Uranbergwerk Cigar Lake und Kettenregel: Unterschied zwischen den Seiten
Umformulierung erster Wassereinbruch |
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{{Dieser Artikel|behandelt die Kettenregel in einer [[Dimension (Mathematik)|Dimension]]. Die mehrdimensionale Kettenregel für [[totale Ableitung|totale Ableitungen]] thematisiert der Artikel [[Verallgemeinerte Kettenregel]]}} |
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[[Bild:Uranium deposit(Cigar Lake).png|right|thumb|300px|Cigar Lake]] |
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Der '''Cigar Lake''' ist ein [[See (Gewässer)|See]] in [[Saskatchewan]], im Norden von [[Kanada]]. |
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Unterhalb der Region existiert das zweitgrößte bekannte [[Uran]]vorkommen der Welt nach [[McArthur River]], Kanada<ref>[http://www.canada.com/reginaleaderpost/news/business_agriculture/story.html?id=0fee79fb-eb24-4ffa-921c-aa400ab7f3a1 ''Major flood at Cigar Lake'', 23. Oktober 2006]</ref>. Der linsenförmige Erzkörper befindet sich in einer Tiefe von 450 Metern. Das Uranvorkommen ist zwei Kilometer lang und zwischen 50 und 100 Meter breit. Seine Dicke variiert zwischen 1 und 20 Metern. Das Uranvorkommen wurde in Zusammenhang mit elektromagnetischen Untersuchungen gefunden, welche [[Graphit]] im Grundgestein nachwiesen. Graphit wird oft in Verbindung mit Uran gefunden. Der Erzkörper unter dem Cigar Lake wurde vor über 1,3 Milliarden Jahren gebildet. Die Uranoxidkonzentration beträgt durchschnittlich 14 Prozent, kann aber an manchen Stellen bis knapp 21 Prozent betragen. |
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Die '''Kettenregel''' ist eine der Grundregeln der [[Differentialrechnung]]. Sie trifft Aussagen über die [[Differentialrechnung|Ableitung]] einer [[Funktion]], die sich selbst als [[Komposition (Mathematik)|Verkettung]] von zwei differenzierbaren Funktionen darstellen lässt. Kernaussage der Kettenregel ist dabei, dass eine solche Funktion selbst wieder differenzierbar ist und man ihre Ableitung erhält, indem man die beiden miteinander verketteten Funktionen separat ableitet und - ausgewertet an den richtigen Stellen - miteinander [[Multiplikation|multipliziert]]. Die Kettenregel lässt sich verallgemeinern auf Funktionen, die sich als Verkettung von mehr als zwei differenzierbaren Funktionen darstellen lassen. Auch eine solche Funktionen ist wiederum differenzierbar, ihre Ableitung erhält man durch Multiplikation der Ableitungen aller ineinander verschachtelten Funktionen. Die Kettenregel bildet einen Spezialfall der [[Verallgemeinerte_Kettenregel|verallgemeinerten Kettenregel]] für den eindimensionalen Fall. Sie ist außerdem das Gegenstück zur [[Integration durch Substitution]] in der Integralrechnung. |
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== Keine natürliche Spaltung == |
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Natürliche Kernspaltung (siehe [[Naturreaktor]]) ist niemals am Cigar Lake aufgetreten. Es gibt zu viele andere gegenwärtige Substanzen, die die freien Neutronen absorbieren, die benötigt werden um den Kernspaltungsprozess zu beginnen. Der Erzkörper wird von einer 1 bis 20 Meter dicken Schicht von [[Tonmineral|Ton]] umgeben, die die radioaktiven Substanzen davon abhält, durch Grundwasserdurchfluss in die Umgebung transportiert zu werden. Das Uranvorkommen ist ein natürliches Gegenstück für eine [[Endlagerung|Endlagerstätte]]. Beim Uranvorkommen am Cigar Lake kann keine erhöhte [[Radioaktivität]] auf der Oberfläche festgestellt werden, auch wenn der Ton, der den Erzkörper umgibt, wasserdurchlässiger ist, als der [[Bentonit]]ton bei Endlagerstätten. |
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== Mathematische Formulierung == |
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==Nutzung== |
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Den Abbau betreibt ein Unternehmenskonsortium geführt vom weltgrössten Uranproduzenten [[Cameco|Cameco Corporation]] (50%) sowie der [[AREVA Resources Canada]] Inc. (37%) neben der japanischen Idemitsu Uranium Exploration Canada Ltd. (8%) und TEPCO Resources Inc. (5%). Am 22. Oktober 2006 ereignete sich ein Wassereinbruch der die beabsichtigte Produktionssteigerung auf 7.000 t jährlich beeinträchtigte. <ref>[http://www2.cdn-news.com/scripts/ccn-release.pl?/current/1023170n.html, ''Cameco Unable to Contain Water Inflow at Cigar Lake'', 23. Oktober 2006]</ref> Im Sommer 2008 wurde damit begonnen, das Wasser aus der Mine zu pumpen. Dabei wurde festgestellt, dass wieder massiv Wasser eindrang. Dadurch ist die beabsichtigte Produktionsaufnahme bis 2011/2012 in Frage gestellt.<ref>{{cite web | url =http://www.emfis.de/global/global/nachrichten/beitrag/id/Die_Cigar_Lake_Mine_von_Cameco_erlitt_erneut_einen_Wassereinbruch_ID72911.html | title =Die Cigar-Lake-Mine von Cameco erlitt erneut einen Wassereinbruch | accessdate =8. Oktober 2008 | date =14. August 2008 | publisher =EMFIS}}</ref> Die Errichtung der Mine kostete 660 Mio. kanadische Dollar. <ref>[http://www.finanzen.net/nachricht/GOLDINVEST_Kolumne_Wassereinbruch_in_Camecos_Cigar_Lake_Mine_koennte_Preisanstieg_des_Urans_weiter_beschleunigen_440933, ''GOLDINVEST-Kolumne: Wassereinbruch in Camecos Cigar-Lake-Mine könnte Preisanstieg des Urans weiter beschleunigen'', 26. Oktober 2006]</ref> |
