„Sayed qutb“ – Versionsunterschied
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#REDIRECT [[Sayyid Qutb]] |
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'''4.1. Der „Chefdenker“ Sayed Qutb und die Repression der Muslimbruderschaft durch den ägyptischen Staat''' |
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Eine besondere Bedeutung kommt Sayed Qutb zu. Sein Buch '''„Wegzeichen“''' hat entscheidend zur Prägung der Organisation beigetragen und reflektiert das Grundverständnis der Muslime gleicher Denkrichtung. Verschiedene Interpretationen seiner Werke führten zur Entstehung militanter Organisationen. Wenn heute manchmal von Qutubiyun die Rede ist, dann bezieht sich das auf die Anhänger seiner Positionen, beziehungsweise ihrer Interpretationen derselben. Die ''Salafiya Dschihadiya'', welche sich inzwischen in der Person von Usama bin Ladin verdichtet hat, findet hier seine Wurzeln. |
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Als General Gamal Abd al Nasser, am 23. Juli 1952 gemeinsam mit seinen Mitstreitern die Macht übernahm sollte dies nicht die erhoffte Wende bringen, welche die Muslimbruderschaft erstrebte. |
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Nasser wollte Ägyptens Kolonialzeit und deren Folgeerscheinungen aus dem Staat und den Institutionen tilgen. Er versuchte das durch Mobilisierung der Massen zu erreichen und der Ausschaltung jeglicher Opposition. |
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Daher wurden am Ende per Dekret, am 16. Jänner 1953 alle Parteien verboten. |
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Die Muslimbruderschaft, welche den Putsch Nassers begrüßt hatte, waren davon nicht betroffen, da sie als Organisation galten.1 |
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Sie war zu dieser Zeit die stärkste Organisation. Eine Konfrontation mit der Muslimbruderschaf hätte dem neuen Regime geschadet, doch das bedeutete nicht, Nasser hätte eine starke gesellschaftliche Kraft neben sich akzeptiert. |
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Da nicht jedes Übel auch ein Schaden sein muss, war dann auch das Attentat auf Nasser der Auslöser für die einsetzende Repression gegen die Muslimbruderschaft und die Möglichkeit, die unpopulären Maßnahmen gegen diese Organisation zu rechtfertigen. |
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Zwar verneinten die Muslimbrüder ihre Mitschuld, doch es war inzwischen zu spät. So schreibt Kepel über die Aktionen gegen die Muslimbruderschaft: „Ihre Räumlichkeiten werden niedergebrannt, ihre Anführer verhaftet und gefoltert, und das Volk wird durch Agenten der Regierung gegen ihre Mitglieder aufgewiegelt.“ 2 |
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Die Zerschlagung der letzten Opposition und deren Strukturen schienen gelungen zu sein. |
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Doch die Da´wa (Einladung zum Islam) hatte Fuß gefasst. Die Gedanken waren in der ägyptischen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden gefallen und Gedanken können bekanntlich nicht eingesperrt werden. |
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Andererseits bewirkte die Inhaftierung der Muslimbrüder eine Veränderung in der Betrachtungsweise des Staates und seines Führers. |
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Weder Folter noch Konzentrationslager konnten sie in ihrer Überzeugung schwächen. |
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Es war der Geist der Lagerstraße, so kann man in Anspielung auf eine andere Zeit sagen, welche Qutb veranlasste, ein für muslimische Organisationen maßgebliches Werk zu schreiben: Wegzeichen. Dieses Werk, von unterschiedlichen Menschen verschieden interpretiert, sollte zur Grundlage vieler muslimischer Organisationen werden, die sich nun in Opposition zum Staat und seiner Politik sahen.3 |
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Sayed Qutb wurde 1906 in einem Dorf mit christlicher und muslimischer Bevölkerung geboren und entstammt einer bürgerlichen Familie. |
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Bei der Wahl zwischen der Kuttab (Qur´an-Schule, s. Glossar) und der staatlichen Schule entschied man sich für letztere. Qutb lernte als Junge den gesamten Qur´an auswendig und wurde somit zu einem Hafiz. |
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Sein Vater war Abgeordneter der National Partei. |
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So kam er durch die Besucher in seinem Elternhaus als Jugendlicher schon früh mit Politik in Berührung und somit auch mit der antibritischen Stimmung im Hause Qutb. |
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Nach Beendigung der Schulzeit begann er sein Studium am Institut für Lehrerausbildung in Kairo, während er bei seinem Onkel, einem Journalisten, wohnte. |
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Nach erfolgreicher Beendigung absolviert er 1933 „Das Haus der Wissenschaft“, Dar al ´Ulum, gegründet, um die Schwächen der erstarrten Lehrerausbildung der Al Azhar Universität wettzumachen4. |
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In den folgenden 16 Jahren arbeitete er für das Bildungsministerium und verfasste zahlreiche Reformentwürfe für die Verbesserung des Erziehungswesens, welche jedoch ignoriert wurden. Gleichzeitig trat er als Journalist (auch für auflagenstarken Zeitungen), Literat und Literaturkritiker in Erscheinung. |
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In seinen Werken verarbeitete er seine Lebensabschnitte und eine enttäuschte Liebe, ein Grund weswegen er auch Junggeselle geblieben sein soll. |
