißrussland weiter auszubauen bzw. wiederzuerlangen. So wurde mit Weißrussland eine Wirtschafts-, Verteidigungs- und Zollunion abgeschlossen ([[Russisch-Weißrussische Union]]). Außenpolitisch wendete sich Russland nach einigen Jahren der Annäherung mehr und mehr vom Westen ab. Dazu beigetragen hatte die Absicht der USA, Teile ihres geplanten [[National Missile Defense|Raketenabwehrsystems]] in Polen und Tschechien aufzustellen. Langjährige Spannungen mit Georgien eskalierten im August 2008. Georgien begann eine Militäroffensive in der von Russland unterstützten abtrünnigen Region Südossetien, um die Kontrolle über das Gebiet zurückzugewinnen. Dies beantwortete Russland mit dem Einmarsch eigener Truppen (vgl. [[Kaukasus-Konflikt 2008]]). |
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== Siehe auch == |
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* [[Geschichte Sibiriens]] |
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* [[Russische Ostasienpolitik]] (1890–1905) |
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* [[Russische Zivilisation]] |
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* [[Islam in Russland]] |
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== Literatur == |
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* [[Werner Adam]]: ''Das neue Russland. Putins Aufbruch mit schwerem Erbe''. Holzhausen Verlag, Wien 2000, ISBN 3-85493-018-6. |
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* Erich F. Beck: ''Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur römischen Kirche''. 2. Aufl. Unitas-Verlag, Bühl/Baden 1926. |
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* [[Thomas Bohn (Historiker)|Thomas M. Bohn]] (Hrsg.): ''Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion''. 2. Aufl. Böhlau, Köln 2009, ISBN 978-3-8252-3168-2 (Studienhandbuch östliches Europa; 2). |
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* Erich Donnert: ''Russland (860–1917)'' Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1582-8. |
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* [[Hans Ebeling (Geschichtsdidaktiker)|Hans Ebeling]], Wolfgang Birkenfeld: ''19. Jahrhundert. Ein geschichtliches Arbeitsbuch'' (= Die Reise in die Vergangenheit; Bd. 4). Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig 1991, ISBN 3-14-140704-5. |
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* [[Orlando Figes]]: ''Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands'' („Natasha’s Dance“). Berlin Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-8270-0487-1. |
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* [[Valentin Giterman]]: ''Geschichte Rußlands''. Athenäum-Verlag, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-610-08461-8 (Repr. d. Ausg. Hamburg 1949). |
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* Carsten Goehrke: ''Russland. Eine Strukturgeschichte''. Schöningh Verlag, Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76763-9. |
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* Carsten Goehrke, [[Manfred Hellmann (Historiker)|Manfred Hellmann]], Richard Lorenz, Peter Scheibert: ''Russland'' (Weltbild Weltgeschichte – Russland, Bd. 31). Weltbild-Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-89350-989-5. |
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* [[Heiko Haumann]]: ''Geschichte Russlands''. Chronos-Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-034006381. |
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* [[Michel Heller]]: ''Histoire de la Russie et de son Empire''. Flammarion, Paris 1997, ISBN 2-08-081410-9. |
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* [[Manfred Hellmann (Historiker)|Manfred Hellmann]], [[Stefan Plaggenborg]] (Hrsg.): ''Handbuch der Geschichte Russlands''. Hiersemann, Stuttgart 1986/2004, ISBN 3-7772-7621-9 (6 Bde.). |
|||
* [[Edgar Hösch]]: ''Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums''. Kohlhammer, Stuttgart 1996, ISBN 3-17-011322-4. |
|||
* Andreas Kappeler (Hrsg.): ''Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen'' (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63). Harrassowitz, Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-05029-2 (dt., engl., franz. und russ. Beiträge). |
|||
* Andreas Kappeler: ''Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall''. 2. Aufl. Beck Verlag, München 2008, ISBN 978-3-406-57739-0 (Beck'sche Reihe; 1447). |
|||
* Arthur Kleinschmidt: ''Drei Jahrhunderte russischer Geschichte. Überblick der russischen Geschichte seit der Thronbesteigung der Romanow bis heute (1598–1898)'' (Elibron Classics). British Museum, London 2011, ISBN 978-1-2415-4021-0 ([http://books.google.de/books?id=1Z-rZequez84C&pg=PA27 online]). |
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* [[Johannes Laudage]]: ''Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung''. Böhlau Verlag, Köln 2003, ISBN 3-412-17202-2 (Europäische Geschichtsdarstellungen; 2). |