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Seien U, V [[offenes Intervall|offene Intervalle]], <math> v: V \rightarrow \mathbb{R} </math> und <math> u: U \rightarrow \mathbb{R} </math> Funktionen mit <math> v(V) \subset U </math>. Die Funktion v sei im Punkt <math> x_0 \in V </math> differenzierbar und u sei im Punkt <math> z_0 := v(x_0) \in U </math> differenzierbar. Dann ist die zusammengesetzte Funktion |
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==Quellen== |
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:<math>u \circ v: V \rightarrow \mathbb{R}</math> |
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<references/> |
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im Punkt <math>x_0</math> differenzierbar und es gilt: |
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:<math>(u \circ v)'(x_0) = u'\big(v(x_0)\big)\cdot v'(x_0).</math> |
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Im Zusammenhang mit der Kettenregel nennt man ''u'' auch die ''äußere'', ''v'' die ''innere'' Funktion von f. |
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== Weblinks == |
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* [http://www.cameco.com/operations/uranium/cigar_lake/ Homepage der Minengesellschaft CAMECO] (englisch) |
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* [http://www.cri.ca/uranium/cigarlake.html Homepage der Minengesellschaft COGEMA in Cigar Lake] (englisch) |
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'''Praktische Merkregel''': Die Ableitung einer verketteten Funktion ist die "äußere Ableitung" u' - ausgewertet an der Stelle <math>v(x_0)</math> - mal der Ableitung der inneren Funktion v', ausgewertet an der Stelle <math>x_0</math>, oder kurz: "Äußere Ableitung mal innere Ableitung". |
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{{Koordinate Artikel|58_03_N_104_31_W_type:waterbody|58° 03' N, 104° 31' W}} |
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== Beispiel == |
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[[Kategorie:See in Saskatchewan]] |
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[[Kategorie:See in Nordamerika]] |
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Es wird die durch <math>f(x) = (x^3+1)^2</math> definierte Funktion ''f'' betrachtet. <math>f</math> lässt sich darstellen als Verkettung der Funktion ''u'', gegeben durch |
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[[Kategorie:Uran-Lagerstätte]] |
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[[Kategorie:Aktives Bergwerk]] |
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<math>u(x) = x^2</math> |
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mit der Funktion ''v'', definiert durch |
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<math>v(x) = x^3 + 1,</math> |
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denn es gilt <math>f(x) = u(v(x))</math>, wie man durch Einsetzen von v in u sofort herausfindet. In der Terminologie der Kettenregel bezeichnet ''u'' die äußere, ''v'' die innere Funktion. Für die Anwendung der Kettenregel benötigen wir die Ableitungen <math>u'</math> ("äußere Ableitung") und <math>v'</math> ("innere Ableitung"): |
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<math> u'(x) = 2x</math> |
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und |
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<math> v'(x) = 3x^2. </math> |
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Da sowohl u als auch v differenzierbar sind, ist nach der Kettenregel auch <math>f = u \circ v</math> differenzierbar, und es gilt für ihre Ableitung: |
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<math> f\ '(x) = u'(v(x)) v'(x).</math> |
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Nun ist <math>u'(v(x)) = 2(x^3 + 1)</math>, so dass wir insgesamt erhalten: |
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<math> f\ '(x) = 2(x^3 + 1) 3x^2</math> |