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Er, das ehemalige Mitglied der Wafd-Partei, entsagte 1945 der Parteipolitik und wandelte sich zum Fürsprecher nationalistischer Ideen, weswegen er den Zorn König Faruks auf sich zog. Seine alten politischen Kontakte retteten ihn, jedoch wurde er 1948 im Auftrag des Bildungsministeriums aus dem Land geschickt, um für unbegrenzte Zeit in den Vereinigten Staaten zu weilen, um das dortige Bildungssystem zu studieren. |
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Doch wurde er nicht, wie seine Vorgesetzten das zu wünschen schienen, „geläutert“. |
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Die Erwartungen, er würde als begeisterter Anhänger des American Way of Life zurückkehren erwies sich als Irrtum.5 |
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Im Gegenteil, die Erlebnisse während seines Aufenthalts, die von Qutb so wahrgenommene sexuelle Promiskuität, der Rassismus, die Rassentrennung, die gerade ihn als Ägypter treffen musste, die Hilflosigkeit der Ärmsten und ihre Verachtung, die Huldigung des Geldes, typische Symptome der calvinistisch geprägten USA, die Missachtung für ihn so wichtiger Werte beeinflussten seine Weltanschauung. So erlebte er seinen Aufenthalt in den USA. |
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Als er dann auch noch miterleben musste, wie die Ermordung des Führers der Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna, in den USA mit Freude quittiert wurde, kehrte ein Mann nach Ägypten zurück, der wegen seiner einsetzenden Kritik gezwungen wurde seinen Posten im Bildungsministerium aufzugeben. |
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Letztendlich bewirkten diese Erlebnisse seine besondere Rückbesinnung zum Islam und führten zu Kontakten mit der Muslimbruderschaft, der er 1951 beitrat. |
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Bald erkannte man die Fähigkeiten dieses Mannes, weswegen er in die Sektion von „Nasr ad Da´wa“ (Nasr = Sieg, Triumph; Da´wa = Einladung zum Islam) also Verkündung des Islam, als ihr Leiter berufen wurde. |
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Da zu dieser Zeit die Kontakte zu den „Freien Offizieren“ noch unter einem guten Stern standen, gehörten auch Nasser und Nagib (Nagib war der erste Präsident nach der Revolution) vor der Revolution 1952 zu seinen Zuhörern. |
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Noch bevor es zu dem Attentat auf Nasser kommen sollte, ergriff Qutb, während des Streites zwischen dem obersten Führer der Muslimbruderschaft Hassan al Hudaybi und Nasser, die Partei des ersteren und wurde dafür einige Monate ins Gefängnis gesperrt. i |
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Doch auch innerhalb der Bewegung gärte es an den Rändern, so dass Qutb, seit Juli 1954 mit der Leitung der Zeitschrift Al Ikhwan al Muslimin (Muslimbruderschaft, s. Gl.) betraut, gegen diese sektiererischen Abweichler Front machte. |
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Am 8. Oktober 1954 kam es zum Schuss-Attentat auf Nasser am Platz Menchieh in Iskenderia (Alexandria), wobei ein Anhänger der Muslimbruderschaft, ´Abd al-Latif, festgenommen wurde. |
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Wie schon erwähnt, war das die Gelegenheit für Nasser ein für allemal diese Widersacher zu beseitigen. |
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Die Organisation wurde zerschlagen, zahlreiche Aktivisten verhaftet und gefoltert, darunter auch Qutb. |
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Das Urteil für Qutb, gefällt am 13. Juli 1955, lautete 25 Jahre Zwangsarbeit. Die musste er anfänglich in einem Konzentrationslager in Tura und in einem Gefängniskrankenhaus verbringen. |
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In dieser Zeit erhielt er die Möglichkeit zu schreiben. |
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Seine Werke Fil Zilal al Qur´an ( Im Schatten des Qur´an ) und Ma´alim fi-l Tariq |
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(Wegzeichen) entstanden also während seiner Haftzeit. Letzteres konnte in seinen ersten Entwürfen erstmals 1962 durch eine Aktivistin der Muslimschwesternschaft, Zaynab al Ghazali, einem größeren Kreis bekannt gemacht werden. |
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Qutb wurde 1964 durch die Intervention des irakischen Präsidenten, der zu dieser Zeit auf Staatsbesuch in Ägypten weilte, entlassen, sein Buch Wegzeichen |
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veröffentlicht, dann von der Zensur verboten, wieder zugelassen und nach der fünften Auflage erneut verboten. |
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Doch man wollte einige der unliebsamen Kritiker des Regimes weiterhin loswerden. So geschah es dann, dass in einem Verfahren die durch Folter gebrochenen Angeklagten, Qutb und zwei seiner Gefährten, zum Tode verurteilt wurden. |
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Das Urteil wurde am 29. August 1966 vollstreckt, Qutb erhängt. 6 |
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''i) Nach der Unterstützung für Nagib, unterstützten sich die Muslimbruderschaft und Nasser gegenseitig. Als die Muslimbruderschaft, so Nazih, eine Gegenleistung wollte, kam es zum Bruch zwischen Nasser und der Muslimbruderschaft. (vgl. Nazih, Ayubi, Politischer Islam, S. 195)'' |
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Die fast zehnjährige Gefangenschaft Qutbs, das Konzentrationslager, die Folter, die juristische Farce, all das muss bedacht werden, wenn wir die Weiterentwicklung der neueren muslimischen Bewegungen betrachten, die aus der Muslimbruderschaft hervorgingen und einen militanten Weg einschlugen. |