|||
* Horst Günther Linke: ''Geschichte Russlands. Von den Anfängen bis heute''. Primus-Verlag, Darmstadt 2006, ISBN 978-3-89678-557-2. |
|||
* Robin Milner-Gulland: ''Russland. Kunst, Geschichte, Lebensformen''. Bechtermünz, Augsburg 1997, ISBN 3-86047-787-0 (Bildatlas der Weltkulturen). |
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* Dimitrij S. Mirskij: ''Russland. Von der Vorgeschichte bis zur Oktoberrevolution''. Magnus-Verlag, Essen 1975 (Magnus-Kulturgeschichte). |
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* [[Margareta Mommsen]], [[Angelika Nußberger]]: ''Das System Putin''. Verlag C.H. Beck, München 2007, ISBN 3-406-54790-7. |
|||
* Lothar Rühl: ''Aufstieg und Niedergang des russischen Reiches. Der Weg eines tausendjährigen Staates''. DVA, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06534-9. |
|||
* Christoph Schmidt: ''Russische Geschichte. 1547–1917''. 2. Aufl. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58721-0 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte; 33). |
|||
* Birgit Scholz: ''Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft. Die Warägerfrage in der russischen, deutschen und schwedischen Historiographie''. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04342-3 ([http://books.google.com/books?id=QPUrwrAABvEC&lpg=PA24&dq=Rossijskoe carstvo zartum&hl=de&pg=PA24#v=onepage&q=Rossijskoe carstvo zartum6f=false S. 24]). |
|||
* [[Gottfried Schramm]]: ''Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert''. Rombach-Verlag, Freiburg/B. 2002, ISBN 3-7930-9268-2. |
|||
* [[Günther Stökl]]: ''Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart''. 6. erweiterte Aufl. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-24406-3. |
|||
* Hans-Joachim Torke (Hrsg.): ''Die russischen Zaren. 1547–1917.'' 3. überarbeitete Auflage, Verlag C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9. |
|||
* Tanja Wagensohn: ''Russland nach dem Ende der Sowjetunion''. Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1751-0. |
|||
* [[Reinhard Wittram]]: ''Das russische Imperium und sein Gestaltwandel. Vortrag vom 27. September 1958''. In: ''[[Historische Zeitschrift]]'' (HZ), Bd. 187 (1959), S. 568–593, {{ISSN|0018-2613}} |
|||
* [[Klaus Zernack]] (Hrsg.): ''Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 2''. Hiersemann Verlag, Stuttgart 1990, ISBN 3-7772-7621-9. |
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== Weblinks == |
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{{Wikisource|Russland}} |
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* [http://www.bpb.de/themen/HSV1QQ Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Russland – Geschichte] |
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* [http://www.rusempire.com/ Russische Geschichte, Russische Revolution, Russischer Bürgerkrieg und vielen anderen.] (russisch) |
|||
* [http://www.europa-studien.uni-bremen.de/images/pdf/staedtke_reader2.pdf Klaus Städtke (Hg.) unter Mitarbeit von Dr. Kristina Küntzel: Chronologische Daten zur Politik- und Kulturgeschichte Russlands (18.–20.Jh.); Reader für den Studiengang Kulturgeschichte Ost- und Ostmitteleuropa der Universität Bremen] (PDF-Datei; 259 kB) |
|||
* [http://www.loc.gov/exhibits/empire/ Historische Farbfotos aus dem Russischen Reich (en/ru)] |
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* [http://osteuropa.bsb-muenchen.de/index2.htm 100(0) Schlüsseldokumente zur russischen und sowjetischen Geschichte], Digitalisierungsprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek |
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== Einzelnachweise == |
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Version vom 14. Februar 2012, 15:15 Uhr
Unter Bewegungskoordination versteht die Bewegungs- und die Trainingswissenschaft den Prozess und das Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Wahrnehmungs-, Steuerungs-, Regelungs- und Motorik-Elemente zu einem geordneten, zielgerichteten Bewegungsablauf.[1] [2] Koordinierte Bewegungen sind gleichzeitig oder in geordneter Folge auftretende Muskelaktionen. Im Unterschied zu den koordinativen Fähigkeiten stellt die Bewegungskoordination eine Fertigkeit dar, die als sichtbares Resultat aus den zugrundeliegenden Fähigkeiten erwachsen kann, aber nicht muss. Die einzelnen zur Koordination von komplexen Bewegungen ineinandergreifenden Fähigkeiten lassen sich faktorenanalytisch ermitteln.[3] [4]
Aspekte der Bewegungskoordination
Je nach Arbeitsbereich (Praktisches Training,[5] [6] Physiologie,[7] Bewegungslehre[8] etc.) lässt sich das Phänomen Bewegungskoordination unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, analysieren und nutzen:
- Bewegungskoordination kann als sinnvolles Zusammenspiel der Bewegungen verschiedener Körperteile (z.B. von Arm-, Rumpf- und Beinbewegungen) verstanden werden.