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Es ist üblich, der Übersicht halber in der äußeren Funktion die unabhängige Variable mit dem Funktionssymbol der inneren Funktion zu identifizieren, obwohl die Benennung der Variable prinzipiell keine Rolle spielt. In diesem Sinne verwendet man die Variable ''v'' sozusagen als Abkürzung für den [[Term]], der in der Klammer steht. In dieser Schreibweise ist dann die äußere Funktion durch |
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<math>u(v) = v^2</math>, |
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die innere durch |
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<math> v(x) = x^3 + 1 </math> |
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gegeben. Man beachte, dass die Darstellung einer Funktion als Verkettung einer äußeren mit einer inneren Funktion keineswegs eindeutig sein muss. So lässt sich die Beispielfunktion alternativ auch als Verkettung der Funktionen |
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<math> u(x) = (x + 1)^2 </math> |
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und |
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<math> v(x) = x^3 </math> |
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auffassen, denn auch für diese beiden Funktionen gilt: |
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<math> u(v(x)) = (x^3 + 1)^2 = f(x). </math> |
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Die Anwendung der Kettenregel ist in diesem Fall allerdings nicht so simpel, da für die Ableitung von <math>(x+1)^2</math> keine ''elementare'' Regel zur Verfügung steht. [[Ausmultiplizieren]] zeigt: |
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<math> u(x) = x^2 + 2x + 1</math> |
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und damit |
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<math> u'(x) = 2x + 2 </math> |
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Wegen <math>u'(v(x)) = 2 \cdot x^3 + 2</math> liefert die Kettenregel mit diesen beiden Funktionen das Ergebnis |
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<math>f\ '(x) = (2x^3 + 2) 3x^2 = 2(x^3 + 1) 3x^2, </math> |
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was mit unserem ersten Ergebnis übereinstimmt. Man kann also durchaus verschiedene, rechentechnisch mitunter günstigere und weniger günstige Darstellungen einer Funktion als Verkettung zweier Funktionen ansetzen. |
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An diesem Beispiel lässt sich die Kettenregel im Sinne der [[Konstruktivismus|Konstruktivistischen Didaktik]] auch selbst entdecken. Durch Ausquadrieren ergibt sich: |
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: <math>f(x) = x^6+2x^3+1</math>. |
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Nach Ableiten wird durch Ausklammern die innere Funktion <math>v(x)=x^3+1</math> herauspräpariert: |
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: <math>f'(x) = 6x^5+6x^2 = 6x^2(x^3+1) = 2(x^3+1)\cdot 3x^2</math>. |
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Hieraus lässt sich dann die Kettenregel vermuten, die dann noch in ihrer Allgemeingültigkeit bewiesen werden muss. |
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== Geometrische Veranschaulichung == |
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Von x zum Funktionswert u(v(x)) kann man gelangen, indem man zuerst v(x) und dann u(v) berechnet. Die Funktion v(x) hat die Steigung v'(x) (=innere Ableitung). Die Funktion u(v) hat die Steigung u'(v) (=äußere Ableitung). Die Steigung von u(v(x)) ist u'(x). (=Gesamtableitung) |
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:[[bild:Kettenregel.PNG|Kettenregel]] |
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Der Term <math>{\Delta u \over \Delta v} \cdot {\Delta v \over \Delta x}</math> entsteht dabei durch Erweiterung des Bruchs <math> {\Delta u \over \Delta x}</math> mit <math>\Delta v</math>, also Multiplikation mit <math> {\Delta v \over \Delta v}</math> und Umschreibung. Zu beachten ist hierbei: Die Verkettung von Funktionen ist etwas ganz anderes als die Multiplikation von Funktionen. |
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Für die Differenzenquotienten gilt (siehe Abbildung): |
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<math> {\Delta u \over \Delta x} = {\Delta u \over \Delta v} \cdot {\Delta v \over \Delta x}</math> |
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Durch den Grenzübergang Δx → 0 werden aus den Differenzenquotienten die Differentialquotienten. Aus der obigen Abbildung geht hervor: Wenn Δx → 0, dann auch Δv → 0. |
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Man erhält dann insgesamt für die Ableitung der verketteten Funktion: |
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<math> f'(x) = \lim_{\Delta x \rightarrow 0}{\Delta u \over \Delta x} = \lim_{\Delta x \rightarrow 0}\biggl({\Delta u \over \Delta v} \cdot {\Delta v \over \Delta x}\biggl) </math> |
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:: <math>= \lim_{\Delta v \rightarrow 0}\biggl({\Delta u \over \Delta v}\biggl) \cdot \lim_{\Delta x \rightarrow 0}\biggl({\Delta v \over \Delta x}\biggl) </math> |
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:: <math>= \frac{\mathrm du}{\mathrm dv} \cdot \frac{\mathrm dv}{\mathrm dx} = u'\big(v(x)\big)\cdot v'(x) </math> |
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''Anmerkung'': Die hier verwendete Schreibweise mit Differentialen (z. B. <math>\mathrm dx</math>) nach [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]] ist äquivalent zur obigen Schreibweise nach [[Joseph-Louis Lagrange|Lagrange]], vgl. auch den letzten Absatz dieses Artikels. |
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== Beweis == |
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Sei |
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:<math> |
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D(z,z_0) := |
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\begin{cases} |
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\frac {u(z)-u(z_0)} {z-z_0}, & \text{falls } z \ne z_0, \\ |
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u'(z_0), & \text{falls } z = z_0. |
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\end{cases} |
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</math> |
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Weil <math>u</math> in <math> z_0 </math> differenzierbar ist, gilt |
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:<math>\lim_{z \to z_0} D(z,z_0) = u'(z_0),</math> |
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das heißt, <math>D(z,z_0)</math> ist bei <math>z=z_0</math> stetig. Außerdem gilt für alle <math>z \in U</math> |
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:<math>u(z)-u(z_0) = D(z,z_0)\cdot(z-z_0).</math> |
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Daraus folgt |
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:<math> |
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\begin{align} |
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(u \circ v)'(x_0) |
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&= \lim_{x \to x_0}\frac{u\big(v(x)\big)-u\big(v(x_0)\big)}{x-x_0} |
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= \lim_{x \to x_0}\frac{D\big(v(x),v(x_0)\big)\cdot\big(v(x)-v(x_0)\big)}{x-x_0} \\ |
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&= \lim_{x \to x_0} D\big(v(x),v(x_0)\big)\cdot\lim_{x \to x_0}\frac{v(x)-v(x_0)}{x-x_0} \\ |
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&= u'\big(v(x_0)\big)\cdot v'(x_0). |
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\end{align} |
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</math> |
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== Verallgemeinerung auf mehrfache Verkettungen == |
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Etwas komplizierter wird das Differenzieren, wenn mehr als zwei Funktionen verkettet sind. In diesem Fall wird die Kettenregel [[Rekursion|rekursiv]] angewendet. Beispielsweise ergibt sich bei Verkettung von drei Funktionen ''u'', ''v'' und ''w'': |
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: <math>f(x) = u(v(w(x)))</math> |
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Die Ableitung ist dann gegeben durch: |
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: <math>f'(x) = u'(v(w(x))\cdot (v(w(x))' = u'(v(w(x))) \cdot v'(w(x)) \cdot w'(x)</math> |
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Im Allgemeinen ist für einen Funktion |
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: <math> f = u_1 \circ ... \circ u_n</math> |
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die Ableitung |
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: <math> f'(x) = u_1' (u_2(...(u_n(x)))) \cdot u_2'(u_3(...(u_n(x)))) \cdot ... \cdot u_n'(x), </math> |
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wie man durch [[vollständige Induktion]] beweisen lässt. Beim praktischen Berechnen der Ableitung multipliziert man also Faktoren, die sich folgendermaßen ergeben: |
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Den ersten Faktor erhält man dadurch, dass man die äußerste Funktion durch eine unabhängige Variable ausdrückt und ableitet. Anstelle dieser unabhängigen Variablen ist der Rechenausdruck für die restlichen (inneren) Funktionen einzusetzen. |
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Der zweite Faktor wird entsprechend berechnet als Ableitung der zweitäußersten Funktion, wobei auch hier der Rechenausdruck für die zugehörigen inneren Funktionen einzusetzen ist. Dieses Verfahren setzt man fort bis zum letzten Faktor, der innersten Ableitung. |
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== Verallgemeinerung für höhere Ableitungen == |
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Eine Verallgemeinerung für höhere Ableitungen ist wesentlich komplizierter und schwieriger zu beweisen. Sie ist als [[Formel von Faà di Bruno]] bekannt. |
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== Abweichende Notationen in der Physik und anderen Wissenschaften == |
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In vielen [[Naturwissenschaft|Naturwissenschaften]] wie der [[Physik]], aber auch in der [[Ingenieurswissenschaft]] findet die Kettenregel breite Anwendung. Allerdings hat sich hier eine besondere Notation entwickelt, die von der mathematischen Notation der Kettenregel deutlich abweicht. |
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=== Vorstellung der Notation === |
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In physikalischer Literatur wird für die Ableitung einer Funktion <math>h</math> nach der Variable <math>x</math> in der Regel die Schreibweise |
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<math> |
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h'(x) =: \frac{dh}{dx}(x) |
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</math> |
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bevorzugt. Ist <math>h</math> eine Verkettung zweier Funktionen: <math>h = f \circ g</math> mit <math>x \mapsto f(x), y \mapsto g(y)</math>, so präsentiert sich die Kettenregel in dieser Notation: |
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<math> |
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\frac{dh}{dx}(x) = \frac{df}{dy}(g(x)) \frac{dg}{dx}(x) |
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</math> |
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Es ist zusätzlich gängige Konvention, die unabhängige Variable der Funktion <math>f</math> mit dem Funktionsymbol der inneren Funktion <math>g</math> zu identifizieren, dafür aber sämtliche Argumentklammern auszulassen: |
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<math> |
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\frac{dh}{dx} = \frac{df}{dg} \frac{dg}{dx} |
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</math> |
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Letztlich wird für die Verkettung <math>f \circ g</math> kein neues Symbol eingeführt, sondern die gesamte Verkettung mit der äußeren Funktion <math>f</math> identifiziert: <math>f = f \circ g</math>. Die Kettenregel nimmt dann das folgende, etwas fremdartige Aussehen an: |
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<math> |
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\frac{df}{dx} = \frac{df}{dg} \frac{dg}{dx} |
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</math> |
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Rein formal stellt sich die Kettenregel hier als eine Erweiterung des "Bruches" <math>df/dx</math> mit <math>dg</math> dar, so dass es in physikalischer Fachliteratur (und auch in anderen Natur- und Ingenieurswissenschaften) gängig ist, die Kettenregel bei Anwendung nicht namentlich zu erwähnen. Stattdessen findet man oft Ersatzformulierungen, so ist etwa von der "Erweiterung von <math>df/dx</math> mit <math>dg</math>" die Rede, teilweise fehlt eine Begründung vollständig. Auch wenn dies für das ungeübte Auge nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, steckt hinter all diesen Formulierungen ausnahmslos die Kettenregel der Differenzialrechnung. |
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Obwohl die vorgestellte Notation mit einigen mathematischen Konventionen bricht, erfreut sie sich großer Beliebtheit und weiter Verbreitung, da sie es ermöglicht, mit Ableitungen (zumindest rein formal) wie mit "normalen Brüchen" zu rechnen. Viele Rechnungen gestaltet sie außerdem übersichtlicher, da Klammern entfallen und nur sehr wenige Symbole verwendet werden müssen. Vielfach stellt auch die durch eine Verkettung beschriebene Größe eine bestimmte physikalische Variable dar (z.B. eine [[Energie]] oder eine [[Spannung]]), für die ein bestimmter Buchstabe "reserviert" ist (etwa E für Energie und U für Spannung). Die obige Notation ermöglicht es, diesen Buchstaben in der gesamten Rechnung durchgängig zu verwenden. |
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=== Beispiel === |
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Die [[kinetische Energie]] eines Körpers hängt von seiner [[Geschwindigkeit]] v ab: <math>E = f(v)</math>. Hängt die Geschwindigkeit wiederum von der [[Zeit]] t ab, v = f(t), so ist auch die kinetische Energie des Körpers eine Funktion der Zeit, die durch die Verkettung |
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<math> |
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E(t) = f(g(t)) |
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</math> |
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beschrieben wird. Möchten wir die Änderung der kinetischen Energie nach der Zeit berechnen, so gilt nach der Kettenregel |
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<math> |
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E'(t) = f'(g(t)) f'(t). |
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</math> |
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In physikalischer Literatur würde man die letzte Gleichung in folgender (oder ähnlicher) Gestalt vorfinden: |
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<math> |
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\frac{dE}{dt} = \frac{dE}{dv}\frac{dv}{dt}. |
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</math> |
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Klarer Vorteil ist die durchgängige Verwendung von Funktionssymbolen, deren Buchstaben mit denen der zugrunde liegenden physikalisch relevanten Größe (E für Energie, v für Geschwindigkeit) übereinstimmen. |
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[[Kategorie:Analysis]] |
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[[af:Kettingreël]] |
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[[ar:قاعدة السلسلة]] |
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[[bs:Pravilo derivacije složene funkcije]] |
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[[ca:Regla de la cadena]] |
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[[en:Chain rule]] |
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[[es:Regla de la cadena]] |
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[[fi:Ketjusääntö]] |
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[[fr:Théorème de dérivation des fonctions composées]] |
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[[he:כלל השרשרת]] |
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[[is:Keðjureglan]] |
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[[it:Regola della catena]] |
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[[ko:연쇄 법칙]] |
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[[nl:Kettingregel]] |
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[[pl:Reguła łańcuchowa]] |
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[[pt:Regra da cadeia]] |
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[[ru:Дифференцирование сложной функции]] |
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[[sh:Pravilo derivacije složene funkcije]] |
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[[sv:Kedjeregeln]] |
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[[th:กฎลูกโซ่]] |
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[[tr:Zincir kuralı]] |
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[[zh:复合函数求导法则]] |
Version vom 9. Oktober 2008, 11:30 Uhr
Die Kettenregel ist eine der Grundregeln der Differentialrechnung. Sie trifft Aussagen über die Ableitung einer Funktion, die sich selbst als Verkettung von zwei differenzierbaren Funktionen darstellen lässt. Kernaussage der Kettenregel ist dabei, dass eine solche Funktion selbst wieder differenzierbar ist und man ihre Ableitung erhält, indem man die beiden miteinander verketteten Funktionen separat ableitet und - ausgewertet an den richtigen Stellen - miteinander multipliziert. Die Kettenregel lässt sich verallgemeinern auf Funktionen, die sich als Verkettung von mehr als zwei differenzierbaren Funktionen darstellen lassen. Auch eine solche Funktionen ist wiederum differenzierbar, ihre Ableitung erhält man durch Multiplikation der Ableitungen aller ineinander verschachtelten Funktionen. Die Kettenregel bildet einen Spezialfall der verallgemeinerten Kettenregel für den eindimensionalen Fall. Sie ist außerdem das Gegenstück zur Integration durch Substitution in der Integralrechnung.
Mathematische Formulierung
Seien U, V offene Intervalle, und Funktionen mit . Die Funktion v sei im Punkt differenzierbar und u sei im Punkt differenzierbar. Dann ist die zusammengesetzte Funktion
im Punkt differenzierbar und es gilt:
Im Zusammenhang mit der Kettenregel nennt man u auch die äußere, v die innere Funktion von f.
Praktische Merkregel: Die Ableitung einer verketteten Funktion ist die "äußere Ableitung" u' - ausgewertet an der Stelle - mal der Ableitung der inneren Funktion v', ausgewertet an der Stelle , oder kurz: "Äußere Ableitung mal innere Ableitung".
Beispiel
Es wird die durch definierte Funktion f betrachtet. lässt sich darstellen als Verkettung der Funktion u, gegeben durch
mit der Funktion v, definiert durch
denn es gilt , wie man durch Einsetzen von v in u sofort herausfindet. In der Terminologie der Kettenregel bezeichnet u die äußere, v die innere Funktion. Für die Anwendung der Kettenregel benötigen wir die Ableitungen ("äußere Ableitung") und ("innere Ableitung"):
und
Da sowohl u als auch v differenzierbar sind, ist nach der Kettenregel auch differenzierbar, und es gilt für ihre Ableitung:
Nun ist , so dass wir insgesamt erhalten:
Es ist üblich, der Übersicht halber in der äußeren Funktion die unabhängige Variable mit dem Funktionssymbol der inneren Funktion zu identifizieren, obwohl die Benennung der Variable prinzipiell keine Rolle spielt. In diesem Sinne verwendet man die Variable v sozusagen als Abkürzung für den Term, der in der Klammer steht. In dieser Schreibweise ist dann die äußere Funktion durch
,
die innere durch
gegeben. Man beachte, dass die Darstellung einer Funktion als Verkettung einer äußeren mit einer inneren Funktion keineswegs eindeutig sein muss. So lässt sich die Beispielfunktion alternativ auch als Verkettung der Funktionen
und
auffassen, denn auch für diese beiden Funktionen gilt:
Die Anwendung der Kettenregel ist in diesem Fall allerdings nicht so simpel, da für die Ableitung von keine elementare Regel zur Verfügung steht. Ausmultiplizieren zeigt:
und damit
Wegen liefert die Kettenregel mit diesen beiden Funktionen das Ergebnis
was mit unserem ersten Ergebnis übereinstimmt. Man kann also durchaus verschiedene, rechentechnisch mitunter günstigere und weniger günstige Darstellungen einer Funktion als Verkettung zweier Funktionen ansetzen.
An diesem Beispiel lässt sich die Kettenregel im Sinne der Konstruktivistischen Didaktik auch selbst entdecken. Durch Ausquadrieren ergibt sich:
- .
Nach Ableiten wird durch Ausklammern die innere Funktion herauspräpariert:
- .
Hieraus lässt sich dann die Kettenregel vermuten, die dann noch in ihrer Allgemeingültigkeit bewiesen werden muss.
Geometrische Veranschaulichung
Von x zum Funktionswert u(v(x)) kann man gelangen, indem man zuerst v(x) und dann u(v) berechnet. Die Funktion v(x) hat die Steigung v'(x) (=innere Ableitung). Die Funktion u(v) hat die Steigung u'(v) (=äußere Ableitung). Die Steigung von u(v(x)) ist u'(x). (=Gesamtableitung)
Der Term entsteht dabei durch Erweiterung des Bruchs mit , also Multiplikation mit und Umschreibung. Zu beachten ist hierbei: Die Verkettung von Funktionen ist etwas ganz anderes als die Multiplikation von Funktionen.
Für die Differenzenquotienten gilt (siehe Abbildung):
Durch den Grenzübergang Δx → 0 werden aus den Differenzenquotienten die Differentialquotienten. Aus der obigen Abbildung geht hervor: Wenn Δx → 0, dann auch Δv → 0.
Man erhält dann insgesamt für die Ableitung der verketteten Funktion:
Anmerkung: Die hier verwendete Schreibweise mit Differentialen (z. B. ) nach Leibniz ist äquivalent zur obigen Schreibweise nach Lagrange, vgl. auch den letzten Absatz dieses Artikels.
Beweis
Sei
Weil in differenzierbar ist, gilt
das heißt, ist bei stetig. Außerdem gilt für alle
Daraus folgt
Verallgemeinerung auf mehrfache Verkettungen
Etwas komplizierter wird das Differenzieren, wenn mehr als zwei Funktionen verkettet sind. In diesem Fall wird die Kettenregel rekursiv angewendet. Beispielsweise ergibt sich bei Verkettung von drei Funktionen u, v und w:
Die Ableitung ist dann gegeben durch:
Im Allgemeinen ist für einen Funktion
die Ableitung
wie man durch vollständige Induktion beweisen lässt. Beim praktischen Berechnen der Ableitung multipliziert man also Faktoren, die sich folgendermaßen ergeben:
Den ersten Faktor erhält man dadurch, dass man die äußerste Funktion durch eine unabhängige Variable ausdrückt und ableitet. Anstelle dieser unabhängigen Variablen ist der Rechenausdruck für die restlichen (inneren) Funktionen einzusetzen. Der zweite Faktor wird entsprechend berechnet als Ableitung der zweitäußersten Funktion, wobei auch hier der Rechenausdruck für die zugehörigen inneren Funktionen einzusetzen ist. Dieses Verfahren setzt man fort bis zum letzten Faktor, der innersten Ableitung.
Verallgemeinerung für höhere Ableitungen
Eine Verallgemeinerung für höhere Ableitungen ist wesentlich komplizierter und schwieriger zu beweisen. Sie ist als Formel von Faà di Bruno bekannt.
Abweichende Notationen in der Physik und anderen Wissenschaften
In vielen Naturwissenschaften wie der Physik, aber auch in der Ingenieurswissenschaft findet die Kettenregel breite Anwendung. Allerdings hat sich hier eine besondere Notation entwickelt, die von der mathematischen Notation der Kettenregel deutlich abweicht.
Vorstellung der Notation
In physikalischer Literatur wird für die Ableitung einer Funktion nach der Variable in der Regel die Schreibweise
bevorzugt. Ist eine Verkettung zweier Funktionen: mit , so präsentiert sich die Kettenregel in dieser Notation:
Es ist zusätzlich gängige Konvention, die unabhängige Variable der Funktion mit dem Funktionsymbol der inneren Funktion zu identifizieren, dafür aber sämtliche Argumentklammern auszulassen:
Letztlich wird für die Verkettung kein neues Symbol eingeführt, sondern die gesamte Verkettung mit der äußeren Funktion identifiziert: . Die Kettenregel nimmt dann das folgende, etwas fremdartige Aussehen an:
Rein formal stellt sich die Kettenregel hier als eine Erweiterung des "Bruches" mit dar, so dass es in physikalischer Fachliteratur (und auch in anderen Natur- und Ingenieurswissenschaften) gängig ist, die Kettenregel bei Anwendung nicht namentlich zu erwähnen. Stattdessen findet man oft Ersatzformulierungen, so ist etwa von der "Erweiterung von mit " die Rede, teilweise fehlt eine Begründung vollständig. Auch wenn dies für das ungeübte Auge nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, steckt hinter all diesen Formulierungen ausnahmslos die Kettenregel der Differenzialrechnung. Obwohl die vorgestellte Notation mit einigen mathematischen Konventionen bricht, erfreut sie sich großer Beliebtheit und weiter Verbreitung, da sie es ermöglicht, mit Ableitungen (zumindest rein formal) wie mit "normalen Brüchen" zu rechnen. Viele Rechnungen gestaltet sie außerdem übersichtlicher, da Klammern entfallen und nur sehr wenige Symbole verwendet werden müssen. Vielfach stellt auch die durch eine Verkettung beschriebene Größe eine bestimmte physikalische Variable dar (z.B. eine Energie oder eine Spannung), für die ein bestimmter Buchstabe "reserviert" ist (etwa E für Energie und U für Spannung). Die obige Notation ermöglicht es, diesen Buchstaben in der gesamten Rechnung durchgängig zu verwenden.
Beispiel
Die kinetische Energie eines Körpers hängt von seiner Geschwindigkeit v ab: . Hängt die Geschwindigkeit wiederum von der Zeit t ab, v = f(t), so ist auch die kinetische Energie des Körpers eine Funktion der Zeit, die durch die Verkettung
beschrieben wird. Möchten wir die Änderung der kinetischen Energie nach der Zeit berechnen, so gilt nach der Kettenregel
In physikalischer Literatur würde man die letzte Gleichung in folgender (oder ähnlicher) Gestalt vorfinden:
Klarer Vorteil ist die durchgängige Verwendung von Funktionssymbolen, deren Buchstaben mit denen der zugrunde liegenden physikalisch relevanten Größe (E für Energie, v für Geschwindigkeit) übereinstimmen.