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„Muttersprache“ – Versionsunterschied

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Erkenntnissen des Neurowissenschaftlichen Instituts in [[La Jolla]] zufolge soll die Musik eines Komponisten die Sprachmelodie seiner Muttersprache widerspiegeln. Die Muttersprache prägt nach diesem Forschungsergebnis also auch die Musik eines Landes. Unterscheidet sich etwa die Tonhöhe aufeinanderfolgender Silben in einer bestimmten Sprache stark, dann zeigt auch die Musik ausgeprägte Tonsprünge.
Erkenntnissen des Neurowissenschaftlichen Instituts in [[La Jolla]] zufolge soll die Musik eines Komponisten die Sprachmelodie seiner Muttersprache widerspiegeln. Die Muttersprache prägt nach diesem Forschungsergebnis also auch die Musik eines Landes. Unterscheidet sich etwa die Tonhöhe aufeinanderfolgender Silben in einer bestimmten Sprache stark, dann zeigt auch die Musik ausgeprägte Tonsprünge.


== Die Muttersprache bei Volkszählungen ==
== Siehe auch ==
Seit 1840 spielte die Sprache eine zunehmende Rolle in internationalen territorialen Auseinandersetzungen. Natürliche Grenzen seien nicht durch Berge und Flüsse bestimmt, sondern durch die Sprache, Gebräuche, die Erinnerungen und alles, was eine Nation von der anderen unterscheidet.<ref>Hobsbawm, Eric J. "Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780". (1990) S. 116ff</ref> Der [[Internationaler statistischer Kongress|Internationale statistische Kongress]] in St. Petersburg von 1860 bemerkte, dass die Sprache der einzige Aspekt der Nationalität war, der sich zumindest objektiv zahlenmäßig erfassen und in Tabellen darstellen ließ.<ref>Brix, Emil. Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation. Die Sprachenstatistik in den zisleithanischen Volkszählungen 1880-1910. (1982)</ref> Es wurde beschlossen, die Frage der Muttersprache in Volkszählungen nicht obligatorisch zu machen, sondern es den einzelnen Regierungen zu überlassen, ob eine solche Frage von "nationaler" Bedeutung sei oder nicht. Der statistische Kongress von 1873 sprach sich hingegen dafür aus, diese Frage künftig in alle Volkszählungen mit aufzunehmen.


In der [[Österreich-Ungarn|österreichisch-ungarischen Monarchie]] war man sich jedoch der möglichen Auswirkungen bewusst. Man ging lange Zeit sehr vorsichtig mit der Sprachenfrage bei Volkszählungen um, da man wusste, dass sich jede Volkszählung zu einem Kampfplatz zwischen den [[Nationalität]]en entwickeln konnte. Das damalige Habsburgerreich war ohnehin ständigen Spannungen zwischen den Nationalitäten ausgesetzt. Man wollte zudem ein Aufkommen einzelner Nationalismen vermeiden.

Die unvermeidbare Frage für Statistiker blieb jedoch: Was sollte genau erfasst werden? Insbesondere der österreichische Statistiker Ficker sprach sich dagegen aus, die Sprache des öffentlichen Lebens zu wählen, die möglicherweise durch die Regierung oder eine Partei der Bevölkerung aufgezwungen worden war. Die erfahrenen Habsburger Statistiker versuchten den ständigen Wandel der Sprache und vor allem die sprachliche Assimilierung zu berücksichtigen, indem sie die Bürger nicht nach deren Muttersprache oder (im Wortsinne) nach deren Sprache fragten, die sie als erste von ihren Müttern gelernt hatten, sondern nach deren "Familiensprache", das heißt, nach der Sprache, deren sich das betreffende Individuum im Familienkreis gewöhnlich bedient. Diese Frage wurde jedoch erst ab 1880 in Volkszählungen angewandt. Volkszählungen zwangen in ihrer Frage nach der Sprache daher zum ersten mal jedermann dazu, nicht nur eine Nationalität, sondern eine sprachliche Nationalität zu wählen.





== Siehe auch ==
* [[Muttersprachenprinzip]] in der Übersetzung
* [[Muttersprachenprinzip]] in der Übersetzung

== Einzelnachweise ==
<references/>


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 9. September 2008, 16:36 Uhr

Als Muttersprache bezeichnet man die in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache, die Erstsprache. Diese prägt sich in ihrer Lautgestalt und grammatischen Struktur so tief ein, dass Sprecher ihre Muttersprache weitgehend automatisiert beherrschen. Im Allgemeinen kann etwa ab der Pubertät keine andere Sprache mehr diesen Platz einnehmen. Jeder nicht an einer besonderen Sprachschwäche leidende Mensch erlernt in dieser Zeit die in seiner Umgebung vorherrschende Sprache in der gleichen Perfektion wie die vorherige Generation.

Das Wort ist nach Kluge vermutlich vom lateinischen „lingua materna“ abgeleitet. Bisweilen wird bei Minderheitensprachen zwischen Muttersprache und Erstsprache unterschieden.