- Bewegungskoordination kann man als dynamische Abstimmung der konditionellen Leistungsbereitschaften Kraft, Schnelligkeit, Schnellkraft, Ausdauer zu einer effektiven Bewegungsgestaltung sehen.
- Bewegungskoordination kann im physiologischen Sinne ein gelungenes Wechselspiel von Agonisten und Antagonisten (z. B. von Bizeps und Trizeps) bei Zug-, Schub-, Drehbewegungen bedeuten.
- Bewegungskoordination resultiert aus der optimalen Funktion physischer, physiologischer, neurologischer, regelungstechnischer, wahrnehmungspsychologischer und mentaler Leistungsfaktoren wie Beweglichkeit, Wendigkeit, Reizempfindlichkeit, Gleichgewichtsgefühl, Raumorientierung, Einstellungsfähigkeit, Antizipationsvermögen und andere.
Merkmale der Bewegungskoordination
Eine gut koordinierte Bewegung präsentiert sich optisch als ästhetisch ansprechend und scheinbar mühelos. Der Akteur selbst empfindet sie als leicht und beglückend (vgl. gekonnte Skiabfahrt). Die gelungene Bewegungskoordination macht die Qualität einer Bewegungsgestalt aus. Sie hat zudem auch wesentlichen Anteil an deren Effektivität. Die Bewegungslehre umschreibt sie mit Merkmalen wie flüssig, rhythmisch, organisch (=körpergerecht), ökonomisch (=kraftsparend), präzise (=bewegungsgenau), ästhetisch (=reizvoll) oder gekonnt (=ausgereift). Die Bewegungskoordination ist ein signifikanter Gradmesser für die Beherrschung eines Bewegungsablaufs.
Ansprüche an die Bewegungskoordination
Verschiedene Lebensbereiche stellen verschiedene Anforderungen an die Bewegungskoordination. Die Bewegungslehre differenziert z.B. zwischen Alltags-, Berufs- und Sportmotorik und konstatiert dabei eine wachsende Anzahl von Einzelelementen und eine Komplizierung des Zusammenspiels, je komplexer die Anforderungen werden. So zeigen sich Alltagsbewegungen (Gehen, Treppensteigen, Einkaufswagen packen) als relativ einfach strukturierte Bewegungsformen, die schnell beherrschbar sind. Berufsbezogene Bewegungen (von Dachdecker, Klempner, Chirurg oder Landwirt) erfordern spezifische Lernprozesse. Höchste Ansprüche an das Koordinationsvermögen können sportliche Bewegungsabläufe stellen (Gerätturnübungen, Eislauffiguren), zumal sie meist noch mit dynamischen Anforderungen (Wettkampf, Höchstleistung) gekoppelt sind.
Messung und Beurteilung der Bewegungskoordination
Die Bewegungskoordination ist wegen ihrer Komplexität die am schwierigsten zu messende Grundfertigkeit. Um ihre unterschiedlichen Komponenten und deren Zusammenspiel zu erfassen, reicht kein Einzeltest. Es bedarf einer so genannten Testbatterie, die eine Serie von Einzelaufgaben (Items) koordiniert, die diese Komponenten repräsentieren. Außerdem muss das Problem gelöst werden, die Qualität der Bewegungsführung zu quantifizieren, um sie messbar und damit objektiv verfügbar zu machen.
Als ausgereift und damit einsetzbar zur Prüfung der Bewegungskoordination gilt ein Testverfahren nach den Regeln der Testpsychologie erst, wenn es zumindest die Haupt-Gütekriterien Objektivität, Validität, Reliabilität und Normierung erfüllt.[9] Dies ist nur bei wenigen Verfahren gegeben, weil der statistisch/mathematische, personelle und zeitliche Aufwand dazu sehr hoch ist und zahlreiche Testabnahmen voraussetzt. Verfahren, denen z.B. Vergleichsdaten wie Normentafeln fehlen, sind als Prüfinstrument der Bewegungskoordination ungeeignet. Sie können aber zu deren Übung verwendet werden.
Als ausgereifte und entsprechend viel eingesetzte Prüfverfahren zur Erfassung der Bewegungskoordination können der Körperkoordinationstest für Kinder (KTK) von Ernst J. Kiphard und Friedhelm Schilling[4] sowie der Wiener Koordinationsparcours (WKP) von Siegbert A. Warwitz[3] gelten: Der KTK erfasst den koordinativen Leistungsstand von Kindern im Alter zwischen 5 und 14 Jahren. Er ist besonders geeignet, frühzeitig eventuelle Hirnschädigungen zu diagnostizieren. Der WKP erfasst das Leistungsspektrum von Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 21 Jahren sowie der speziellen Population weiblicher und männlicher Sportstudenten. Er verlangt von den Probanden, eine Folge von acht unterschiedlichen Bewegungsaufgaben möglichst schnell korrekt zu absolvieren. Der Grad der Koordinationsfähigkeit wird dabei über die Zeitmessung bestimmt. Die Anforderungen an das Koordinationsvermögen steigen mit der Geschwindigkeit der Bewegung. Sie ergeben sich zum einen durch die Aufgabenstellung, zum anderen aus deren Aufeinanderfolge.
Literatur
- K. Bös: Handbuch sportmotorischer Tests. Göttingen 1987
- P. Hirtz: Koordinative Fähigkeiten im Schulsport. Berlin 1985
- E.J. Kiphard /F. Schilling: Körperkoordinationstest für Kinder (KTK). Göttingen 2007
- H. de Marées: Sportphysiologie. Köln (Sportverlag) 9. Auflage 2003
- H. Mechling u.a.: Koordinative Anforderungsprofile ausgewählter Sportarten. Training der Bewegungskoordination. Bd. 2. Köln (Strauß) 2003.
- K. Meinel / G. Schnabel: Bewegungslehre – Sportmotorik. München (Südwest) 11. Auflage 2007
- A. Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 3. Aufl. 2006
- K. Roth /K. Willimczik: Bewegungswissenschaft. Reinbek (Rowohlt) 1999
- G. Schnabel u.a. (Hrsg.): Trainingslehre – Trainingswissenschaft: Leistung-Training-Wettkampf. Aachen (Meyer & Meyer) 2009
- S.A. Warwitz: Der Wiener Koordinationsparcours (WKP). In: S.A. Warwitz: Das sportwissenschaftliche Experiment. Planung-Durchführung-Auswertung-Deutung. Schorndorf (Hofmann) 1976. S. 48-62
- J. Weineck: Optimales Training. Erlangen (Balingen) 10. Auflage 2000
Einzelnachweise
- ↑ K. Roth /K. Willimczik: Bewegungswissenschaft. Reinbek (Rowohlt) 1999
- ↑ G. Schnabel u.a. (Hrsg.): Trainingslehre – Trainingswissenschaft: Leistung-Training-Wettkampf. Aachen (Meyer & Meyer) 2009
- ↑ a b S.A. Warwitz: Der Wiener Koordinationsparcours (WKP). In: S.A. Warwitz: Das sportwissenschaftliche Experiment. Planung-Durchführung-Auswertung-Deutung. Schorndorf (Hofmann) 1976. S. 48-62
- ↑ a b E.J. Kiphard /F. Schilling: Körperkoordinationstest für Kinder (KTK). Göttingen 2007
- ↑ P. Hirtz: Koordinative Fähigkeiten im Schulsport. Berlin 1985
- ↑ A. Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 3. Aufl. 2006
- ↑ H. de Marées: Sportphysiologie. Köln (Sportverlag) 9. Auflage 2003
- ↑ K. Meinel / G. Schnabel: Bewegungslehre – Sportmotorik. München (Südwest) 11. Auflage 2007
- ↑ K. Bös: Handbuch sportmotorischer Tests. Göttingen 1987