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'''Die Gedanken des Sayed Qutb''' |
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Die Gedanken Qutbs über die ägyptische Gesellschaft und die Regierenden, als ein Opfer des repressiven Systems, dass eine gerechte, auf den islamischen Grundsätzen basierende Bewegung mit brutaler Unterdrückung vernichten wollte, sollten anderen Staaten und Systeme und ihren Führern in der muslimischen Welt eine Warnung sein. |
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Dass die Bewertung der Gesellschaft, der Regierenden überhaupt der Zustand der Gemeinschaft aller Muslime auf der Welt, durch einen von diesem System Verfolgten entsprechend negativ ausfiel war wenig verwunderlich. |
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Genauso wenig wie der Aufstand der Massen im Iran, als der Westen davon überrascht wurde, wie der von ihnen so als fortschrittlich und modern wahrgenommene Schah, samt seiner aus dem Land vertrieben wurde. |
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Die Gedanken eines von diesem System ins Exil verbannten Mannes, des schiitischen Ayatollahs, spiegelten den Zorn der Massen wider. Dass jedoch lange nicht alle Iraner Anhänger Ayatollah Khomeinis waren, wurde später schnell klar. |
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Wen also wundert es, wenn die Reflexionen Qutbs, der noch dazu die schlimmsten Maßnahmen des um seine Macht kämpfenden Systems erdulden musste, das widerspiegelten, was die Massen aber auch die kommenden intellektuellen Eliten an den Universitäten empfanden. |
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Ähnlich ergeht es der Einwanderer zweiter und dritter Generation in Europa. Aufgrund ihrer sozialen Lage und im Zuge der Identitätsfindung besannen sie sich auf ihre Religion. Sie begannen sich betont als Muslime wahrzunehmen und zu definieren. Jugendgruppen wie die Muslimische Jugend Deutschland oder Muslim Youth im Vereinigten Königreich haben regen Zulauf und entstanden auf Initiative der Jugendlichen, mit Unterstützung von muslimischen Organisationen im Ausland. |
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Bei der Betrachtung von Wegzeichen fällt die Kritik an den Demokratien, an der Entwicklung des Liberalismus und Kapitalismus auf. |
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Für ihn, Qutb, befand sich die ''„...Welt am Rande des Abgrundes , (...) und zwar nicht wegen der drohenden Zerstörung, die über ihr schwebt (das ist nämlich nur das Symptom des Übels, nicht das Übel selbst), sondern wegen ihres Versagens im Bereich der „Werte“, durch deren Einfluss das menschliche Leben eine gesunde Entwicklung erfahren könnte.“'' 7 |
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Als Beweis für die Ungerechtigkeit in den Demokratien weißt er auch auf die Tatsache hin, dass mit dem „Siegeszug“, des Liberalismus und Kapitalismus in der westlichen Welt zu gesellschaftlicher Ungerechtigkeit führte, die, so Qutb dazu führte, dass man begann „die Strukturen des Ostblocks zu übernehmen, insbesondere das Wirtschaftssystem, und zwar im Namen des Sozialismus“.8 |
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Gleichzeitig kritisierte er die Entwicklung des ideologischen Widerparts, indem er schrieb: ''„Die kollektiven Theorien (allen voran der Marxismus), die angesichts ihres doktrinären Charakters anfänglich auf viele Menschen- im Osten wie im Westen – eine große Anziehungskraft ausübten, haben sich in intellektueller Hinsicht deutlich zurückentwickelt und stehen heute nur noch im Dienste des Staates und seiner Strukturen. Dieser Staat aber hat mit den doktrinären Prinzipien dieser Ideologien nichts mehr gemein.“'' 9 |
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In diesen Beispielen findet –während der siebziger Jahre von demonstrierenden iranischen Studenten auf einen Slogan reduziert: „No East no West, Islam is the best“ – man auch jenseits des islamischen Anspruches, den Willen Gottes zu erfüllen und nach dem zu richten was Gott herabgesandt hat 10, eine aus den politischen und sozialen Gegebenheiten resultierenden Konsequenz einen dritten Weg zu suchen oder eben gleich anzubieten. Zum Beispiel den Islam, dies aber auch aus islamischer Überzeugung. Einen „Dritten Weg“ macht ja auch der libysche Staatschef Muammar al Ghaddafi zur Grundlage seiner Ideologie. Diesen Sonderweg zwischen Sozialismus und Islam beschrieb er in seinem Grünen Buch. i |
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''i) Das Grüne Buch. Die dritte Universaltheorie, aus Libyen-news: http://www.libyen-news.de/literatur.htm, zuletzt abgerufen: 1.11.2003. Dort heißt es in der Beschreibung: „Autor: Revolutionsführer Muammar el Gaddafi. Rezension (bearbeitet) bei amazon.de über dieses Buch: „Gaddafi hat mit diesem intelligenten Buch den Beweis erbracht, dass er ein genialer Kopf unserer erbarmungslosen Zeit ist. Mit diesem Buch wird bestätigt, dass Politik doch noch menschlich und ein Teil des Volks ist. Hut ab! |
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In diesem Buch schildert Gaddafi in faszinierender Weise eine neue politisch-philosophische Grundrichtung anhand derer er die panarabischen Ideale Nassers wieder aufleben lassen will. Ein Mittelweg irgendwo zwischen Sozialismus, Nationalismus, persönlichem Ego und einer islamischen Internationalen. Ein faszinierendes Buch, wenn mit Humor gelesen, jedoch zutiefst in der arabischen Wüste verwurzelt, um mitteleuropäische Gemüter zu erleuchten oder nur zu erhitzen.'' |
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Qutb wurde in den Konzentrationslagern von den Ideen Abu ´ala Mawduis beeinflusst, was sich eben in den neuen Gedanken niederschlug. Diese wurden von Hudaiby, der Führungspersönlichkeit in der Muslimbruderschaft, ohne den Namen Qutbs zu nennen, kritisiert.11 |
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'''Dschahaliya, der vorislamische Zustand''' |
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Über die Gesellschaften der Welt, aber auch die ägyptische Gesellschaft, auf diese Idee wäre al-Banna nie gekommen, sprach er nun von der Dschahaliya. Die Dschahaliya, die Zeit der Unwissenheit, bezeichnete eigentlich, historisch gesehen, den Zustand der vorislamischen Gesellschaft auf der arabischen Halbinsel. Für Qutb schienen die muslimischen Gesellschaften keine mehr zu sein. Besonders aber die Regenten derselben wurden entsprechend beurteilt. Im folgenden Kapitel über Hakimiya und ´Ubudiya wird dies genau präzisiert werden. |
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Qutbs dualistisches Weltbild, so Meier, entstand in der Lagerhaft und der damit verbundenen Behandlung. Zainab al-Ghazzali, eine Muslimschwester, die ebenfalls wegen angeblicher Umsturzpläne gegen das Nasser-Regime eingesperrt wurde, schilderte die Zustände in der Haft: |
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„..Ich sah die Muslimbrüder, wie sie an Pfosten angehängt waren und die Peitschen ihre nackten Körper verbrannten. Über einige von ihnen fielen die herumstreunenden Hunde her, um ihre Körper nach der Auspeitschen zu zerreißen; andere hielten ihr Gesicht zur Wand hin in der Erwartung, dass die Reihe für die Exekution der Folter an sie kommen würde….12 |
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'''4.2. Dualistisches Weltbild: Hakimiya und ´Ubudiya (Herrschaftsgewalt und Anbetungswürdigkeit)''' |
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Wie auch vorher hinkt die Übersetzung, da sie ja gleichzeitig eine Interpretation darstellt. Als Orientierung lasse ich sie so stehen wie sie auch in Gilles Keppels Buch zu finden ist, um dafür hier jetzt auf die Bedeutungsinhalte einzugehen. Dieses Kapitel ist wichtig, um die Entstehung der Ideologie und Weltanschauung verstehen und deuten zu können, welche zur Gründung der gewalttätigen Dschihad-Gruppen führte. Ayman Zawahiris „geistige Wurzeln“ -zweiter Mann neben Usama bin Ladin und der „Ideologe von Al Qaida“ wie diverse Analysten und Kommentatoren meinen- oder die von Scheikh Azam gründen unter anderem auf dieser speziellen Weltanschauung. |
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Die Auswirkungen der Repression (auf die Mitglieder der Muslimbruderschaft durch politische Verfolgung und Haft) und der Einfluss von einem anderen muslimsichen Denker, Mawdudi, wurden deutlich. |
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In einem Ausschnitt aus „Wegzeichen“, zeigte sich die neue -der Muslimbruderschaft nicht entsprechende und geteilte- Betrachtungsweise der Welt und Grundlage für Interpretationen kommender muslimischer Sondergemeinschaften und Gruppen. |
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Qutb, sah den Zustand der Dschahaliya wieder erreicht, „….denn eine Umma, welche den Islam umsetze gab es nicht mehr, wie er meinte, denn sie habe aufgehört zu existieren, seitdem nirgendwo mehr auf der Welt Gottes Gesetz Geltung fand. |
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Daher lebt die Menschheit, hinsichtlich der Quelle aus der sie ihre Werte und Regeln schöpft, im Zustand der Dschahiliya. Dieser Zustand der Dschahiliya wird auch nicht durch noch so große materielle Erleichterungen und Errungenschaften gemindert. Die Grundlage, auf der die Dschahiliya beruht, ist die Verletzung der Autorität Gottes auf Erden, die Verletzung der vorrangigen Eigenschaft des Göttlichen, nämlich seiner Herrschaftsgewalt (Hakimiya). Denn sie überträgt die Herrschaftsgewalt auf die anderen Menschen. |
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Dies vollziehst sich nicht mit der ursprünglichen Arglosigkeit der ersten (historischen) Dschahiliya sondern indem sich der Mensch das Recht anmaßt, Vorstellungen, Werte, Gesetze, Regeln und Gebräche selbst zu bestimmen, unabhängig von der göttlichen Ethik (Minhadsch Allah li Hayat) und ohne Berücksichtung der göttlichen Verbote! |
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Und dieser Angriff gegen die Hakimiya Gottes bedeutet gleichzeitig auch einen Angriff gegen Gottes Geschöpfe. Die allgemeine Erniedrigung des Menschen in den kollektivistischen Staatsordnungen und das Unrecht, das die Individuen und Völker unter der Herrschaft des Kapitals und des Kolonialismus zu erleiden haben, sind nur eine Auswirkung dieses Angriffes gegen die Herrschaftsgewalt Gottes, und zugleich eine Verneinung der Würde, die Gott den Menschen verliehen hat. Was uns betrifft, so wissen wir ohne die Spur eines Zweifels um etwas vollständig Neues, von dem die Menschheit nichts weiß und das sie auch nicht selbst hervorbringen könnte. |
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Wie schon gesagt, muss diese Neue in einer neuen Form verkörpert werden, die im Leben einer Umma zum Ausdruck kommt [...]., und das erfordert die Wiedererweckung der islamischen Länder. Dieser Wiedererweckung wird früher oder später die Übernahme der Führung der Menschheit folgen…. |
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Eine Avantgarde muss die in Angriff nehmen und sich auf den Weg machen, um die Dschahaliya, die überall auf der Welt ihre tiefen Wurzeln geschlagen hat, von innen her zerstören. Sie wird es verstehen müssen, sich einerseits in einer Art Isolation zurückzuziehen und andererseits den Kontakt mit der sie umzingelnden Dschahiliya zu suchen. |
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'' Damit diese Avantgarde ihren Weg findet, muss es >Wegzeichen< geben, Zeichen durch die sie erkannt, wo ihre lange Reise beginnt, welche Rolle sie auf ihrem Weg zu spielen hat und worin ihre wahre Aufgabe liegt. ..[…] Ebenso lassen sie diese Zeichen wissen, welche Haltung sie gegenüber der weltweit herrschenden Dschahiliya einzunehmen hat, Wie definiert sie sich ihre gegenüber? Wann soll sie auf die Menschen zugehen, und wann soll sie sich von ihnen zurückziehen? |
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Wie und worüber soll sie mit ihnen in der Sprache des Islam reden? […] |
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Für diese lange ersehnte Avantgarde habe ich >Wegzeichen< geschrieben''.“1 |
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Diese Vorhut der islamischen Bewegung sollte also das Ziel haben, die Hakimiya umzusetzen, die Herrschaftsgewalt Gottes, welche unrechtmäßig von den Menschen an sich gerissen wurde. Diesen Begriff der Hakimiya bezog er vom Gründer der indischen Dschamat i-Islam, Abu ´ala Mawdudi. |
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Die Souveränität der Herrschaft sollte sich bei Gott finden, also eine Herrschaft in dem von Gott vorgegebenen geraden Weg. |
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Hingegen sind die Menschen zur ´Ubudiya, (Anbetung) Gottes verpflichtet. |
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Dort wo das nicht geschieht, nehmen die ungerechten Herrscher, die tyrannischen Regenten die Hakimiya, die Herrschaft an sich. 2 |
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Es war nicht schwer, für den unter Folter im Konzentrationslager weilenden Opfer des Nasserschen Regimes, „arabisch-sozialistischer“ Prägung, zu dem Schluss kommen zu lassen, dass die Ideen Mawdudis zur rechtmäßigen Herrschaft richtig waren und so Teil seines Manifestes wurden. Die Willkür der ungerechten Herrscher, die nicht nur die Herrschaft (Hakimiya) an sich rissen, sondern sich auch selber zum Gegenstand der Anbetung (´Ubudiyah) machten waren auf einem vorislamischen Irrweg. |
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Dies zeigte sich, indem in einem hemmungslosen Führerkult. Der Regent wurde zum Objekt der Anbetung. Gerade bei Gamal ´Abd al-Nasser war das der Fall. Es war ein für Diktaturen typischen Personenkult, welcher sich in überlebensgroßen Gemälden und Statuen niederschlug. Dies ist bekanntlich nicht nur ein Zeichen muslimischer Länder, wenn sich dort auch fast nur Quasi-Diktaturen befinden. |
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Die Allgegenwart der allmächtigen Herrscher, Regenten, der Partei und was auch immer, soll selbst dem einfachsten Einwohner dieser Länder vor Augen geführt werden. Die Anbetung, die religiösen Gefühle, sollten dem Übervater, den Regenten zuteil werden. Dies manifestiert sich auch in der Türkei in Bezug auf die Person Atatürks. |
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So schrieb Mawdudi in seinem Werk „Als Muslim leben“ über den Islam als vollständige Hingabe: ''„Islam bedeutet nichts als die vollständige und ausschließliche Hingabe des Menschen an Gott. Der Muslim ist weder Diener seines eigenen Ich noch seiner Ahnen, seiner Familie, seines Volkes noch der Diener eines Herrschers, Generals, Führers, Mullahs, Scheikhs oder irgendeiner anderen Person. Er ist nur der Diener Gottes.“'' 3 |
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Und weiter stellte er die Frage: ''„ Niemand kann wirklich Muslim werden, bevor er nicht aufhört, irgend etwas oder irgend jemanden neben Gott hörig zu sein, Man kann nun fragen: Ist Gott derart angewiesen auf unseren Gehorsam, dass Er ihn so eindringlich von uns fordert? Ist Er, genauso wie die Herrscher dieser Welt, so machthungrig, dass Er darauf besteht, Seine Macht aufrechtzuerhalten, indem er uns unterjocht?“''4 |
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Die Unterjochung durch die Herrschenden, die die Hakimiya, die Herrschaft unrechtmäßig an sich gerissen haben und deren ´Ubudiya nun ihnen zuteil wurde, waren also ein Faktum, welches nicht nur bei Mawdudi beschrieben und charakterisiert wurde. Es wurde von Qutb ebenso gesehen und -im Gegenteil zu Mawdudi - auch am eigenen Leibe schmerzhaft erfahren. |
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Diese Vereinnahmung der Hakimiya beschrieb er weiters wie folgt: „ Fast überall auf der Erde haben die herrschenden Familien ohne Unterlass versucht, sich selbst – mehr oder weniger – an die Seite der Gottheit, des Herrn, zu stellen. Über ihre politische Herrschaftsgewalt hinaus trachteten sie nach der Teilhabe am Übernatürlichen und erzwangen deshalb von ihren Untertanen eine Art Anbetung (`Ubudiya), obwohl sie in Wirklichkeit keineswegs den Status einer himmlischen Gottheit anstrebten. Dies war nur ein Vorwand, um ihre politische Herrschaftsgewalt zu festigen. […] Pharao sagte, dass er der Besitzer von Ägypten und dessen Reichtümern sei, dass er befugt sei, die absolute Herrschaftsgewalt auszuüben und dass seine Person das Zentrum der ägyptischen Gesellschaft bilde, in der kein anderes Gesetz und kein anderes Recht gelten könne als das seine.“5 |
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Anwar al-Saddat sollte später von Islambuli erschossen werden, was dieser mit den Worten: |
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„Ich habe Pharao getötet“, kommentieren sollte. |
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Qutb, folgerte, dass die Einteilung in eine entweder islamische oder nichtislamische (dschahelitische) Gesellschaft, anhand der Hakimiya und ´Ubudiya vorgenommen werden konnte, egal ob sich diese selber als islamische Gesellschaft sahen oder nicht. |
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Im ersten Fall ist Gott, Herrscher und Gegenstand der Anbetung, im zweiten Fall ist es jemand oder etwas anderes als der wahre und einzige Gott. 6 |
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Und wie Mawdudi verdeutlichte Qutb in Wegzeichen“ im Kapitel: „Der Islam ist die Zivilisation“: diesen Standpunkt: „ Der Islam kennt nur zwei Sorten von Gesellschaften: islamische oder jahilitische. Die islamische Gesellschaft ist diejenige in der der Islam angewandt wird. Er ist Glaube und Anbetung (Gottes), Gesetz und soziale Ordnung, Schöpfung und Verhalten. Die dschahilitische Gesellschaft ist diejenige, in der der Islam nicht angewandt wird. In ihr herrschen weder der Glaube noch die Vorstellungen des Islam, ebenso wenig wie seine Werte und Maßstäbe, Organisation und seine gesetzlichen Bestimmungen, seine Schöpfung(svorstellungen) und seine Verhalten(sformen). Auch eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich als Muslime bezeichnen, die beten, fasten und nach Mekka pilgern, ist nicht islamisch, solange ihre Gesetzgebung nicht auf dem islamischen Recht beruht. |
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Eben sowenig islamisch ist eine Gesellschaft, die sich selbst ihren eigenen Islam schafft; einen Islam, der abweicht von dem, was Gott bestimmt hat und was sein Gesandter im einzelnen dargelegt hat, der sich zum Beispiel >progressiver Islam< nennt.7 |
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Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich diese Gedanken zu einem großen Teil von dem Verständnis der Muslimbruderschaft. Für die Mehrheit der Muslime sind die ca. 1,4 Milliarden Muslime die auf dieser Welt leben Muslime. Ihre Gesellschaften sind auch islamische Gesellschaften, während diese bei Qutb nicht mehr existierten, da spätestens seit der Einführung nicht islamischer Gesetze anstelle islamischer in das Osmanische Reich ab den 18. Jahrhundert, die islamische Gesellschaft aufhörte zu existieren. Die Rettungsversuche durch die „progressiven Muslime“, bis hin zum ägyptischen ´Abd al-Raziq, der ja den Säkularismus, als ureigenes islamisches System seit der Zeit des Propheten propagierte, waren – so Qutb -dschahelitische Vorstellungen vom Islam. |
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Für Qutb konnten sich diese dschahelitischen Gesellschaften in verschiedener Form präsentieren: |
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„Sie kann in der Form einer Gesellschaft auftreten, die die Existenz des erhabenen Gottes leugnet, die Geschichte nach einem dialektischen materialistischen Modell erklärt und den so genannten wissenschaftlichen Sozialismus als gesellschaftliche Ordnung anwendet. |
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Sie kann ebenso in der Form einer Gesellschaft auftreten die zwar die Existenz des erhabenen Gottes nicht verleugnet, die seine Autorität jedoch nur im Himmel und nicht auf Erden anerkennt, denn sie richtet ihr Leben weder nach dem göttlichen Recht noch nach den von Gott zugrunde gelegten Werten aus. Sie stellt es dem einzelnen zwar frei, Gott in den Synagogen, den Kirchen und den Moscheen anzubeten, doch sie verbietet es den Menschen zu fordern, dass Gottes Gesetz in ihrem Leben praktische Anwendung findet. … Damit ist dies eine dschahelitische Gesellschaft.“8 |
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Es war für die Leser von Wegzeichen wohl unschwer zu erkennen, dass auch oder insbesondere Ägypten unter der Regentschaft Nassers, mit der Ideologie des Panarabismus und „arabischen Sozialismus“, (dem Lieblingsthema der franko- und anglophonen Eliten 9) und die Repression der Opposition gemeint war. Noch weniger schwer zu erkennen war die Kritik an den Muslimen, welche den Islam „neu erfinden mussten“ oder wollten. |
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Darin, so Kepel, bezog Qutb sich aber auch auf die Al Azhar Universität, auf deren Modernisierung Nasser setzte, um sich zum Träger und Vermittler der Staatsideologie zu machen.10 |
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Die Legitimation durch die islamischen Gelehrten (´Ulama) oder spöttisch auch „Regierungs-Fuqaha“ (Regierungs-Fiqh-Gelehrten) genannt, wurden von den Nachfolgern, Saddat und Mubarak fortgesetzt. Diese Legitimation ist in anderen Ländern auch nichts Ungewöhnliches. So hätte ein Gelehrter (´Alim) wie Bin Baz in Saudi Arabien, so wie andere offizielle Gelehrte, niemals ein Statement abgegeben, welches das Königshaus als illegitim erachtete, selbst dann nicht, als es die Stationierung von amerikanischen Truppen auf dem Territorium Saudi Arabiens duldete. Für den anderen Zweig der Salafiya-Strömung ein Unding. Sollte noch dazu gegen ein anderes muslimisches Volk vorgegangen werden. Da kam es auch zum Bruch zwischen dem saudischen Königshaus und Bin Ladin. |
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Die „Regierungs-Fuqaha“ werden von den Kritikern als pseudoislamische Legitimation der Regenten der muslimischen Länder betrachtet. |
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In einem Gespräch zwischen einem saudischen Studenten und einem Libyer in xxxx, die beide zur Schulung in einer Firma arbeiteten, griff der Libyer den Saudi an, weil er die Stationierung der US-Truppen verteidigte. Selbst wenn er nicht damit einverstanden war, weil er verpflichtete sei, in einem islamischen Staat dem Amir, dem Sultan, konkret den Malik (König) zu folgen. Schließlich hätten die ´Ulama die Stationierung für Rechtens erklärt. i |
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Beide gehörten zur salafitischen Strömung des Islam, spalteten sich aber in dieser politischen Frage, wie auch der, ob es heute noch einen muslimischen Staat gibt. Für den Saudi war Saudi Arabien einer, für den Libyer nicht. Der Libyer hat also die pseudoislamische Legitimation der Politik Saudi Arabiens durch die Regierungs-Fuqaha beklagt aber auch die unkritische Haltung des saudischen Bruders. |
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''i) Diese Diskussion kann ich nur aus meinem Gedächtnis wiedergeben, ich habe sie (wie wohl zu erwarten ist) nicht audiotechnisch aufgezeichnet.'' |
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Auch die offizielle Muslimbruderschaft dokumentierte damals und heute, dass sie den Takfir (das Erklären des Unglaubens) auf die Herrscher ablehnte. Den tyrannischen Herrscher erklärte man zum Sünder (Fasiq). Sie versuchten auch durch Teilnahme an Wahlen, also durch politische Partizipation das geringste Übel zu wählen. Sie versuchen dem Islam widersprechende Gesetze im Entstehungsprozess der Legislative zu verhindern.ii Für die aus den Gedanken Qutbs entwickelte Salafiya-Strömung, war der „Dschihad“ der Weg zur politischen Umwandlung der Gesellschaft. |
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Nicht nur Hudaiby als Führer der Muslimbruderschaft widersprach den Gedanken von Mawdudi und Qutb, auch große Teile der Ägypter sahen in Nasser einen Heilsbringer. Ihm brachten sie die Verehrung entgegen, die ihm als Geschöpf Gottes nicht zustehen sollte. Diese Verehrung wurde sonst nur noch der populären ägyptischen Sängerin Oum Khoulsoum zuteil, bei deren Begräbnis Millionen ihren Tod beweinten und den Sarg durch die Straßen begleiteten. |
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Auf dem Weg zur Beseitigung der Dschahaliya empfahl Qutb den Rückzug von der unislamischen Kultur, die Selbstreinigung und Befreiung von den Traditionen und Vorstellungen der dschahelitischen Gesellschaft. Wenn die Einzelnen die richtigen Überzeugungen verinnerlicht hätten, würden sie |
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''ii) Isn't it Haram (forbiden) to be a part in elections in a non-islamic state? |
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The evidence from the salaf that we follow is what the scholars used to do before, when they used to go to the leaders of their time (note: many of these leaders was worse than many nowaday rulers !), they go to make naseeha (advice) and forbid them from evil. The Ikhwan's objective from the parliament is to try to forbid evil as much as they can. You may say: "But this is a non-Islamic regime", and that is true that the regime there is NOT A TRUE Islamic regime, but the point is: Is it a "kaffir" regime in order not to forbid getting involved in any of its systems ? The answer is that those guies ruling a country like Egypt are not "kaffirs" but they are "sinners", and we (as a group) are not judges on the Iman of people as long as they declair Islam, but rather invitors to the way of Allah (s) [Refer to the book "Du3ah la Qudah" (Invitors and not Judges) by Os.\ Hassan Al-Hodeibi, the ex-leader of Al-Ikhwan]. Von der Homepage der Muslimbruderschaft: Muslim Brotherhood Movement Homepage - Frequently Asked Questions http://www.ummah.org.uk/ikhwan/questions.html, zuletzt abgerufen: 01.11.2003'' |
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eine selbstständige Gesellschaft bilden. Wie in einem Dominoeffekt sollte die Gemeinschaft der Muslime anwachsen und jeder einen anderen mit den Gedanken befruchten. So sollte die Verkündigung (Da´wa) in die dschahelitische Gesellschaft getragen würde. 11 |
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So sah er den Islam als eine Waffe, mit deren Hilfe das Joch abzuschütteln sei, auferlegt von denen die Gottes Macht auf Erden usurpiert hätten. Durch das Wort alleine würden sie nicht abtreten. Deswegen müssten die Hindernisse beseitigt werden, vor allem ihre politische Macht. Der unterdrückerischen Maßnahmen der Regierung, der Androhung von Folter, Lagerhaft, Exil oder Tod mussten entsprechend beantwortet werden. Eine islamische Gemeinschaft (Dschama´a), eine Vorhut, sollte mit mehr als nur dem Wort als Waffe antreten und kämpfen. 12 |
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Unterschiedliche Interpretationen von Qutbs formulierten Gedanken |
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Da Qutb 1966 hingerichtet wurde, war eine Ausformulierung und Überarbeitung seiner Gedanken nicht mehr möglich. Es blieb letztendlich unklar, ob er tatsächlich jeden einzelnen Menschen in Ägypten als Murtad, als Abtrünnigen sah, wo er doch die Gesellschaft als Dschaheliya bezeichnet hatte. Wollte er tatsächliche den bewaffneten Kampf und die Beseitigung der Herrscher? Kepel, verneint dies, was aber nichts daran änderte, dass Teile der jungen Mitglieder der Muslimbruderschaft mit den Gedanken sympathisierten. Diejenigen, welche Qutbs Aussagen als Takfir der Herrscher betrachteten, waren die kommenden radikalen Gruppen der „Dschihadisten“. Sie praktizierten die Exkommunikation, den Takfir, wie einst die |
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Kharadschiten iii zur Zeit des vierten Khulafah Raschidin. 13 |
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''iii) Kharadschiten waren einst die Anhänger des Khalifen Alyy (Ali), welcher sich im Kampf gegen den Omajaden Muawiya in Damaskus einem Urteil von Richtern stellen wollte, damit der Bruderkrieg ein Ende hätte. Die Kharadschiten (kharadsch, arab.: heraustreten) verweigerten sich diesem Verfahren. Als Alyy dann auch noch in der Entscheidung unterlag, gesellten sich weitere Kämpfer auf die Seite der Kharadschiten, welche nur das Gottesurteil duldeten und das Urteil gegen Alyy ablehnten. Fortan bekämpften sie die Abtrünnigen, wobei abtrünnig wurde, des Muslimsein sich nicht auch in den Taten widerspiegelte. Sündig gewordene Muslime betrachteten sie als Kuffar, bzw. Murtadun, vom Islam abgefallene Menschen, die zu bekämpfen geboten war. Ihr Mittel war der Takfir, (die Erklärung zum Kafir, zum Nichtmuslim) und sie standen sobald für das Aufbegehren gegen die Macht.'' |
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Die kommenden Bewegungen griffen diesen Takfir (Exkommunikation) auf, inspiriert durch ihr Verständnis der Schriften Qutbs. Die Gelehrten ( ´Ulama) der Al Azhar lehnten die Schriften Qutbs ab. |
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In ihren Urteilen erklärten sie ihn zu einem Munharif (Abweichler) und identifizierten seine Gedanken mit dem der bereits erwähnten Kharidschiten. |
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Sowohl Qutb als auch der spätere Lehrer von Saddats Mörder, Faradsch, beriefen sich jedoch auf die islamische Tradition und lehnten eine Gleichsetzung mit den Khawaritsch ab. |
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Anders der Führer einer der Takfir wa´l Hidschra Gruppen, Mustafa Schukri, der sich nur auf den Qur´an berief und den Bezug zur Tradition ablehnte und den Takfir bewusst einsetzte. 14 |
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Die Azhar Gelehrten „zerlegten“ Qutbs Wegzeichen, als aufrührerischen, kharidschitischen Text, die im Lichte der aufrührerischen Aktionen gegen das Nasser Regime gesehen werden müssten. Er sei nur ein religiöser Eiferer der sich gegen die Revolution verschworen hätte. Das Ziel sei es die der Nation Schaden zuzufügen und sie ins Elend zurückzustoßen. 15 |
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In „Prediger…und nicht Richter“, 1969 vom Führer der Muslimbruderschaft verfasst, kritisierte er ebenfalls die Fehler einiger Muslimbrüder die er nicht namentlich nennen wollte. |
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Muhammad Qutb, sein Bruder, erwiderte 1975 auf die Vorwürfe gegen seinen Bruder: „ Ich selbst habe ihn mehr als einmal sagen hören: „Wir sind Prediger und keine Richter. Unser Ziel ist es nicht, den Menschen Reglen aufzuzwingen, sondern ihnen diese eine Wahrheit nahe zubringen, dass es keinen Gott außer Gott gibt. Tatsächlich wissen die Menschen nicht, welche Anforderungen diese Formel beinhaltet.“.16 |
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Laut Hudaiby gab es aber auch keine dschahelitische (nichtislamische) Gesellschaft, sondern nur viele Muslime die sich in einem Zustand des Dschahel (Unwissenheit), befänden und Aufklärung benötigten. Takfir (Exkommunikation) auf Muslime zu sprechen, welche die Schahada (das islamische „Glaubensbekenntnis) bezeugt hatten, aber sündigten, sei nicht legitim, widersprach er Qutb. Dieser bezeichnete ja die Gesellschaft der Muslime, die beten, faste und nach Mekka pilgern, jedoch in einem Staat leben, der nicht nach Qur´an und Sunna regiert wird, als Dschaheliya. 17 |
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Der jordanische Muslimbruder Yusuf al `Azam widersprach dieser Auffassung von Qutbs Texten. Keineswegs hätte Qutb sämtliche Gesellschaften als Dschaheliya betrachtet im Sinne des Takfir („Exkommunikation“). |
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Der Begriff Dschahaliya bezeichnete nur die geistige und moralische Rück- und Unterentwicklung der Gesellschaften. Mit dem Rückzug der Avantgarde, sei auch nur eine geistige Isolierung zum Zwecke der Selbstreinigung gemeint gewesen. Auch sollten die Umstände in denen er die letzten Jahre verbringen musste zu berücksichtigen sein, genauso wie die Tatsache dass er kein Faqih (Gelehrter des islamischen Rechts, Fiqh) war. Das bedeutet, dass eventuelle Fehler in der Formulierung möglich waren. Den Begriff Dar ul-Islam (Land in dem der Islam zur Anwendung kommt) betreffen zum Beispiel, welches heute nicht mehr existieren würde, hätte Qutb deswegen so verwendet, weil er sich als Schriftsteller von seinem eigenen Stil hatte mitreißen lassen.18 |
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Ein Teil der Muslimbruderschaft hatte sich trotz der Maßnahmen der Regierung mit derselben arrangiert. Sie waren zu Bürgerlichen aufgestiegen, einige welche kurzfristig ins Exil gingen, hatten großen wirtschaftlichen Erfolg. Die Kontakte, welche sie durch das islamische Netzwerk - nicht nur in Ägypten- besaßen, hatten dabei sicher sehr geholfen. So war aus einem Teil der inzwischen mehrere Millionen zählenden Muslimbruderschaft teilweise eine Elite geworden, die sich, ähnlich wie bei einem Serviceclub, gegenseitig half. |
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Die in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wegen der Kooperation mit dem Regime von den Muslimbrüdern verstoßenen, kehrten später zurück. Der revolutionäre Teil, welcher sich aus Studenten und Akademikern ohne Zukunftshoffnungen rekrutierte, wurde nicht nur in der Wortwahl, sondern auch in der Wahl der Mittel immer radikaler. So verkörperten schon Qutb und der Nachfolger Al-Bannas, Hudaiby, zwei gegensätzliche Pole in der islamischen Bewegung. Dem folgten sozusagen die Sansculotten der Bewegung, die radikalisierten Gruppen. Einer ihrer Mitbegründer (Zawahiry), kämpft heute mit Ousama Bin Ladin gegen die USA, Israel und alle die sie als ihre Helfer ausmachen. |
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Ibn Al-Hassan Tekruri (hassan2000@gmx.net) |
Aktuelle Version vom 2. Juli 2005, 20:15 Uhr
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