Der Psychologe Steven Pinker und der Linguist Noam Chomsky nehmen an, dass der junge Mensch über angeborene Strukturen verfügt (Universalgrammatik), die den Spracherwerb aktiv unterstützen (vgl. Generative Grammatik). Diesen Ansatz erweitert Jerome Bruner um ein elterliches Spracherwerbsunterstützungssystem, das dazu führt, dass Interaktion mit Kleinkindern deren Lernen besonders anregt. Neuere Forschungen zeigen, dass der Spracherwerb auch ohne die Annahme angeborener sprachspezifischer Gehirnstrukturen erklärbar ist (Konnektionismus, Kulturtheorien); der Neocortex zeigt eine hohe Plastizität in den frühen Jahren und das Kind ist in der Regel äußerst anregenden Lernumgebungen über lange Zeit ausgesetzt. Wichtig ist dabei, dass andere Menschen über vergleichbare geistige Strukturen (Absichten, Zwecke) verfügen, die das Kind mit ihnen durch die Sprache teilen kann („Theory of Mind“, Kulturtheorie von Tomasello). Gemeinsames Handeln in größeren Gruppen scheint auch aus evolutionärer Sicht der Anlass zur Ausbildung der Sprache gewesen zu sein (Dunbar).

In den USA, aber auch in anderen Teilen der Welt, ist die Tendenz zu beobachten, jede Person, die über einigermaßen brauchbare Fremdsprachenkenntnisse verfügt, als „bilingual“ beziehungsweise „multilingual“ zu bezeichnen. Sprachenpolitisch kann dies als der Versuch gesehen werden, die tatsächliche Mehrsprachigkeit großer Bevölkerungsgruppen, die neben der Majoritätssprache eine andere Muttersprache sprechen, im Verhältnis zu der als idealisiert aufzufassenden und nur vorgestellten reinen und perfekten Einsprachigkeit aufzuwerten. In Deutschland trifft dies unter anderem auf die Migrantengruppen der Nachkriegszeit zu.

Bilingual im strengeren Sinne heißt, dass die Zweitsprache mit ebenso hoher Kompetenz wie die Muttersprache gesprochen wird.

Erkenntnissen des Neurowissenschaftlichen Instituts in La Jolla zufolge soll die Musik eines Komponisten die Sprachmelodie seiner Muttersprache widerspiegeln. Die Muttersprache prägt nach diesem Forschungsergebnis also auch die Musik eines Landes. Unterscheidet sich etwa die Tonhöhe aufeinanderfolgender Silben in einer bestimmten Sprache stark, dann zeigt auch die Musik ausgeprägte Tonsprünge.

Die Muttersprache bei Volkszählungen

Seit 1840 spielte die Sprache eine zunehmende Rolle in internationalen territorialen Auseinandersetzungen. Natürliche Grenzen seien nicht durch Berge und Flüsse bestimmt, sondern durch die Sprache, Gebräuche, die Erinnerungen und alles, was eine Nation von der anderen unterscheidet.[1] Der Internationale statistische Kongress in St. Petersburg von 1860 bemerkte, dass die Sprache der einzige Aspekt der Nationalität war, der sich zumindest objektiv zahlenmäßig erfassen und in Tabellen darstellen ließ.[2] Es wurde beschlossen, die Frage der Muttersprache in Volkszählungen nicht obligatorisch zu machen, sondern es den einzelnen Regierungen zu überlassen, ob eine solche Frage von "nationaler" Bedeutung sei oder nicht. Der statistische Kongress von 1873 sprach sich hingegen dafür aus, diese Frage künftig in alle Volkszählungen mit aufzunehmen.

In der österreichisch-ungarischen Monarchie war man sich jedoch der möglichen Auswirkungen bewusst. Man ging lange Zeit sehr vorsichtig mit der Sprachenfrage bei Volkszählungen um, da man wusste, dass sich jede Volkszählung zu einem Kampfplatz zwischen den Nationalitäten entwickeln konnte. Das damalige Habsburgerreich war ohnehin ständigen Spannungen zwischen den Nationalitäten ausgesetzt. Man wollte zudem ein Aufkommen einzelner Nationalismen vermeiden.

Die unvermeidbare Frage für Statistiker blieb jedoch: Was sollte genau erfasst werden? Insbesondere der österreichische Statistiker Ficker sprach sich dagegen aus, die Sprache des öffentlichen Lebens zu wählen, die möglicherweise durch die Regierung oder eine Partei der Bevölkerung aufgezwungen worden war. Die erfahrenen Habsburger Statistiker versuchten den ständigen Wandel der Sprache und vor allem die sprachliche Assimilierung zu berücksichtigen, indem sie die Bürger nicht nach deren Muttersprache oder (im Wortsinne) nach deren Sprache fragten, die sie als erste von ihren Müttern gelernt hatten, sondern nach deren "Familiensprache", das heißt, nach der Sprache, deren sich das betreffende Individuum im Familienkreis gewöhnlich bedient. Diese Frage wurde jedoch erst ab 1880 in Volkszählungen angewandt. Volkszählungen zwangen in ihrer Frage nach der Sprache daher zum ersten mal jedermann dazu, nicht nur eine Nationalität, sondern eine sprachliche Nationalität zu wählen.



Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hobsbawm, Eric J. "Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780". (1990) S. 116ff
  2. Brix, Emil. Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation. Die Sprachenstatistik in den zisleithanischen Volkszählungen 1880-1910. (1982)
Wiktionary: Muttersprache – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen